1.
Der Verkäufer kann jederzeit und auch stillschweigend auf die Rechtsfolgen aus § 377 Abs. 2, 3 HGB - beziehungsweise auf den Einwand der Verspätung einer Mängelrüge - verzichten. Hierfür müssen jedoch eindeutige Anhaltspunkte vorliegen, die der Käufer als (endgültige) Aufgabe des Rechts - hier: des Verspätungseinwands - durch den Verkäufer verstehen darf (im Anschluss an Senatsurteile vom 19. Juni 1991 - VIII ZR 149/90, NJW 1991, 2633 unter II 1 c aa und bb; vom 25. November 1998 - VIII ZR 259/97, NJW 1999, 1259 unter III 2 a; vom 9. November 2022 - VIII ZR 272/20, zur Veröffentlichung vorgesehen, unter II 2 b dd (5) (a) und (b)).
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2. |
Solche eindeutigen Anhaltspunkte lassen sich grundsätzlich noch nicht ohne Weiteres einem Schreiben des Fahrzeugverkäufers entnehmen, mit dem der Fahrzeugkäufer über die Bereitstellung eines Software-Updates durch den Fahrzeughersteller unterrichtet, um die Vereinbarung eines Termins zum Aufspielen des Updates in der Werkstatt des Fahrzeugverkäufers gebeten und auf die Übernahme der Kosten der Maßnahme durch den Hersteller sowie die Möglichkeit einer für den Fahrzeugkäufer kostenlosen Überlassung eines Ersatzfahrzeugs für die Dauer der Maßnahme hingewiesen wird.
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Siehe auch
Stichwörter zum Thema Autokaufrecht
und
Rechtsprechung zum Themenkomplex „Schummelsoftware“ - Diesel-Abgasskandal
Tatbestand:
Die als Kaufmann im Handelsregister eingetragene Klägerin nimmt die Beklagte, eine Händlerin von Fahrzeugen des Volkswagenkonzerns und Konzerntochter der zweitbeklagten - am vorliegenden Revisionsverfahren nicht beteiligten - Volkswagen AG (diese nachfolgend als Fahrzeugherstellerin bezeichnet), wegen einer in das Fahrzeug eingebauten unzulässigen Abschalteinrichtung auf Rückzahlung des Kaufpreises und hilfsweise auf Ersatzlieferung in Anspruch.
Die Klägerin erwarb mit Kaufvertrag vom 7. April 2015 unter ihrer Firma "B. " bei der Beklagten ein Gebrauchtfahrzeug der Marke VW Tiguan 2,0 TDI zum Preis von 25.390 €. Die Übergabe des Fahrzeugs an die Klägerin erfolgte am 15. April 2015. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 (Abgasnorm Euro 5) ausgestattet, der, wie der Öffentlichkeit aufgrund umfangreicher Presseberichterstattung Ende September 2015 bekannt wurde, mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen ist, die auf dem Prüfstand zu einem geringeren Stickoxidausstoß führt als im normalen Fahrbetrieb.
Nach einer Beanstandung durch das Kraftfahrt-Bundesamt im Oktober 2015 entwickelte die Fahrzeugherstellerin für den Motor ein Software-Update, das einen vorschriftsgemäßen Zustand herstellen sollte und vom Kraftfahrt-Bundesamt am 1. Juni 2016 freigegeben wurde. Mit Schreiben vom 14. Oktober 2016 teilte die Fahrzeugherstellerin der Klägerin mit, dass das Software-Update bereitgestellt sei und die Klägerin, um das Update aufspielen zu lassen, einen Termin bei einem ihrer Servicepartner vereinbaren solle.
Mit Schreiben vom 15. November 2016 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung sowie hilfsweise den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte unter Fristsetzung die Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.
Mit der im April 2017 erhobenen Klage hat die Klägerin zuletzt Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs, hilfsweise Lieferung eines Neufahrzeugs aus der aktuellen Produktion, und die Feststellung des Annahmeverzugs begehrt. Zudem hat sie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten für das Rückabwicklungsbegehren in Höhe von 1.121,90 € und den Ersatz der für ihre Vertretung in einem behördlichen Verfahren über die Androhung einer Fahrzeugstilllegung entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 653,15 € nebst Zinsen verlangt.
