Der früheren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur gegenseitigen Anerkennung von EU-Führerscheinen ist durch das Inkrafttreten der Richtlinie 2006/126/EG zum 19.01.2009 nicht die Grundlage entzogen. Denn die maßgeblichen Vorschriften haben weder für sich genommen noch unter Berücksichtigung des Kontextes, in dem sie bei einem Vergleich zwischen Alt- und Neuregelung jeweils stehen, eine relevante Änderung erfahren. Ebenso wenig geben die Entstehungsgeschichte der Neuregelung und deren erklärte Zielsetzung, den sog. Führerscheintourismus zu bekämpfen, Anlass zu der Annahme, der enge Rahmen, in dem es einem Aufnahmemitgliedstaat nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ausnahmsweise nicht verwehrt ist, eine vom Ausstellermitgliedstaat erteilte Fahrerlaubnis nicht anzuerkennen, sei durch den Richtliniengeber erweitert worden.
Gründe:
1. Die zulässige Beschwerde gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes, durch den das einstweilige Rechtsschutzbegehren des Antragstellers teilweise zurückgewiesen wurde, ist begründet.
Der die fehlende Berechtigung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen im Bundesgebiet feststellende Bescheid des Antragsgegners wird sich im Hauptsacheverfahren voraussichtlich als rechtswidrig erweisen, da er den Kriterien, die der Europäische Gerichtshof zur Auslegung des Art. 8 Abs. 4 UAbs. 2 RL 91/439/EWG entwickelt hat, nicht genügt.
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend herausgearbeitet hat, legt der Europäische Gerichtshof die genannte Vorschrift in ständiger Rechtsprechung dahingehend aus, dass eine Verpflichtung zur Anerkennung einer von einem anderen Mitgliedstaat außerhalb einer Sperrfrist ausgestellten Fahrerlaubnis nur dann nicht besteht, wenn der neue Führerschein unter Missachtung des in der Richtlinie verankerten Wohnsitzerfordernisses ausgestellt worden ist. Ein solcher Ausnahmefall liegt nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht vor.
Dass dem Antragsteller seine außerhalb einer Sperrfrist erworbene tschechische Fahrerlaubnis unter Missachtung des Wohnsitzerfordernisses erteilt worden wäre, kann nach dem Stand des Verfahrens nicht angenommen werden. Im Führerschein selbst ist als Wohnsitz der tschechische Ort „Stribro“ eingetragen, wobei dem Antragsgegner nach Aktenlage keine unbestreitbaren, aus dem Ausstellermitgliedstaat stammenden Informationen im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, Beschluss vom 9.7.2009 - C-445/08 -, DAR 2009, 637) vorliegen, die beweisen, dass der Antragsteller seinen ordentlichen Wohnsitz zum Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis nicht im Gebiet der Tschechischen Republik hatte.
Nach derzeitigem Verfahrensstand hängt die Beantwortung der Frage, ob der angefochtene Bescheid des Antragsgegners sich im Hauptsacheverfahren voraussichtlich als rechtmäßig erweisen wird, daher entscheidend davon ab, ob die in Bezug genommene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch hinsichtlich Führerscheinen, die nach dem 19.1.2009 in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt worden sind, Geltung beansprucht. Diese Frage ist aus Sicht des Senats zu bejahen. Es ist nämlich mit einem sehr hohen Grad an Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass der Europäische Gerichtshof seine zu Art. 8 Abs. 4 RL 91/439/EWG entwickelte Rechtsprechung unter der Geltung des Art. 11 Abs. 4 UAbs. 2 RL 2006/126/EG aufrecht erhalten wird.
Zunächst teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach u.a. Art. 11 Abs. 4 RL 2006/126/EG am 19.1.2009 in Kraft getreten ist. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts wird Bezug genommen.
