Dafür, dass eine zum Unfallzeitpunkt vorliegende absolute Fahruntüchtigkeit unfallursächlich ist, spricht ein Anscheinsbeweis, wenn sich der Unfall unter Umständen und in einer Verkehrslage ereignet hat, die ein nüchterner Fahrer hätte meistern können. Die bei einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,1 Promille vorliegende absolute Fahruntüchtigkeit umschreibt einen Zustand, in dem jeder Fahrzeugführer nicht mehr in der Lage ist, sein Fahrzeug sicher zu führen. Deshalb kann insoweit von der feststehenden Ursache einer solch erheblichen Alkoholisierung unter den soeben genannten Voraussetzungen auf ihre Unfallursächlichkeit geschlossen werden. Es handelt sich um einen typischen Geschehensablauf.
Gründe:
I.
Die Kläger machen Ansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 04.09.2005 gegen 3.39 Uhr auf der BAB 2 in Fahrtrichtung I kurz hinter der Raststätte P ereignete, geltend. Bei diesem Unfall führte der Kläger zu 1) den PKW der Klägerin zu 2) mit einem Blutalkoholwert von (rückgerechnet auf den Unfallzeitpunkt) 1,17 Promille. Infolge einer plötzlichen Lenkbewegung, deren Ursache streitig ist, geriet er von der mittleren Fahrspur aus nach links und prallte dort in die Leitplanke, prallte von dieser wieder ab und blieb schließlich unbeleuchtet auf dem Mittelstreifen stehen. In dieses unbeleuchtete Fahrzeug fuhr sodann der Beklagte zu 1) mit seinem bei der Beklagten zu 2) versicherten PKW. Der Beklagte fuhr zu diesem Zeitpunkt mit Abblendlicht. Rücklichter von vorausfahrenden Fahrzeugen waren für ihn nicht wahrnehmbar. Seine Kollisionsgeschwindigkeit lag zwischen 141 und 156 km/h. Bei einer Geschwindigkeit von 76 bis 80 km/h hätte er den Unfall vermeiden können.
Der Kläger zu 1) erlitt bei dem Unfallgeschehen erhebliche Verletzungen, wobei streitig ist, inwieweit sie auf den ersten oder den zweiten Unfallteilakt zurückgehen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes und wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 187 ff. d.A.) verwiesen.
Das Landgericht hat der Klage zu einem geringen Teil stattgegeben. Das Landgericht geht von einer Haftungsquote von 50% aus, bei der auf Seiten der Beklagten neben der Betriebsgefahr das fehlende Fahren "auf Sicht", auf Seiten der Kläger die erhöhte Betriebsgefahr eines unbeleuchtet liegen gebliebenen Fahrzeugs, nicht jedoch die Alkoholisierung des Klägers zu 1), von der nicht feststehe, dass sie unfallursächlich gewesen sei, einzustellen gewesen sei. Da nur einige wenige leichtere Verletzungen "sicher" auf den zweiten Unfallteilakt zurückzuführen seien, hat es nur ein geringes Schmerzensgeld zugesprochen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils, Bl. 192 ff. d.A., verwiesen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger zu 1) sein erstinstanzliches Begehren im Wesentlichen weiter. Lediglich beim Feststellungsantrag legt er jetzt die auch im Übrigen von ihm zu Grunde gelegte Quote der Haftung der Beklagten von 70% zu Grunde. Er wendet sich insbesondere gegen die Feststellung, dass der überwiegende Teil der Verletzungen (insbesondere der schweren) nicht auf den zweiten Unfallteilakt zurückzuführen seien, macht neue weitere Verletzungen geltend, an die er sich jetzt erst erinnern könne und macht geltend, dass die Unfallverletzungen langfristig zu einer Versteifung des Knies führen würden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 12.10.2009 (Bl. 248 ff. d.A.) verwiesen. Die Klägerin zu 2) hat mit Schriftsatz vom 22.12.2009, Bl. 278 d.A., ihre Berufung zurückgenommen.
