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Oberlandesgericht Brandenburg Beschluss vom 28.02.2022 - 1 OLG 53 Ss OWi 28/22 -

OLG Brandenburg v. 28.02.2022:




Das Oberlandesgericht G Brandenburg (Beschluss vom 28.02.2022 - 1 OLG 53 Ss OWi 28/22) hat entschieden:

   Es ist zulässig, den Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid auf die Höhe der Geldbuße zu beschränken, ohne dem Rechtsmittel gegen ein gleichzeitig angeordnetes Fahrverbot vorzugehen.

Siehe auch
Die Beschränkung des Einspruchs bzw. der Rechtsbeschwerde auf die Rechtsfolgen im Bußgeldverfahren
und
Verfahrensfragen bezüglich der Verhängung von Fahrverboten

Gründe:


I.

Die Zentrale Bußgeldstelle des Zentraldienstes der Polizei des Landes Brandenburg hat mit Bußgeldbescheid vom 15. November 2019 (Az: …) gegen den Betroffenen wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften ein Bußgeld in Höhe von 440,00 € festgesetzt und ein Fahrverbot für die Dauer von zwei Monaten unter Einräumung der Gestaltungsmöglichkeit des § 25 Abs. 2a StVG angeordnet. Dem Betroffenen wird in dem vorgenannten Bußgeldbescheid vorgeworfen, am 18. August 2019 um 10:19 Uhr die BAB 11 bei km 77,8 in Fahrtrichtung Kreutz … mit einer Geschwindigkeit – nach Toleranzabzug – von 181 km/h befahren, mithin die dort in einem Gefahrenbereich bestehende zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h um mindestens 61 km/h, überschritten zu haben.

Auf den form- und fristgerecht eingelegten Einspruch des Betroffenen vom 02. Dezember 2019 hat der Bußgeldrichter des Amtsgerichts Prenzlau mit Verfügung vom 28. April 2020 Termin zur Hauptverhandlung auf den 09. Juli 2020 anberaumt. Das Amtsgericht hat, nachdem der anwesende Betroffene und seine Verteidigerin in der Hauptverhandlung den Einspruch auf die Rechtsfolge der Geldbußenhöhe beschränkt hatten, mit Urteil vom 09. Juli 2020 den Bußgeldbescheid im Wesentlichen bestätigt und lediglich abweichend gegen den Betroffenen eine Geldbuße in Höhe von 300,00 € festgesetzt. Der Urteilstenor wurde als Anlage zum Hauptverhandlungsprotokoll vom 09. Juli 2020 genommen.




Auf die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat der Senat mit Beschluss vom 10. Mai 2021 das Urteil insgesamt aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Prenzlau zurückverwiesen, weil das Gericht das Hauptverhandlungsprotokoll mit dem vollständigen Urteilstenor bereits vor Fertigung der Urteilsgründe gemäß § 41 StPO an die Staatsanwaltschaft zugestellt hatte. Da die Voraussetzungen für eine nachträgliche Begründung des Urteils gemäß § 77b Abs. 2 OWiG nicht vorlagen, war dem Senat eine materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils auf Rechtsfehler nicht möglich, weshalb das Urteil der Aufhebung unterlag.

Im Ergebnis der neuen Hauptverhandlung vom 27. September 2021 erkannte das Amtsgericht Prenzlau mit Urteil vom selben Tage, dass gegen den Betroffenen aufgrund des Bußgeldbescheids der Zentralen Bußgeldstelle des Landes Brandenburg vom 15. November 2019 (Az. 574/19/0161852/3) wegen einer fahrlässig begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit - Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 61 km/h - ein Fahrverbot von 2 Monaten verhängt worden ist mit der Anordnung, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von 4 Monaten seit Eintritt der Rechtskraft. Darüber hinaus hat es den Betroffenen zu einer Geldbuße in Höhe von 300,- € verurteilt.