Nach Klageerhebung hat die Beklagte die Klägerin mit einem an ihren Rechtsanwalt gerichteten Schreiben vom 10. August 2017 wie folgt unterrichtet:
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"Unsere Mandantin bittet Sie, Ihren Auftraggeber dahingehend zu informieren, dass die für das technische Update des Fahrzeugs Ihres Auftraggebers benötigte Software zur Verfügung steht und das Motorsteuergerät an dem streitgegenständlichen Fahrzeug - falls noch nicht veranlasst - nunmehr umprogrammiert werden kann.
Ihr Auftraggeber kann sich dazu direkt mit der Reparaturannahme unserer Mandantin (Telefon ...) in Verbindung setzen, damit ein Termin vereinbart werden kann. Die Maßnahme wird je nach Arbeitsumfang zwischen 30 Minuten und einer Stunde in Anspruch nehmen. Die Kosten dafür werden vom Hersteller übernommen. Falls Ihr Auftraggeber für die Dauer der Maßnahme ein Ersatzfahrzeug benötigt, wird unsere Mandantin ein entsprechendes Fahrzeug kostenlos zur Verfügung stellen.
Zur reibungslosen Abwicklung ist es sinnvoll, wenn Ihr Auftraggeber zu dem vereinbarten Termin dieses Schreiben und den Serviceplan für die notwendigen Eintragungen mitbringt."
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Kammergericht die Beklagte - gestützt auf ein nach dem hilfsweise erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag bestehendes Rückabwicklungsschuldverhältnis - im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt. Hierbei hat es dem auf Rückzahlung des Kaufpreises gerichteten Klageantrag lediglich unter Abzug einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 3.355,78 € und dem auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten für das behördliche Verfahren gerichteten Klageantrag lediglich unter Aberkennung der geltend gemachten Terminsgebühr in Höhe von 241,20 €, jeweils nebst Zinsen, stattgegeben.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin zuletzt die vollständige Rückzahlung des Kaufpreises. Die Beklagte verfolgt mit ihrer ebenfalls zugelassenen Revision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Gegen die Herstellerin des Fahrzeugs ist ein Revisionsverfahren bei dem VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs anhängig (VI ZR 67/20)
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten hat Erfolg, während die Revision der Klägerin unbegründet ist.
A.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Die gegen die Beklagte gerichtete Klage auf Kaufpreisrückzahlung sei allein wegen des hilfsweise erklärten Rücktritts der Klägerin vom Kaufvertrag begründet gemäß § 346 Abs. 1, 2, §§ 348, 437 Nr. 2, § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB aF. Der Rücktritt sei nicht aufgrund einer fingierten Genehmigung des Mangels - der in das Fahrzeug eingebauten unzulässigen Abschalteinrichtung, aufgrund derer die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die zuständige Zulassungsbehörde bestehe - gemäß § 377 Abs. 2 und 3 HGB ausgeschlossen.
Der Verkäufer könne auf den Einwand der Verspätung einer Mängelrüge auch stillschweigend verzichten, was insbesondere bejaht werde, wenn er vorbehaltlos Nachbesserung versprochen oder den Verspätungseinwand nicht erhoben habe. Diese Voraussetzungen seien hier gegeben. Aus dem Schreiben der Beklagten zu 2 (gemeint: der hiesigen Beklagten) vom 10. August 2017 gehe deutlich hervor, dass die Beseitigung des Mangels ohne Vorbehalt und Einschränkungen durchgeführt werden solle und somit auf eventuelle Rechte nach § 377 Abs. 3 HGB in schlüssiger Weise verzichtet worden sei. Für die Beklagte als Verkäuferin sei die hier gegebene Zeitspanne zwischen der Presseberichterstattung ab Ende September 2015 und der erst im Schreiben der Klägerin vom 15. November 2016 erfolgten Mängelanzeige - für die Klägerin ersichtlich - belanglos gewesen.
B.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
I.
Zur Revision der Beklagten:
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Berufungsgericht hat der Klägerin zu Unrecht einen Anspruch aus § 346 Abs. 1, 2, § 437 Nr. 2 BGB, § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB aF zugesprochen.