Der Kläger zu 1) beantragt,Die Beklagten beantragen,
- die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger zu 1.) ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.06.2006;
- die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger zu 1) weitere 3.164,85 Euro zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.09.2006;
- festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger zu 1.) einen weiteren materiellen und immateriellen Schaden mit einer Mithaftungsquote von 70% (klargestellt in der Berufungsverhandlung: Gemeint ist die Haftungsquote der Beklagten) zu ersetzen, die dem Kläger aufgrund des Verkehrsunfalls vom 04.09.2005 gegen 3.39 Uhr in C noch entstehen werden.
die Berufung des Klägers zu 1) zurückzuweisenDie Beklagten machen mit der Berufung geltend, dass für die Unfallursächlichkeit der Alkoholisierung des Klägers zu 1) ein Anscheinsbeweis spreche, der vom Kläger zu 1) nicht entkräftet worden sei. Es sei daher sein schuldhaftes Verhalten ebenfalls in der Abwägung nach § 17 Abs. 2 StVG zu berücksichtigen. Dieses wiege so schwer, dass eine Mithaftung der Beklagten ausscheide. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 14.10.2009, Bl. 258 ff. d.A., verwiesen.
und
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Kläger beantragen,die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.Der Senat hat den Kläger zu 1) persönlich angehört. Er hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Sachverständigen Prof. Dr. I3. Wegen des Ergebnisses und Inhalts der Parteianhörung und der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk Bl. 301 ff. d.A. verwiesen.
II.
Die zulässigen Berufungen des Klägers zu 1) und der Beklagten haben jeweils teilweise Erfolg und führen zur Abänderung des landgerichtlichen Urteils in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.
1. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Berufung des Klägers zu 1) auch hinsichtlich des Feststellungsantrages zulässig. Sie ist auch insoweit hinreichend begründet i.S.v. § 520 Abs. 3 ZPO, auch wenn ausdrücklich in der Begründung der Feststellungsantrag nicht erwähnt wird. Die in der Berufungsbegründung aufgeführten möglichen gesundheitlichen Spätfolgen können auch im Rahmen der Feststellung von Bedeutung sein. Dass der Kläger zu 1) das angefochtene Urteil auch insoweit angreift und weiterhin eine Haftungsquote der Beklagten von 70 % für richtig hält, ergibt sich aus dem Antrag und der Berufungsbegründung im Übrigen.
2. a) Der Kläger zu 1) hat einen Anspruch auf Schadensersatz aus dem genannten Schadensereignis dem Grunde nach gegen den Beklagten zu 1) aus §§ 7, 17, 18 StVG, 823 BGB. Der Beklagte zu 1) hat gegen das Sichtfahrgebot aus 3 Abs. 1 S. 4 StVO verstoßen, da ein "Fahren auf Sicht" bei Nutzung des Abblendlichtes nur eine Geschwindigkeit von 76-80 km/h erlaubt hätte, er aber mindestens 141 km/h fuhr. Gegen die Beklagte zu 2) besteht dieser Anspruch über § 3 PflichtVersG a.F.
Der Kläger zu 1) muss sich jedoch eine erhebliche Mitverursachung bzw. ein erhebliches Mitverschulden entgegen halten lassen, welches dazu führt, dass die Beklagten nur nach einer Quote von 1/3 haften. Nach § 17 Abs. 2, Abs. 1 StVG hängt der Umfang des Schadensersatzes im Verhältnis mehrerer Fahrzeughalter zueinander insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist, sofern kein Ausschlussgrund nach § 17 Abs. 3 StVG vorliegt, welcher hier aber nicht eingreift. Bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge dürfen nur feststehende Umstände berücksichtigt werden (vgl. Jagow/Burmann/Heß Straßenverkehrsrecht § 9 Rdn. 7; § 17 Rdn. 11 ff.).
aa) Auf Seiten der Beklagten ist neben der Betriebsgefahr seines PKW sein Verstoß gegen das Sichtfahrgebot (s.o.) zu berücksichtigen.
bb) Auf Seiten des Klägers zu 1) ist neben der Betriebsgefahr des von ihm geführten PKW seine absolute Fahruntüchtigkeit zu berücksichtigen.
