Das Verkehrslexikon

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BGH Urteil vom 23.11.1983 - 3 StR 256/83 (S) - Zur verfassungsgemäßen Auslegung der §§ 105 StGB und § 240 StGB

BGH v. 23.11.1983: Zur verfassungsgemäßen Auslegung der §§ 105 StGB und § 240 StGB




Der BGH (Urteil vom 23.11.1983 - 3 StR 256/83 (S)) hat entschieden:

  1.  Soll die Regierung eines Landes durch Gewalttätigkeiten gegen Dritte oder Sachen zur Erfüllung bestimmter politischer Forderungen genötigt werden, so sind diese Ausschreitungen nur dann Gewalt gegenüber einem Verfassungsorgan im Sinne des § 105 StGB, wenn der von ihnen ausgehende Druck einen solchen Grad erreicht, daß sich eine verantwortungsbewusste Regierung zur Kapitulation vor der Forderung der Gewalttäter gezwungen sehen kann, um schwerwiegende Schäden für das Gemeinwesen oder einzelne Bürger abzuwenden.

  2.  Zu dem Verhältnis des § 105 StGB zu § 240 StGB.

  3.  Auch wer sich nicht am Ort der Ausschreitungen aufhält, kann Täter eines Landfriedensbruchs sein, wenn ihm die Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen nach allgemeinen Grundsätzen als eigene Tat zuzurechnen sind.


Siehe auch
Blockade-Aktionen / Protestblockaden / Sitzblockaden
und
Nötigung im Straßenverkehr

Aus deb Gründen:


I.

Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Nötigung der Regierung eines Landes (§§ 105, 22 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Dem liegen folgende Feststellungen zugrunde:

Die Betreiberin des Frankfurter Flughafens will ihr Betriebsgelände um eine zusätzliche Startbahn (Startbahn West) erweitern. Nach dem von ihr erwirkten rechtskräftigen Planfeststellungsbeschluss soll die neue Startbahn ein großes Waldgebiet durchschneiden. Der Ausbau des Flughafens stieß bei Teilen der Bevölkerung auf erheblichen Widerstand. Ziel der von Gegnern des Ausbaus gebildeten "Bürgerinitiative gegen die Flughafenerweiterung Frankfurt Rhein-Main" war die Verhinderung des Startbahnbaus durch "aktiven und gewaltfreien Widerstand" oder "aktive Präsenz am Orte der Umweltzerstörung". Am 30. Mai 1981 gründeten die Bürgerinitiative und mehrere Vereine die "Arbeitsgemeinschaft Volksbegehren und Volksentscheid Keine Startbahn West". Der Angeklagte wurde zu einem der drei Vertrauensmänner der Arbeitsgemeinschaft gewählt. Am 14. November 1981 übergab er dem Landeswahlleiter während einer friedlich verlaufenden Großdemonstration in Wiesbaden, an der mindestens 100.000 Menschen teilnahmen, einen den formellen Vorschriften des Hessischen Gesetzes über Volksbegehren und Volksentscheid entsprechenden Antrag auf Zulassung des Volksbegehrens nebst 220.765 Unterschriften zur Unterstützung des Volksbegehrens.

In seinem Hauptreferat vor den Versammlungsteilnehmern erklärte der Angeklagte u.a.:

   "Die politische Lösung, die wir anstreben, bedeutet: sofortige Zulassung unseres Volksbegehrens und sofortige Herstellung unseres Moratoriums. Unsere Moratoriumsforderungen sind eindeutig. Sie lauten: 1. Sofortige Einstellung aller Rodungsmaßnahmen und aller Baumaßnahmen im Mönchbruchwald! 2. Sofortiger Abzug der Polizeiarmada aus unserem schönen Wald! ... Die Schandmauer im Mönchbruchwald muss sofort beseitigt werden! ... Wir haben schon vor vier Tagen - und ich wiederhole es an dieser Stelle - der Hessischen Landesregierung eine Frist gesetzt. ... Morgen 12.30 Uhr - 24 Stunden nach der Überreichung unseres Volksbegehrensantrags - läuft eine Frist ab, eine Frist, von der wir erwarten, daß innerhalb dieser 24 Stunden uns die Hessische Landesregierung ein befriedigendes und vor allem verbindliches Friedensangebot macht."




Nachdem zwei weitere Redner gesprochen hatten, trat der Angeklagte ein zweites Mal ans Mikrophon und sagte u.a.:

   "Liebe Leute, ich habe euch vorhin in meinem Referat gesagt, daß wir der Landesregierung bis morgen 12.30 Uhr ... eine Frist setzen, bis zu der wir ein befriedigendes Angebot erwarten, wie ihr Vorschlag zur Herstellung des Moratoriums ist. Wir gehen jetzt davon aus, daß wir mit Sicherheit bis morgen zu dem angegebenen Zeitpunkt ein befriedigendes Angebot nicht haben werden. Und deshalb wollen wir alle - und ich möchte euch hierzu aufrufen, das ist unsere erste Aktion am morgigen Tage - dem Frankfurter Flughafen einen Besuch abstatten. ... Das Ziel unserer morgigen Aktion ist: Es muß vollständig gewaltfrei ablaufen, vollständig gewaltfrei! Aber ab 12.30 - 22 Uhr muß Rhein-Main zu sein. Das Ziel unserer Aktion ist: Ab 12.30 Uhr ist der Flughafen dicht."

An demselben Abend äußerte sich der Angeklagte in ähnlicher Weise in der Sendung "Heute" des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF).




