Die Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch ist zulässig, wenn die Verwaltungsbehörde die Regelsätze der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV)) als Ahndung angeordnet hat. Die Beträge des Bußgeldkatalogs, an denen die Behörde grundsätzlich gebunden ist, gehen von fahrlässiger Begehung und gewöhnlichen Tatumständen aus (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BKatV). Setzt die Verwaltungsbehörde für einen dem Katalog entsprechenden Tatbestand ohne weiteres die dort vorgesehene Geldbuße fest, gibt sie damit zu erkennen, dass sie dem Betroffenen fahrlässiges Handeln zur Last legt. Hat aber das Rechtsbeschwerdegericht ein amtsgerichtliches Urteil aufgehoben und die Prüfung vorsätzlichen Handelns nahegelegt, trifft diese Vermutung nicht mehr zu und eine nachträgliche Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch ist unwirksam, wenn sie dem Gericht die Überprüfung der Schuld nicht mehr möglich machen würde.
Gründe:
I.
Der Betroffene befuhr am 28. April 2007 als Führer eines Pkw die Bundesstraße B10 (Kraftfahrstraße). Bei einer Geschwindigkeitskontrolle wurde festgestellt, dass er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 46 km/h überschritten hatte. Die Kreisverwaltung Südwestpfalz erließ am 13. August 2007 gegen den Betroffenen einen Bußgeldbescheid, in dem es eine Geldbuße von 100,00 € festsetzte und ein Fahrverbot von 1 Monat anordnete. Hiergegen legte der Betroffene fristgemäß Einspruch ein. Das Amtsgericht Pirmasens verhängte gegen den Betroffenen „wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit“ eine erhöhte Geldbuße von 200,00 € und sah von der Anordnung eines Fahrverbots ab. Zur Begründung führte der Bußgeldrichter aus, dass es ausreiche, die Regelgeldbuße von 100,00 € zu erhöhen, weil der Betroffene verkehrsrechtlich nicht vorbelastet und aus beruflichen und familiären Gründen auf die Nutzung seines Fahrzeugs angewiesen sei.
Mit ihrer auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Rechtsbeschwerde beanstandete die Staatsanwaltschaft das Absehen von der Anordnung des Regelfahrverbots. Der Senat hob mit Beschluss vom 30. Juli 2008 – 1 Ss 60/08 – das Urteil des Amtsgerichts vom 26. Februar 2008 mit Ausnahme der Feststellungen zur äußeren Tatseite auf und verwies im Umfang der Aufhebung die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurück.
Das Amtsgericht hat nach erneuter Verhandlung gegen den Betroffenen wegen vorsätzlichen Überschreitens der erlaubten Höchstgeschwindigkeit außerorts um 46 km/h eine Geldbuße von 100,00 € und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt (§§ 3 Abs. 3, 49 StVO, 24, 25 StVG, 4 BKatV). Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und sachlichen Rechts; er wendet sich insbesondere gegen das Fahrverbot.
II.
Das zulässige Rechtsmittel bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Aufgrund der zulässigen und unbeschränkten Rechtsbeschwerde hat das Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu prüfen, ob das erstinstanzliche Gericht den seiner Beurteilung unterliegenden Sachverhalt im richtigen Umfang geprüft hat, insbesondere, ob der Gegenstand des Verfahrens durch eine nachträgliche Rücknahme des Einspruchs beschränkt wurde. Diese Prüfung ergibt, dass die vom Betroffenen in der Hauptverhandlung vom 16. Dezember 2008 erklärte Beschränkung seines ursprünglich unbeschränkt eingelegten Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch nicht mehr wirksam erfolgen konnte und daher auch der Schuldspruch der Nachprüfung durch das Amtsgericht unterlag.
Der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid kann sowohl ganz wie teilweise zurückgenommen werden (§ 67 Satz 2 OWiG i.V.m. § 302 StPO). Die Teilrücknahme ist im selben Umfang zulässig, wie eine Teilanfechtung zulässig gewesen wäre (KK-Bohnert OWiG 3. Aufl. § 67 Rdnr. 99).