Der Kläger zu 1) hatte rückgerechnet auf den Unfallzeitpunkt einen Blutalkoholwert von 1,17 Promille und war somit damals absolut fahruntüchtig i.S.v. § 316 StGB. Diese Alkoholisierung darf allerdings im Rahmen der Abwägung der Verursachungsbeiträge nur dann berücksichtigt werden, wenn sie sich nachweislich unfallursächlich ausgewirkt hat, also unstreitig oder bewiesen ist, dass sie ursächlich war (BGH NJW 1995, 1029, 1030; OLG Hamm NZV 1994, 319, 320; KG Berlin NZV 2004, 28, 29). Das ist hier – entgegen der Ansicht des Landgerichts – der Fall.
Dafür, dass eine zum Unfallzeitpunkt vorliegende absolute Fahruntüchtigkeit unfallursächlich ist, spricht ein Anscheinsbeweis, wenn sich der Unfall unter Umständen und in einer Verkehrslage ereignet hat, die ein nüchterner Fahrer hätte meistern können (BGH NJW 1995, 1029, 1030; OLG Hamm VersR 2002, 76). Die bei einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,1 Promille vorliegende absolute Fahruntüchtigkeit umschreibt einen Zustand, in dem jeder Fahrzeugführer nicht mehr in der Lage ist, sein Fahrzeug sicher zu führen (BGHSt 37, 89 ff.). Deshalb kann insoweit von der feststehenden Ursache einer solch erheblichen Alkoholisierung unter den soeben genannten Voraussetzungen auf ihre Unfallursächlichkeit geschlossen werden. Es handelt sich um einen typischen Geschehensablauf.
Der Unfall geschah in einer Situation, die ein nüchterner Fahrer ohne weiteres hätte meistern können. Der Kläger befand sich nachts auf einer zu diesem Zeitpunkt so verkehrsarmen Autobahn, dass sogar der Beklagte zu 1) keine Rücklichter eines vorausfahrenden Fahrzeugs wahrgenommen hat. Er befand sich auf der mittleren von drei Fahrspuren. Es gab keinerlei Grund, das Fahrzeug durch eine plötzliche Lenkbewegung in die Leitplanken zu bewegen. Einen abweichenden Geschehensablauf hat der Kläger zu 1) nicht auch nur annähernd glaubhaft dargelegt.
Dass der Kläger zu 1) zu dieser Lenkbewegung von einem von der Raststätte auffahrenden Fahrzeug veranlasst worden ist, ist unglaubhaft. Der Kläger hat bei seiner Anhörung in erster Instanz Folgendes geäußert:"Als ich in Höhe der Raststätte P war, sah ich einen Blinker. Dieser gehörte zu einem Fahrzeug, welches von der Raststätte auf die Autobahn auffahren wollte. Ich bin dann, um ihm das Einfädeln zu erleichtern, auf die mittlere Spur gewechselt. Dieses Fahrzeug fuhr aber fast schräg gerade auf die mittlere Spur. Ich habe dann mein Fahrzeug rumgerissen. Ich hatte gar keine andere Wahl."Bei seiner Anhörung in zweiter Instanz hat er hingegen angegeben, dass er auf der rechten Spur gewesen sei. Dann sei das Fahrzeug von der Raststättenauffahrt, noch in dem Bereich der durchgezogenen Linie "herausgeschossen", so dass er das Steuer habe herumreißen müssen. Auf Vorhalt der o.g. erstinstanzlichen Angaben erklärte er dann, dass die erste Version richtig sei. Natürlich habe er das auffahrende Fahrzeug gesehen, es sei ja Nacht gewesen und es habe Licht angehabt. Mit dessen Reaktion habe er aber nicht gerechnet.
