- Als singulärer Wert stellt eine Blutalkoholkonzentration von 1,81 Promille zwar ein gewichtiges Beweisanzeichen dafür dar, dass die betroffene Person in hohem Maße alkoholgewöhnt ist. Wie § 13 Nr. 2 lit. c FeV zeigt, geht das Fahrerlaubnisrecht jedoch davon aus, dass selbst eine festgestellte Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille noch nicht den automatischen Rückschluss auf eine bestehende Alkoholabhängigkeit erlaubt; der Verordnungsgeber wertet eine solche Gegebenheit unter der weiteren Prämisse, dass der Betroffene in diesem Zustand ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt hat, (lediglich) als Fall des Alkoholmissbrauchs und verlangt in einer solchen Fallgestaltung grundsätzlich die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens.
- Das für die Annahme von Alkoholmissbrauch und die Anordnung eines fachärztlichen Gutachtens erforderliche Merkmal des fehlenden Trennvermögens des Alkoholkonsums von der Teilnahme am Straßenverkehr wird nicht dadurch erfüllt, dass der Betroffene als Beifahrer in das Lenkrad greift, selbst wenn er deswegen nach § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB verurteilt wurde. Das Greifen in die Lenkung als Beifahrer in alkoholisiertem Zustand und die auf den Unfall folgende Unfallflucht zusammen mit der Ehefrau stellt auch keine sonstige Tatsache dar, die nach § 13 Nr. 2 lit. a FeV die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen könnte.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis für den Kläger.
1. Der am 24. März 1973 geborene Kläger war seit 13. März 1997 im Besitz einer Fahrerlaubnis der Klasse 3 (alte Klasseneinteilung).
Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 2. August 2005 wurde der Kläger wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe verurteilt; außerdem wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Kläger vor Ablauf von sechs Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Der Kläger hatte am 24. März 2005 als Beifahrer in dem in seinem Eigentum stehenden, von seiner Frau geführten Fahrzeug in das Lenkrad gegriffen. Dadurch kam das Kraftfahrzeug von der Straße ab und beschädigte neben der Fahrbahn befindliche Gegenstände. Der Kläger entfernte sich trotz des Bemerkens des Schadens von der Unfallstelle. Zur Tatzeit stand der Kläger unter Alkoholeinfluss mit einer mittleren Blutalkoholkonzentration von 1,81 Promille. Nach den ärztlichen Feststellungen anlässlich der Blutentnahme roch der Kläger deutlich nach Alkohol, war jedoch von sicherem Gang; auch ansonsten war die Feinmotorik nicht beeinträchtigt.
Dem Landratsamt wurde bekannt, dass gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung und gefährlicher Körperverletzung seiner Ehefrau sowie gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr eingeleitet worden sei. Er habe u.a. am 23. Dezember 2005 als Beifahrer seines Fahrzeugs, das von seiner Frau gelenkt worden sei, erneut in angetrunkenem Zustand im Streit drei Mal in das Lenkrad gegriffen. Die Ehefrau habe das Fahrzeug jedes Mal abbremsen müssen; es sei aber nicht zu einem Unfall gekommen. Das Strafverfahren hinsichtlich des Vorwurfs der Beleidigung und des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr wurde mit Beschluss der Staatsanwaltschaft vom 9. Februar 2006 nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt. Die Ehefrau beschuldigte ihren Ehemann auch, dass ihr der Kläger am 1. Oktober 2005 eine gefüllte Flasche Wein auf den Kopf geschlagen habe, sodass die Frau eine Beule davongetragen habe. Bei einem Streit am 18. November 2005 habe der stark angetrunkene Kläger seine Frau festgehalten und ihr dabei Verletzungen zugefügt, die in einer Notfallpraxis versorgt werden mussten. Am 17. Dezember 2005 drohte er seiner Frau nach einem Streit, dass er ihr den Kopf abreißen würde. Die Eheleute leben mittlerweile getrennt und haben Vereinbarungen u.a. über die Räumung der früheren Ehewohnung durch den Kläger und die Beilegung zivilrechtlicher Streitigkeiten nach den genannten Vorfällen geschlossen. Das Amtsgericht stellte das Verfahren gegen den Kläger mit Beschluss vom 30. Juni 2006 nach § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld ein.