1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Beklagte auf die Geltendmachung der Rechtsfolgen einer verspäteten Anzeige der Klägerin über die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs wegen der eingebauten unzulässigen Abschalteinrichtung konkludent verzichtet habe und die Klägerin deshalb an einem hierauf gestützten Rücktritt vom Kaufvertrag (§ 437 Nr. 2, § 323 Abs. 1 BGB) nicht aufgrund einer gemäß § 377 Abs. 3 HGB fingierten Genehmigung der Kaufsache gehindert sei.
a) Nach der Vorschrift des § 377 Abs. 1 HGB hat im Falle eines beidseitigen Handelsgeschäfts der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgang tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen. Unterlässt er die Anzeige, gilt die Ware gemäß § 377 Abs. 2 HGB als genehmigt, es sei denn, der Mangel war bei der Untersuchung nicht erkennbar. Nach § 377 Abs. 3 HGB muss, wenn sich ein solcher Mangel später zeigt, die Anzeige unverzüglich nach der Entdeckung gemacht werden; anderenfalls gilt die Ware auch in Ansehung dieses Mangels als genehmigt.
Rechtsfolge einer verspäteten Mängelanzeige ist die gesetzliche Fiktion, dass die Ware trotz des ihr anhaftenden Sachmangels als vertragsgerecht anzusehen ist (vgl. BGH, Urteile vom 8. November 1979 - III ZR 115/78, NJW 1980, 782 unter I 3 c; vom 16. September 1987 - VIII ZR 334/86, BGHZ 101, 337, 348; siehe zur Genehmigungsfiktion auch Senatsurteile vom 24. Februar 2016 - VIII ZR 38/15, NJW 2016, 2645 Rn. 33; vom 5. Dezember 2012 - VIII ZR 74/12, NJW 2013, 1299 Rn. 33). Die Frage der vertragsmäßigen Beschaffenheit der Ware ist in einem solchen Fall dem Streit der Parteien entzogen (vgl. Senatsurteil vom 16. September 1987 - VIII ZR 334/86, aaO S. 343). Die in § 437 BGB normierten Gewährleistungsrechte des Käufers und damit auch ein Rücktritt vom Kaufvertrag (§ 437 Nr. 2 BGB) sind dann - vorbehaltlich anderer, aber erst später sichtbar werdender verdeckter Mängel - ausgeschlossen (Achilles in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 377 Rn. 194 f. mwN).
b) Diese Vorschrift findet auf den zwischen der Klägerin und der Beklagten am 7. April 2015 geschlossenen Kaufvertrag Anwendung, weil es sich bei diesem - wie das Berufungsgericht seiner Würdigung zu § 377 Abs. 3 HGB unausgesprochen zugrunde gelegt hat - um einen beiderseitigen Handelskauf im Sinne des § 343 HGB handelt. Die diesbezüglichen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts lassen einen Rechtsfehler nicht erkennen und werden von den Parteien im Revisionsverfahren nicht angegriffen.
c) Die Beklagte ist - wozu das Berufungsgericht keine Ausführungen gemacht hat - ihrer Rügeobliegenheit gemäß § 377 Abs. 3 HGB nicht rechtzeitig nachgekommen, so dass der in der unzulässigen Abschalteinrichtung liegende Mangel als genehmigt gilt. Sie hat erstmalig in der Rücktrittserklärung vom 15. November 2016 eine diesbezügliche Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs gegenüber der Beklagten gerügt, was nach den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geprägten Grundsätzen nicht als unverzüglich nach Entdeckung anzusehen ist.
aa) Die Rügeobliegenheit setzt mit dem Vorliegen eines Mangels der Sache und dessen Erkennbarkeit ein (Senatsurteil vom 16. September 1987 - VIII ZR 334/86, BGHZ 101, 337, 340). Ein verdeckter Mangel - um einen solchen handelt es sich bei der hier gegebenen Ausstattung des Fahrzeugs mit einem über eine unzulässige Abschalteinrichtung verfügenden Motor - muss unverzüglich nach seiner Entdeckung angezeigt werden. Da es dann lediglich noch um die Mitteilung des (bereits entdeckten) Mangels geht, kann und muss die Rüge im Rahmen der geschäftlichen Korrespondenz eines ordentlichen Kaufmanns (§ 347 Abs. 1 HGB) regelmäßig ohne weitere Verzögerung erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 2006 - X ZR 58/03, NJW-RR 2006, 851 Rn. 19 [zum Werklieferungsvertrag]).