Die beiden Versionen des Klägers zu 1) sind hinsichtlich des wesentlichen Geschehens derart widersprüchlich, dass sie jeder Glaubhaftigkeit entbehren. Nach der ersten Version hatte er das andere Fahrzeug und dessen Auffahrabsicht bemerkt und zunächst noch auf die mittlere Spur gewechselt. Erst dann zog das andere Fahrzeug herüber, so dass er das Steuer herumreißen musste. Nach der zweiten Version befand sich der Kläger zu 1) rechts und wurde dort von einem plötzlich herüberziehenden Fahrzeug überrascht. Dass sich der Kläger zu 1) nach Vorhalt in der Berufungshauptverhandlung dann doch für die Geltung der ersten Version entschieden hat, ohne die Widersprüche auch nur annähernd zu erläutern, schwächt die Glaubhaftigkeit der Angaben weiter. Schließlich muss auch berücksichtigt werden, dass der Kläger zu 1) auch zu den genossenen Alkoholmengen erstinstanzlich falsche Angaben gemacht hat. Die von ihm angeblich genossenen geringen Mengen können schlicht nicht zu einer derartigen Alkoholisierung führen. Andere Ursachen für den hohen Messwert nach der Tat konnten ausgeschlossen werden. Das wurde auch vom Kläger zu 1) in der Berufungsinstanz nicht mehr in Frage gestellt.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass darüber hinaus aber auch nach der vom Kläger zu 1) als gültig bezeichneten ersten Version des angeblichen Auffahrgeschehens keine Situation ersichtlich ist, die ein nüchterner Fahrer nicht hätte meistern können. Warum ein nüchterner Fahrer, der bereits frühzeitig die Auffahrabsichten eines anderen Fahrzeugs erkannt und sich deswegen auf die mittlere Spur begeben hat, diesem nicht durch eine andere Reaktion als Herumreißen des Steuers und Bewegen des Fahrzeugs in die Leitplanken hätte ausweichen können, ist nicht erkennbar. Eine Situation, die so knapp war, dass Bremsen oder vorsichtigeres Ausweichen nicht möglich gewesen wäre, wird nicht geschildert.
cc) Bei der Gewichtung der beiden Verursachungsbeiträge ist zu berücksichtigen, dass beide Parteien schuldhaft gehandelt haben. Weiter ist zu berücksichtigen, inwieweit sie gegen Rechtspflichten verstoßen haben und inwieweit das eine oder andere Verhalten den Schadenseintritt in wesentlich höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat (vgl. BGH NJW 1998, 1137, 1138). Auf Seiten der Beklagten ist insoweit die ganz erhebliche Überschreitung der bei einem "Fahren auf Sicht" angemessenen Geschwindigkeit zu berücksichtigen. Er fuhr fast doppelt so schnell, wie es bei einem Fahren auf Sicht möglich gewesen wäre. Auch die Nähe seines Verhaltens zu einem vom Gesetz als nach § 315 c Abs. 1 Nr. 2 lit. d StGB strafbaren Tun, welches hier am ehesten noch mangels feststellbarer Tatbestandsvoraussetzung der "Rücksichtslosigkeit" ausscheidet, ist zu sehen.
Auf der anderen Seite ist die Alkoholisierung des Klägers zu 1) zu berücksichtigen. Diese war so erheblich, dass hier eine vom Gesetz nicht nur als ordnungswidrig, sondern als strafbares Vergehen eingeordnete, absolute Fahruntüchtigkeit vorlag. Sein Verhalten hat den Schadenseintritt auch deutlich wahrscheinlicher gemacht als das fehlende Fahren auf Sicht des Beklagten zu 1), denn es handelte sich bei der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit um einen länger andauernden Zustand, während das fehlende Fahren auf Sicht angesichts des Verkehrsaufkommens auf deutschen Autobahnen, insbesondere auch auf der BAB 2 im Unfallbereich, eher kurzzeitig vorkommt, da ansonsten meist die Rücklichter des vorausfahrenden Fahrzeugs zu sehen sind.
Angesichts dessen hält der Senat eine Quotelung der Verursachungsbeiträge von 2/3 auf Seiten des Klägers zu 1) und 1/3 des Beklagten zu 1) für angemessen.
b) Zur Höhe des Schadensersatzes:
aa) Von den geltend gemachten Schadensersatzansprüchen kann der Kläger zu 1) daher zunächst den Verdienstausfall in Höhe von 1505,51 Euro nach §§ 842, 252 BGB verlangen. Der geltend gemachte Gesamtverdienstausfall für die Zeit vom Unfalltag bis zum 03.02.2007 beträgt unstreitig 4.516,93 Euro.