Das Landratsamt forderte mit Schreiben vom 8. März 2006 vom Kläger die Beibringung eines Facharztgutachtens einer anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung. Die bei dem Unfall am 24. März 2005 erreichte Blutalkoholkonzentration deute auf einen längerfristig überhöhten Alkoholkonsum bzw. gewohnheitsmäßigen Alkoholmissbrauch hin. Es sei durch das Facharztgutachten die Frage zu klären, ob sich die Annahme von Alkoholabhängigkeit beim Kläger bestätigen lasse. Weiter sei zu untersuchen, ob sich Anzeichen für Alkoholmissbrauch fänden. Ebenso sei zu klären, ob der Kläger gegebenenfalls eine Alkoholabhängigkeit überwunden habe und stabile Abstinenz vorliege. Für den Fall, dass das Gutachten nicht vorgelegt werde, müsse auf die fehlende Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden. Der Kläger legte das geforderte Gutachten jedoch nicht vor.
Nach Anhörung lehnte das Landratsamt den Antrag des Klägers auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis der Klasse C1E (eingeschlossen die Klassen B, BE, C1, M, L und S) mit Bescheid vom 20. Oktober 2006 ab. Der Kläger gelte als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, da er das zu Recht geforderte Facharztgutachten nicht beigebracht habe.
Die Regierung von Schwaben wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 20. Oktober 2006 mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2006 zurück. Die Forderung nach einem Facharztgutachten sei zu Recht erfolgt.
2. Der Kläger beantragt,den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamtes Günzburg vom 20. Oktober 2006 und des Widerspruchsbescheids der Regierung von Schwaben vom 7. Dezember 2006 zu verpflichten, die zuständige technische Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr mit der Prüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Klägers zu beauftragen.Dadurch, dass der Kläger nicht selbst bei dem Vorfall am 24. März 2005 gefahren sei, habe er seine Fahreignung exemplarisch unter Beweis gestellt. Tatsächlich habe der Kläger seiner Frau nicht in das Lenkrad gegriffen; seine Frau habe sich im Streit mit dem Kläger so sehr erregt, dass sie die Kontrolle über das Fahrzeug verloren habe. Mittlerweile lebe der Kläger mit einer neuen Partnerin zusammen und habe sich von seiner Ehefrau dauerhaft getrennt. Er trinke nicht in auffälligem Maß Alkohol. Zu den dem Kläger zur Last gelegten Straftaten sei es im Rahmen von ehelichen Auseinandersetzungen gekommen.
3. Das Landratsamt beantragt für den Beklagten,die Klage abzuweisen.Die sehr hohe Alkoholisierung weise auf einen länger andauernden überhöhten bzw. gewohnheitsmäßigen Alkoholkonsum hin. Personen, die Werte über 1,6 Promille Blutalkohol erreichten, litten an einer dauerhaften, ausgeprägten Alkoholproblematik.