Die Vorschrift des § 377 HGB ist im Interesse der im Handelsverkehr unerlässlichen schnellen Abwicklung der Handelsgeschäfte streng auszulegen (vgl. Senatsurteil vom 30. Januar 1985 - VIII ZR 238/83, BGHZ 93, 338, 348 mwN). Es soll möglichst schnell Klarheit darüber geschaffen werden, ob das Geschäft ordnungsgemäß abgewickelt worden ist; der Verkäufer, dessen Interessen nach der vom Gesetz getroffenen Wertentscheidung der Vorrang zu geben ist, soll durch die den Käufer treffende Obliegenheit zur unverzüglichen Mängelrüge in die Lage versetzt werden, entsprechende Feststellungen und notwendige Dispositionen zu treffen, insbesondere einen möglichen Schaden abwenden zu können, der sich aus Gewährleistungs-, Schadensersatz- oder Nachlieferungsansprüchen des Käufers ergeben könnte (Senatsurteil vom 19. Juni 1991 - VIII ZR 149/90, NJW 1991, 2633 unter II 2 a mwN).
Deshalb wird dem Käufer im Regelfall eine Erklärungsfrist von (nur) wenigen Tagen zugebilligt (vgl. BGH, Urteile vom 3. Juli 1985 - VIII ZR 152/84, NJW-RR 1986, 52 unter III 1 d; vom 13. März 1996 - VIII ZR 333/94, BGHZ 132, 175, 179; vom 10. Januar 2006 - X ZR 58/03, NJW-RR 2006, 851 Rn. 20; Achilles in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 377 Rn. 145; BeckOK-HGB/Schwartze, Stand: 15. April 2022, § 377 Rn. 50). Jedenfalls ist eine über zwei Wochen nach Entdeckung des Mangels erhobene Mängelrüge nicht mehr "unverzüglich" im Sinne des § 377 Abs. 3 HGB (vgl. BGH, Urteile vom 30. Januar 1985 - VIII ZR 238/83, aaO; vom 25. Juni 2002 - X ZR 150/00, juris Rn. 25).
bb) Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist die nach den rechtsfehlerfrei getroffenen und im Revisionsverfahren nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts erstmals mit der Rücktrittserklärung der Klägerin vom 15. November 2016 erfolgte Mängelanzeige nicht rechtzeitig.
Gezeigt hat sich der in der eingebauten unzulässigen Abschalteinrichtung liegende Mangel des Fahrzeugs für die Klägerin spätestens mit dem Zugang des Schreibens vom 14. Oktober 2016, mit dem sie durch die Fahrzeugherstellerin darüber informiert wurde, dass für ihr Fahrzeug nunmehr das erforderliche Software-Update zur Verfügung stehe.
Jedenfalls aufgrund dieser Mitteilung hat die Klägerin (sichere) Kenntnis davon erlangt, dass auch in ihrem Fahrzeug die in der Presseberichterstattung seit September 2015 als unzulässige Abschalteinrichtung und technische Manipulation bezeichnete Motorsteuerungssoftware eingebaut und das Fahrzeug somit von dem sogenannten Dieselabgasskandal betroffen ist.
Selbst wenn die Klägerin bis dahin aufgrund der Presseberichterstattung nur den Verdacht eines entsprechenden vertragswidrigen Fahrzeugzustands gehabt haben sollte, der allerdings einem sorgfältig handelnden Kaufmann unter den gegebenen Umständen bereits Veranlassung zu einer diesbezüglichen Untersuchung gegeben hätte, so hatte sich dieser Mangelverdacht aufgrund des an sie gerichteten Schreibens der Fahrzeugherstellerin zu einem Mangelbefund verdichtet und spätestens damit die Rügeobliegenheit nach § 377 Abs. 3 HGB ausgelöst (vgl. hierzu Achilles in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 377 Rn. 152 aE und 154 ff.; BeckOK-HGB/Schwartze, Stand: 15. April 2022, § 377 Rn. 49; jeweils mwN; siehe bereits RGZ 99, 247, 249 f.).