Die Prognose, dass der Europäische Gerichtshof seine Rechtsprechung zur Auslegung des Art. 8 Abs. 4 RL 91/439/EWG unter der Geltung der Richtlinie 2006/126/EG aufrecht erhalten wird, hat der Senat bereits anlässlich seines Beschlusses vom 23.1.2009 (OVG des Saarlandes , Beschluss vom 23.1.2009 - 1 B 438/08 -, AS RP-SL 2009, 139 ff.) im Rahmen ergänzender Erwägungen unter Hinweis auf die allein die Rechtsfolgenseite betreffenden Änderungen der neu gefassten Richtlinie als angezeigt erachtet, ohne sich allerdings vertiefend mit der Problematik auseinanderzusetzen.
Auch nach Dafürhalten des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes (HessVGH, Beschluss vom 4.12.2009 - 2 B 2138/09 -, BA 47, 154 ff.) und des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17.2.2010 - 10 B 11351/09 -, juris) ergibt sich aus der Neufassung der Führerscheinrichtlinie nicht, dass die zu Art. 8 Abs. 4 RL 91/439/EWG ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes unter der Geltung der Richtlinie 2006/126/EG nicht mehr anzuwenden wäre.
Beide Gerichte begründen ihre Auffassung überzeugend damit, dass die maßgeblichen Vorschriften fast vollständig inhaltsgleich fortgelten, da nur bezüglich des Art. 11 Abs. 4 RL 2006/126/EG Änderungen vorgenommen wurden, die sich allerdings auf die Rechtsfolgenseite beschränken. Unverändert gelte, dass die Nichtanerkennung der Gültigkeit eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins sich als Ausnahme zu dem in der Richtlinie verankerten Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung darstellt und die eine ausnahmsweise Nichtanerkennung vorsehende Vorschrift des Art. 11 Abs. 4 UAbs. 2 RL 2006/126/EG daher eng auszulegen sei. Dem ist zuzustimmen.
Zur Auslegung der Art. 1 Abs. 2, 7 Abs. 1 a und b, 8 Abs. 2 und 4 RL 91/439/EWG vertritt der Europäische Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung (EuGH, Urteile vom 29.4.2004 - C-476/01 -, juris, und vom 26.6.2008 - verbundene Rechtssachen C--329/06 und C-343/06 -, NJW 2008, 2403 ff. sowie verbundene Rechtssachen C-334/06 bis C-336/06, DAR 2008, 459 ff.) die Auffassung, dass Art. 1 Abs. 2 RL 91/439/EWG den Mitgliedstaaten eine klare und unbedingte Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung ausgestellter Führerscheine auferlegt. Es sei Aufgabe des Ausstellermitgliedstaates, zu prüfen, ob die im Gemeinschaftsrecht aufgestellten Mindestvoraussetzungen hinsichtlich der Fahreignung - wie sie sich aus Art. 7 Abs. 1 a RL 91/439/EWG in Verbindung mit den Vorgaben des Anhangs II betreffend die theoretischen und praktischen Anforderungen an die Fahreignung und des Anhangs III betreffend die Mindestanforderungen hinsichtlich der körperlichen und geistigen Tauglichkeit für das Führen eines Kraftfahrzeugs ergeben - und hinsichtlich des Wohnsitzes gemäß Art. 7 Abs. 1 b i.V.m. Art. 9 RL 91/439/EWG erfüllt sind und ob gemessen an diesen Vorgaben die Erteilung - ggf. die Neuerteilung - einer Fahrerlaubnis gerechtfertigt ist. Die anderen Mitgliedstaaten seien nicht befugt, die Beachtung der durch die Richtlinie 91/439/EWG aufgestellten Mindestvoraussetzungen durch den Ausstellermitgliedstaat nachzuprüfen. Der Aufnahmemitgliedstaat sei daher bei vorausgegangenem Entzug der Fahrerlaubnis selbst dann zur Anerkennung einer von einem anderen Mitgliedstaat nach Ablauf der Sperrfrist ausgestellten Fahrerlaubnis verpflichtet, wenn die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nach den strengeren Voraussetzungen seines innerstaatlichen Rechts, die der Fahrerlaubniserwerber nicht erfüllt hat, nicht möglich gewesen wäre. Gegenteiliges ergebe sich insbesondere nicht aus Art. 8 Abs. 2 und Abs. 4 RL 91/439/EWG. Die hier vorgesehene Möglichkeit, unter bestimmten Umständen innerstaatliche Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis anzuwenden, beschränke sich auf Verhalten des Betroffenen nach Erwerb des von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins. Art. 8 Abs. 4 RL 91/439/EWG sei eine Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine und aus diesem Grund eng auszulegen. Ein Mitgliedstaat könne sich auf diese Bestimmung