Streitig war allerdings, inwieweit die Verletzungen, die die lange Arbeitsunfähigkeit begründeten, vornehmlich die schweren Knieverletzungen, auf den ersten – allein vom Kläger zu 1) verschuldeten - Unfallteilakt oder auf den zweiten Unfallteilakt, bei dem Kläger zu 1) aus dem Fahrzeug herausgeschleudert wurde und über 30 Meter entfernt zum Liegen kam, zurückgehen. Sicher auf den zweiten Unfallteilakt zurückgehend waren nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. I3 in erster Instanz – welche von den Parteien insoweit nicht angegriffen wurden - die Decollement-Verletzungen beider Oberschenkel und die LWL5-Querfortsatzfraktur. Eine Körperverletzung des Klägers zu 1) durch den zweiten, vom Beklagten zu 1) mitverursachten, Unfallteilakt steht mithin fest. Unter Anwendung des § 287 ZPO kommt der Senat dazu, sämtliche vom Kläger zu 1) geltend gemachten Verletzungen – soweit sie nicht erst in zweiter Instanz benannt wurden – als Folge des zweiten Unfallteilaktes anzusehen. Es besteht eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit, dass sie hierdurch hervorgerufen wurden, als dass der erste Unfallteilakt für sie ursächlich war.
Das ergibt sich aus den Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. ... vor dem Senat. Er hat ausgeführt, dass alle Verletzungen des Klägers zu 1) zwanglos aus dem zweiten Unfallteilakt herrühren könnten. Hingegen wäre es unwahrscheinlich, dass die schweren Verletzungen, insbesondere die zur Arbeitsunfähigkeit führende Knieverletzung, aus dem ersten Unfallteilakt stammen, wenn der Kläger zu 1) den Sicherheitsgurt getragen hat; ein so heftiger Anstoß des Knies, der zum Abriss mehrerer Bänder geführt hat, an das Armaturenbrett wäre dann nicht möglich gewesen. Ein Anprall wäre dann zwar nicht ausgeschlossen, hätte aber leichtere Folgen gehabt. Derartige Abrisse könnten nur durch ein Verschieben der Kniegelenksteile unter großer Krafteinwirkung entstanden sein. Hätte der Kläger zu 1) den Gurt nicht getragen, wären allerdings solche Knieverletzungen durch ein "Durchtauchen" unter dem Airbag möglich gewesen. Die Ausführungen des Sachverständigen sind überzeugend. Er ist als Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie fachkundig und von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen. Die Ausführungen waren anschaulich und widerspruchsfrei. Die von den Parteien vorgebrachten Einwände konnte er ausräumen. So hat er insbesondere anschaulich dargelegt, dass auch ein durch eine Bremsstellung erhöhtes, und damit näher zum Armaturenbrett befindliches, Knie bei Tragen des Sicherheitsgurtes nicht so fest an das Armaturenbrett gestoßen wäre, dass es zu einem Versatz des Kniegelenks mit Riss mehrerer Bänder gekommen wäre. Da der Kläger zu 1) unstreitig (erstinstanzlich hatten die Beklagten sogar ausdrücklich bestritten, dass der Kläger zum Zeitpunkt der zweiten Kollision nicht mehr angeschnallt war – Schriftsatz vom 16.05.2007; dem Vortrag des Klägers zu 1) in zweiter Instanz, dass er beim ersten Teilakt angeschnallt gewesen sei, sind sie nicht entgegengetreten) beim ersten Unfallteilakt angeschnallt war, ist es überwiegend wahrscheinlich, dass die genannten Verletzungen, insbesondere auch die Knieverletzung, die zur länger andauernden Arbeitsunfähigkeit führte, auf den zweiten Unfallteilakt zurückgeht.