Die erstmals mit dem Rücktrittsschreiben vom 15. November 2016 und damit erst mehr als einen Monat nach der Entdeckung erfolgte Anzeige eines diesbezüglichen Mangels des Fahrzeugs bei der Beklagten war danach nicht mehr unverzüglich.
d) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht einen Verzicht der Beklagten auf die Rechtsfolgen des § 377 Abs. 3 HGB bejaht.
aa) Dabei hat es im Ausgangspunkt (noch) richtig gesehen, dass der Verkäufer nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jederzeit und auch stillschweigend auf die Rechtsfolgen aus § 377 Abs. 2, 3 HGB - beziehungsweise den Einwand der Verspätung einer Mängelrüge - verzichten kann und die Annahme eines solchen Verzichts in Betracht kommt, wenn der Verkäufer die beanstandeten Waren vorbehaltlos zurückgenommen oder vorbehaltlos Nachbesserung versprochen oder den Einwand der verspäteten Mängelanzeige nicht erhoben hat (vgl. nur Senatsurteile vom 19. Juni 1991 - VIII ZR 149/90, NJW 1991, 2633 unter II 1 c aa; vom 25. November 1998 - VIII ZR 259/97, NJW 1999, 1259 unter III 2 a; vom 9. November 2022 - VIII ZR 272/20, zur Veröffentlichung vorgesehen, unter II 2 b dd (5) (a); siehe auch Achilles in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 377 Rn. 240).
bb) Das Berufungsgericht hat diesen Maßstab aber rechtsfehlerhaft auf den festgestellten Sachverhalt angewandt. Da ein stillschweigender Verzicht auf Rechte im Allgemeinen nicht zu vermuten ist, müssen eindeutige Anhaltspunkte vorliegen, die der Käufer als Aufgabe des Rechts - hier: des Verspätungseinwands - durch den Vertragspartner verstehen darf (vgl. Senatsurteile vom 19. Juni 1991 - VIII ZR 149/90, aaO unter II 1 c bb; vom 25. November 1998- VIII ZR 259/97, aaO; vom 9. November 2022 - VIII ZR 272/20, zur Veröffentlichung vorgesehen, unter II 2 b dd (5) (b) [jeweils zu § 377 HGB]; vom 26. August 2020 - VIII ZR 351/19, BGHZ 227, 15 Rn. 62). Solche eindeutigen Anhaltspunkte sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Streitfall jedoch nicht gegeben; sie lassen sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht dem Schreiben der Beklagten vom 10. August 2017 entnehmen.
(1) Die tatrichterliche Auslegung einer Individualerklärung kann vom Revisionsgericht zwar nur daraufhin überprüft werden, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind, wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen worden ist oder die Auslegung auf mit der Revision gerügten Verfahrensfehlern beruht (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteile vom 9. Juli 2014 - VIII ZR 376/13, BGHZ 202, 39 Rn. 42; vom 28. September 2022 - VIII ZR 300/21, juris Rn. 14; vom 9. November 2022 - VIII ZR 272/20, zur Veröffentlichung vorgesehen, unter II 2 b dd (5) (b); jeweils mwN).
(2) Einer an diesem Maßstab ausgerichteten Prüfung hält die Auslegung des Schreibens vom 10. August 2017 durch das Berufungsgericht jedoch nicht stand. Die Annahme des Berufungsgerichts, solche Anhaltspunkte seien vorliegend dem an die Klägerin gerichteten Schreiben der Beklagten vom 10. August 2017 zu entnehmen, beruht - wie die Revision der Beklagten mit Recht geltend macht - auf einer Verletzung anerkannter Auslegungsregeln. Zu diesen gehört es, dass in erster Linie der von der Partei gewählte Wortlaut und der dem Wortlaut zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen ist und dass bei der Auslegung sämtliche Begleitumstände sowie die Interessenlage (§§ 133, 157 BGB) zu beachten sind (vgl. BGH, Urteile vom 26. Oktober 2009 - II ZR 222/08, NJW 2010, 64 Rn. 18; vom 9. November 2022 - VIII ZR 272/20, zur Veröffentlichung vorgesehen, unter II 2 b dd (5) (d)). Zudem hat das Berufungsgericht wesentlichen Auslegungsstoff außer Acht gelassen.