nicht berufen, um einer Person, auf die eine Maßnahme des Entzugs oder der Aufhebung einer von diesem Mitgliedstaat erteilten Fahrerlaubnis angewendet wurde, auf unbestimmte Zeit die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins zu versagen, der ihr außerhalb einer verhängten Sperrfrist von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt worden ist. Es sei einem Mitgliedstaat verwehrt, die Gültigkeit eines solchen Führerscheins in seinem Hoheitsgebiet mit der Begründung nicht anzuerkennen, dass der Inhaber des Führerscheins die Voraussetzungen nicht erfüllt hat, die nach den Rechtsvorschriften dieses Staates für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach dem Entzug einer früheren Fahrerlaubnis vorliegen müssen, einschließlich einer Überprüfung der Fahreignung, die bestätigt, dass die Gründe für den Entzug nicht mehr vorliegen. Speziell zu der von der Richtlinie aufgestellten Wohnsitzvoraussetzung hat der Gerichtshof ausgeführt, dass diese mit Blick auf die Einmaligkeit der Fahrerlaubnis als Vorbedingung, die die Prüfung der Einhaltung der übrigen in der Richtlinie aufgestellten Voraussetzungen bei einem Führerscheinbewerber ermöglicht, unerlässlich sei, da sich nach ihr der Ausstellermitgliedstaat bestimmt. Ihr komme daher im Verhältnis zu den übrigen in der Richtlinie aufgestellten Voraussetzungen eine besondere Bedeutung zu. Nur wenn sich auf der Grundlage von Angaben im Führerschein selbst oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststellen lässt, dass die Wohnsitzvoraussetzung zum Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins nicht erfüllt war, könne es der Aufnahmemitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet auf den Inhaber dieses Führerscheins eine Maßnahme des Entzugs einer früheren Fahrerlaubnis angewendet worden ist, ablehnen, die neue, von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellte Fahrerlaubnis anzuerkennen.
Dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (zuletzt bekräftigt und im Sinne einer restriktiven Auslegung der Ausnahmevorschrift des Art. 8 Abs. 4 RL 91/439/EWG fortentwickelt durch Urteil vom 9.7.2009 - C-445/08 -, a.a.0.) ist durch das Inkrafttreten der Richtlinie 2006/126/EG nicht die Grundlage entzogen. Denn die maßgeblichen Vorschriften haben weder für sich genommen noch unter Berücksichtigung des Kontextes, in dem sie bei einem Vergleich zwischen Alt- und Neuregelung jeweils stehen, eine relevante Änderung erfahren. Ebenso wenig geben die Entstehungsgeschichte der Neuregelung und deren erklärte Zielsetzung, den sog. Führerscheintourismus zu bekämpfen, Anlass zu der Annahme, der enge Rahmen, in dem es einem Aufnahmemitgliedstaat nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ausnahmsweise nicht verwehrt ist, eine vom Ausstellermitgliedstaat erteilte Fahrerlaubnis nicht anzuerkennen, sei durch den Richtliniengeber erweitert worden.
So wurde der in Art. 1 Abs. 2 RL 91/439/EWG festgeschriebene Anerkennungsgrundsatz wortgleich durch die Regelung des Art. 2 Abs. 1 RL 2006/126/EG abgelöst. Art. 7 Abs. 1 a RL 91/439/EWG wurde durch die inhaltsgleiche Vorschrift des Art. 7 Abs. 1 a RL 2006/126EG ersetzt, wobei insbesondere der jeweils in Bezug genommene Anhang III betreffend die Mindestanforderungen an die körperliche und geistige Tauglichkeit zum Führen eines Kraftfahrzeugs identische Anforderungen stellt. Art. 7 Abs. 1 b und Art. 9 RL 91/439/EWG, die das Vorhandensein eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellermitgliedstaat postulieren und definieren, wurden - vom Satzbau abgesehen - wortgleich zu Art. 7 Abs. 1 e und Art. 12 RL 2006/126/EG. Art. 8 Abs. 2 RL 91/439/EWG hat seine Folgeregelung in der wortgleichen Vorschrift des Art. 11 Abs. 2 RL 2006/126/EG gefunden. Allein Art. 11 Abs. 4 RL 2006/126/EG weist im Vergleich zu der Vorgängervorschrift des Art. 8 Abs. 4 RL 91/439/EWG über geringfügige sprachliche Abweichungen hinausgehende Änderungen auf, denen indes eine der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes die Grundlage entziehende Bedeutung unter keinem Gesichtspunkt beigemessen werden kann.