Infolge seines Aufrufs begaben sich am nächsten Morgen mehrere Tausend Startbahngegner zum Flughafen Frankfurt/Main. Es kam zu langandauernden, schweren gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Der Flughafen sowie der Zu- und Abgangsverkehr waren von den Mittagsstunden bis in den Abend fast völlig blockiert. Zwar gelang es allen Fluggästen, die das Terminal zu Fuß erreichten, wenn auch teilweise unter Inkaufnahme von Rempeleien, ins Gebäude und zu ihren Maschinen zu kommen. Eine Anfahrt war jedoch weder mit Privatwagen noch mit öffentlichen Verkehrsmitteln möglich. Die Startbahngegner hatten Barrikaden errichtet, die sie mit Knüppeln und Steinwürfen gegen die zur Räumung eingesetzten, auch aus anderen Bundesländern herangezogenen Polizeikräfte verteidigten und zum Teil anzündeten. Ein Polizeibeamter wurde infolge eines Steinwurfs an den helmgeschützten Kopf kurze Zeit bewußtlos; ein anderer erlitt einen offenen Handgelenksbruch; mehrere Beamte wurden leicht verletzt. Von der Sperrung und den Umleitungen waren mindestens 120.000 Menschen betroffen. Allein im Bereich des Terminals entstanden Sachschäden in Höhe von über 83.000 DM.

Der Angeklagte war selbst nicht am Tatort anwesend, hat aber bereits bei seinen Aufrufen mit einem wesentlichen Teil der später begangenen Gewalttätigkeiten gerechnet. Da er wußte, daß die bisherigen Demonstrationen ohne erkennbare Wirkung auf die Landesregierung geblieben waren, wollte er zu einer Aktion auffordern, die in ihren Auswirkungen insbesondere auf Unbeteiligte eine neue Dimension erreichen sollte.

Das Oberlandesgericht hat das Verhalten des Angeklagten als versuchte Nötigung von Verfassungsorganen (§§ 105, 22 StGB) und Landfriedensbruch in einem besonders schweren Fall (§§ 125, 125a StGB) gewertet. Es hat ihn jedoch nicht wegen Landfriedensbruchs verurteilt, weil es die Auffassung vertreten hat, daß dieses Vergehen auch bei Annahme eines besonders schweren Falles als subsidiär hinter dem versuchten Verbrechen der Nötigung von Verfassungsorganen zurücktrete.




II. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg.

1. Diese ist begründet, soweit der Angeklagte wegen versuchter Nötigung von Verfassungsorganen (§§ 105, 22 StGB) verurteilt worden ist.

Das Oberlandesgericht sieht die Androhung von Gewalt gegenüber der Hessischen Landesregierung in den beiden Reden, die der Angeklagte auf der öffentlichen Kundgebung der Arbeitsgemeinschaft "Volksbegehren und Volksentscheid Keine Startbahn West" am 14. November 1981 in Wiesbaden gehalten hat, und die Anwendung von Gewalt in der dem Angeklagten zurechenbaren Blockade des Frankfurter Flughafens am 15. November 1981. Der Flughafenblockade kam aber weder in der Form, in der sie angekündigt, noch in der Form, in der sie dem Angeklagten zurechenbar vollzogen wurde, die Zwangswirkung zu, die erforderlich ist, um sie im Sinne des § 105 StGB als Gewalt gegenüber einer Landesregierung werten zu können.

a) Darauf, ob Gewalt im Sinne des Staatsschutzstrafrechts die Überwindung eines Widerstands durch Entfaltung körperlicher Kraft voraussetzt (so z.B. Rudolphi in SK - Stand Mai 1983 - § 105 Rn. 5 f.; Schwalm in LK 9. Aufl. § 105 Rn. 10 f.; Geilen, Der Tatbestand der Parlamentsnötigung, 1956 S. 87 ff.; Keller, Strafrechtlicher Gewaltbegriff und Staatsgewalt, 1982 S. 277, 280) oder ob es ausreicht, daß die Mitglieder des zu nötigenden Verfassungsorgans die nachteiligen Folgen des Nötigungsmittels als einen einer körperlichen Kraftentfaltung vergleichbaren, auf sie persönlich ausgeübten Zwang empfinden (BGHSt 8, 102 [104 f.] für den Fall des Generalstreiks; offengelassen in BGH NStZ 1981, 218), kommt es hier nicht an. Denn der Angeklagte hat physische Gewalt angekündigt und - durch andere - angewendet. Er hatte nach den Feststellungen nicht nur die Absicht, die Zu- und Abgänge des Flughafens durch die bloße Anwesenheit Tausender Startbahngegner zu blockieren. Er hat auch "um des Ziels einer wirksamen Blockade des Rhein-Main-Flughafens und darüber hinaus des nachhaltigen Drucks auf die Hessische Landesregierung willen billigend in Kauf genommen", daß von den Anwesenden Gewalttätigkeiten begangen wurden. Abreisewillige Passanten wurden durch Anrempeleien behindert, Straßen im Flughafenbereich durch z.T. angezündete Barrikaden gesperrt, gegen deren Beseitigung tätlicher Widerstand geleistet, Polizisten, die die Zugänge frei machen wollten, mit Steinen und Knüppeln angegriffen. Jedenfalls diese nach den tatrichterlichen Feststellungen dem Angeklagten zurechenbaren Tumulte und Gewalttätigkeiten, welche den Vollzug der Flughafenblockade in dem vom Angeklagten angegebenen Zeitraum sichern sollten, sind Ausübung physischer Gewalt.

