Der den Radweg in falscher Fahrtrichtung benutzende Radfahrer verliert nicht sein Vorfahrtrecht; jedoch trifft ihn eine Mithaftung von einem Drittel, wenn es im Kreuzungsbereich zu einem Zusammenstoß mit einem wartepflichtigen, nach rechts abbiegenden Kfz kommt.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 29.08.2008 an der Ecke Birker-/Arnulfstraße in München ereignet hat. Der Kläger wollte mit seinem Pkw aus der Birkerstraße kommend nach rechts in die bevorrechtigte Arnulfstraße abbiegen. Die Beklagte fuhr zu diesem Zeitpunkt mit ihrem Fahrrad auf der falschen Seite auf dem Radweg der Arnulfstraße entlang. Es kam zu einer Kollision.
Die Kläger behauptet, er habe gesehen, wie sich die Beklagte in einer Entfernung von ca. 200 m genähert habe. Nachdem ausreichender Abstand gewesen sei, habe er sein Fahrzeug leicht anrollen lassen und sich währenddessen in die andere Fahrtrichtung orientiert.
Der Kläger beantragt:Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.595,71 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.12.2008, sowie vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach RVG in Höhe von EUR 316,18 zu zahlen.Die Beklagte beantragtdie Klage kostenpflichtig abzuweisen.Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger hafte für seinen Schaden allein, weil er die Vorfahrt der Beklagten missachtet habe.
Auf das Protokoll vom 05.06.2009 und den übrigen Akteninhalt wird Bezug genommen. Das Ordnungswidrigkeitenverfahren der Staatsanwaltschaft München I mit dem Aktenzeichen 489 Js 133783/08 wurde beigezogen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist nur teilweise begründet.
I.
1. Grundsätzlich ist bei einem Verkehrsunfall mit einem Kraftfahrzeug im Straßenverkehr gemäß §§ 7 Abs. 1, 18Abs. 1 Satz 3 StVG zulasten des Kraftfahrzeugbenutzers die Betriebsgefahr zu berücksichtigen. Außerdem hatte der Kläger hier das Zeichen Nr. 205 – Vorfahrt gewähren – zu beachten. Auf der anderen Seite ist die Beklagte gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 Abs. 4 StVO schadensersatzpflichtig, denn sie hat unstreitig den Radweg in der falschen Richtung benutzt und damit zum Unfallgeschehen beigetragen. Eine intensive Rechtsprechungsrecherche hat hier kein einheitliches Bild zur Haftungsquote in einem solchen Fall ergeben. Unter jeweiliger Berücksichtigung des zu beurteilenden Einzelfalls kommen die Gerichte zu einer Haftung des Kraftfahrers zu 2/3 ( AG Frankfurt, Schaden-Praxis 2006, 344-345) , beziehungsweise 1/3 ( LG Berlin, Urteil vom 22.08.2007, Az.: 58 S 79/07 ) oder 1/2 (Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 13.01.2004, Az.: 3 U 244/03; dieses mit einer umfangreichen Darstellung der Rechtsprechung unter Angabe weiterer Fundstellen). Die vom Kläger insbesondere angeführte Entscheidung des OLG Bremen ( NJW 1997, 2891) betrifft einen Sonderfall, in dem einem Radfahrer die Schuld zu 100 % auferlegt wurde, weil nachgewiesen war, dass der Kraftfahrer bereits sehr lange in der Einmündung stand.
2. Im vorliegenden Fall hat ebenfalls eine Einzelfallabwägung stattzufinden: Zu berücksichtigen ist hier zulasten des Klägers neben der Betriebsgefahr, dass das Verkehrszeichen Nr. 205 grundsätzlich allen Verkehrsteilnehmern auf der bevorrechtigten Straße den Vorrang gewährt, also auch Radfahrern, die aus der falschen Richtung kommen. Der Kläger hat selbst angegeben, dass er die Beklagte von weitem kommen sah. Er hatte sie daher im Auge behalten müssen und sich vor dem Abbiegevorgang noch einmal schnell in Richtung der Radfahrerin orientieren müssen. Dann hätte er bemerkt, dass sie schon näher war, als erwartet. Auf der anderen Seite hätte die Beklagte bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt nicht auch noch beschleunigen dürfen, als sie das Fahrzeug des Klägers in der Einmündung stehen sah, so wie sie es selbst im Ordnungswidrigkeitenverfahren angab. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren hält das Gericht hier eine Haftung des Klägers zu 2/3 und mithin eine Haftung der Beklagten zu 1/3 für gerechtfertigt. Im übrigen war die Klage abzuweisen.
II.
Zu den einzelnen Schadenspositionen ist nichts weiter auszuführen, als dass der zum Vorsteuerabzug berechtigte Kläger auf die von ihm geltend gemachten Schadenspositionen keine Mehrwertsteuer verlangen kann, § 249 Abs. 2 S. 2 BGB.
Damit ergibt sich ein berücksichtigungsfähiger Gesamtschaden von 2.536,43 €, von dem die Beklagte 1/3, das heißt 845,48 € erstatten muss.
III.
Für die Nebenforderungen gilt:
1. Die Vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten können nur hinsichtlich der berechtigten Forderung gegen die Beklagte geltend gemacht werden und ebenfalls nur ohne Mehrwertsteuer. Unter Berücksichtigung des oben angegebenen Gegenstandswertes von 845,48 € beträgt die berechtigte Rechtsanwaltsforderung 104,50 €. Hinsichtlich des darüber hinaus verlangten Betrages war die Klage ebenfalls abzuweisen.
2. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gemäß §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.