Zunächst hat Art. 8 Abs. 4 UAbs. 2 RL 91/439/EWG hinsichtlich der Ausgestaltung der Befugnis zur Ausstellung einer neuen Fahrerlaubnis im Falle der vorangegangenen Aufhebung der Fahrerlaubnis in einem anderen Mitgliedstaat weder auf der Tatbestands- noch auf der Rechtsfolgenseite eine Änderung erfahren, da die Folgevorschrift des Art. 11 Abs. 4 UAbs. 3 RL 2006/126/EG insoweit eine inhaltsgleiche Regelung trifft. Eine Änderung ist indes hinsichtlich einer in einem anderen Mitgliedstaat eingeschränkten, ausgesetzten oder entzogenen Fahrerlaubnis zu verzeichnen. Insoweit wurde die bisher in Art. 8 Abs. 4 UAbs. 2 RL 91/439/EWG vorgesehene Befugnis der Mitgliedstaaten, die Ausstellung eines Führerscheines abzulehnen, durch die Regelung des Art. 11 Abs. 4 UAbs. 1 RL 2006/126/EG ersetzt, der insoweit bei inhaltsgleicher Umschreibung der tatbestandlichen Voraussetzungen die Pflicht eines Mitgliedstaates statuiert, die Ausstellung abzulehnen, also eine Änderung auf der Rechtsfolgenseite vorsieht. Gleiches gilt hinsichtlich Art. 11 Abs. 4 UAbs. 2 RL 2006/126/EG, der einem Mitgliedstaat bei vorangegangener Einschränkung, Aussetzung oder Entziehung der Fahrerlaubnis in seinem Hoheitsgebiet nicht nur - wie unter der Geltung des Art. 8 Abs. 4 UAbs. 1 RL 91/439/EWG - die Befugnis einräumt, sondern die Verpflichtung auferlegt, es abzulehnen, die Gültigkeit eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins anzuerkennen. Auch hier beschränkt die Neuregelung sich bei gleichen tatbestandlichen Voraussetzungen auf eine Änderung der vorgesehenen Rechtsfolge.
Dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH, Beschluss vom 10.11.2009 - 11 CS 09.2082 -, ZfS 2010, 116 ff.) , das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.1.2010 - 16 B 814/09 -, ZfS 2010, 236 ff.) und der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.1.2010 - 10 S 2391/09 -, DAR 2010, 153 ff.) die Auffassung vertreten, die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu Art. 8 Abs. 4 RL 91/439/EWG könne auf die Auslegung des Art. 11 Abs. 4 UAbs. 2 RL 2006/126/EG (voraussichtlich) nicht übertragen werden, überzeugt nicht. Es gibt nach derzeitigem Erkenntnisstand kein belastbares Argument für die Annahme, der Europäische Gerichtshof werde seine bisherige Rechtsprechung unter der Geltung der neuen Führerscheinrichtlinie revidieren.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof argumentiert insoweit mit dem unterschiedlichen Wortlaut von Art. 8 Abs. 4 RL 91/439/EWG einerseits und Art. 11 Abs. 4 UAbs. 2 RL 2006/126/EG andererseits, der indes nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen die Ablehnung einer Anerkennung möglich ist, betrifft, sondern lediglich auf der Rechtsfolgenseite das bisher zugebilligte Ermessen „kann es ablehnen“ durch eine gebundene Entscheidung „lehnt die Anerkennung ... ab“ ersetzt hat. Die hieraus seitens des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gezogene Schlussfolgerung, die neu gefasste Vorschrift könne nicht mehr als eng auszulegende Ausnahme vom allgemeinen Anerkennungsgrundsatz angesehen werden, wird weder näher begründet, noch ist diese Schlussfolgerung gemessen an allgemeinen Grundsätzen als zwingend zu erachten.
