- Zur Leistungsfreiheit des Versicherers wegen Obliegenheitsverletzung in der Fahrzeugversicherung, wenn der Versicherungsnehmer die Frage nach der Betroffenheit von früheren Entwendungen verneint, wegen einer früheren vorgetäuschten Entwendung verurteilt worden war, wobei dieses Urteil nach den Angaben des Versicherungsnehmer falsch gewesen sei, weil der PKW tatsächlich entwendet wurde.
- Handelt der Versicherungsnehmer bei der Beantwortung der Fragen arglistig, so kommt es auf eine ggf. nicht ordnungsgemäße Belehrung nicht an ( hier: Gleichzeitige Übersendung von Belehrungen nach altem und neuen Recht).
Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Anfang 2006 für seinen Pkw Passat Variant 1.9 TDI HighLine genommenen Fahrzeugteilversicherung mit der Behauptung in Anspruch, dieser sei ihm entwendet worden.
Der Kläger wurde im Jahr 2001 vom Amtsgericht Wolfsburg wegen des Vortäuschens einer Straftat sowie versuchten Betruges zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 95,00 DM verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Kläger die Entwendung seines Pkw Golf Cabrio gegenüber der Polizei und der Versicherung nur vorgetäuscht hatte. Ein oder zwei Jahre später wurde der Beklagte noch wegen Hehlerei an Autoteilen zu einer Geldstrafe - 90 Tagessätze nicht übersteigend - verurteilt.
Der Kläger behauptet, er habe am 24.11.2008 ein Treffen mit Geschäftsfreunden etwa um 23:15 Uhr verlassen. Mit dem später entwendeten Pkw Passat sei er dann gegen 23:30 Uhr am Wohnort eingetroffen. C, die Großmutter seiner Lebensgefährtin C2 habe ihn abends nach Hause kommen sehen. Sie habe gesehen, wie er den Pkw vor der Haustür abstellte. Er habe dann die gemeinsame Wohnung mit seiner Lebensgefährtin C2 nicht mehr verlassen. C habe dann gegen 07:00 Uhr morgens festgestellt, dass das Fahrzeug des Klägers nicht mehr vor dem Haus stand. Er selbst habe erst von C erfahren, dass sein Auto nicht mehr vor der Tür stehe.
Unstreitig wurde in derselben Nacht in einem nur 2,4 km entfernten Ortsteil von Unbekannten versucht, einen PKW Passat Variant zu entwenden.
Die Beklagte übersandte dem Kläger mit Schreiben vom 28.11.2008 (Anlage K 7 zur Klageschrift) zur Ausfüllung die Formulare "Kraftverkehrs-Schadenanzeige", "Fragebogen zum Diebstahlschaden" und "Ermittlungsbogen". Dem Schreiben war ferner ein Blatt "Mitteilung nach § 28 Abs. 4 VVG über die Folgen bei Verletzungen von Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall" beigefügt. In dem "Fragebogen zum Diebstahlschaden" beantwortete der Kläger die Frage "Wurden Ihnen schon früher Fahrzeuge entwendet oder waren Sie schon einmal von einem Teilediebstahl betroffen?" wie folgt: " / ". Im Hinblick auf diese Antwort beruft die Beklagte sich auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung.
Der Kläger hat zunächst geltend gemacht, der Diebstahl sei ausweislich des Urteils des AG Wolfsburg nie wirklich erfolgt. Er habe in dem Fragebogen zum Diebstahlschaden wahrheitsgemäße Angaben gemacht.
Der Kläger hat sodann im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21.04.2010 erklärt, er habe den Pkw Golf nicht verschwinden lassen, er sei ihm tatsächlich entwendet worden. Von der Einlegung eines Rechtsmittels gegen das Urteil habe er abgesehen, da ihm sein damaliger Anwalt mangels Erfolgsaussicht und fehlender Rechtsschutzversicherung abgeraten habe. Der Kläger beziffert seine Ansprüche wie folgt:
- Behaupteter "Händlerverkaufswert" netto gemäß Gutachten (Anlage K 12 zur Klageschrift) 10.882,35 €
- Gutachterkosten (Anlage K 13 zur Klageschrift) 177,91 €
- Abzüglich vereinbarte Selbstbeteiligung - 150,00 € 10.910,26 €.
Der Kläger beantragt daher,Die Beklagte beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.910,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 10.732,35 € seit dem 26.03.2009 und aus weiteren 177,91 € seit dem 28.07.2009 zu zahlen,
- ferner, die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 837,52 € (v or- gerichtliche Rechtsanwaltskosten) nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.07.2009 zu zahlen.
die Klage abzuweisen.Sie sieht aufgrund der Vorstrafen die einem Versicherungsnehmer sonst zuzubilligende Redlichkeitsvermutung als erschüttert an und beruft sich im Übrigen auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 1 VVG a. F. in Verbindung mit §§ 12, 13 AKB. Denn die Beklagte ist unabhängig vom Vorliegen des behaupteten Versicherungsfalles wegen einer Obliegenheitsverletzung des Klägers gem. § 7 (4) AKB i. V. m. § 6 Abs. 3 VVG a. F. leistungsfrei geworden.
I.