4. Mit Beschluss vom 8. Mai 2007 wurde angeordnet, Frau B... als Zeugin zur Frage des Alkoholkonsums und der Einstellung des Klägers zum Alkoholgenuss zu vernehmen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 8. Mai 2007 und bezüglich weiterer Einzelheiten auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten sowie die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Strafakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Verpflichtungsklage ist begründet. Der Bescheid des Landratsamtes vom 20. Oktober 2006 und der Widerspruchsbescheid der Regierung von Schwaben sind aufzuheben, da sie rechtwidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen; der Kläger hat Anspruch auf die Beauftragung der zuständigen technischen Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr zur Prüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Klägers (§ 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
1. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass der Beklagte im Rahmen des Verfahrens der Erteilung der Fahrerlaubnis als "letzten Schritt" die zuständige technische Prüfstelle mit der Durchführung der theoretischen und praktischen Prüfung der Befähigung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klasse C1E und der davon umfassten Klassen beauftragt. Da der Kläger nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis ist, kann sein Klageziel nur auf die Erteilung des Prüfauftrags gerichtet sein, da die Ablegung der Fahrprüfung den abschließenden und von der Behörde inhaltlich nicht mehr zu überprüfenden Verfahrensschritt darstellt, der nach § 2 Abs. 2 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), §§ 21 ff. der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) zur Erteilung der Fahrerlaubnis führt. Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde zuvor zu ermitteln, ob Bedenken gegen die Eignung des Bewerbers zum Führen von Kraftfahrzeugen bestehen. Die Fahreignung ist von der Straßenverkehrsbehörde vor Erteilung des Prüfauftrages zu untersuchen; sie ist ein konstitutives Element dafür, dass einem Bewerber eine Fahrerlaubnis erteilt werden kann (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 4 StVG, § 11 Abs. 1 FeV).
Die Behörde ist nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV berechtigt, auf die Nichteignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu schließen, wenn ein gefordertes Gutachten nicht oder nicht fristgemäß vorgelegt wird. Hierfür ist Voraussetzung, dass die Aufforderung zur Beibringung eines solchen Gutachtens zu Recht ergangen ist (vgl. BVerwG vom 9.6.2005, NJW 2005, 3081; BayVGH vom 14.9.2006, 11 CS 06.1475, juris). Die Aufforderung zur Beibringung eines medizinischen Gutachtens zur Klärung einer möglichen Alkoholabhängigkeit des Klägers erfolgte zu Unrecht. Auch ansonsten bestehen keine Zweifel an der Fahreignung des Klägers.
a) Die Aufforderung des Landratsamtes vom 8. März 2006 zur Beibringung eines Gutachtens eines Arztes einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Klärung einer Alkoholabhängigkeit findet in § 13 Nr. 1 FeV keine Stütze. In dem für die Beurteilung der vorliegenden Verpflichtungsklage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (Jörg Schmidt in Eyermann, VwGO, 12. Auflage 2006, RdNrn. 45, 62 zu § 113) sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass beim Kläger Alkoholabhängigkeit vorliegen könnte. Nach Nr. 8.3 des Anhangs 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung besitzen Personen, die alkoholabhängig sind, die Fahreignung nicht. Ein Abhängigkeitssyndrom liegt nach der Nr. 2 des Vorspanns zu den Abschnitten F 10 bis F 19 der ICD-10 vor, wenn eine Gruppe von Verhaltens-, kognitiven und körperlichen Phänomenen besteht, die sich nach wiederholtem Substanzgebrauch entwickeln. Typischerweise bestehen ein starker Wunsch, die Substanz einzunehmen, Schwierigkeiten, den Konsum zu kontrollieren, und anhaltender Substanzgebrauch trotz schädlicher Folgen. Dem Substanzgebrauch wird Vorrang vor anderen Aktivitäten und Verpflichtungen gegeben; es entwickelt sich eine Toleranzerhöhung und manchmal ein körperliches Entzugssyndrom (zitiert nach Dilling/Mombour/Schmidt, Internationale Klassifikation psychischer Störungen, 5. Auflage 2005, F1x.2 Abhängigkeitssyndrom, S. 92 ff.).
In Übereinstimmung mit diesem Definitionsansatz von "Abhängigkeit" in der ICD-10 halten die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung fest, dass die sichere Diagnose einer Abhängigkeit nur gestellt werden sollte, wenn während des letzten Jahres vor der Diagnose drei oder mehr der sechs in Abschnitt 3.11.2 der Begutachtungs-Leitlinien aufgeführten Kriterien (sie übernehmen die beschreibenden Merkmale der ICD-10 und konkretisieren sie z.T. näher) gleichzeitig erfüllt waren (zitiert nach Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung, Kommentar, 2. Auflage 2005, S. 156).