Eine Verschärfung der Rechtsfolge bei gleichem Wortlaut des Tatbestands bedeutet nicht, dass die Rechtsfolge unter erleichterten Voraussetzungen eintritt. Hieran ändert die ergänzende Erwägung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nichts, nach welcher dem Richtliniengeber der Unterschied zwischen einer zwingenden Rechtsvorschrift und einer Ermessensvorschrift ausweislich der unterschiedlichen Formulierung von Art. 11 Abs. 4 UAbs. 2 und UAbs. 3 RL 2006/126/EG sehr wohl bewusst gewesen sei. Denn dies besagt nur, dass der Richtliniengeber die Rechtsfolgen unterschiedlich ausgestalten wollte, nicht aber, dass er Veränderungen an den seitens des Europäischen Gerichtshofs im Wege der Auslegung entwickelten tatbestandlichen Voraussetzungen der nunmehr als „gebunden“ ergehenden Entscheidung vornehmen wollte.
Der Hinweis auf die mit der Neufassung der Richtlinie u.a. verfolgte Zielsetzung, den sog. Führerscheintourismus zu bekämpfen, geht ebenfalls fehl. Dieser Zielsetzung trägt die neue Richtlinie durch die Einführung eines einheitlichen neuen Führerscheinmodells mit verstärkten Sicherheitsmerkmalen und insbesondere durch die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ein EU-Führerscheinnetz einzurichten und zu nutzen, nachhaltig Rechnung (Auszug aus den Pressemitteilungen Nr. IP-06/381 der Europäischen Kommission und Nr. 102/2006 des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, abgedruckt in BA 2006, 222 f.) . So heißt es in der Folgevorschrift des Art. 15 RL 2006/126/EG zu Art. 12 Abs. 3 RL 91/439/EWG, die vorsah, dass die Mitgliedstaaten einander bei der Durchführung der Richtlinie unterstützen und im Bedarfsfall Informationen über die von ihnen registrierten Führerscheine austauschen, nunmehr ergänzend, dass die Mitgliedstaaten zum Zweck des Informationsaustausches über die von ihnen ausgestellten, umgetauschten, ersetzten, erneuerten oder entzogenen Führerscheine das eingerichtete EU-Führerscheinnetz nutzen, sobald es in Betrieb ist. Vor dem Hintergrund dieses EU-Führerscheinnetzes erschließt sich auch die Bedeutung des Art. 11 Abs. 4 UAbs. 1 RL 2006/126/EG, nach dem ein Mitgliedstaat es ablehnt, einem Bewerber, dessen Führerschein in einem anderen Mitgliedstaat eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen wurde, einen Führerschein auszustellen. Denn die Mitgliedstaaten, die nach Art. 15 RL 2006/126/EG gehalten sind, die über das EU-Führerscheinnetz verfügbaren Informationen zu nutzen, erlangen auf diesem Weg die notwendige Kenntnis, Entscheidungen nach Art. 11 Abs. 4 UAbs. 1 RL 2006/126/EG zu treffen, und auf dieser Grundlage dient es zweifelsohne der Bekämpfung des Führerscheintourismus, sie zu verpflichten, die Ausstellung eines Führerscheins in den in der Vorschrift aufgeführten Fällen abzulehnen. Ebenso dient es der Bekämpfung des Führerscheintourismus, dass Art. 11 Abs. 4 UAbs. 2 RL 2006/126/EG die Mitgliedstaaten, die über die in dem neuen EU-Führerscheinnetz eingespeisten Erkenntnisse verfügen, bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift verpflichtet, die Anerkennung der Gültigkeit eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins abzulehnen. Allerdings besagt dies nicht, dass die unverändert formulierten tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift heute zwingend anders ausgelegt werden müssten, als dies nach der diesbezüglichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes bisher der Fall war. Insbesondere lässt sich ein geändertes Verständnis der Vorschrift nicht aus dem vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abschließend angeführten Erwägungsgrund 15 der Richtlinie 2006/126/EG herleiten, denn dieser enthält keinerlei Neuerung, sondern findet sich wortgleich in der Richtlinie 91/439/EWG als letzte der einleitenden Erwägungen des damaligen Richtliniengebers.
