Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Kein Nachbesichtigungsanspruch des Haftpflichtversicherers des Unfallschädigers

Kein Nachbesichtigungsanspruch des Haftpflichtversicherers des Unfallschädigers - aber mit Einschränkungen?




Gliederung:


-   Einleitung
-   Weiterführende Links
-   Allgemeines



Einleitung:


Gelegentlich - bei einigen Gesellschaften auch häufiger - wird von Haftpflichtversicherern des Geschädigten das Ansinnen gestellt, das Unfallfahrzeug nachträglich zu besichtigen, auch wenn der Geschädigte dem Versicherer bereits ein Sachverständigengutachten mit Lichtbildern überstellt hat, welches ausreicht, um die Feststellung des Schadensumfangs sowie der Schadenshöhe zu ermöglichen.


Ziel derartiger Forderungen ist es nicht etwa, festzustellen, ob im SV-Gutachten nicht erwähnte Vorschäden vorhanden sind oder ob der Sachverständige die Schäden nicht zutreffend festgestellt hat, sondern vielmehr soll die Nachbesichtigung eigentlich nur dazu führen, Kürzungen am SV-Gutachten vorzunehmen, indem zumeist die ursprünglich angesetzten Stundenverrechnungssätze nicht anerkannt werden oder überhaupt eine völlig eigene interessenabhängige Nachkalkulation anzustellen, um die Ansprüche des Geschädigten unberechtigt zu kürzen.

Die Rechtsprechung steht ganz überwiegend auf dem Standpunkt, dass es einen Anspruch der Versicherung auf eine Nachbesichtigung nicht gibt.

Dennoch sind Einzelumstände denkbar, bei denen ein Nachbesichtigungsansinnen nachvollziehbar ist.

Hierauaf hat das OLG Saarbrücken (Beschluss vom 29.05.2018 - 4 W 9/18) hingewiesen:

„(1) In Rechtsprechung und Schrifttum ist zwar grundsätzlich anerkannt, dass dem Kraftfahrthaftpflichtversicherer regelmäßig kein Anspruch auf Nachbesichtigung des unfallgeschädigten Fahrzeuges zusteht (LG München I ZfSch 1991, 123: etwas Anderes könne allenfalls dann gelten, wenn z. B. ein Verdacht auf betrügerische Geltendmachung von Unfallschäden vorliege und behauptet werde, dass Vorschäden verschwiegen worden seien; LG Kleve ZfSch 1999, 239, 240; AG Rostock ZfSch 2000, 151, 152: „regelmäßig“ kein Anspruch; Jaeger VersR 2011, 50; Dötsch ZfSch 2013, 63). Im Rahmen des gesetzlichen Schuldverhältnisses zwischen dem Geschädigten und dem gegnerischen Haftpflichtversicherer sind aber auch dem Erstgenannten in Grenzen Pflichten zur Rücksichtnahme auf den Haftpflichtversicherer bei der Schadensfeststellung auferlegt, deren Verletzung über prozessuale Nachteile für die Durchsetzung der eigenen Schadensersatzansprüche hinaus sogar unter besonderen Umständen zum Ersatz von Schäden des Versicherers verpflichten kann (BGH VersR 1984, 79). Kann der Haftpflichtversicherer begründete Zweifel an der Richtigkeit des vom Geschädigten vorgelegten Privatgutachtens haben, verstößt der Geschädigte gegen die ihm obliegende Rücksichtspflicht, wenn er dem vom Haftpflichtversicherer beauftragten Sachverständigen, ohne einen berechtigten Grund zu haben, die Besichtigung des Fahrzeugs verwehrt (vgl. BGH VersR 1984, 79).

(2) Im vorliegenden Fall konnten die Beklagten begründete Zweifel an der Richtigkeit des vom Geschädigten vorgelegten Privatgutachtens haben, weshalb unbeschadet der materiell-​rechtlichen Einordnung des Nachbesichtigungsverlangens der Regulierungsbeauftragten jedenfalls für den Kläger keine Veranlassung zur Erhebung der Klage bestand [... wird mit Einzelumständen des Falls ausführlich erläutert ...]“.


- nach oben -



Weiterführende Links:


Stichwörter zum Thema Unfallschadenregulierung

Fahrzeugschaden

Fiktive (abstrakte) Schadensabrechnung auf Gutachtenbasis

Stundenverrechnungssätze einer Fachwerkstatt

Streit über die Schadenshöhe und Einholung eines Gegengutachtens

- nach oben -






Allgemeines:


BGH v. 20.06.1989:
Von dem Geschädigten ist weder nachzuweisen, daß er seinen Unfallwagen hat reparieren lassen, noch der Nachweis zu führen, auf welche Weise und in welchem Umfang die Reparatur durchgeführt worden ist. Vielmehr kann er sich mit der Vorlage des Schätzgutachtens eines Kfz-Sachverständigen begnügen. Dieses ist, solange nicht Anhaltspunkte für gravierende Mängel bestehen, ungeachtet des Bestreitens der Beklagten für den Tatrichter eine ausreichende Grundlage, den Schaden nach § 287 ZPO zu schätzen.

LG Kleve v. 29.12.1998:
Der Geschädigte bei einem Kraftfahrzeugunfall darf sich grundsätzlich auf ein von ihm eingeholtes Sachverständigengutachten zur Schadensermittlung verlassen (vgl. z.B. BGH ZfS 1989, 299f. [300]; Jaqusch-Hentschel, a.a.O., § 1 StVG Rz. 6 m.w.N.) und darf seinen Schaden allein auf der Grundlage eines derartigen Gutachtens abrechnen, das auch als Basis für die Schätzung des Reparaturschadens durch ein Gericht gemäß § 287 Abs. 1 ZPO in der Regel ausreicht. Der Schädiger hat daher grundsätzlich auch keinen Anspruch auf Nachbesichtigung eines verunfallten Fahrzeuges.

AG Solingen v. 14.12.2007:
Der Geschädigte genügt seiner Beweislast für Schadensumfang und Schadenshöhe durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens. Dem Haftpflichtversicherer des Schädigers steht kein Recht auf Nachbesichtigung zu.

- nach oben -



Datenschutz    Impressum