Nach der seit dem 1. März 1998 geltenden Regelung in § 67 Abs. 2 OWiG kann ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden. Damit ist § 67 Abs. 2 OWiG jetzt dem § 410 Abs. 2 StPO (Einspruch gegen einen Strafbefehl) und dem § 318 Satz 1 StPO (Berufung) angepasst. Folglich kommt auch eine Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch in Betracht. Eine solche Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist beim Einspruch gegen Strafbefehl und bei der Berufung bzw. Revision unwirksam, wenn die Feststellungen zum Schuldspruch so knapp und unzulänglich sind, dass sie keine ausreichende Grundlage für die Prüfung des Rechtsfolgenausspruchs bieten (Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 410 Rdnr. 5 und § 318 Rdnr. 16).
Während im Urteilsverfahren für den Bußgeldrichter im gleichen Maß wie für den Strafrichter als inhaltliche Mindestanforderung gilt, dass das objektive und subjektive Tatgeschehen so konkret und exakt wiedergegeben wird, dass dem Rechtsmittelgericht die Überprüfung der Rechtsanwendung hinsichtlich der inneren und äußeren Tatseite möglich ist, ist dies vom Bußgeldbescheid nicht zu fordern. Dessen Inhalt beschränkt sich in der Regel auf die standardisierte Erfassung des äußeren Sachverhalts, so dass die Ordnungswidrigkeit nach Person, Tatzeit und Tatort daten- und rastermäßig individualisiert wird. Feststellungen zur inneren Tatseite fehlen im Allgemeinen völlig. Gleichwohl erachtet die überwiegende Rechtsprechung (Beschluss des Senats vom 12. Januar 2006 DAR 2006, 342; OLG Rostock NZV 2002, 137; KG NZV 2002, 466; Lemke OWiG § 67 Rdnr. 31; a.A. OLG Jena DAR 2001, 323) eine derartige Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch jedenfalls dann für zulässig, wenn die Verwaltungsbehörde die Regelsätze der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV)) als Ahndung angeordnet hat. Die Beträge des Bußgeldkatalogs, an denen die Behörde grundsätzlich gebunden ist, gehen von fahrlässiger Begehung und gewöhnlichen Tatumständen aus (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BKatV). Setzt die Verwaltungsbehörde für einen dem Katalog entsprechenden Tatbestand ohne weiteres die dort vorgesehene Geldbuße fest, gibt sie damit zu erkennen, dass sie dem Betroffenen fahrlässiges Handeln zur Last legt.
Dies gilt aber nicht, wenn von Anfang an der Verdacht vorsätzlichen Zuwiderhandelns besteht (vgl. KK-Bohnert OWiG 3. Aufl. § 67 Rdnr. 58g; OLG Celle NZV 1999, 524;) oder wenn eine nachträgliche Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch dazu führen würde, dass die dem Bußgeldbescheid zugrunde liegende Schuldform (Fahrlässigkeit) nicht mehr mit den vom Rechtsbeschwerdegericht aufrechterhaltenen Feststellungen in Übereinstimmung zu bringen ist (vgl. Meyer-Goßner a.a.O. § 302 Rdnr. 6; Bayerisches Oberstes Landgericht MDR 1988, 883).
So liegt der Fall hier.
Wie dem Beschluss des Senats vom 30. Juli 2008 (Bl. 103, 108 d.A.) zu entnehmen ist, lag nach den aufrechterhaltenen Feststellungen des (ersten) amtsgerichtlichen Urteils vom 26. Februar 2008 zur äußeren Tatseite die Annahme einer vorsätzlichen statt einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung nahe (vgl. BGH NJW 1997, 3252, 3253; KG VRS 113, 314; OLG Hamm VRS 90, 210, 211; OLG Bamberg DAR 2006, 464). Die aufrechterhaltenen Feststellungen würden somit im Widerspruch zu der Annahme stehen, dass bei Verkehrsordnungswidrigkeiten vom Vorwurf der fahrlässigen Begehungsweise auszugehen ist, wenn die Verwaltungsbehörde die Regelsätze des Bußgeldkatalogs angewendet hat. Bei Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch wäre das Amtsgericht an diese Annahme gebunden. Umgekehrt hat aber die Aufrechterhaltung eines Teils der Feststellungen des (ersten) amtsgerichtlichen Urteils zur Folge, dass diese Feststellungen für das weitere Verfahren verbindlich sind und nicht mehr in Frage gestellt werden dürfen (innerprozessuale Bindungswirkung). Dieser Widerspruch kann nur dadurch gelöst werden, dass eine Beschränkung des Einspruchs nicht mehr wirksam erfolgen kann. Denn es kann nicht in der Macht der Verfahrensbeteiligten liegen, diese durch die Entscheidung des Senats als Rechtsbeschwerdegericht herbeigeführte Bindung ihrerseits durch eine Erklärung wieder zu beseitigen, die das Amtsgericht nunmehr an „andere Feststellungen“ binden würden (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht a.a.O.S. 883). Dies hat zur Folge, dass das Amtsgericht unter Bindung an die aufrechterhaltenen Feststellungen des ersten amtsgerichtlichen Urteils zu Recht die Schuldform aufgeklärt hat, da die Beschränkung des Einspruchs in diesem Verfahrensstadium nicht mehr wirksam erfolgen konnte.