Von den dort zitierten sechs Kriterien kommt beim Kläger nur die als Kriterium 4 umschriebene Toleranzbildung in Betracht. Es sind jedenfalls derzeit keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Kläger – wie in diesem Kriterium umschrieben – eine zunehmend höhere Dosis des Rauschmittels einnehmen muss, um die ursprünglich durch niedrige Dosen erreichten Wirkungen hervorzurufen.
Als singulärer Wert stellt eine Blutalkoholkonzentration von 1,81 Promille zwar ein gewichtiges Beweisanzeichen dafür dar, dass die betroffene Person in hohem Maße alkoholgewöhnt ist. Ein dahingehender Verdacht kann u.U. bereits bei einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,3 Promille, jedenfalls aber bei einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,6 Promille begründet sein (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl. 2005, RdNr. 16 zu § 2 StVG). Wie § 13 Nr. 2 lit. c FeV zeigt, geht das Fahrerlaubnisrecht jedoch davon aus, dass selbst eine festgestellte Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille noch nicht den automatischen Rückschluss auf eine bestehende Alkoholabhängigkeit erlaubt; der Verordnungsgeber wertet eine solche Gegebenheit unter der weiteren Prämisse, dass der Betroffene in diesem Zustand ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt hat, (lediglich) als Fall des Alkoholmissbrauchs und verlangt in einer solchen Fallgestaltung grundsätzlich die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens.
In der Begründung zur einschlägigen Nr. 3.11.2 der Begutachtungsleitlinien ist ausgeführt, dass bei Personen, die mit einer Blutalkoholkonzentration von um oder über 1,5 Promille als Kraftfahrer im Straßenverkehr angetroffen werden, in der Regel ein Alkoholproblem vorliege, das die Gefahr weiterer Auffälligkeiten im Straßenverkehr mit sich bringe; es sei ein chronischer Alkoholkonsum mit besonderer Gewöhnung und Verlust der kritischen Einschätzung des Verkehrsrisikos anzunehmen. Chronischer Alkoholkonsum bzw. ein Alkoholproblem dürfen jedoch nicht ohne weiteres mit Alkoholabhängigkeit gleichgesetzt werden; beide Begriffe können auch auf einen starken Trinker zutreffen, der das Stadium der Abhängigkeit noch nicht erreicht hat (vgl. zum Ganzen: BayVGH vom 20.12.2004, 11 CS 03.3412, juris).
Das Erreichen einer hohen Blutalkoholkonzentration kann nur zusammen mit weiteren Kriterien, die für eine Toleranzbildung gegenüber Alkohol sprechen, als hinreichender Anhaltspunkt für eine mögliche Alkoholabhängigkeit gewertet werden. So kann eine Blutalkoholkonzentration von 2,0 Promille mit einem völlig unauffälligen Erscheinungsbild als entsprechende Hinweistatsache herangezogen werden (Schuber/Schneider/Eisenmenger/Stephan, a.a.O., Anm. 2.1.4 zu Kapitel 3.11.2, S. 160). Entsprechend deutet auf eine Toleranzbildung ein Wert von 2,58 Promille ohne äußere Anzeichen einer Alkoholisierung hin (VG Augsburg vom 17.12.2002, Au 3 K 02.1183, juris) oder etwa ein Wert von 2,21 Promille, wobei der Fahrer schlafend am Steuer seines mit laufenden Motor auf einem Parkstreifen abgestellten Fahrzeugs angetroffen wurde (SaarlOVG vom 18.9.2003, NJW 2004, 243).
