Ist in einem tschechischen Führerschein, den der Betroffene erstmals in Tschechien erworben hat, ohne jemals zuvor im Besitz einer deutschen Fahrerlaubnis gewesen zu sein, der deutsche Wohnsitz des Betroffenen eingetragen, so steht dies einer Anerkennung der tschechischen Fahrerlaubnis in Deutschland nicht entgegen, weil das kumulativ erforderliche Element eines vorherigen Entzugs der deutschen Fahrerlaubnis fehlt.
Tatbestand:
Nach dem Inhalt der Fahrerlaubnisakte war die am 11.01.1955 in Bamberg geborene Klägerin nie im Besitz einer deutschen Fahrerlaubnis. Aufgrund einer Vorsprache von ihr wegen Umtausches bzw. Umschreibung in einen deutschen Führerschein wurde der Fahrerlaubnisbehörde bekannt, dass die Klägerin seit dem 31.05.2006 im Besitz einer tschechischen Fahrerlaubnis der Klasse B ist. Der tschechische Führerschein wurde ausgestellt vom Magistrat Pilzen, in der Rubrik 8 ist als Wohnort eingetragen [... , Spolkova Republika Nemecko (Bl. 1 d. Fahrerlaubnisakte].
Mit Schreiben vom 03.04.2009 forderte die Fahrerlaubnisbehörde die Klägerin unter Hinweis auf die neue Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dazu auf, den tschechischen Führerschein zur Eintragung der fehlenden Fahrberechtigung in der Bundesrepublik Deutschland vorzulegen und hörte sie zum Erlass eines kostenpflichtigen Aberkennungsbescheides an.
Der Bevollmächtigte der Klägerin teilte hierzu mit Schriftsatz vom 04.05.2009 mit, dass die Rechtsauffassung des Landratsamts nicht geteilt werde, zur Vermeidung eines Rechtsstreits jedoch angeboten werde, dass die Klägerin einen Neuerteilungsantrag stellen werde, unter der Voraussetzung, dass die Fahrerlaubnisbehörde von der Möglichkeit des § 20 Abs. 2 FeV Gebrauch mache, von neuerlichen Prüfungen abzusehen.
Nachdem die Fahrerlaubnisbehörde dies mit E-Mail an den Bevollmächtigten der Klägerin vom 12.05.2009 abgelehnt hatte, erließ sie am 03.06.2009 einen Bescheid, mit dem der Klägerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung untersagt wurde, von ihrem tschechischen Führerschein im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen und sie verpflichtet wurde, den tschechischen Führerschein zur Eintragung der fehlenden Fahrberechtigung vorzulegen. Für den Fall der Nichtvorlage wurde die Einziehung durch die Polizei angedroht.
Gegen diesen, dem Bevollmächtigten der Klägerin laut Empfangsbekenntnis am 10.06.2009 zugestellten, Bescheid erhob die Klägerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 30.06.2009, eingegangen am 01.07.2009, Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth mit dem Antrag,den Bescheid des Beklagten vom 03.06.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin die Nutzungsberechtigung ihres tschechischen Führerscheins der Klasse B auch für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zuzuerkennen,Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass entgegen der klassischen Fälle des „Führerscheintourismus“ in der Person der Klägerin keine Gründe bestünden, die Zweifel an der Eignung der Klägerin zum Führen von Kraftfahrzeugen begründeten. Die Klägerin habe ordnungsgemäß am Fahrschulbetrieb nebst abschließenden Prüfungen in der tschechischen Republik teilgenommen, mithin die Voraussetzungen der Art. 6 und 7 der Richtlinie 91/439/EWG erfüllt. Soweit der Beklagte sich ausschließlich auf die fehlende Einhaltung des Wohnsitzprinzips beziehe, werte er Formerfordernisse höher als tatsächlich erbrachte Prüfungsleistungen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass nach Art 8 Abs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG, nunmehr Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG gültige Führerscheine umzuschreiben seien. Es sei nicht absehbar, dass „gültig“ sich, fehlende Eignungszweifel vorausgesetzt, auch auf die Gültigkeit im Aufnahmestaat beziehen müsse. Der Bevollmächtigte der Klägerin regte weiter an, das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorzulegen.
hilfsweise,
ihr einen deutschen Führerschein der Klasse B auszustellen.
Das Landratsamt Bamberg übermittelte mit Schreiben vom 07.08.2009 die Fahrerlaubnisakte und beantragte,die Klage zurückzuweisen.Zur Begründung nahm es im Wesentlichen Bezug auf die Gründe des angefochtenen Bescheides und führte weiter aus, auch die Verpflichtungsanträge könnten keinen Erfolg haben. Da die Klägerin ihren Wohnsitz ins Ausland verlagert habe, sei das Landratsamt Bamberg örtlich nicht zuständig. Hinzu komme, dass beide Begehren jeglicher Anspruchsgrundlage entbehrten.
