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Landgericht Dresden Beschluss vom 11.07.2022 - 15 Qs 32/22 - Keine Fahrzeugbeschlagnahme zwecks späterer Einziehung nach erstmaligem Fahren ohne Fahrerlaubnis

LG Dresden v. 11.07.2022:Keine Fahrzeugbeschlagnahme zwecks späterer Einziehung nach erstmaligem Fahren ohne Fahrerlaubnis




Das Landgericht Dresden (Beschluss vom 11.07.2022 - 15 Qs 32/22) hat entschieden:

   Die Einziehung des Tatfahrzeugs kann unverhältnismäßig sein, wenn der Unrechtsgehalt der Tat und die Täterschuld so gering sind, dass demgegenüber der Entzug des Eigentums eine unangemessene Härte und damit ein inadäquates Übel bedeuten würde, wobei sich jede formale Betrachtung verbietet.

Siehe auch
Beschlagnahme und Sicherstellung von Fahrzeugen in den verschiedenen Verfahrensarten
und
Fahren ohne Fahrerlaubnis

Gründe:


I.

Mit dem angegriffenen Beschluss hat das Amtsgericht Dresden den BMW 735i, amtliches Kennzeichen pp. nebst Zulassungsbescheinigung und Fahrzeugschlüssel beschlag-nahmt, weil gegen den Beschuldigten und Beschwerdeführer der Verdacht des vorsätzlichen Fahrens trotz Fahrverbots besteht.

Der Beschwerdeführer soll am 20.02.2022 gegen 22:48 Uhr mit dem beschlagnahmten PKW auf der Altenberger Straße in 01277 Dresden gefahren sein, obwohl gegen ihn ein Fahrverbot bestand. Auf Grund des Bußgeldbescheides vom 08.07.2021, Aktenzeichen: 674/21/0021387/8, der zentralen Bußgeldbehörde des Landes Brandenburg in Gransee soll ein zweimonatiges Fahrverbot wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gegen den Beschuldigten verhängt worden sein, das zur Tatzeit und noch bis zum 21.03.2022 wirksam gewesen sein soll.




Mit Verteidigerschriftsatz vom 05.05.2022 legte der Beschuldigte gegen die Beschlagnahme Beschwerde ein. Mit Beschluss vom 30.05.2022 half das Amtsgericht der Beschwerde nicht ab, dies vor allem „unter Beachtung der völligen Sinnfreiheit der Ausführungen des Beschuldigten, Blatt 45″ der Akte, sowie dessen Verhaltens bei der Wohnungsdurchsuchung am 22.01.2022 zur Beschlagnahme des Führerscheins. Sein Verhalten lasse ernsthafte Zweifel an der Geeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen aufkommen.

Mit weiterem Schriftsatz vom 08.06.2022 begründete der Beschwerdeführer über seinen Verteidiger die Beschwerde dahingehend, dass er nicht Eigentümer des beschlagnahmten PKW.

sei, sondern seine Mutter pp. Mit einer Einziehung des beschlagnahmten PKW sei auch im Falle einer Verurteilung nicht zu rechnen, da sie nicht verhältnismäßig sei. Zudem strebe er eine Wiederaufnahme des dem Fahrverbot zu Grunde liegenden Bußgeldverfahrens an, da er das Fahrzeug damals nicht gefahren habe. Eine Stellungnahme der Staats-anwaltschaft zur Beschwerdebegründung ist trotz Aufforderung durch das Gericht nicht erfolgt.




II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Beschuldigte ist nach Lage der Akten des ihm zur Last gelegten Vergehens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäߧ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG derzeit hinreichend verdächtig. Dabei kann die Kammer offenlassen, ob der beschlagnahmte PKW tauglicher Gegenstand einer Einziehung wäre, weil die Beschlagnahme jedenfalls zwischenzeitlich nicht mehr verhältnismäßig ist.

Denn unverhältnismäßig kann die Einziehung sein, wenn der Unrechtsgehalt der Tat und die Täterschuld so gering sind, dass demgegenüber der Entzug des Eigentums eine unangemessene Härte und damit ein inadäquates Übel bedeuten würde (statt aller OLG Nürnberg NJW 2006, 3448, 3449), wobei sich jede formale Betrachtung verbietet.


Zumindest ausweislich des Auszugs aus dem Bundeszentralregister vom 07.06.2022 ist der Beschwerdeführer nicht vorbestraft. Nach dem Auszug aus dem Fahreignungsregister vom 07.06.2022 ist der Beschwerdeführer bisher moderat verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten. Einschließlich der Geschwindigkeitsübertretung, die zum hier betroffenen Fahrverbot führte, sind vier Eintragungen ersichtlich, wobei die übrigen drei Eintragungen in der Geldbuße 100 Euro jeweils nicht überstiegen und keine Geschwindigkeitsübertretung betrafen. Zu berücksichtigen ist weiter, wie die Verteidigung zutreffend ausführt, dass es sich lediglich um die An-ordnung eines Fahrverbotes gehandelt hat. Insoweit dürfte in derartigen Konstellationen die Abwägung derzeit eher zu Gunsten des bisher noch nicht in Erscheinung getretenen Beschwerdeführers ausfallen.

Auch andere Gründe rechtfertigen die Beschlagnahme nicht. Das Fahrzeug wurde nämlich nach Lage der Akten nicht unmittelbar bei der sich anschließenden Widerstandshandlung, beispielsweise als gefährliches Werkzeug eingesetzt.

Die in den Mitteilungen, E-Mails und Beschwerden an die Polizei getätigten und in Wortwahl und Sprachgebrauch eher eigenwilligen Äußerungen und Vorwürfe des Beschwerdeführers dienen dagegen seiner eigenen Rechtsdurchsetzung und auch seiner Verteidigung im vorliegenden Verfahren. Es handelt sich im Wesentlichen um rechtliche Bewertungen der Ereignisse seitens des Beschwerdeführers aus seiner Sicht. Aus deren sehr wahrscheinlich fehlenden Schlüssigkeit oder Überzeugungskraft kann nach Auffassung der Kammer zumindest nicht auf die Geeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden.



Der Beschluss des Amtsgerichts war daher aufzuheben. Die Herausgabe des Fahrzeugs war anzuordnen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des§ 467 Abs. 1 StPO.

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