Ob beim Kläger Anhaltspunkte für eine solche Toleranzbildung vorliegen, dass bereits die Annahme von Alkoholabhängigkeit nahe liegt, ist nicht sicher zu beantworten. Auf eine gewisse Alkoholgewöhnung mag zwar hindeuten, dass der Kläger am 24. März 2005 einen Wert von 1,81 Promille Blutalkohol erreicht hat und dabei nach den Feststellungen des Arztes im ärztlichen Bericht über die Blutabnahme keine wesentliche Beeinträchtigung der Feinmotorik zeigte (vgl. sichere Finger-Nasen-Prüfung, Finger-Finger-Prüfung, Drehnystagmus). Andererseits wirkte sein Bewusstsein benommen, sein Denkablauf war sprunghaft und der Kläger wirkte redselig, sodass der Arzt den äußerlichen Anschein des Einflusses von Alkohol als deutlich bemerkbar ansah. Für einen regelmäßigen, erhöhten Konsum von Alkohol spricht, dass der Kläger bei den von seiner vormaligen Ehefrau angezeigten Vorkommnissen im Herbst/Winter 2005 immer wieder als angetrunken bezeichnet wurde; der vom Kläger dabei erreichte Alkoholisierungsgrad ist aber offen.
Letztlich kann offen bleiben, ob Ende des Jahres 2005 hinreichende Anzeichen für eine Alkoholabhängigkeit des Klägers vorlagen. Selbst wenn der Kläger in diesem Zeitraum in erhöhtem Maß Alkohol zu sich genommen hat, so besteht zur Überzeugung des Gerichts ein solcher Alkoholkonsum derzeit und schon seit längerem nicht mehr. Damit sind im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gericht keine Anhaltspunkte für eine Alkoholabhängigkeit durch Toleranzbildung mehr gegeben. Nach den Angaben der derzeitigen Lebensgefährtin des Klägers, der Zeugin B, deren Glaubwürdigkeit das Gericht keinen Anlass hat in Zweifel zu ziehen, lebt sie seit etwa einem Jahr mit dem Kläger zusammen. In dieser Zeit ist ihr kein übermäßig hoher Alkoholkonsum des Klägers aufgefallen. Er trinke abends – eher selten – ein Bier; Spirituosen hätten sie gar nicht im Haus. Auch bei Betriebsfesten, insbesondere den Weihnachtsfeiern, habe er nicht mehr als normal getrunken. Auch im Urlaub habe er Alkohol getrunken, aber nur gelegentlich und nicht in größeren Mengen. Schließlich spricht für die Sensibilität der Zeugin hinsichtlich des Alkoholkonsums ihres Partners, dass ihre frühere Ehe wegen Alkoholproblemen ihres Ehemannes gescheitert ist. Einen überhöhten Alkoholkonsum hätte die Zeugin damit bemerkt. Es spricht auch sehr viel dafür, dass der Kläger im Rahmen der Streitigkeiten beim Scheitern seiner Ehe verstärkt Alkohol getrunken hat, um die Belastungssituation zu kompensieren. Nach dem Ende der Ehe und im Rahmen der neuen Partnerschaft hat der Kläger wohl zu einem Trinkverhalten gefunden, das sich im Rahmen des Gesellschaftsüblichen hält. Der von der Zeugin berichtete unproblematische Konsum dauert seit etwa einem Jahr an; somit hat sich das berichtete unauffällige Trinkverhalten auch zeitlich entsprechend verfestigt.
b) Es sind auch sonst keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Fahreignung des Klägers gegeben, die aufgeklärt werden müssten.
aa) Aus den festgestellten Umständen ergeben sich keine Tatsachen, die sonst Tatsachen für Alkoholmissbrauch begründen, sodass dieser Komplex über eine medizinisch-psychologische Untersuchung nach § 13 Nr. 2 lit. a FeV zu klären wäre.
(1) Die übrigen in § 13 Nr. 2 FeV aufgeführten Alternativen für die Beibringung eines solchen Gutachtens treffen beim Kläger nicht zu. Insbesondere hat er nicht unter Einfluss von Alkohol am Straßenverkehr teilgenommen; das war auch nicht bei dem Vorfall am 24. März 2005 der Fall. Mit Strafbefehl vom 2. August 2005 wurde er u.a. wegen einer Zuwiderhandlung gegen § 315 b Abs. 1 Nr. 3 des Strafgesetzbuchs (StGB) verurteilt; diese Vorschrift erfasst Eingriffe in den Straßenverkehr von außen (Hentschel, a.a.O., RdNr. 1 zu § 315 b StGB). Das Greifen in das Lenkrad stellt kein Führen eines Kraftfahrzeugs dar, da der Kläger das Fahrzeug bewusst verkehrswidrig beeinflusst hat. Der Kläger wurde auch nicht wegen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB belangt, was ein Führen des Fahrzeugs voraussetzt.