b) Für den Tatbestand des § 105 StGB reicht es jedoch nicht aus, daß der Täter irgendeine mit körperlichen Einwirkungen verbundene Gewalt androht oder anwendet, um das Verfassungsorgan zu dem erstrebten Handeln zu veranlassen. Der Bundesgerichtshof hat schon in BGHSt 23, 46 darauf hingewiesen, daß ein Urteil darüber, ob ein tatsächlicher Vorgang als Gewalt im Sinne eines bestimmten strafrechtlichen Tatbestandes anzusehen ist, sich nicht einfach dadurch gewinnen läßt, daß dieser Vorgang an einer abstrakten Umschreibung des Gewaltbegriffs gemessen wird. Solch isolierte Betrachtung wäre verfehlt; der Vorgang ist vielmehr im Zusammenhang mit dem vom Tatbestand vorausgesetzten Ziel des Handelns und in seinem Verhältnis zu den Personen zu beurteilen, die betroffen oder beeinflußt werden sollen (BGH a.a.O. S. 49). Für den Anwendungsbereich des § 105 StGB bedeutet dies: Will der Täter - wie hier - das Verfassungsorgan dadurch nötigen, daß er Gewalt nicht unmittelbar gegenüber dem Verfassungsorgan, sondern gegenüber Dritten und Sachen ausübt, so ist sie tatbestandsmäßig nur dann, wenn der hiervon auf das Verfassungsorgan ausgehende Druck unter Berücksichtigung sämtlicher die Nötigungslage kennzeichnender Umstände geeignet erscheint, den dem Täterverlangen entgegenstehenden Willen des Verfassungsorgans zu beugen (vgl. Willms in LK 10. Aufl. § 105 Rn. 8).

c) Was zur Nötigung von Verfassungsorganen geeignete Gewalt ist, ist in Anlehnung an den Gewaltbegriff im Tatbestand des Hochverrats zu bestimmen. Dies ergibt sich aus der besonderen Schutzrichtung und Funktion des § 105 StGB im System des Staatsschutzstrafrechts, wie sie auch in der Entstehungsgeschichte ihren Niederschlag gefunden haben.




Die durch die Strafvorschriften gegen Hochverrat und gegen Nötigung von Verfassungsorganen geschützten Rechtsgüter sind eng miteinander verwandt. Hochverrat liegt vor, wenn das betreffende Verfassungsorgan vollständig, sei es auch nur vorübergehend, Nötigung eines Verfassungsorgans, wenn dessen freie Entscheidungsmöglichkeit im Einzelfall ausgeschaltet werden soll (BGH, Urt. vom 5. Mai 1954 - 6 StR 42/54, teilweise abgedruckt bei Geilen a.a.O. S. 64; Dreher/Tröndle, StGB 41. Aufl. 81 Rn. 7, § 105 Rn. 3). In beiden Fällen kommt als Mittel der Tat lediglich Gewalt oder Drohung mit Gewalt in Betracht. Die beim Tatbestand der Nötigung des Bundespräsidenten und von Mitgliedern eines Verfassungsorgans sowie beim allgemeinen Nötigungstatbestand ausreichende Drohung mit einem empfindlichen Übel (§§ 106, 240 StGB) genügt nicht.

Bis zum Inkrafttreten des Achten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 25. Juni 1968 (BGBl. I 741) schützte § 105 StGB nicht die Regierungen, sondern nur die Gesetzgebungsorgane des Bundes und der Länder. Bestraft wurde, wer es unternahm, sie auseinander zu sprengen, zur Fassung oder Unterlassung von Beschlüssen zu nötigen oder Mitglieder aus ihnen gewaltsam zu entfernen. Auf Anregung des Sonderausschusses des Deutschen Bundestages für die Strafrechtsreform (vgl. Prot. 5. Wahlperiode S. 712 f.) wurde eine Neufassung des § 105 StGB beschlossen, die andere Verfassungsorgane in dessen Schutzbereich einbezog. Sie wurde auch hinsichtlich der Nötigungsmittel dem Tatbestand des § 395 Entw. 1962 über die Nötigung eines Verfassungsorgans angeglichen (Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses, BTDrucks. V/2860 S. 25 f.). Dieser war im Entwurf 1962 u.a. wie folgt begründet worden (BTDrucks. IV/650 S.584): "Die Verfassungsorgane stehen mitten im politischen Leben und sind den Strömungen, Kräften und Gegenkräften, die das politische Geschehen bestimmen, ausgesetzt. Auf sie wirken daher zumindest mittelbar auch die Machtmittel der verschiedensten Art ein, die in den politischen Auseinandersetzungen von den widerstreitenden Gruppen eingesetzt werden. ... Es empfiehlt sich ... nicht, den Kreis der Nötigungsmittel ... zu erweitern, wie sie der Grundtatbestand der Nötigung ... vorsieht. Dann würde letztlich die schwierige und im Kern politische Frage, unter welchen Voraussetzungen politische Kampfmaßnahmen verwerflich sind, der Rechtsprechung überbürdet. Der Begriff der Gewalt ist hier, da der Tatbestand nicht dem Schutz individuell bestimmter Personen, sondern dem Schutz von Organen und Einrichtungen des Staates dient, nicht im Sinne von § 11 Abs. 2" - eine Sondervorschrift, die Auslegungskriterien für Gewalt im Sinne des Strafgesetzbuches enthielt - "zu verstehen, sondern ist gleichbedeutend mit dem Merkmal der Gewalt im Tatbestand des Hochverrats."