Im Übrigen hätte der Richtliniengeber ein etwaiges Anliegen, eine Fortführung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu unterbinden, unschwer durch eine Neufassung auch des Tatbestands des Art. 11 Abs. 4 UAbs. 2 RL 2006/126/EG erreichen können, etwa dergestalt, dass ein Mitgliedstaat die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins ablehnt, wenn dieser von einem anderen Mitgliedstaat unter Nichtbeachtung seiner durch Unterabsatz 1 der Vorschrift statuierten Verpflichtung, unter den gegebenen Umständen keinen Führerschein auszustellen, erteilt worden ist. Mit einer solchen Neufassung des Tatbestands hätte der Richtliniengeber mit hinreichender Deutlichkeit das erreicht, was der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen und der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg nunmehr in den unverändert übernommenen Tatbestand hineininterpretieren wollen. Die in diesem Punkt geübte Zurückhaltung des Richtliniengebers lässt es nicht als naheliegend erscheinen, dass im vermuteten Sinne Einfluss auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes genommen werden sollte.
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.1.2010, a.a.O.) bezeichnet Art. 11 Abs. 4 UAbs. 2 RL 2006/126/EG als neue normative Grundlage, die es nicht mehr rechtfertige, die Versagung der Anerkennung zusätzlich zu den dort genannten Voraussetzungen von einem zweifelsfrei aus Verlautbarungen des Ausstellermitgliedstaates hervorgehenden Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis abhängig zu machen. Die im Vergleich zu Art. 8 Abs. 4 UAbs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG weiter gefasste Bestimmung unterliege mit Blick darauf, dass die vormalige Ermessensvorschrift durch eine zwingende Bestimmung ersetzt worden sei, nicht den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten - ohnehin nicht überzeugend aus der Richtlinie 91/439/EWG hergeleiteten - Einschränkungen, die der Gerichtshof mit der nicht aus dem Normtext ableitbaren Annahme eines Vorrangs des Anerkennungsgrundsatzes vor dem ansonsten das Fahrerlaubnisrecht beherrschenden Gedankens der Sicherheit des Straßenverkehrs begründe. Dies ergebe sich aus der im Vergleich zu Art. 8 Abs. 4 RL 91/439/EWG stärkeren Akzentuierung des Nachwirkens vormaliger Fahrerlaubnisentziehungen und einer (jedenfalls nunmehr) deutlichen Betonung des Verbots, trotz einer vorangegangenen Fahrerlaubnisentziehung oder einer anderen vorangegangenen Maßnahme eine neue Fahrerlaubnis anzuerkennen.
Diese Argumentation beruht offenbar auf der Annahme, die Verschärfung auf der Rechtsfolgenseite beinhalte trotz inhaltlich unveränderten Wortlauts der Vorschrift selbst und der mit ihr nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Zusammenhang zu sehenden weiteren Vorschriften der Richtlinie zwingend gleichzeitig eine Lockerung der tatbestandlichen Voraussetzungen im Sinne einer „weiter gefassten Bestimmung“ beziehungsweise einer „stärkeren Akzentuierung“. Dass diese Schlussfolgerung gerade in Anbetracht der weiteren vom Europäischen Gerichtshof zur Begründung seiner einschränkenden Auslegung der Vorgängervorschrift des Art. 8 Abs. 4 UAbs. 1 RL 91/439/EWG herangezogenen und in der Neufassung ebenfalls unverändert übernommenen Vorschriften der Art. 1 Abs. 2, 7 Abs. 1 a und b, 9 und 8 Abs. 2 RL 91/439/EWG nicht überzeugt, ergibt sich aus den obigen Ausführungen des Senats. Gleiches gilt hinsichtlich des Arguments, dass die Neufassung der Richtlinie eine wirkungsvollere Eindämmung des Führerscheintourismus zum Ziel gehabt habe. Zur Erreichung dieses Ziels wurden effektive Änderungen u.a. in Gestalt der Einführung eines EU-Führerscheinnetzes und der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die sich hieraus ergebenden Erkenntnisse bei ihren Entscheidungen zu beachten, vorgenommen. Die Existenz dieser Zielsetzung besagt indes nicht, dass der Europäische Gerichtshof nunmehr gezwungen wäre, seine zwar von Vielen abgelehnte, aber dennoch sorgfältig begründete Auslegung der Richtlinie 91/439/EWG nach Inkrafttreten der in den maßgeblichen Punkten auf der Tatbestandsseite völlig inhaltsgleichen Vorschriften der Richtlinie 2006/126/EG aufzugeben.