Der Kläger hat objektiv die Obliegenheit aus § 7 AKB verletzt, wonach der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann. Dementsprechend muss ein Versicherungsnehmer Fragen nach einer früheren Betroffenheit von Fahrzeugentwendungen wahrheitsgemäß beantworten (OLG Saarbrücken r+s 2008, 465; OLG Düsseldorf NJOZ 2007, 3439; OLG Bamberg, Urteil vom 28.02.2006, Az.: 1 U 223/05 = ADAJUR Dok. Nr. 73683; OLG Köln NVersZ 2002, 568; Landgericht Dortmund, Urteil vom 15.04.2009, Az.: 22 O 71/08). Eine objektive Falschbeantwortung der Frage nach früheren Entwendungen liegt vor. Der Kläger hat zuletzt angegeben, der Pkw Golf sei ihm tatsächlich entwendet worden. Die Auslegung seiner Antwort in dem Fragebogen zum Diebstahlschaden ergibt aber, dass er die dortige Frage nach früheren Entwendungen verneint hat. Der Antwort " / " ist eine Verneinung, nicht aber ein Offenlassen der gestellten Frage zu entnehmen. Dies ergibt sich aus dem Kontext. So hat der Kläger dieses Zeichen bei den Folgefragen ersichtlich im Sinne einer Verneinung gebraucht, so z. B. bei der Frage danach, ob das Fahrzeug geleast oder finanziert war. Unstreitig war das Fahrzeug weder geleast noch finanziert, so dass der Kläger auch hier keinerlei Veranlassung hatte, die Frage etwa offen zu lassen.
II.
Vorliegend kann offen bleiben, ob die Belehrung am Ende des Formulars "Fragebogen zum Diebstahlschaden" unzureichend ist, weil die Beklagte dem Kläger auch eine für Altfälle irrelevante Belehrung betreffend § 28 Abs. 4 VVG n. F. übersandte. Denn das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger arglistig handelte. Beantwortet aber ein Versicherungsnehmer im Rahmen seiner Aufklärungspflicht Fragen des Versicherers arglistig falsch, so ist das Fehlen einer ordnungsgemäßen Belehrung unschädlich (OLG Hamm VersR 1999, 89; vgl. BGH VersR 1976, 383).
Arglist liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer sich der Unwahrheit seiner Angaben bewusst ist und durch die Falschangabe die Schadenregulierung zu beeinflussen versucht (BGH VersR 1978, 121; OLG Hamm r+s 1992, 41; OLG Oldenburg r+s 1998, 188). Hieran gemessen ist ein arglistiges Verhalten des Klägers zu bejahen. Die Motivation zum Verschweigen der Vorentwendung liegt auf der Hand. Da für den Beklagten angesichts der Folgefrage nach der seinerzeit regulierenden Versicherungsgesellschaft zu befürchten war , dass bei einer wahrheitsgemäßen Beantwortung der Frage die damalige Nichtregulierung der angezeigten Entwendung und die Verurteilung offenbar werden würden, lag es erkennbar in seinem Interesse, die frühere Entwendung nicht anzugeben. Die Falschbeantwortung der Frage zielte mithin darauf, Schwierigkeiten bei der Regulierung aus dem Wege zu gehen und damit zumindest eine schnellere Regulierung zu erreichen, was ausreichend ist (OLG Hamm OLG Report 1999, 86).
Soweit der Kläger sich darauf beruft, er habe die Frage nach einer früheren Entwendung von Fahrzeugen wegen des Urteils des Amtsgerichts Wolfsburg verneint, so nimmt das Gericht ihm dies nicht ab. Wenn der Kläger sich tatsächlich in einem solchen Zwiespalt sah, lag es nahe, die Antwort mit einem klarstellenden Zusatz zu versehen. Dies wäre von einem tatsächlich redlichen Versicherungsnehmer ohne Weiteres zu erwarten gewesen. Denn es liegt für jeden verständigen Versicherungsnehmer auf der Hand, dass ein Versicherer, der nach früheren Entwendungen von Fahrzeugen fragt, erfahren will, ob der Versicherungsnehmer schon zuvor Versicherern Diebstähle angezeigt hat (OLG Saarbrücken a.a.O.). Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger dies nicht bewusst war, sind nicht ersichtlich. Nachdem die frühere Anzeige einer Entwendung zu einer Verurteilung wegen des Vortäuschens einer Straftat und versuchten Betruges geführt hatte, war ihm die Brisanz und Bedeutung der Frage nach früheren Entwendungen ohne Zweifel bewusst.
Soweit der Kläger zuletzt noch geltend gemacht hat, er habe die Frage "weder bejahen noch verneinen" können, so nimmt die Kammer ihm auch dieses nicht ab. Wie bereits oben dargelegt, ergibt die Auslegung der Antwort des Klägers zwangslos, dass eine Verneinung der Frage vorlag. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die Frage hier schlicht offenlassen wollte, sind nicht ersichtlich. Im Übrigen widerspricht diese Einlassung auch seiner Erklärung, er habe die Frage verneint, weil das Gerichtsurteil des Amtsgerichts Wolfsburg dem entgegengestanden habe.
Nach alledem war zu erkennen wie geschehen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.