In den Beratungen des Sonderausschusses hat der Regierungsvertreter ausdrücklich auf diesen besonderen Gewaltbegriff hingewiesen (Schafheutle, 39. Sitzung 5. Wahlperiode Prot. S. 747). Der Ausschuß ging hierbei von den in BGHSt 8, 102 ff. aufgestellten Grundsätzen aus, die ihm eher zu weit als zu eng erschienen (vgl. a.a.O. S. 747 f.). In dieser Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof örtlich begrenzte oder nur einen bestimmten, nicht lebenswichtigen Industrie- oder Berufszweig betreffende Kampfmaßnahmen (Streiks, Demonstrationen) regelmäßig nicht als Gewalt im Sinne des Hochverrats angesehen, und zwar auch dann nicht, wenn dadurch Verfassungsorgane des Bundes zu einem bestimmten Verhalten veranlaßt werden sollten (BGH a.a.O. S. 104). In Anlehnung hieran führt der Sonderausschuß in seinem Schriftlichen Bericht mit Bezug auch auf den Gewaltbegriff in § 105 unter anderem aus: "Das Vorliegen von Gewalt in einem solchen" (nicht sozialadäquaten, politischen) "Streikfall ist nur dann zu bejahen, wenn die Auswirkungen des Streiks der Anwendung physischer Gewalt gleichkommen, so z.B. wenn durch Lahmlegung der gesamten Lebensmittel-, Wasser- oder Energieversorgung das physische Leben der Bevölkerung gefährdet ist. Diese Voraussetzung ist nach Meinung einer Mehrheit des Ausschusses nicht gegeben, wenn etwa die Versorgung der Bevölkerung durch Einsatz eines technischen Notdienstes trotz des Streiks aufrechterhalten werden kann" (BTDrucks. V/2860 S. 3).

Der Wille des Gesetzgebers ging also dahin, in § 105 StGB die Schwelle zur Annahme von Gewalt gegenüber einem kollegialen Verfassungsorgan höher als in den dem Individualrechtsschutz dienenden Strafbestimmungen anzusetzen und hierfür eine den Hochverratstatbeständen entsprechende Zwangswirkung zu fordern. Mit Recht sieht daher Willms (a.a.O. Rn. 1) das Kennzeichnende dieses Verbrechens in seiner Verwandtschaft zum Hochverrat (ähnlich Geilen a.a.O. S. 86/87 für die alte Fassung).

d) Den Maßstab, der danach an die Prüfung anzulegen ist, ob die von der Flughafenblockade ausgehende Zwangswirkung geeignet war, die Hessische Landesregierung zu dem geforderten Moratorium zu veranlassen, hat das Oberlandesgericht verkannt.

aa) Soweit es das tatbestandserhebliche Ausmaß der vom Angeklagten zu verantwortenden Aktionen auch daraus herleitet, daß die hessischen Polizeikräfte trotz Verstärkung aus anderen Bundesländern nicht ausreichten, um mit Erfolg gegen die Störer vorzugehen, beachtet es nicht, daß dem Angeklagten die Blockaden auf der Autobahn A 5, die zeitweise auf allen vier Fahrbahnen gesperrt war, die Blockaden der B 43 und B 44 in der Gemarkung Neu-Isenburg und der A 3 im Bereich des Mönchhofdreiecks nach seinen eigenen Feststellungen ebenso wenig zuzurechnen sind wie die "an Intensität und Feindseligkeit alle bisherigen Erfahrungen übertreffenden Auseinandersetzungen am Startbahngelände". Den hiermit zusammenhängenden Polizeieinsatz hätte das Oberlandesgericht daher nicht berücksichtigen dürfen, ganz abgesehen davon, daß bei Großdemonstrationen die Heranziehung von Polizeikräften aus benachbarten Bundesländern nicht ungewöhnlich und daher in diesem Zusammenhang wenig aussagefähig ist.

bb) Rechtlich unzutreffend ist es auch, schon dem Umstand, daß die Aktionen der Startbahngegner "als Landfriedensbruch im Sinne des § 125 Abs. 1, 1. Alternative StGB zu qualifizieren sind", "ein besonderes Gewicht als Zwangswirkung im Sinne des § 105 StGB" zu entnehmen, ohne dabei näher zu prüfen, inwieweit und warum diese Art des Vorgehens gerade gegenüber der von den Ausschreitungen in Frankfurt nicht unmittelbar betroffenen Landesregierung in Wiesbaden eine besondere Zwangswirkung auszuüben geeignet war. Eine damit verbundene Störung der öffentlichen Sicherheit läßt nur unter den nachfolgend unter cc) dargelegten Voraussetzungen einen Schluß auf eine solche Zwangswirkung zu. In anderen Fällen ermöglichen die §§ 125, 125a StGB, die Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahren vorsehen, eine angemessene Ahndung.

cc) Rechtlichen Bedenken begegnet es ferner, wenn das Oberlandesgericht aus dem begrenzten Ziel der Aktion, einem Moratorium, und der entsprechend begrenzten Folge eines Nachgebens der Landesregierung, nämlich einer nur wenige Wochen, allenfalls Monate dauernden Verzögerung des Baus der Startbahn West, auf eine erhöhte Eignung der Zwangswirkung deswegen schließt, weil die Hessische Landesregierung bei einer Güterabwägung eher dazu bereit sein könnte, diesen nicht sehr gravierenden Nachteil in Kauf zu nehmen und sich für das Moratorium zu entscheiden.

