Wer ein- oder aussteigt, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist, § 14 Abs. 1 StVO. Eine Fahrzeugtür darf also nur geöffnet werden, wenn sichergestellt ist, dass andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet werden. Wegen dieser gesteigerten Sorgfaltspflichten ergibt sich gegen den die Fahrzeugtür Öffnenden ein Anscheinsbeweis dahingehend, dass er diesen Sorgfaltspflichten nicht genügt hat. Naht Verkehr von hinten, der vor Beendigung des Ein- oder Aussteigens herangekommen sein kann, so hat so lange jedes Türöffnen zu unterbleiben. Wird die Tür nicht etwa zum Zwecke des Ein- oder Aussteigens, sondern aus anderen Gründen geöffnet, gelten die Sorgfaltsanforderungen mindestens entsprechend.Zum Sachverhalt: Der Kläger begehrte von den Beklagten Zahlung weiteren Schadensersatzes aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 25. August 2006 gegen 9.55 Uhr in Berlin-Reinickendorf.
Der Kläger war Eigentümer des PKW VW Vento mit dem amtlichen Kennzeichen …. Die Beklagte zu 2. war Halterin des bei der Beklagten zu 3. pflichtversicherten Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen …. Der Beklagte zu 1. war Insasse des Beklagtenfahrzeugs.
Zum angegebenen Zeitpunkt befuhr der Kläger mit seinem Fahrzeug den Spießweg in Richtung Eichborndamm. Als er das am rechten Straßenrand geparkte bzw. haltende Beklagtenfahrzeug passierte, kam es unter im Einzelnen streitigen Umständen zur Kollision mit der hinteren rechten Tür des Beklagtenfahrzeugs, die der Beklagte zu 1. geöffnet hatte. Der Kläger macht Schäden rechtsseitig an seinem Fahrzeug geltend unter Einbezug des rechten Außenspiegels. Seinen Schaden beziffert er auf Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachtens … vom 12. September 2006 auf Reparaturkosten in Höhe von 1 162,12 € netto nebst Sachverständigenkosten von 373,45 € brutto zuzüglich einer Kostenpauschale von 20,00 €. Darauf zahlte die Beklagtenseite vorprozessual die Sachverständigenkosten sowie 404,34 € an den Kläger. Hinsichtlich der Berechnung der weiterhin geltend gemachten Rechtsanwaltskosten in Höhe von nunmehr 117,62 € wird auf die Rechnung der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 14. Dezember 2006 verwiesen.
Der Kläger behauptet, er sei mit einer Geschwindigkeit von ca. 20 km/h und einem Seitenabstand von mindestens 80 Zentimetern am verkehrswidrig im Halteverbot geparkten Beklagtenfahrzeug, welches der Beklagte zu 1. geführt habe, vorbeigefahren. Plötzlich sei unvorhersehbar vom Beklagten zu 1. die hintere Tür auf der Fahrerseite vollständig geöffnet worden, so dass es zum Schaden gekommen sei. Ein Abbremsen oder Ausweichen zur Vermeidung des Zusammenstoßes sei ihm nicht mehr möglich gewesen. Die Schäden am Kläger- und am Beklagtenfahrzeug seien kompatibel. So befinde sich die Spiegeloberkante des rechten Außenspiegels am Klägerfahrzeug in Höhe von 1,03 Metern und bei der Anstoßstelle am Beklagtenfahrzeug sei zu berücksichtigen, dass dieses auf dem Bürgersteig, also höher als das Klägerfahrzeug geparkt gewesen sei.
Die Beklagten haben behauptet, der Kläger sei so eng am Beklagtenfahrzeug vorbeigefahren, dass sich sein Außenspiegel an der hinteren Tür verhakt habe. Der Beklagte zu 1., der nicht Fahrer des Beklagtenfahrzeugs gewesen sei, habe die Tür bereits ca. eine Minute vor dem Unfall dahingehend geöffnet, dass diese angelehnt gewesen sei, also maximal 3 Zentimeter offen gestanden habe. So seien auch vor dem Unfall bereits mehrere Fahrzeuge an dieser bis zum Unfall unveränderten Tür vorbeigefahren. Die Schäden am Klägerfahrzeug, von denen der Kläger behauptet, dass sie durch einen Zusammenstoß mit der Tür des Beklagtenfahrzeugs verursacht wären, seien nicht kompatibel angesichts der Höhe des klägerischen Außenspiegels von 1,20 Metern und einer Anstoßstelle am Beklagtenfahrzeug von -unbestritten- ca. 80 Zentimeter Höhe. Unabhängig hiervon sei der Kläger offensichtlich zu nah an das Beklagtenfahrzeug herangefahren und habe den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten, so dass eine über 50 % hinausgehende Haftung der Beklagten nicht in Betracht komme.
Die Klage war erfolgreich.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Der Kläger hat gegen die Beklagten Anspruch auf Zahlung vollen Schadensersatzes aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfallereignisses, §§ 7, 17 StVG; 823, 249 BGB; 3 PflVG alter Form bzw. 115 VVG neuer Form.
Vorab ist festzustellen, dass der Beklagte zu 1. passivlegitimiert ist. Es kann dahinstehen, ob er grundsätzlich Führer des Beklagtenfahrzeugs war oder nicht. Jedenfalls war er derjenige, der die Tür des Beklagtenfahrzeugs öffnete, so dass er derjenige war, der die Voraussetzung für die Kollision schuf. Hätte er die Tür nicht geöffnet, hätte es nicht zur Kollision zwischen dem Klägerfahrzeug und der geöffneten Tür des Beklagtenfahrzeugs kommen können. Eine Haftung des Beklagten zu 1. ergibt sich damit mindestens aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 14 StVO.