Anderes ergibt sich auch nicht aus den vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen angeführten Zitaten aus dem von der Europäischen Kommission vorgelegten Vorschlag einer Neufassung der Richtlinie. Die Zitate befassen sich mit den Prüfungspflichten der Mitgliedstaaten und dem Verbot, im Falle der Existenz eines bereits früher in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins einen neuen Führerschein auszustellen, das als Ersatz der früheren Ermessensvorschrift des Art. 8 Abs. 4 UAbs. 2 RL 91/439/EWG zweifelsohne eine Verschärfung im Interesse der Bekämpfung des Führerscheintourismus zum Gegenstand hat. Hieraus lässt sich aber nicht herleiten, dass die dem Wortlaut nach unverändert gebliebenen tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen ein Aufnahmemitgliedstaat nach dem Inhalt der neu gefassten Richtlinie berechtigt sein soll, die Gültigkeit eines unter Verstoß gegen seine Prüfungspflichten von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins nicht anzuerkennen, vom Richtliniengeber so geändert werden sollten, dass die ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht mehr greift. Insbesondere ergibt sich ein hierhin gehender Wille nicht aus der mehrfach erwähnten „Einzigartigkeit von Führerscheinen“, denn der Europäische Gerichtshof stellt zur Begründung seiner Auslegung ebenfalls u.a. auf den schon in Art. 7 Abs. 5 RL 91/439/EWG verankerten Grundsatz der Einzigartigkeit von Führerscheinen ab. (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 26.6.2008 - C-334/06 bis 336/06 -, a.a.O., S. 462 f.)
Im Weiteren argumentiert das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen mit dem Wortlaut des Änderungsantrags 57 zu Art. 12 Abs. 4 des Entwurfs, wo als Unterabsatz 4 folgende Formulierung vorgeschlagen war:„Ein Mitgliedstaat kann es darüber hinaus ablehnen, die Gültigkeit eines Führerscheins anzuerkennen, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person zu einem Zeitpunkt ausgestellt wurde, in dem diese Person ihren Wohnsitz nicht in dem ausstellenden Mitgliedstaat hatte.“Dieser Änderungsantrag mache - so das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - das Anliegen des Änderungsentwurfs sichtbar, nicht allein durch eine Stärkung des Grundsatzes „eine Person - ein Führerschein“ Missbrauchsgefahren zu begegnen, sondern zudem die vormals in Art. 8 Abs. 4 RL 91/439/EWG enthaltenen Bestimmungen zu verschärfen, um den Führerscheintourismus wirkungsvoll einzuschränken. Indes ist der zitierte Unterabsatz 4 des Änderungsantrags 57 letztendlich nicht in die Neufassung der Richtlinie übernommen worden. Die Übernahme dieser oder einer ähnlich eindeutigen Formulierung wäre aber aus Sicht des Senats unabdingbare Voraussetzung dafür gewesen, einer Fortführung der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Grundlage zu entziehen.
