- | Einleitung |
- | Europarecht und Schadensteilung |
- | Schuldbekenntnis nach Unfall |
"Das Landgericht hat zu Unrecht eine Haftungsverteilung dergestalt angenommen, dass jede Partei bei unaufklärbarem Unfallhergang lediglich 25% ihres Schadens verlangen kann. Da sowohl der Kläger als auch der Beklagte zu 1) Halter ihres Fahrzeugs sind, haften beide gemäß § 7 StVG für die von ihren Fahrzeugen ausgehende Gefahr, und zwar zunächst zu 100%. Dies gilt grundsätzlich nicht nur für den Schaden der anderen Partei, sondern auch für den eigenen Schaden. Die Beklagten haften gemäß den §§ 7, 18 StVG, 115 VVG 2008 (seit dem 1.1.2008 gilt nicht mehr nach § 3 PflichtVersG, den das Landgericht noch zitiert) für den aus dem Unfall entstandenen Schaden. Die Voraussetzungen der genannten Vorschriften liegen unzweifelhaft vor. Die Beklagten haben nicht beweisen können, dass der Unfall für den Beklagten zu 1) unabwendbar i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG war. Steht mithin die grundsätzliche Haftung der Beklagtenseite fest, ist zu prüfen, ob eine Mithaftung der Klägerseite zu berücksichtigen ist. Dafür kommt als rechtliche Grundlage nur § 17 StVG in Betracht. § 17 StVG bezieht sich nach seinem Wortlaut auf alle Ansprüche kraft Gesetzes, nicht lediglich auf solche des StVG. Damit wird er zur Zentralnorm der Haftungsverteilung im Straßenverkehrsrecht. Denn auch die gesamten deliktischen Ansprüche werden von ihm erfasst. § 17 StVG ist damit lex specialis gegenüber § 254 BGB, der bei der Haftungsverteilung mehrerer Halter untereinander nicht anzuwenden ist. § 17 Abs. 1 StVG setzt zunächst voraus, dass beide Halter dem Geschädigten gegenüber haften, und zwar gemäß § 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner in vollem Umfang, unabhängig von dem konkreten Grad der Beteiligung (BGH 5.10.10 - VI ZR 286/09 -). Der Gesamtschuldnerausgleich richtet sich grundsätzlich nach § 426 Abs.1 BGB: Haftung nach Kopfteilen, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Diese andere Bestimmung liegt in § 17 Abs.1, der die interne Haftungsverteilung nach dem Verhältnis der Verursachung vornimmt. Der seit dem 1.8.2002 redaktionell klarer gefasste Absatz 2 bezieht die Ausgleichungspflicht auch auf den Fall, dass einer dieser Halter selbst geschädigt ist. Diese Verweisung setzt zunächst voraus, dass beide Halter nach § 7 StVG oder deliktischen Vorschriften in vollem Umfang für den gesamten Unfallschaden einzustehen haben. Außerdem muss zumindest ein Halter zugleich Geschädigter sein, d.h. Rechtsgutsinhaberschaft und Haltereigenschaft müssen zusammenfallen. Im Rahmen des § 17 Abs. 2 StVG muss er sich dann die von seinem Fahrzeug ausgehenden Mitverursachungsanteile nach den Abwägungsgrundsätzen des § 17 Abs. 1 StVG anspruchsmindernd anrechnen lassen. Die Verweisung in Absatz 2 wird dann verständlich, wenn man sich verdeutlicht, dass auch der geschädigte Halter gemäß den §§ 7 StVG, 840 Abs. 1 BGB in gleicher Weise für den gesamten Unfallschaden haftet wie der andere Halter, also auch für den Schaden an seinem eigenen Fahrzeug. Diese Grundsätze gelten wegen der Verweisung in § 18 Abs. 3 StVG auch für den Fahrer. Deshalb ist auch für die Klägerseite zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 7 StVG gegeben sind. Dies ist unzweifelhaft der Fall. Die Klägerseite hat ebenfalls ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG nicht beweisen können. Liegen mithin die Voraussetzungen der §§ 17 Abs. 1, 18 Abs. 3 StVG vor, richtet sich die Haftungsverteilung nach den