Unter Berücksichtigung der Haftungsquote war dem Kläger zu 1) entsprechend Ersatz für den Verdienstausfall zuzusprechen.
bb) Schmerzensgeld kann der Kläger zu 1) auf Grundlage des § 253 Abs. 2 BGB beanspruchen. Der Senat legt ein Schmerzensgeld von 40.000 Euro bei einer hundertprozentigen Haftung der Beklagten zu Grunde, so dass sich wegen der Mitverantwortung des Klägers zu 1) ein Schmerzensgeldbetrag von 13.500 Euro ergibt.
Zu berücksichtigen war, dass der Kläger aufgrund des zweiten Unfallteilakts ganz erheblich verletzt wurde (s. dazu soeben aa), zahlreiche stationäre Krankenhausaufenthalte und Operationen über sich ergehen lassen musste, lange arbeitsunfähig war und einen Dauerschaden davon getragen hat.
Bei den Verletzungen waren neben den genannten ein axiales Schädelhirntrauma, eine HWK-Dornfortsatzfraktur, eine ISG-Lockerung beidseitig und ein komplexer Knieinnenschaden (drei Bänder gerissen, eine Teilruptur, Knorpelschaden als Folge) zu berücksichtigen. Bei so schwerwiegenden Verletzungen wäre die erst zweitinstanzlich vorgebrachte Hautablederung im Brustbereich – ungeachtet der Frage der Verspätung dieses Vorbringens – jedenfalls nicht in relevanter Weise schmerzensgeldbestimmend.
Der Kläger zu 1) war zunächst vom 04.09.2005 bis zum 12.10.2005, davon bis zum 09.10.2005 intensivmedizinisch betreut, im Krankenhaus. Es folgten vier weitere mehrtägige stationäre Aufenthalte mit Arthroskopien u.ä.
Der Kläger zu 1) leidet als Unfallfolge unter Wasseransammlungen im Oberschenkelbereich und Belastungsschmerz des rechten Knies, welches ihm Treppensteigen beschwerlich macht. Aufgrund frühzeitiger, bereits begonnener, Arthrose ist der Einsatz eines künstlichen Kniegelenks zu erwarten.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände hielte der Senat ein Schmerzensgeld von 40.000 Euro bei einer einhundertprozentigen Haftung der Beklagten für angemessen. Dabei muss man berücksichtigen, dass in anderen Schmerzensgeldentscheidungen sogar bei Verlust des Unterschenkels nur wenig mehr an immaterieller Entschädigung gewährt wurde (vgl. OLG München, Urt. v. 14.09.2005 – 27 U 65/05). Demgegenüber wiegt die Beeinträchtigung des Klägers zu 1) aber signifikant geringer.
c) Entsprechend und im Umfang der ausgeurteilten Mitverursachungsquote war dem Feststellungsantrag ebenfalls stattzugeben.
d) Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 286 BGB, hinsichtlich des Verdienstausfalls aus §§ 288, 291 BGB, da nicht hinreichend dargelegt wurde, dass die Beklagten die Erstattung des Gesamtverdienstausfall, der zum Teil erst nach dem Schreiben vom 16.11.2006 entstanden ist, abgelehnt hätten.
3. Die Klägerin zu 2) hat nach den oben genannten Anspruchsgrundlagen einen Anspruch auf Erstattung ihres Fahrzeugschadens auf Grundlage der ausgeurteilten Mitverursachungsquote in Höhe von 341, 66 Euro. Unstreitig hatte ihr Fahrzeug nach dem allein vom Kläger zu 1) verursachten Unfallteilakt noch einen Wert von 1000 Euro. Hinzukommen 25 Euro Unkostenpauschale. Die Forderung ist nicht nach § 86 VVG auf ihren Kaskoversicherer übergangenen. Mit dem Landgericht legt der Senat die Erklärungen der Parteien so aus, dass unstreitig gestellt werden sollte, dass der Klägerin zu 2) aufgrund des zweiten Unfallteilakts ein im vorliegenden Verfahren zu regelnder Schaden von 1000 Euro entstanden ist.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 92, 516 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.