Das Amtsgericht ist ausweislich der Urteilsgründe wiederholt davon ausgegangen, dass der Betroffene seinen Einspruch in der Hauptverhandlung am 09. Juli 2020 wirksam auf die Rechtsfolge der Geldbußenhöhe beschränkt hatte. Hiernach stand fest, dass der Betroffene am 18. August 2019 um 10:19 Uhr mit einem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen … auf der Bundesautobahn 11 im Bereich des Kilometers 77,8 in Fahrtrichtung Kreutz … aufgrund mangelnder Aufmerksamkeit mit einer Geschwindigkeit von 181 km/h (nach Toleranzabzug) befuhr, obwohl die zulässige Höchstgeschwindigkeit nur 120 km/h betragen habe.

Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde vom 10. November 2021, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt und Verfahrensrügen erhebt. Insbesondere erachtet er die Einspruchsbeschränkung als unwirksam.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Stellungnahme vom 13. Januar 2022 beantragt, die Rechtsbeschwerde mit der Maßgabe als unbegründet zu verwerfen, dass die Verhängung eines Fahrverbotes aufgehoben wird.




II.

Der Senat entscheidet nach Übertragung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 80 a Abs. 3 OWiG in der Besetzung mit drei Richtern.

Die zulässige Rechtsbeschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet.

1. Die vom Senat aufgrund der zulässig erhobenen Sachrüge von Amts wegen durchzuführende Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen ergibt, dass der Betroffene seinen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom 15. November 2019 in der Hauptverhandlung vom 09. Juli 2020 wirksam auf die Höhe der Geldbuße beschränkt hat, so dass die tatsächlichen Feststellungen des Bußgeldbescheids zum Schuldspruch sowie das weiterhin verhängte Fahrverbot von zwei Monaten unter Einräumung der Gestaltungsmöglichkeit des § 25 Abs. 2a StVG in Rechtskraft erwachsen sind.

a) Gemäß § 67 Abs. 2 OWiG kann der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden, sofern der Bußgeldbescheid den gesetzlichen Anforderungen des § 66 Abs. 1 OWiG entspricht. Die Wirksamkeit der Einspruchsbeschränkung setzt zusätzlich voraus, dass der Beschwerdepunkt nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angefochtenen Teil rechtlich und tatsächlich unabhängig beurteilt werden kann, ohne eine Überprüfung im Übrigen erforderlich zu machen, und dass die nach dem Teilrechtsmittel stufenweise entstehende Gesamtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleibt (vgl. BGH, Beschluss vom 09. Oktober 2018 – KRB 10/17 – m.w.N.).




Zwar ist von der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die Beschränkung eines Einspruchs auf die Anordnung eines Fahrverbots wegen der Wechselwirkung von Fahrverbot und Geldbuße unwirksam ist. Eine Beschränkung des Einspruchs auf die Höhe der Geldbuße wird indes für möglich erachtet, denn die der Beschränkung auf die Fahrverbotsanordnung entgegenstehende Wechselwirkung von Geldbuße und Fahrverbot ist bei einer Beschränkung auf die Höhe der Geldbuße gerade nicht gegeben, da eine Herabsetzung der Geldbuße keinen Grund darstellt, ein im Bußgeldbescheid zudem angeordnetes Regelfahrverbot zu verlängern, zu verkürzen oder wegfallen zu lassen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 16. Januar 2012 – III-2 RBs 141/11 –; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02. November 2016 – IV-2 RBs 157/16 –; Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, S. 457, § 19 Rn. 6; ders. in: DAR 2012, 218; Seitz in: Göhler, OWiG, 18. Aufl., 2021, § 67 Rn. 34g m.w.N.; van Endern in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 4, 1. Aufl., § 67 OWiG (Stand: 28.08.2020), Rn. 42; Grube in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., OWiG - Bezüge zum Straßenverkehrsrecht (Stand: 01.12.2021); Krenberger, jurisPR-VerkR 18/2012, jurisPR-VerkR 3/2017). Dieser Rechtsauffassung schließt sich der Senat an.