Umständen, insbesondere danach, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Bei der Abwägung der Verursachungsanteile können allerdings nur solche Umstände berücksichtigt werden, die entweder unstreitig oder bewiesen sind. Auf ein Verschulden kommt es nur nachrangig an, da zunächst die objektiven Umstände der Unfallverursachung maßgeblich sind. Dabei hat jede Seite die Umstände zu beweisen, die für sie günstig, für die Gegenseite also ungünstig sind. Zur Abwägung der Verursachungsanteile sind diese zunächst für jede Seite herauszuarbeiten. Dabei wird in Rechtsprechung und Literatur regelmäßig von der Höhe der Betriebsgefahr gesprochen, die je nach Fahrzeugtyp und Verkehrssituation unterschiedlich sein kann. Grundsätzlich ist nach dem Vorhergesagten festzustellen, dass die Betriebsgefahr eines Fahrzeugs (nämlich das Vorliegen der Haftungsvoraussetzungen) gemäß § 840 BGB zu einer hundertprozentigen Haftung führt. Bei Beteiligung von zwei KFZ gilt zunächst die Haftung nach Kopfteilen, die durch solche gefahrträchtigen Umstände verändert wird, die sich der Fahrzeughalter im konkreten Fall als unfallursächlich zurechnen lassen muss. Kommen ein Fehlverhalten des Fahrers, ein Mangel am Fahrzeug oder Besonderheiten des Fahrzeugs und der Verkehrssituation als Unfallursachen in Betracht, erhöht sich der Verursachungsanteil auf der einen Seite, während er sich zugleich auf der anderen Seite verringert. Dieser Vorgang ist mit einer Balken-Waage zu vergleichen, deren zunächst gleich hohe Schalen durch einseitige Belastung verschoben werden. Bei jedem Beteiligten ist deshalb zu prüfen, inwieweit sich sein zunächst in gleicher Höhe (50%) bestehender Haftungsanteil durch spezifische Besonderheiten des KFZ, Mangelhaftigkeit seiner Funktionen oder Verstöße gegen die StVO erhöht. Da sowohl das Landgericht als auch die Parteien regelmäßig vom Verschuldensnachweis sprechen, sei erneut darauf hingewiesen, dass es weder für die Erfüllung des Tatbestands des § 7 StVG noch im Rahmen der Abwägung nach § 17 StVG auf Verschulden oder Mitverschulden ankommt. Der Verschuldensgrad des Fahrers ist nur in wenigen Fällen bei der Bewertung der Verursachungsanteile von Bedeutung, z.B. bei vorsätzlicher Begehung. Wesentlich für die Bewertung des Verursachungsbeitrags ist vielmehr, ob der Fahrer eine Sorgfaltspflicht verletzt hat; ob dies schuldhaft geschehen ist, ändert an der Gefährlichkeit des Verkehrsvorgangs nichts. Wenn der Fahrer am Steuer plötzlich und unvorhersehbar bewusstlos wird und sein Fahrzeug unkontrolliert weiterfährt, entfällt zwar ein Schuldvorwurf, objektiv liegt aber eine ganz erhebliche Mitverursachung vor. Es geht nur um das Maß der Schadensmitverursachung, nicht um das Mitverschulden (BGH 20.1.98 - VI ZR 59/97 - NJW 98, 1137; BGH 13.12.05 - VI ZR 68/04 - NJW 06, 896; BGH 1.12.09 - VI ZR 221/08 -; BGH 20.9.11 - VI ZR 282/10 -; zusammenfassend Schauseil MDR 08, 360; Beispiele für Verschuldensberücksichtigung: Todsünden des § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB „grob verkehrswidrig und rücksichtlos“). Im Fall der Kollision von zwei KFZ ohne besondere Umstände und ohne weitere Aufklärbarkeit ergibt sich deshalb eine Haftungsquote von 50% für jeden Halter, unabhängig davon, wer Klage erhebt. Denn da beide mangels Nachweises eines unabwendbaren Ereignisses als Gesamtschuldner gemäß § 840 Abs. 1 BGB in vollem Umfang haften, ergibt der fiktive Gesamtschuldnerausgleich nach den §§ 426 Abs. 1 BGB, 17 Abs. 1 StVG eine Haftung zu gleichen Anteilen (vgl. Jordan VersR 85, 316)." |