Bei einem anthropologischen Identitätsgutachten handelt es sich nicht um eine standardisierte Untersuchungsmethode, bei welcher sich die Darstellung im Wesentlichen auf die Mitteilung des Ergebnisses des Gutachtens beschränken kann. Um dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung der gedanklichen Schlüssigkeit des Gutachtens und seines Beweiswertes zu ermöglichen, bedarf es daher über die Aufzählung der mit dem Foto übereinstimmenden morphologischen Merkmalsprägungen des Betroffenen hinausgehender Angaben. Insbesondere bedarf es Angaben zur Merkmalshäufigkeit.Entscheidungsgründe:
"I.
Das Amtsgericht Eisenach hat gegen den Betroffenen mit Urteil vom 07.05.2008 - nach Einspruch des Betroffenen gegen den gleichlautenden Bußgeldbescheid des Thüringer Polizeiverwaltungsamt - Zentrale Bußgeldstelle - vom 26.07.2007 - wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 49 km/h eine Geldbuße von 100,00 € und ein Fahrverbot von 1 Monat angeordnet.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner am 09.05.2008 eingegangenen Rechtsbeschwerde, die nach Zustellung des Urteils an den Verteidiger des Betroffenen am 13.06.2008 mit beim Amtsgericht Eisenach am 14.07.2008 eingegangenem anwaltlichen Schriftsatz begründet worden ist. Gerügt wird die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 01.09.2008 beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde (richtig: die Rechtsbeschwerde) als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Sie hat auch einen - vorläufigen - Erfolg.
Das Urteil unterliegt bereits deshalb der Aufhebung, weil die Beweiswürdigung bezüglich der Fahrereigenschaft des Betroffenen unvollständig ist.
Zwar ist die Beweiswürdigung grundsätzlich dem Tatgericht vorbehalten und demnach einer inhaltlichen Prüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht entzogen. Die Beweiswürdigung ist jedoch dann zu beanstanden, wenn sie Lücken, Widersprüche, Unklarheiten oder Verstöße gegen Denkgesetze, gefestigte Erfahrungswerte oder gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse enthält (KK-Schureit, StPO, 5. Aufl., § 261, Rn. 51).
Vorliegend erweist sich die Darstellung der Beweiswürdigung als lückenhaft. Die Urteilsgründe ermöglichen nämlich dem Senat nicht die Kontrolle, ob die Feststellung, dass der Betroffene die gegenständliche Tat begangen hat, rechtsfehlerfrei getroffen worden ist.
Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass das Amtsgericht Eisenach zur Identifizierung des Betroffenen die Sachverständigen Dr. F. vernommen hat.
Den Urteilsgründen ist nicht hinreichend zu entnehmen, aus welchen Gründen das Amtsgericht den Ausführungen der Sachverständigen Dr. F. gefolgt und deshalb zur Überzeugung von der Fahreigenschaft der Betroffenen gelangt ist.
Der Tatrichter, der ein Sachverständigengutachten eingeholt hat und diesem Beweisbedeutung beimisst, muss auch dann, wenn er sich dem Gutachten des Sachverständigen anschließt, die Ausführungen des Sachverständigen in einer, wenn auch nur gedrängten, zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen wiedergeben, um dem Rechtsbeschwerdegericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen ( BGH NStZ 1991, 596; NStZ 2000, 106, 107; OLG Celle, NZV 2002, 472; Senatsbeschluss vom 14.11.2005, Az.: 1 Ss 217/05 ).
Bei einem anthropologischen Identitätsgutachten handelt es sich nicht um eine standardisierte Untersuchungsmethode, bei welcher sich die Darstellung im Wesentlichen auf die Mitteilung des Ergebnisses des Gutachtens beschränken kann (BGH a.a.O.). Um dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung der gedanklichen Schlüssigkeit des Gutachtens und seines Beweiswertes zu ermöglichen, bedarf es daher über die Aufzählung der mit dem Foto übereinstimmenden morphologischen Merkmalsprägungen des Betroffenen hinausgehender Angaben (Senat a.a.O.m.w.N.). Nur so kann der sich hieran anknüpfende Schluss des Sachverständigen, ein Dritter sei aufgrund dieser Übereinstimmungen als Fahrer im Tatzeitpunkt praktisch ausgeschlossen, nachvollzogen werden.