(a) Das Berufungsgericht hat im Streitfall (allein) auf das Schreiben der Beklagten vom 10. August 2017 abgestellt, ohne sich mit dem Wortlaut der darin enthaltenen Erklärung, mit dem Zusammenhang, in welchem die Erklärung erfolgte, sowie mit den berechtigten Interessen der Beklagten als Erklärende und der Klägerin als Empfängerin dieser Erklärung auseinanderzusetzen. Zur Begründung seiner Bewertung hat es ganz überwiegend Auszüge aus einem Beschluss wörtlich wiedergegeben, der in einem anderen Verfahren angestellte rechtliche Erwägungen zu gänzlich anders lautenden Erklärungen des Verkäufers eines gleichfalls mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs an den Käufer enthält.
(aa) In dem vom Berufungsgericht herangezogenen Schreiben vom 10. August 2017 wurde der Prozessbevollmächtigte der Klägerin durch die Prozessbevollmächtigten der Beklagten darüber informiert, dass die für das technische Update benötigte Software zur Verfügung stehe und nunmehr das Motorsteuerungsgerät des erworbenen Fahrzeugs umprogrammiert werden könne. Hierbei wies die Beklagte darauf hin, dass die mit der Maßnahme verbundenen Kosten von der Fahrzeugherstellerin übernommen würden und dass sie selbst der Klägerin - falls diese für die Dauer der Maßnahme ein Ersatzfahrzeug benötige - ein entsprechendes Fahrzeug kostenlos zur Verfügung stellen werde.
(bb) Dieser Erklärung der Beklagten lassen sich bei einer Auslegung nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) keine eindeutigen Anhaltspunkte entnehmen, welche auf eine (endgültige) Aufgabe des Verspätungseinwands nach § 377 Abs. 3 HGB - und der mit diesem verbundenen Rechtsposition (Eintritt der Genehmigungsfiktion) - durch die Beklagte schließen lassen.
Das Schreiben diente erkennbar lediglich der (weiteren) Unterrichtung der Klägerin als Eigentümerin des Fahrzeugs über das von der Fahrzeugherstellerin zur Verfügung gestellte Software-Update, das - entsprechend der früheren Mitteilung der Fahrzeugherstellerin vom 14. Oktober 2016 selbst über deren Servicepartner und damit auch - über die Beklagte aufgespielt werden sollte. Aus ihm ergibt sich für den Erklärungsempfänger lediglich die Einbindung der Beklagten in die technische Durchführung der von der Fahrzeugherstellerin gegenüber der Fahrzeugeigentümerin angebotenen Maßnahme. Dies verdeutlicht auch der im Schreiben enthaltene Hinweis, dass die hierdurch bei der Beklagten entstehenden Kosten von der Fahrzeugherstellerin getragen würden, also nicht von der Beklagten selbst.
Hingegen enthält das Schreiben eine Erklärung der Beklagten zu einer etwaigen eigenen Einstandspflicht gegenüber der Klägerin aufgrund des geschlossenen Kaufvertrags nicht. Entgegen der Sichtweise des Berufungsgerichts hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 10. August 2017 nicht vorbehaltlos eine Nachbesserung versprochen. In dem Schreiben geht sie weder auf die Frage ein, ob der Anlass für die dort genannte Umprogrammierung des Motorsteuergeräts durch die Fahrzeugherstellerin überhaupt als vertragswidrige Leistung der Beklagten im Verhältnis zur Klägerin zu bewerten sei, noch darauf, ob und gegebenenfalls welche Ansprüche der Klägerin deshalb gegenüber der Beklagten zustünden. Anderes folgt auch nicht aus dem im Schreiben unterbreiteten Angebot der Beklagten, der Klägerin bei Bedarf für die Dauer der Maßnahme ein Ersatzfahrzeug - kostenlos - zur Verfügung zu stellen. Denn der Zusatz "kostenlos" lässt aus Sicht der Klägerin als Empfängerin des Schreibens lediglich erkennen, dass sie selbst die mit der Fahrzeugüberlassung verbundenen Kosten nicht würde tragen müssen. Er trifft aber keine Aussage dazu, ob diese Kosten auch endgültig von der Beklagten getragen oder von dieser - wie auch die Kosten der eigentlichen Maßnahme - letztlich der Fahrzeugherstellerin berechnet werden würden.