Wer ein- oder aussteigt, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist, § 14 Abs. 1 StVO. Eine Fahrzeugtür darf also nur geöffnet werden, wenn sichergestellt ist, dass andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet werden. Wegen dieser gesteigerten Sorgfaltspflichten ergibt sich gegen den die Fahrzeugtür Öffnenden ein Anscheinsbeweis dahingehend, dass er diesen Sorgfaltspflichten nicht genügt hat. Naht Verkehr von hinten, der vor Beendigung des Ein- oder Aussteigens herangekommen sein kann, so hat so lange jedes Türöffnen zu unterbleiben. Wird die Tür nicht etwa zum Zwecke des Ein- oder Aussteigens, sondern aus anderen Gründen geöffnet, gelten die Sorgfaltsanforderungen mindestens entsprechend.
Ein Mitverschulden des Klägers wäre nur gegeben, wenn er den erforderlichen seitlichen Sicherheitsabstand, der grundsätzlich einen Meter, mindestens aber 50 Zentimeter, beträgt, nicht eingehalten hätte oder wenn er das Offenstehen der Tür auf eine größere Entfernung hätte bemerken können.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Einholung des Sachverständigengutachtens … steht für das Gericht fest, dass die Beklagten dem Kläger auf Grundlage der Sorgfaltsanforderungen aus § 14 StVO vollumfänglich für den ihm entstandenen Schaden haften, dass also auch eine Mithaftung des Klägers nicht in Betracht kommt.
Das Gericht schließt sich den ausführlichen, gut nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen … in seinem Gutachten vom 16. April 2008 nach eigener Prüfung vollumfänglich an. Der Sachverständige hat eine Fahrzeuggegenüberstellung vorgenommen. Aus dieser ergibt sich, dass zum einen die klägerseits geltend gemachten Schäden kompatibel sind. Schäden am Klägerfahrzeug wurden mit Ausnahme eines vom Kläger angegebenen Altschadens an der Türhinterkante durch einen streifenden Kontakt mit der Hinterkante der linken Fondtür des Beklagtenfahrzeugs verursacht. Unmittelbar vor dem Streifkontakt mit der Beifahrertür des Klägerfahrzeugs kann die Hinterkante der Fondtür des Beklagtenfahrzeugs gegen die Außenkante des Gehäuses des rechten Außenspiegels des Klägerfahrzeugs gestoßen sein und diesen beschädigt haben. Die anderweitige Behauptung der Beklagtenseite hat sich nicht bestätigt.
Hinsichtlich des Schadensherganges kommt der Sachverständige … ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Schilderung der Beklagtenseite so nicht zutreffend sein kann. Die Behauptungen der Beklagten, wonach die linke Fondtür des Beklagtenfahrzeugs lediglich 3 Zentimeter weit geöffnet gewesen sei und dass dies bereits eine Minute zuvor der Fall gewesen sei, stehen im Widerspruch zu den Schadensbildern an den Fahrzeugen. Bei einer Türöffnungsweite von ca. 3 Zentimetern für eine bereits längere Zeit wäre zwar ein Kontakt der linken Tür des Beklagtenfahrzeugs mit der Außenkante des rechten Außenspiegels des Klägerfahrzeugs möglich gewesen. Es wäre im weiteren Verlauf jedoch nicht mehr zu dem aus den Schäden hervorgehenden Anstoß der Tür gegen die Beifahrerseite des Klägerfahrzeugs im Bereich des Griffes gekommen. Bei einer ca. 3 Zentimeter weit geöffneten Tür wäre diese nach Anstoß mit dem Außenspiegel am Klägerfahrzeug allenfalls wieder zurückgedrückt worden, aber nicht weiter geöffnet worden. Angesichts dessen, dass die Hinterkante der Fondtür des Beklagtenfahrzeugs im Bereich der markanten Biege- bzw. Knickstelle deutlich nach außen hin verformt ist, ist auch auf eine von innen nach außen hin gerichtete Krafteinwirkung zu schließen, die es bei einer geringen Türöffnungsweite so nicht gegeben hätte. Die Hergangsschilderung des Klägers ist demgegenüber mit den Schadensbildern an den Fahrzeugen ohne Weiteres in Übereinstimmung zu bringen.
Nach alledem steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich der Unfall so, wie die Beklagten es behaupten, nicht ereignet haben kann. Die klägerische Hergangsschilderung steht demgegenüber mit den Schäden an den Fahrzeugen in Übereinstimmung, sie ist schlüssig im Hinblick auf die Schäden. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass sich der Unfall auch tatsächlich so zugetragen hat, wie der Kläger es behauptet. Entgegenstehendes haben die insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten nicht bewiesen.
Eine Parteivernehmung der Beklagten zu 1. und 2. kam nicht in Betracht. Der Kläger hat einer solchen nicht zugestimmt, § 447 ZPO, und eine Parteivernehmung von Amts wegen, § 448 ZPO, ist dem Gericht nur an die Hand gegeben, wenn sich eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der zu beweisenden Tatsache bereits aufgrund weiterer Umstände, insbesondere der Lebenserfahrung ergibt. Solches ist gerade nicht der Fall. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Einholung des Sachverständigengutachtens ist der Beklagtenvortrag gerade nicht wahrscheinlich geworden, im Gegenteil. Nach alledem ist nicht erwiesen, dass der Kläger einen zu geringen Seitenabstand eingehalten hätte oder dass er sich sonst, gegebenenfalls aufgrund höherer Geschwindigkeit, außer Stande gesetzt hätte, rechtzeitig unfallverhütend zu reagieren. Das Gericht folgt dem Klägervortrag, mit dem Ergebnis, dass der Klage vollumfänglich stattzugeben war, zumal die Beklagten zur Schadenshöhe im Einzelnen keine Einwendungen erhoben haben. ..."