Das Amtsgericht teilt zwar die Merkmale, die die Sachverständige isolieren konnte, und die angewandte Untersuchungsmethode mit. Jedoch sind dem Urteil keine Angaben zum Verbreitungsgrad der verschiedenen Merkmalsprägungen, d.h. zu deren Häufigkeit oder Seltenheit zu entnehmen.
Denn es mag Merkmale geben, die bei einem hohen Anteil der Bevölkerung vorhanden sind, und andere, die nur äußerst selten vorkommen. Um dies beurteilen zu können, muss eine Untersuchung entweder auf biostatisches Vergleichsmaterial oder auf mehr oder weniger genaue Anhaltswerte zurückgreifen, wobei letztere allerdings a priori den Beweiswert der Wahrscheinlichkeitsaussage ganz erheblich schmälern (vgl. BGH NStZ 2000, 106, 107). Entsprechend wäre es auch geboten gewesen, dass der Tatrichter mitteilt, worauf der Sachverständige seine Wahrscheinlichkeitsberechnung gestützt hat. Je nach Häufigkeit des Vorkommens in der - richtig abgegrenzten - Bevölkerung kommt dem Vorhandensein einzelner Merkmale nämlich eine höhere Beweisbedeutung zu als anderen (OLG Celle, a.a.O.). Dies wird vor allem dann relevant, wenn es nicht nur Übereinstimmungen, sondern auch Abweichungen gegeben hat und sich die Frage stellt, ob angesichts dieser Abweichung(en) die Wahrscheinlichkeitsaussage einer Relativierung bedarf. Zur Beweisbedeutung der einzelnen Merkmalsprägungen - allein oder ggf. in Kombination mit anderen festgestellten Merkmalen - ist in den Urteilsgründen indes nichts ausgeführt. Es ist auch nicht erörtert worden, ob neben den Übereinstimmungen auch Abweichungen vom Sachverständigen festgestellt und ggf. wie diese bewertet wurden.
Der Senat hält insoweit auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des OLG Hamm in dessen Beschluss vom 15.04.2008 ( NStZ-RR 2008, 287 f.) an seiner bisherigen Rechtssprechung fest, wonach Angaben zur Merkmalshäufigkeit verlangt werden. Zwar ist es zutreffend, dass zwischen den Klassifizierungen von Einzelmerkmalen ein gleitender Übergang besteht, weswegen in der Regel keine genauen Angaben über die Häufigkeit der Merkmale in der Bevölkerung, der die zu identifizierende Person angehört, gemacht werden können ( BGH StV 2005, 374 m.w.N.). In jedem Fall ist jedoch im Gutachten und in den Urteilsgründen offenzulegen, inwieweit die Häufigkeit des einzelnen Merkmals in der Bevölkerung zutreffend widergespiegelt werden kann oder aber ob es sich nur um mehr oder weniger genaue Anhaltswerte handelt, die den Beweiswert der Wahrscheinlichkeitsaussage relativieren ( BGH NStZ 2000, 106; 1992, 554; OLG Braunschweig NStZ-RR 2007, 180). Dabei wird der Gutachter häufig auf Schätzungen aufgrund seiner Sachkenntnis angewiesen sein, da die Merkmalsfassungen nicht ausreichend normiert sind.
Wegen des aufgezeigten sachlich rechtlichen Mangels des Urteils, auf dem dieses auch beruhen kann, war auf die Rechtsbeschwerde die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zu neuer Prüfung und Entscheidung an das Amtsgericht Gera zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben wird.
III.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Die Zuziehung eines Sachverständigen kann in den Fällen entbehrlich sein, in denen der Tatrichter infolge Selbststudiums oder aufgrund eines bereits in anderem Zusammenhang eingeholten Sachverständigengutachtens ausreichende Sachkunde gewonnen hat, die ihn in die Lage versetzt, die Identität zwischen der auf dem Lichtbild abgebildeten Person und der Person des Betroffenen zu beurteilen. Das Amtsgericht Eisenach wird daher im Rahmen der neuen Hauptverhandlung zu erwägen haben, ob es aufgrund der aus dem bereits eingeholten Sachverständigengutachten gewonnenen Sachkunde in der Lage ist, den Betroffenen nunmehr zweifelsfrei anhand des Lichtbildes als den betreffenden Fahrer zu identifizieren."