Ferner verdeutlicht der auf die Durchführung des Software-Updates bezogene Zusatz "falls noch nicht veranlasst" aus Sicht des redlichen Empfängers, dass Anlass des Schreibens vom 10. August 2017 nicht die individuelle vertragliche Beziehung zwischen den Parteien oder ein seitens der Klägerin bei der Beklagten konkret angebrachtes kaufvertragliches Gewährleistungsbegehren war, sondern dass es sich inhaltlich um ein allgemeines Informationsschreiben handelt, das für eine Vielzahl von Fahrzeughaltern formuliert wurde. In einer solchen Mitteilung des Verkäufers, mit der dieser seinen Vertragspartner lediglich über einen ihm von dritter Seite mitgeteilten Sachverhalt (hier die Zurverfügungstellung des Software-Updates durch die Fahrzeugherstellerin und die Einbindung in deren technische Maßnahmen) informiert, ist kein Verzicht auf eigene Rechte - hier: auf den Einwand einer Verspätung der Mängelrüge im eigenen Vertragsverhältnis - zu sehen.
(b) Zudem hat das Berufungsgericht bei seiner Auslegung weitere maßgebliche Umstände unberücksichtigt gelassen.
Da die Klägerin bereits im November 2016 den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und mit ihrer im April 2017 erhobenen Klage hieraus abgeleitete Ansprüche auf Rückzahlung des Kaufpreises sowie auf Schadensersatz gegen die Beklagte geltend gemacht hatte, lässt der erst im August 2017 erfolgte Hinweis der Beklagten auf eine diesem Begehren nicht entsprechende Umprogrammierung des Motorsteuerungsgeräts durch eine Software der Fahrzeugherstellerin noch nicht einmal auf die Bereitschaft der Beklagten zur Aufnahme von Verhandlungen über die gerügten Mängel schließen (vgl. zur Bedeutung eines solchen Verhaltens für die Annahme eines Verzichts Senatsurteile vom 19. Juni 1991 - VIII ZR 149/90, NJW 1991, 2633 unter II 1 c aa; vom 25. November 1998 - VIII ZR 259/97, NJW 1999, 1259 unter III 2 a). Noch weniger deutet der Hinweis der Beklagten auf eine vorbehaltlose Anerkennung ihrer eigenen Einstandspflicht wegen einer Vertragswidrigkeit des Fahrzeugs hin.
Auch der Umstand, dass die Beklagte den Verspätungseinwand nicht bereits in dem (vorgerichtlichen) Schreiben vom 10. August 2017 geltend gemacht hat, kann nicht als stillschweigender Verzicht gedeutet werden (vgl. Senatsurteile vom 29. März 1978 - VIII ZR 245/76, NJW 1978, 2394 unter IV 2 b; vom 19. Juni 1991 - VIII ZR 149/90, aaO unter II 1 c bb; vom 25. November 1998 - VIII ZR 259/97, aaO).
2. Die Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen - und hieran anknüpfend die Feststellung des Annahmeverzugs mit der Rücknahme der Kaufsache - an die Klägerin stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Da die Beklagte nicht aufgrund von Treu und Glauben (§ 242 BGB) oder aufgrund eines arglistigen Verschweigens des Sachmangels (§ 377 Abs. 5 HGB) gehindert ist, sich auf eine Verspätung der Mängelanzeige der Klägerin gemäß § 377 Abs. 3 HGB zu berufen, sind auf die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs wegen der eingebauten unzulässigen Abschalteinrichtung gestützte Gewährleistungsansprüche der Klägerin - neben dem vorrangig geltend gemachten Anspruch aus dem erklärten Rücktritt auch das zuletzt hilfsweise geltend gemachte Begehren auf Lieferung eines Neufahrzeugs aus der aktuellen Produktion - ausgeschlossen. Damit fehlt es auch an der rechtlichen Grundlage für die geltend gemachten Nebenansprüche (Zinsen, Annahmeverzug).