2. Verstoß gegen § 265 Abs. 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG
Der Umstand, dass das Amtsgericht es unterlassen hat, den Betroffen darauf hinzuweisen, dass eine Verurteilung wegen „vorsätzlichen Überschreitens der erlaubten Höchstgeschwindigkeit“ anstelle einer fahrlässigen Begehung in Betracht kommen könnte, rechtfertigt nicht die Annahme eines Verstoßes gegen die in § 265 Abs. 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG normierte Hinweispflicht. Dies war im vorliegenden Fall ausnahmsweise nicht erforderlich. Denn der Senat hatte bereits mit seinem Beschluss vom 30. Juli 2008 für die neue Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht darauf hingewiesen, dass eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung in Betracht kommt, da keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, die für ein fahrlässiges Verhalten sprechen könnten. Damit hat sich für das erstinstanzliche Gericht ein erneuter und wiederholender Hinweis erübrigt. Aufgrund der Ausführungen des Senats war der Betroffene in der Lage, seine Verteidigung entsprechend einzurichten. Der Rechtsbeschwerderechtfertigung ist zu entnehmen, dass der Betroffene von dem Hinweis des Senats Kenntnis hatte. Ob der entsprechende Teil des Senatsbeschlusses in der neuen Hauptverhandlung des erstinstanzlichen Gerichts nochmals verlesen wurde, ist unbeachtlich (vgl. BGHSt 22, 29; LR-Gollwitzer StPO 25. Aufl. § 265 Rdnr. 12 m.w.N.; KK-Engelhardt StPO 6. Aufl. § 265 Rdnr. 21).
3. Auch die erhobene Sachrüge hat keinen Erfolg.
Das angefochtene Urteil hält sowohl im Schuldspruch als auch in der Rechtsfolgenbestimmung rechtlicher Nachprüfung stand.
Das Fahrverbot ist eingehend und im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes begründet (vgl. BGHSt 38, 125 und 231). Danach kann das Fahrverbot unter Geltung der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) und angesichts erheblich angewachsener Verkehrsdichte nicht mehr lediglich als „ultima ratio“ angesehen werden, die in aller Regel erst dann angewendet werden dürfte, wenn auch durch verschärfte Geldbußen nicht auf den Betroffenen eingewirkt werden konnte (vgl. BVerfG DAR 1996, 196).
Nach den Feststellungen der Bußgeldrichterin sind die Voraussetzungen eines Regelfalles gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 StVG, § 4 Abs. 1 Nr. 1 BKatV erfüllt, so dass die Anordnung eines Fahrverbotes sowohl wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers grundsätzlich angezeigt war. Hinreichenden Anlass dafür, ausnahmsweise von der Maßnahme abzusehen, hat das Amtsgericht trotz sorgfältiger Prüfung nicht gesehen. Diese tatrichterliche Würdigung (vgl. BGH a.a.O., 237) lässt Rechtsfehler nicht erkennen und ist deshalb vom Rechtsbeschwerdegericht hinzunehmen. Zutreffend ist insbesondere der Standpunkt des Amtsrichters, wonach eine Ausnahme vom Fahrverbot nicht allein deshalb gewährt werden muss, weil der Betroffene beruflich auf die Fahrerlaubnis angewiesen ist (vgl. BayObLG DAR 1994, 368; OLG Frankfurt NZV 1994, 77; OLG Oldenburg NZV 1993, 198; OLG Düsseldorf NZV 1993, 37) oder als sogenannter „Vielfahrer“ anzusehen ist (OLG Düsseldorf a.a.O.). Das erstinstanzliche Gericht hat auch die familiäre Situation des Betroffenen und die verkehrspsychologische Beratung bedacht.
Auch der Aspekt des erheblichen Zeitablaufs und die Verhältnismäßigkeit sind berücksichtigt und rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO.