Wer unter akutem Einfluss von Cannabis bei der motorisierten Verkehrsteilnahme angetroffen wird und ansonsten gelegentlich Cannabis konsumiert, ist fahrungeeignet, weil ihm das Trennvermögen fehlt. Dies kann auch nicht durch die Vorlage eines einzigen Attestes eines Arztes über eine kurzzeitige Drogenfreiheit widerlegt werden. Dem Betroffenen ist daher die Fahrerlaubnis zu entziehen.
Gründe:
Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung aus den nachfolgend dargelegten Gründen von Beginn an nicht die nach § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hat.
Die sinngemäß gestellten Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, die aufschiebende Wirkung der Klage 9 K 2086/09 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 29. April 2009 hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis wiederherzustellen und im Übrigen anzuordnen, sind zulässig. Allerdings bleibt ihnen in der Sache der Erfolg versagt.
Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder zumindest eine Aufhebung der Vollziehungsanordnung wegen unzureichender Begründung des Vollzugsinteresses (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO) kommt nicht in Betracht.
Formale Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung ist, dass für das besondere Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung eine schriftliche Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gegeben worden ist. Bei evidenten Eignungsmängeln bedarf es wegen der Gefahr für höchste Rechtsgüter keiner differenzierten, auf die Umstände des Einzelfalles eingehenden Begründung der sofortigen Vollziehung,vgl. OVG Hamburg, Beschl.v. 15. Dezember 2005 – 3 Bs 214/05 –, zitiert nach Juris.Diesen Anforderungen genügt die vom Antragsgegner gegebene Begründung.
Die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hängt ferner von einer Abwägung der widerstreitenden Interessen an der Suspendierung der angefochtenen Maßnahme einerseits und der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits ab. Bei der Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass der sofort vollziehbare Verwaltungsakt rechtswidrig ist, überwiegt das private Aufschubinteresse des Antragstellers. Denn an der Vollziehung einer rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahme kann kein öffentliches Interesse bestehen. Ist hingegen der angegriffene Bescheid rechtmäßig und besteht – für den Fall der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung – ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung, überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse am Bestand der sofortigen Vollziehbarkeit.
Vorliegend ergibt die Abwägung des Interesses des Antragstellers einerseits – vorläufig weiter ein Kraftfahrzeug führen zu dürfen – mit dem widerstreitenden öffentlichen Interesse andererseits – die Teilnahme des Antragstellers am motorisierten Straßenverkehr zum Schutze der anderen Verkehrsteilnehmer sofort zu unterbinden –, dass dem öffentlichen Interesse Vorrang einzuräumen ist. Denn nach dem bisherigen Sach- und Streitstand dürften sich die in der Hauptsache angefochtenen Bescheide als rechtmäßig erweisen. Ferner liegen auch keine sonstigen Umstände vor, die ein überwiegendes Aussetzungsinteresse ausnahmsweise begründen könnten.
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG – i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c StVG und § 46 Abs. 1 Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr – FeV –. Danach ist die Fahrerlaubnisbehörde verpflichtet, eine Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn der Inhaber sich als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet erweist. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV wiederholt insoweit den Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG; in Satz 2 heißt es dazu konkretisierend, dass dies insbesondere gelte, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen.
Dies ist beim Antragsteller der Fall. Es kann insoweit dahinstehen, ob der Antragsgegner gemäß § 11 Abs. 8 FeV aus der Nichtbeibringung des mit Schreiben vom 25. Februar 2009 geforderten ärztlichen Gutachtens schließen durfte, dass der Antragsteller zum Führen eines Kraftfahrzeugs nicht geeignet ist. Seine Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges dürfte schon deshalb ausgeschlossen sein, weil er gelegentlicher Cannabis-Konsument ist und unter dem akuten Einfluss von Cannabis Auto gefahren ist. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer fehlt das Trennungsvermögen, wenn der Betroffene sein Fahrzeug – in einem oder mehreren Fällen – unter der Wirkung von Cannabis führt,vgl. nur VG Gelsenkirchen, Beschl.v. 4. Juni 2009 – 9 L 458/09 –; Beschl.v. 1. Oktober 2008 – 9 L 1106/08 –; Beschl.v. 8. Februar 2008 – 9 L 1381/07 –; Beschl.v. 31. Januar 2008 – 9 L 1304/07 –.Hierbei kann sich die Behörde hinsichtlich der THC-Konzentration regelmäßig an dem im Beschluss der Grenzwertekommission festgesetzten Grenzwert von 1,0 ng/ml im Blut orientieren. Bei einer solchen Konzentration erscheint es jedenfalls als möglich, dass die Fahrtüchtigkeit eingeschränkt ist,VGH Baden-Württemberg, Urt.v. 13. Dezember 2007 – 10 S 1272/07 –, zitiert nach Juris; OVG Hamburg, Beschl.v. 15. Dezember 2005 – 3 Bs 214/05 –, zitiert nach Juris; Nieder sächsisches OVG, Beschl.v. 11. Juli 2003 – 12 ME 287/03 –, zitiert nach Juris.Die THC-Konzentration von 1,0 ng/ml ist zugleich der Referenzwert, den das Bundesverfassungsgericht für eine verfassungskonforme Auslegung von § 24a Abs. 2 StVG anerkannt hat,BVerfG, Beschl.v. 21. Dezember 2004 – 1 BvR 2652/03 –, zitiert nach Juris.Nach dem vom Antragsgegner vorgelegten Bericht der Polizei vom 26. Dezember 2008 ist der Antragsteller am gleichen Tage um 10.00 Uhr im Zuge einer allgemeinen Verkehrskontrolle angehalten und überprüft worden. Er hat – wie sich aus dem Polizeibericht ergibt – auf Befragen angegeben, seit etwa drei bis vier Jahren zwei- bis dreimal wöchentlich Marihuana zu konsumieren. Die auf Anordnung der Polizei entnommene Blutprobe ergab bei der späteren Analyse ausweislich des rechtsmedizinischen Gutachtens des Prof. Dr. N. (Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum C.) vom 4. Februar 2009 folgende Befunde:Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Blutentnahme und damit zum Vorfallszeitpunkt unter dem Einfluss von Cannabis stand. Damit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Antragsteller im Sinne von Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zur FEV nicht zwischen dem Konsum des Betäubungsmittels Cannabis und dem Fahren getrennt hat, da er sein Fahrzeug unter dem Einfluss von Cannabis – der Grenzwert ist vorliegend deutlich überschritten – im Straßenverkehr führte. Nach der eigenen Einlassung des Antragstellers gegenüber der Polizei ist dieser zumindest gelegentlicher Konsument von Cannabis.
- Tetrahydrocannabinol (THC): 3,4 ng/ml
- THC-Metabolit (11-OH-THC): 1,2 ng/ml
- THC-Metabolit (THC-COOH): 70,0 ng/ml.
Auch das vom Antragsteller nunmehr vorgelegte chemisch-toxikologische Gutachten des Prof. Dr. N. vom 4. Juni 2009 führt zu keiner anderen Bewertung, da dieses eine nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung vorgenommene Blutuntersuchung betrifft und daher vom Antragsgegner nicht zu berücksichtigen war. Ungeachtet dessen ist ein solches Gutachten im Falle von Cannabiskonsum lediglich geeignet, für einen ganz kurzen Zeitraum von wenigen Tagen die Freiheit von Drogen zu belegen. Ein negativer Laborbefund rechtfertigt daher nicht den Schluss, dass der Blutentnahme über einen längeren Zeitraum ein Verzicht auf Betäubungsmittelkonsum, und nicht nur speziell im Hinblick auf den bekannten Untersuchungstermin, vorausging. Die Gefahr, in Zukunft Drogen zu konsumieren und dann gleichwohl Auto zu fahren, kann daher durch eine einzelne Blutuntersuchung nicht ausgeschlossen werden.
Schließlich liegen auch keine Gründe vor, die hier ausnahmsweise trotz der geringen Erfolgsaussichten des Antragstellers in der Hauptsache ein überwiegendes Aussetzungsinteresse begründen könnten. Der pauschale Vortrag des Antragstellers, er sei in einem Handwerksbetrieb tätig und zum Erhalt seines Arbeitsplatzes unbedingt auf die Fahrerlaubnis angewiesen, rechtfertigt im Hinblick auf das besondere Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit im Straßenverkehr zum Schutz von Leben und Gesundheit aller Verkehrsteilnehmer nicht ein Überwiegen des privaten Aussetzungsinteresses. Aus den oben angeführten Gründen ergibt sich auch im Hinblick auf das chemisch-toxikologische Gutachten vom 4. Juni 2009 kein überwiegendes Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
Die in dem Bescheid vom 29. April 2009 enthaltene deklaratorische Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG) sowie die zugehörige Zwangsgeldandrohung begegnen keinen rechtlichen Bedenken.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Dabei setzt die Kammer in Anlehnung an die geänderte Streitwertpraxis des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen,vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl.v. 15. Mai 2009 – 16 B 114/09 –,in Rechtsstreitigkeiten, in denen es um die Entziehung einer Fahrerlaubnis geht, in Hauptsacheverfahren den Auffangwert und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Hälfte dieses Betrags an, es sei denn es geht um einen – hier nicht dargelegten – Fall der qualifizierten beruflichen Nutzung der Fahrerlaubnis.