Die Frage, ob das angedrohte oder eingesetzte Nötigungsmittel eine den Hochverratstatbeständen entsprechende Zwangswirkung erreichen konnte und daher im Sinne des § 105 StGB geeignet war, den Willen eines kollegialen Verfassungsorgans zu beugen, darf nicht nur nach den jeweiligen tatsächlichen Gegebenheiten beantwortet werden. So darf sie nicht etwa schon deswegen bejaht werden, weil die amtierende Regierung Druck ohnehin keinen angemessenen Widerstand entgegensetzt oder den gebotenen Widerstand aufgibt, weil ihr das Nötigungsziel relativ belanglos erscheint. Maßgebend ist vielmehr eine die Pflichtenstellung des Verfassungsorgans einbeziehende Bewertung der Zwangseignung.

Schon für den allgemeinen Nötigungstatbestand hat der Bundesgerichtshof hervorgehoben, daß die Eignung des Nötigungsmittels, den Bedrohten im Sinne des Täterverlangens zu motivieren, nicht nur faktische, sondern normative Tatbestandsvoraussetzung ist (BGHSt 31, 195 [201]); sie entfällt, wenn von dem Bedrohten in seiner Lage erwartet werden kann, daß er der Bedrohung in besonnener Selbstbehauptung standhält (BGH a.a.O.). Beim Verbrechenstatbestand der Nötigung kollegialer Verfassungsorgane kann auf eine solch normative Bewertung des Nötigungsmittels erst recht nicht verzichtet werden. Die Zwangswirkung der Gewalt oder der Drohung mit Gewalt entfällt daher, wenn und soweit von den in § 105 StGB genannten Verfassungsorganen aufgrund ihrer besonderen Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit erwartet werden kann und muß, daß sie auch im Rahmen heftiger politischer Auseinandersetzungen Drucksituationen standhalten. Soll die Regierung eines Landes durch Gewalttätigkeiten gegen Dritte oder Sachen zur Erfüllung bestimmter politischer Forderungen genötigt werden, so sind diese Ausschreitungen somit nur dann Gewalt im Sinne des § 105 StGB, wenn der von ihnen ausgehende Druck einen solchen Grad erreicht, daß sich eine verantwortungsbewußte Regierung zur Kapitulation vor der Forderung der Gewalttäter gezwungen sehen kann, um schwer-wiegende Schäden für das Gemeinwesen oder einzelne Bürger abzuwenden.

Die normativen Elemente der Zwangseignung machen die Frage, ob im Einzelfall Gewalt mit einer von § 105 StGB erfaßten Zwangswirkung angedroht oder verübt worden ist, zu einer Rechtsfrage, die der Überprüfung durch das Revisionsgericht zugänglich ist. Diese führt hier dazu, - anders als in den vom Senat entschiedenen Fällen der Schleyer-Entführung und des Sprengstoffanschlags auf die Deutsche Botschaft in Stockholm [3 StR 307/82 (S) und 3 StR 24/78 (S)] - eine solche Zwangseignung zu verneinen.




Die Feststellungen des angefochtenen Urteils ergeben nicht, daß die vom Angeklagten gewollte örtlich und zeitlich begrenzte 9 1/2 stündige Blockierung der Zugänge zum Frankfurter Flughafen die lebenswichtige Versorgung der Bevölkerung oder die nationalen oder internationalen Verkehrsmöglichkeiten wesentlich beeinträchtigt hat, zumal das Landen und Starten der Flugzeuge ersichtlich nicht behindert wurde. Die Sperrungen der Landstraßen und Autobahnen außerhalb des Flughafenbereichs müssen, da vom Vorsatz des Angeklagten nicht umfaßt, ohnehin außer Betracht bleiben. Mit dem mehrstündigen Ausfall eines zentralen Verkehrsflughafens muß auch sonst, z.B. wegen Nebels oder rechtmäßiger Streiks, gerechnet werden. Wenn nicht besondere - hier nicht erkennbare Umstände vorliegen, kann ein solcher zeitlich begrenzter Ausfall ohne schwerwiegende Nachteile für das der Regierung anvertraute allgemeine Wohl bewältigt werden. Er war daher bei wertender, die realen Kräfteverhältnisse berücksichtigender Betrachtung nicht geeignet, das hessische Kabinett zu zwingen, seine erst vier Tage zuvor nach Beratung mit den Koalitionsfraktionen und dem Bundesverkehrsminister getroffene und öffentlich bekanntgemachte Entscheidung über die Ablehnung des Moratoriums rückgängig zu machen und die Forderungen des Angeklagten zu erfüllen. Die Landesregierung hätte damit ihre eigene Glaubwürdigkeit und das Vertrauen der Bürger in die Standfestigkeit demokratischer Institutionen gegenüber organisierter Gewalttätigkeit aufs Spiel gesetzt.

Das Oberlandesgericht konnte nicht feststellen, daß der Angeklagte eine Wiederholung der Flughafenblockade oder andere bestimmte, von seinem Willen abhängige Gewalthandlungen konkret angedroht hat. Der Senat kann daher offen lassen, wie zu entscheiden wäre, wenn solche Gewalthandlungen bis zum Einlenken der Regierung hätten fortgesetzt werden sollen.

Die Verurteilung wegen versuchter Nötigung eines Verfassungsorgans nach den §§ 105, 22 StGB muß nach alledem entfallen.