Abschließend erwähnt das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen die gegenteilige Auffassung des Senats, die dieser bereits in seinem Beschluss vom 23.1.2009 (OVG des Saarlandes , Beschluss vom 23.1.2009 - 1 B 438/08 -, a.a.0.) zum Ausdruck gebracht hat, und lehnt diese ab, da die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 8 Abs. 4 UAbs. 1 RL 91/439/EWG nicht auf einer am Tatbestand der Vorschrift orientierten Auslegung, sondern auf der Annahme einer im Vergleich zum Anerkennungsgrundsatz des Art. 1 Abs. 2 RL 91/439/EWG geringeren Wertigkeit des von Art. 8 Abs. 4 UAbs. 1 RL 91/439/EWG verfolgten Anliegens beruhe. Dies überzeugt nicht. Denn die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs befasst sich eingehend mit der Auslegung des Tatbestands des Art. 8 Abs. 4 UAbs. 1 RL 91/439/EWG, beschränkt diese allerdings nicht auf den Wortlaut dieser Vorschrift, sondern nimmt die Richtlinie insgesamt in den Blick und schließt aus dem systematischen Zusammenhang, dass der Tatbestand der Vorschrift wegen ihres Ausnahmecharakters einschränkend ausgelegt werden muss, um dem Regelungsgefüge insgesamt angemessen Rechnung zu tragen. Wieso dieser Sicht der Dinge in Anbetracht der inhaltlich unverändert in die Neufassung übernommenen, vom Europäischen Gerichtshof im Rahmen der Auslegung des Art. 8 Abs. 4 UAbs. 1 RL 91/439/EWG herangezogenen Vorschriften der Art. 1 Abs. 2, 7 Abs. 1 a und b, 9 und 8 Abs. 2 RL 91/439/EWG - mithin unter unverändert gebliebenen Rahmenbedingungen - allein durch die Änderung auf der Rechtsfolgenseite des vormaligen Art. 8 Abs. 4 UAbs. 1 RL 91/439/EWG die Grundlage entzogen worden sein sollte, ist für den Senat auch unter Berücksichtigung des Werdegangs der Neufassung der Vorschrift nicht erkennbar.
Da in dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.1.2010, a.a.O.) keine zusätzlichen Argumente dafür angeführt werden, dass erwartet werden müsse, dass der Europäische Gerichtshofs gezwungenermaßen von seiner bisherigen Rechtsprechung Abstand nehmen wird, vermag die dortige Argumentation ebenfalls nicht zu überzeugen.
Schließlich darf nicht verkannt werden, dass der Text der Richtlinie 2006/126/EG bereits Ende 2006 veröffentlicht wurde (Amtsbl. Nr. L 403 vom 30.12.2006, S. 18 ff.) , die mithin allgemein bekannte Neufassung der Führerscheinrichtlinie den Europäischen Gerichtshof aber in der Folgezeit nicht im Geringsten veranlasst hat, die zentrale Bedeutung, die dem Wohnsitzerfordernis nach seiner ständig weiterentwickelten Rechtsprechung zukommt, mit Blick auf das absehbare Inkrafttreten der Neufassung der Richtlinie zur Vermeidung eines diesbezüglichen abrupten Umbruchs der Rechtslage am Tag des Inkrafttretens des Art. 11 Abs. 4 RL 2006/126/EG zu relativieren.
Nach alldem spricht eine ganz überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich die Verfügung des Antragsgegners im Hauptsacheverfahren wegen Außerachtlassung der aller Voraussicht nach auch unter der Geltung des Art. II Abs. 4 RL 2006/126/EG maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu den Voraussetzungen einer Ausnahme von der Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung von Führerscheinen als rechtswidrig erweisen wird. Mit Blick auf die von den innerstaatlichen Behörden zu beachtenden Vorgaben des Gemeinschaftsrechts ist daher dem Interesse des Antragstellers, von seiner tschechischen Fahrerlaubnis vorläufig auch im Bundesgebiet Gebrauch machen zu dürfen, Vorrang vor dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners einzuräumen.
2. Mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen ist im Weitern in Anwendung der §§ 166 VwGO, 114 ff. ZPO der Beschwerde des Antragstellers gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Teil des angefochtenen Beschlusses stattzugeben und die für das erstinstanzliche Verfahren beantragte Prozesskostenhilfe unter entsprechender Abänderung des Beschlusstenors in vollem Umfang zu gewähren.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 252 Abs. 1 und Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 46.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
5. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.