a) Einer Geltendmachung der aus dem Rügeversäumnis folgenden Rechtsposition des Verkäufers kann zwar Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegenstehen. Die Klägerin hat jedoch nichts dafür vorgetragen, dass sie durch ein Verhalten der Beklagten - das zudem als treuwidrig zu beurteilen sein müsste - von einer früheren Anzeige des in der unzulässigen Abschalteinrichtung gesehenen Mangels abgehalten wurde (vgl. Senatsurteil vom 19. Juni 1991 - VIII ZR 149/90, NJW 1991, 2633 unter II 1 c cc mwN).
b) Ein etwaiges Rügeversäumnis seitens der Klägerin bleibt auch nicht gemäß § 377 Abs. 5 HGB ohne Folgen. Danach kann sich der Verkäufer auf die Vorschriften des § 377 (Abs. 2, 3) HGB nicht berufen, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen hat. In einem solchen Fall gilt die gelieferte Ware trotz Versäumung der Rügefrist nicht als genehmigt (BGH, Urteil vom 8. November 1979 - III ZR 115/78, NJW 1980, 782 unter II). Indes liegen hier diese Voraussetzungen nicht vor. Denn aus den vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei getroffenen und im Revisionsverfahren nicht angegriffenen Feststellungen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte von der in das Fahrzeug eingebauten unzulässigen Abschalteinrichtung bei Abschluss des Kaufvertrags wusste oder hätte wissen können. Sie muss sich auch nicht ein etwaiges Fehlverhalten der Fahrzeugherstellerin zurechnen lassen.
II.
Zur Revision der Klägerin:
Der auf ungeschmälerte Rückzahlung des Kaufpreises ohne Abzug einer Nutzungsentschädigung gerichteten Revision der Klägerin bleibt nach den vorstehenden Ausführungen der Erfolg versagt, weil Gewährleistungsansprüche der Klägerin infolge ihrer verspätet angebrachten Mängelrüge nach § 377 Abs. 3 HGB ausgeschlossen sind. Auf die von ihr aufgeworfene Frage, ob unter europarechtlichen Gesichtspunkten ein Abzug der Nutzungsentschädigung beim kaufrechtlichen Rücktritt ausgeschlossen ist (vgl. hierzu Senatsurteil vom 16. September 2009 - VIII ZR 243/08, BGHZ 182, 241 Rn. 15), kommt es daher nicht an.
C.
Nach alledem kann das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist. Es ist insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur Endentscheidung reif, so dass der Senat selbst entscheiden kann (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Sache nicht zur Neuverhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses weitere Feststellungen zur Frage des Verzichts auf die Rechtsfolgen des § 377 Abs. 3 HGB treffen kann. Die Klägerin stützt dieses Begehren auf den Umstand, dass der Senat seine insoweit vom Berufungsgericht abweichende Rechtsauffassung erst in der mündlichen Verhandlung geäußert und nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt einen entsprechenden Hinweis erteilt hat. Abgesehen davon, dass eine solche Hinweispflicht nicht bestand, weil schon die Gegenseite in ihrer Revisionsbegründung auf diesen Gesichtspunkt hingewiesen hat, hätte eine frühere Hinweiserteilung durch den Senat - wie der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst eingeräumt hat - nicht dazu geführt, dass sie weiteren Vortrag in der Revisionsinstanz hätte halten können. Auch vermochte der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung nicht, etwa übergangenen Vortrag in der Berufungsinstanz aufzuzeigen. Sein Verlangen, die Sache an das Berufungsgericht zurückzugeben, damit dieses auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Senats der Klägerin Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag geben könnte, findet in Anbetracht dieser Umstände und mit Blick darauf, dass ein solcher Vortrag bereits in dem durchgeführten Berufungsverfahren zu dem Gesamtkomplex "Rügeobliegenheit" hätte gehalten werden müssen, im Prozessrecht keine Stütze.
Die Berufung der Klägerin gegen die Entscheidung des Landgerichts ist zurückzuweisen, weil die geltend gemachten Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte nicht bestehen. Ihre Revision ist zurückzuweisen.
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