2. Der Angeklagte hat sich auch nicht wegen Versuchs einer Nötigung der Landesregierung nach § 240 StGB strafbar gemacht. Dies hat das Oberlandesgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht geprüft, weil es bereits einen Versuch nach § 105 StGB bejaht hat.

Soll ein in § 105 StGB genanntes Verfassungsorgan genötigt werden, so schließt diese Strafbestimmung als Sondervorschrift die Anwendbarkeit des § 240 StGB auch dann aus, wenn das Nötigungsmittel zwar nicht den Tatbestand des § 105 StGB, aber den des § 240 StGB erfüllt. Denn der Gesetzgeber wollte die Entscheidung über die Strafbarkeit derartiger Nötigungsversuche wegen der schwierigen und letztlich politischen Frage, unter welchen Voraussetzungen politische Kampfmaßnahmen gegen solche Verfassungsorgane im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB verwerflich sind, nicht der Rechtsprechung aufbürden, selbst wenn die Anwendung des den Anforderungen des § 105 StGB nicht entsprechenden Nötigungsmittels im Einzelfall strafwürdig erscheint (vgl. die oben unter 1 c) erwähnte Begründung zu § 395 Entw. 1962). Wegen dieser beabsichtigten Sonderregelung ist ein Rückgriff auf § 240 StGB ausgeschlossen.

Ob etwas anderes dann gilt, wenn das Verhalten, zu dem das Verfassungsorgan genötigt werden soll, nicht als Ausübung von Befugnissen im Sinne des § 105 StGB anzusehen ist (so Willms a.a.O. § 105 Rn. 3; Dreher/Tröndle a.a.O. § 105 Rn. 3), kann offen bleiben. Denn der vom Angeklagten erstrebte Nötigungserfolg sollte durch Ausübung von Befugnissen im Sinne des § 105 StGB erreicht werden. Allerdings war die Hessische Landesregierung nicht selbst befugt, einen Baustopp anzuordnen, weil die den Flughafenausbau betreibende Flughafen-AG sich im Besitz vollziehbarer, auf einem rechtskräftigen Planfeststellungsbeschluss beruhender Erlaubnisse befand. Zutreffend weist das Oberlandesgericht aber darauf hin, daß es wenigstens mittelbar in der Macht der Hessischen Landesregierung stand, auf die vom Angeklagten formulierten Forderungen der Bürgerinitiative einzugehen. Das genügt unter den hier vorliegenden Umständen. § 105 StGB betrifft die Beeinflussung des Verhaltens des Verfassungsorgans bei der Erfüllung seiner Aufgaben (vgl. Willms a.a.O.; Lackner, StGB 15. Aufl. § 105 Anm. 2b; Eser in Schönke/Schröder, StGB 21. Aufl. § 105 Rn. 9). Der Aufgabenbereich einer Regierung umfasst über den bloßen Normvollzug hinaus schöpferische Initiative und gestaltende Tätigkeit in den das Land berührenden bedeutsamen politischen Angelegenheiten (vgl. Groß in Zinn/Stein, Verfassung des Landes Hessen - Stand Dezember 1979 - Art. 100 Rn. 2; Herzog in Maunz /Dürig/ Herzog/ Scholz, Grundgesetz - Stand April 1983 - Art. 62 Rn. 57). Auf ein solches Verhalten war die Forderung des Angeklagten gerichtet. Die von ihm erstrebte Rückgängigmachung des Beschlusses der Landesregierung vom 10. November 1981, durch den die Moratoriumsforderung abgelehnt worden war, und die Durchführung eines von ihm verlangten neuen Kabinettsbeschlusses, auf einen Baustopp hinzuwirken, wären daher Ausübung der Hessischen Landesregierung zustehender Befugnisse gewesen (vgl. auch RG DR 1942, 1757: Nötigung zu einer Amtshandlung im Sinne des § 114 StGB a.F., obwohl der genötigte Minister das Nötigungsziel erst durch Einschaltung anderer seinem Geschäftsbereich nicht angehörender Stellen erreichen konnte).




3. Die Angriffe der Revision gegen die Auffassung des Oberlandesgerichts, der Angeklagte habe einen Landfriedensbruch nach § 125 StGB begangen, obwohl er an den Ausschreitungen am 15. November 1981 nicht selbst teilgenommen habe, sind im Ergebnis unbegründet.

a) Auch wer sich nicht am Ort der Ausschreitungen aufhält, kann Täter eines Landfriedensbruchs sein, sofern ihm die Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen nach allgemeinen Grundsätzen als eigene Tat zuzurechnen sind.