b) Der Bußgeldbescheid entspricht den gesetzlichen Anforderungen des § 66 Abs. 1 OWiG. Zwar sind ihm keine ausdrücklichen Angaben zur Schuldform zu entnehmen. Dies steht der Wirksamkeit der Einspruchsbeschränkung indes nicht entgegen. Aus dem Umstand, dass der Regelsatz des Bußgeldkatalogs verhängt worden ist, ist vielmehr zu folgern, dass dem Bußgeldbescheid die Annahme einer fahrlässigen Tatbegehung zugrunde liegt (vgl. OLG Hamm, a.a.O.; KG Berlin, Beschlüsse vom 26. August 2020 – 3 Ws (B) 163/20 –, vom 6. November 2019 – 3 Ws (B) 334/19 – und 6. März 2018 – 3 Ws (B) 73/18 –).

c) Mit zutreffenden Erwägungen ist der Bußgeldrichter von einer wirksamen Beschränkung des Einspruchs auf die Höhe der Geldbuße ausgegangen, da diese weder widersprüchlich noch auslegungsbedürftig ist. Die Einspruchsbeschränkung wurde sowohl vom Betroffenen als auch von der Verteidigerin in der Hauptverhandlung erklärt und die entsprechende Protokollierung von beiden nach lautem Vorlesen bestätigt. Insbesondere spricht die Tatsache, dass der Betroffene ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls vom 09. Juli 2020 vor der Einspruchsbeschränkung erklärt hat, er habe die Geschwindigkeitsbeschränkung nicht wahrgenommen, nicht dafür, dass der Betroffene sich auch gegen das verhängte Fahrverbot wenden wollte, denn nicht jedes behauptete Augenblicksversagen führt zwangsläufig zu einem Wegfall des Fahrverbots. Eine derartige Einlassung kann nämlich auch dazu dienen, Einfluss auf die Höhe der Geldbuße zu nehmen, weshalb ein widersprüchliches Verhalten des Betroffenen insoweit nicht erkennbar ist. Dass der Betroffene im Zusammenhang mit der vorgenommenen Einspruchsbeschränkung Erklärungen abgegeben hat, aus denen erkennbar wäre, dass es dem Betroffenen nicht allein um die Reduzierung der im Bußgeldbescheid angeordneten Geldbuße geht, ist weder vorgetragen noch ersichtlich (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 30. Oktober 2017 – 3 Ss OWi 1206/17 –).



Soweit sich in der Hauptverhandlung vom 27. September 2021 Verteidigungsvorbringen gegen die Ordnungsgemäßheit der Messung richtete, war dies nicht geeignet, die Wirksamkeit der zuvor erfolgten Beschränkung des Einspruchs in Zweifel zu ziehen, denn ein einmal wirksam erklärter Rechtsmittelverzicht ist unwiderruflich und unanfechtbar (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Auflage, § 302 Rn. 9 m.w.N.). Nachträgliches Verteidigungsvorbringen in einer weiteren Hauptverhandlung gibt dem Gericht jedenfalls keinen Anlass, die Wirksamkeit einer zuvor als wirksam angesehenen Rechtsmittelbeschränkung einer erneuten Prüfung zu unterziehen.

Der Schuldspruch und die Feststellungen zur Geschwindigkeitsüberschreitung und der Rechtsfolgenausspruch bzgl. des im Bußgeldbescheid verhängten Fahrverbots sind somit in Rechtskraft erwachsen.

2. Die vom Amtsgericht festgesetzte Geldbuße in Höhe von 300,00 € ist nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht hat ausreichende Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen getroffenen. Der Senat war dadurch in der Lage zu prüfen, ob die verhängte Geldbuße unter Berücksichtigung der Kriterien des § 17 Abs. 3 OWiG noch als verhältnismäßig anzusehen ist. Soweit das Amtsgericht unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit und der vorgetragenen Unaufmerksamkeit des Betroffenen zu seinen Gunsten von der Regelbuße in Höhe von 440,00 € abgewichen ist und letztlich eine Geldbuße in Höhe von 300,00 € für angemessen angesehen hat, ist hieran aus Sicht des Senats nichts zu erinnern.

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