Vor diesem Hintergrund kommt es auf den Vortrag des Klägerbevollmächtigten nicht an, dass der Kläger diese Tat nicht begangen habe. Das pauschale Bestreiten des im Strafbefehl festgestellten Geschehensablaufs verpflichtet das Verwaltungsgericht auch nicht zu einer Überprüfung der strafgerichtlichen Entscheidung. Es werden keine gewichtigen Anhaltspunkte vorgetragen, die für eine Unrichtigkeit der Verurteilung sprechen; insbesondere liegen keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vor, die eine Wiederaufnahme des Strafverfahren begründen würden (BVerwG vom 16.10.1986, NJW 1987, 1501; vom 29.8.1981, 7 B 188.81, Buchholz 442.10 § 4 StVG Nr. 60; Geiger in Eyermann, a.a.O., RdNr. 15 zu § 86).
(2) Das Greifen in die Lenkung als Beifahrer in alkoholisiertem Zustand und die auf den Unfall folgende Unfallflucht zusammen mit der Ehefrau stellt auch keine sonstige Tatsache dar, die nach § 13 Nr. 2 lit. a FeV die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen könnte. Aus dem Verhalten des Betroffenen muss die naheliegende Besorgnis folgen, dass dieser – entsprechend der in Nr. 8.1. der Begutachtungsleitlinien für die Kraftfahrereignung festgehaltenen Definition für Alkoholmissbrauch - einen die Verkehrssicherheit gefährdenden Alkoholkonsum und die Teilnahme am Straßenverkehr nicht hinreichend sicher trennen kann. Für eine solche Besorgnis genügt auch ein mittelbarer Bezug zum Straßenverkehr, eine Alkoholauffälligkeit ohne direkte Teilnahme am Straßenverkehr; es muss ein innerer Zusammenhang zwischen der Alkoholisierung und einer Verkehrsteilnahme bestehen (vgl. Geiger, DAR 2003, 347; enger: Himmelreich, DAR 2002, 60). Ein solcher mittelbarer Zusammenhang wurde bei dem Erreichen einer erheblichen Alkoholisierung ohne direkte Verkehrsteilnahme angenommen, wenn sich die Betreffenden aufgrund ihrer Berufstätigkeit in einem Dauerkonflikt zwischen Alkoholkonsum und Nüchternheitsgebot bei der Verkehrsteilnahme befinden (VGH BW vom 24.6.2002, DAR 2002, 573: Berufskraftfahrer; vom 29.7.2002, DAR 2002, 570: Taxifahrer) oder wenn nach einem Verkehrsunfall unter Alkoholeinfluss die Alkoholisierung stark erhöht wurde (VGH BW vom 17.1.2000, DAR 2000, 181; VG Augsburg vom 11.5.2004, BA 2005, 193: "Flucht in den Alkohol"). Eine erhebliche Alkoholisierung ohne jeden Bezug zum Straßenverkehr bei einem Ehestreit begründet keinen mittelbaren Zusammenhang (VG Augsburg vom 9.3.2005, zfs 2005, 420). Ein solcher mittelbarer Zusammenhang wurde dann angenommen, wenn der Fahrzeughalter erheblich alkoholisiert (2,13 Promille Blutalkohol) seiner ebenfalls unter Alkoholeinfluss stehenden Ehefrau den PKW überlassen und zu deren unerlaubtem Entfernen vom Unfallort Beihilfe durch Unterlassen geleistet hat (VG Minden vom 27.2.2002, 3 K 1764/02, juris).
Im vorliegenden Fall kann jedoch ein mittelbarer Zusammenhang zwischen dem Vorfall vom 24. März 2005 und einer Verkehrsteilnahme des Klägers nicht mehr gesehen werden. Anders als im vom Verwaltungsgericht Minden (a.a.O.) entschiedenen Fall war der Kläger nicht die bestimmende Person für die Fahrt. Er überließ seiner nicht alkoholisierten damaligen Ehefrau das Steuer. Das Hineingreifen in das Lenkrad geschah im Streit. Dass er bei der Unfallflucht eine bestimmende Rolle übernommen hätte, ist nicht ersichtlich. So verkehrswidrig sein Verhalten auch anzusehen ist, folgt daraus nicht, dass nahe läge, dass der Kläger einen erheblichen Alkoholkonsum und die Teilnahme am Straßenverkehr nicht hinreichend sicher trennen könnte. Die Tat war von der Streitsituation mit seiner Frau geprägt und hatte keinen inneren Bezug zu einer Verkehrsteilnahme des Klägers. Auch der Vorfall am 23. Dezember 2005, als er seiner Frau in alkoholisiertem Zustand insgesamt drei Mal in das Lenkrad griff, wobei es zu keinem Unfall kam und der Alkoholisierungsgrad des Klägers nicht festgestellt wurde, war vom Streit unter den früheren Eheleuten geprägt. Zuvor hatte der Kläger ausdrücklich seine nüchterne Frau gebeten, ihn von der Arbeit mit dem Auto abzuholen, da er angetrunken war. Das spricht ausdrücklich für ein Trennvermögen des Klägers, der nie zuvor mit Alkohol im Straßenverkehr aufgefallen war.
bb) Es bestehen auch keine Anhaltpunkte dafür, dass der Kläger wegen erheblicher oder wiederholter Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder bei Straftaten, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen, ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sein könnte, was nach § 11 Abs. 3 Nr. 4 FeV durch die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufgeklärt werden kann.
Die sich aus der Straftat ergebenden Umstände müsse nahe legen, dass der Betreffende zukünftig den Verkehr gefährden oder missbrauchen werde (Hentschel, a.a.O., RdNrn. 13 ff. zu § 2 StVG, RdNr. 8 zu § 11 FeV). Entsprechende Zweifel können bereits bei einer erheblichen Zuwiderhandlung vorliegen, obwohl im § 11 Abs. 3 Nr. 4 FeV von Verstößen oder Straftaten die Rede ist (VGH BW vom 25.7.2001, DAR 2002, 92). Auch eine Trunkenheitsfahrt mit 1,43 Promille Blutalkohol, zu der noch andere Verkehrsverstöße hinzukommen, kann die Aufklärung entsprechender Eignungszweifel rechtfertigen (BayVGH vom 19.3.2002, DAR 2002, 330). Das gilt auch bei einem vorangegangenen Fahren ohne Fahrerlaubnis und später hinzutretenden erheblichen Geschwindigkeitsverstößen (BayVGH vom 31.1.2007, 11 CS 06.1923, juris) oder mehreren Vergehen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis und einem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz (VG Augsburg vom 14.4.2005, Au 3 K 05.143, juris).
Das Greifen in das Lenkrad und die Unfallflucht am 24. März 2005 ist aber ein Vorfall, der – wie bereits betont – stark durch die Auseinandersetzung des Klägers mit seiner früheren Ehefrau geprägt war. Das gilt auch für das dreimalige Hineingreifen in das Lenkrad am 23. Dezember 2005. Diese Taten waren nach Ansicht des Gerichts durch den Beziehungskonflikt ausgelöst und überlagert. Daraus können keine Anhaltspunkte dafür abgeleitet werden, dass sich der Kläger mit erhöhter Wahrscheinlichkeit im Straßenverkehr nicht regelgerecht verhalten werde, wenn er selbst am Steuer sitzt. Auch der Rotlichtverstoß des Klägers vom 16. Dezember 2004 deutet nicht auf ein beharrliches Missachten der Regeln des Straßenverkehrs hin.
2. Der Beklagte hat als unterliegender Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO angesichts der schwierigen Sach– und Rechtslage sowie der Bedeutung der Fahrerlaubnis für den Betroffenen für notwendig zu erklären. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).