Für § 125 StGB a.F. war in der Rechtsprechung allerdings anerkannt, daß geistige Anführer, Befehlsgeber oder Organisatoren nur dann Landfriedensbruch begehen können, wenn sie sich der gewalttätigen Menge körperlich, d.h. räumlich anschließen (RGSt 60, 331 f.; OGHSt 2, 209 [211 f.]). Diese Rechtsprechung ist aber überholt. Durch das Dritte Strafrechtsreformgesetz wurde der Tatbestand des Landfriedensbruchs von Grund auf umgestaltet. Während die Strafbarkeit früher an die Zugehörigkeit zu einer feindseligen Menschenmenge anknüpfte, ist jetzt strafbar, wer sich an den Ausschreitungen als Täter oder Teilnehmer beteiligt. Die Gewalttätigkeiten brauchen nicht eigenhändig begangen zu werden. Vielmehr soll - neben dem Teilnehmer - jeder erfaßt werden, der die Gewalttätigkeiten als Täter, d.h. selbst oder durch andere (§ 25 Abs. 1 StGB), begeht. Da Strafgrund nicht mehr der Anschluß an eine unfriedliche Menge, sondern die Beteiligung an den Gewalttätigkeiten oder Bedrohungen ist, besteht nach der Neufassung kein Anlaß mehr, den ortsabwesenden Befehlsgeber, Organisator oder geistigen Anführer von der Strafbarkeit auszunehmen, wenn und soweit die aus der Menge verübten Gewalttätigkeiten oder Bedrohungen seinem Tatwillen entsprechen und unter seiner Tatherrschaft begangen werden, ihm also nach allgemeinen Grundsätzen als eigene Tat zuzurechnen sind. Insoweit dehnt die Neufassung daher die Strafbarkeit gegenüber dem alten Tatbestand aus. Diese Auslegung hat auch der Regierungsvertreter bei den Beratungen des neuen § 125 StGB für richtig gehalten. Er erläuterte dem Sonderausschuß für die Strafrechtsreform, er verstehe die Neufassung so, daß auch derjenige einbezogen sei, der von außen steuere, der also z.B. den ganzen Schlachtplan der Gewalttätigkeiten entworfen habe, nachher jedoch nicht mitgehe (Horstkotte, Prot. 6. Wahlperiode S. 355). Auch der Abgeordnete de With wies als zweiter Berichterstatter bei der abschließenden Lesung des Dritten Strafrechtsreformgesetzes im Deutschen Bundestag darauf hin, daß der neue § 125 StGB nicht nur die Gewalttäter, sondern auch deren Hintermänner mit Strafe bedrohe (Verhandlungen des Deutschen Bundestages 6. Wahlperiode S. 1947).

Ob auf das Erfordernis der Anwesenheit am Ort des Geschehens auch dann verzichtet werden kann, wenn eine Beteiligung an den Gewalttätigkeiten lediglich als - in § 125 Abs. 1 StGB neben dem Täter gesondert genannter Teilnehmer in Betracht kommt (vgl. von Bubnoff in LK 10. Aufl. § 125 Rn. 7 m.N. zum Streitstand), braucht hier nicht entschieden zu werden.

b) Der Angeklagte kann sich auch nicht darauf berufen, daß er nach den Artikeln 5 und 8 des Grundgesetzes berechtigt gewesen sei, zur Teilnahme an der Aktion vom 15. November 1981 aufzufordern. Allerdings darf derjenige, der ernsthaft zu einer friedlichen Demonstration aufruft, nicht schon deswegen als Täter eines Landfriedensbruchs bestraft werden, weil sich der Veranstaltung gewalttätige Gruppen anschließen, und zwar auch dann nicht, wenn er schon bei seinem Aufruf mit deren Auftreten gerechnet hat, er aber die Veranstaltung um deren von der Rechtsordnung gedeckten Ziele willen auf jeden Fall, also auch unter Hinnahme von Ausschreitungen, durchführen wollte. Da eine solche Fallgestaltung nicht vorliegt, kann auch offen bleiben, inwieweit er in diesen Fällen Vorkehrungen gegen erwartete Ausschreitungen treffen muss.

Der Angeklagte hat nicht zu einer friedlichen, unter dem Schutz des Grundgesetzes stehenden Versammlung aufgerufen, auch nicht zum Blockieren durch bloßes Sitzen oder Stehen. Der Aufruf betraf vielmehr eine Großaktion, deren alleiniges rechtswidriges Ziel es war, den Frankfurter Flughafen mit Mitteln, die Gewalttätigkeiten im Sinne des § 125 StGB einschlossen, 9 1/2 Stunden vollständig zu blockieren. Der Angeklagte wußte, daß er eine solch langandauernde Blockade der zahlreichen Zu- und Abfahrten allein durch passive Anwesenheit der von ihm erwarteten 5.000 bis 10.000 Teilnehmer nicht würde erreichen können. Er nahm daher, um die Blockade bis in die Abendstunden wirkungsvoll durchsetzen zu können, billigend in Kauf, daß die seinem Aufruf folgende Menge Barrikaden errichten, diese gegen die zur Räumung eingesetzten Ordnungskräfte verteidigen und Polizeibeamten, die die Zugänge freihalten wollten, aktiven Widerstand leisten würde. Dies hat das Oberlandesgericht auch unter Berücksichtigung des Umstands festgestellt, daß der Angeklagte verbal zur Gewaltfreiheit aufgerufen hatte. Er hat diejenigen Maßnahmen, die die Blockade gegen die Verhinderungsversuche der Polizei sichern sollten, mitbeherrscht. Der 9 1/2 stündige Vollzug der Totalblockade war sein persönliches Anliegen. Dieses Ziel hatte er seinen Anhängern mit beschwörenden Worten gewiesen. Aufgrund seiner herausragenden Stellung in der Bürgerinitiative und der Arbeitsgemeinschaft "Volksbegehren" genoß er bei einer großen Zahl der erschienenen Startbahngegner maßgebliche Autorität. Die Wertung des Oberlandesgerichts, daß sich der Angeklagte deren Gewalttätigkeiten in dem oben bezeichneten Umfang als eigene Taten zurechnen lassen muß, ist daher aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.


4. Der Angeklagte hat sich auch einer in Mittäterschaft begangenen Nötigung derjenigen Personen schuldig gemacht, die durch das ihm zurechenbare Verhalten der Startbahngegner an der Aufrechterhaltung des Verkehrsbetriebs des Frankfurter Flughafens, am Betreten und Verlassen des Flughafengeländes oder an der Weiterfahrt in dessen Nahbereich unmittelbar (vgl. OLG Köln NJW 1983, 2206 f.) gehindert worden sind (§§ 240, 25 StGB).

a) Dieses Vergehen - in Tateinheit mit versuchter Nötigung der Landesregierung - war dem Angeklagten in der Anklage zur Last gelegt worden. Mit Zustimmung des Generalbundesanwalts hat das Oberlandesgericht die Strafverfolgung auf die Verletzung der §§ 105, 125, 125a StGB beschränkt und von der Verfolgung der tateinheitlich angeklagten Vergehen der Nötigung und des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 154a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO abgesehen. Da die Verurteilung aus § 105 StGB entfällt, ist es sachgerecht, die Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 3 StPO wieder auf die Nötigung der durch die Gewaltmaßnahmen unmittelbar betroffenen Personen zu erstrecken, um den Unrechtsgehalt der in der Anklage bezeichneten Tat auf der Grundlage der geänderten rechtlichen Beurteilung voll auszuschöpfen (vgl. BGHSt 29, 315 [317]; 32, 84). Dem Senat erschien es allerdings nicht erforderlich, auch den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte oder ein Vergehen nach § 26 Nr. 2 VersG (vgl. BGH, Urt. vom 27. September 1983 - 5 StR 294/83) in das Verfahren einzubeziehen.

b) Die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen, welche die Verurteilung des Angeklagten wegen Landfriedensbruchs rechtfertigen, tragen auch seine Verurteilung wegen Nötigung der von den Gewaltaktionen unmittelbar betroffenen Personen.

Der Senat braucht nicht allgemein zu der Frage Stellung zu nehmen, ob Demonstrationen, die um der größeren Öffentlichkeitswirkung wegen darauf angelegt sind, die Bewegungs- und Handlungsfreiheit anderer durch Gewalt zu beeinträchtigen, stets oder nur unter zusätzlichen Voraussetzungen nach § 240 StGB strafbar sind (vgl. BGHSt 23, 46 [54 ff.]; BGH NJW 1982, 189 f.; Eser a.a.O. § 240 Rn. 24c ff.; Herzog a.a.O. Art. 8 Rn. 62; vgl. auch BGHZ 59, 30 [34 ff.]; 63, 124 [127 ff.]). Selbst die Vertreter einer restriktiven Anwendung des § 240 StGB auf Demonstrationen, die gezielt in die Rechte Dritter eingreifen, sehen die Grenze zur Rechtswidrigkeit dann als überschritten an, wenn die Demonstration einen aufrührerischen Verlauf nimmt und vorausgesehene Gewalttätigkeiten das Nötigungsziel fördern (vgl. aus neueren Veröffentlichungen z.B. Dreier, "Widerstandsrecht im Rechtsstaat?" in Recht und Staat im sozialen Wandel, 1983 S. 573, 596; Kostaras, Zur strafrechtlichen Problematik der DemonstrationsdelikÊte, 1982 S. 32 C; vgl. auch § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VersG). Da die dem Angeklagten zurechenbare Gewalt den Tatbestand des gewalttätigen Landfriedensbruchs erfüllt, ist sie auch verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB. Daran ändert nichts, daß der Angeklagte glaubte, einen Anspruch auf Einstellung der Bauarbeiten bis zur Entscheidung des Hessischen Staatsgerichtshofs zu haben, und daß er mit nicht von vornherein unvertretbarer Begründung [vgl. Ernst DVBl 1982, 495ff.; Walter Schmidt in Meyer/Stolleis (Hrsg.), Hessisches Staats- und Verwaltungsrecht, 1983 S. 30 f.] davon ausging, den Ausbau des Flughafens durch das von über 200.000 Unterschriften unterstützte Volksbegehren und einen sich anschließenden Volksentscheid schließlich doch noch mit legalen Mitteln verhindern zu können. Der Angeklagte wußte jedenfalls, daß die Flughafenblockade kein rechtlich zulässiges Mittel seines politischen Widerstands war. Deshalb stellt sich auch die Frage eines Verbotsirrtums nicht.



5. Der Angeklagte ist daher wegen Landfriedensbruchs in Tateinheit mit Nötigung zu bestrafen. Der Senat hat den Schuldspruch analog § 354 Abs. 1 StPO entsprechend geändert. Der Strafausspruch hat schon deswegen keinen Bestand, weil die Verurteilung nach den §§ 105, 22 StGB entfällt.

Für die neue Verhandlung zur Straffrage weist der Senat darauf hin, daß die rechtlichen Anforderungen, die das Oberlandesgericht an das Vorliegen eines besonders schweren Falles des Landfriedensbruchs außerhalb der gesetzlichen Regelbeispiele gestellt hat, nicht zu beanstanden sind, daß andererseits aber eine als strafschärfend gewertete Unbelehrbarkeit nicht schon damit begründet werden kann, der Angeklagte habe an seiner eigenwilligen Definition der Gewalt im Sinne aggressiver Gewalttätigkeit "bis ins Schlußwort hinein" festgehalten. Als strafschärfend dürfte dies nur gewertet werden, wenn daraus unter Berücksichtigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten auf Rechtsfeindschaft und die Gefahr künftiger Rechtsbrüche zu schließen wäre (vgl. BGH NStZ 1983, 453 m.N.). Das hat das Oberlandesgericht nicht festgestellt. Es geht vielmehr davon aus, daß der Angeklagte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und auch ohne Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird.

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