Mit Schreiben vom 14.08.2009 wies der Berichterstatter den Bevollmächtigten der Klägerin auf Bedenken hinsichtlich der Verpflichtungsanträge hin sowie darauf, dass die Klägerin unter der angegebenen Anschrift nicht mehr gemeldet sei und die Klage ohne ladungsfähige Anschrift unzulässig sei.
Weiter wies er die Beteiligten darauf hin, dass zunächst bei Klageeingang seitens des Gerichts gegebene Hinweise zur vorläufigen Beurteilung der Rechtslage nicht mehr aufrecht erhalten würden. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG komme in Betracht, dass eine Nichtanerkennungsbefugnis des Aufnahmestaates nur dann bestehe, wenn zuvor eine Maßnahme im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie gegen den Fahrerlaubnisinhaber angewandt wurde, was bei der Klägerin nicht der Fall gewesen sei.
Das Landratsamt Bamberg führt mit Schreiben vom 01.09.2009 ergänzend aus, dass eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht veranlasst sei. Dieser habe in seinen Urteilen vom 26. Juni 2008 klargestellt, dass neben der Eignung der Ort des Wohnsitzes gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 91/439/EWG zu den Mindestvoraussetzungen für die Ausstellung eines Führerscheins gehöre. Die Verwendung des Plurals verdeutliche, dass die Einhaltung der Wohnsitzvoraussetzung für sich gesehen und nicht etwa nur im Zusammenhang mit der Eignung der Führerscheinbewerbers ein Element der Gewährleistung der Sicherheit des Straßenverkehrs darstelle. Unter den Randnummern 70 bzw. 67 der Urteile habe der EuGH zudem betont, dass es sich bei der Wohnsitzvoraussetzung um eine „Vorbedingung“ handle, welche die Prüfung der Einhaltung der übrigen in dieser Richtlinie aufgestellten Voraussetzungen bei einem Führerscheinbewerber ermögliche und welcher daher eine besondere Bedeutung zukomme. Aus dem Kontext ergebe sich, dass nach Ansicht des EuGH eine Sicherheitsgefährdung auch und allein durch die Nichtbeachtung der Wohnsitzvoraussetzung entstehen könne. Weiter wird auf die Auslegung von § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV eingegangen und die Ansicht vertreten, auch im Hinblick auf Art. 8 Abs. 4 und Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG bestehe bei einem Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis, der sich aus unbestreitbaren Informationen des Ausstellermitgliedstaates ergebe, eine Feststellungskompetenz des Aufnahmemitgliedstaates auch ohne die zusätzliche Voraussetzung, dass dem Inhaber des ausländischen Führerscheins vorher im Aufnahmemitgliedstaat die Fahrerlaubnis entzogen wurde. Diese Befugnis stelle eine richtlinienimmanente Ausnahme von der Anerkennungspflicht ausländischer EU-Führerscheine dar, die den zitierten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs unmittelbar entnommen werden könne.
Der Bevollmächtigte der Klägerin übermittelte mit Schriftsatz vom 04.09.2009 eine Meldebescheinigung der Gemeinde ... über die Anmeldung der Klägerin zum 03.09.2009 unter der in der Klageschrift angegebenen Adresse. Weiter wurde in Erwiderung auf die Stellungnahme der Fahrerlaubnisbehörde dargelegt, dass der Europäische Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zwischen Entzugsfällen und Fällen wie dem der Klägerin differenziere. Auch in der Entscheidung vom 26.06.2008 sei nochmals der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung betont worden. Ergänzend werde noch beantragt festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren erforderlich gewesen sei. Ferner wurde Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Das Landratsamt Bamberg verzichtete mit Schreiben vom 10.09.2009 ebenfalls auf mündliche Verhandlung.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
Entscheidungsgründe:
Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten hierauf gemäß § 101 Abs. 2 VwGO verzichtet haben.
Die vorliegende Klage ist mit dem Anfechtungsantrag gegen den Bescheid des Landratsamts Bamberg vom 03.06.2009 zulässig – insbesondere wurde mit der Meldebescheinigung der Gemeinde ... nun eine ladungsfähige Anschrift nachgewiesen – und hat auch in der Sache Erfolg, da der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er ist deswegen aufzuheben. Hingegen haben die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin in Ziffer 2 der Klageschrift gestellten Verpflichtungsanträge mangels Zulässigkeit bzw. Anspruchsgrundlage keinen Erfolg, so dass die Klage insoweit abzuweisen ist. Im Einzelnen sind hierfür folgende Erwägungen maßgebend:
Hinsichtlich der Beurteilung des angefochtenen Bescheides ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage bei dessen Erlass abzustellen (vgl. BVerwG vom 11.12.2008 Az. 3 C 26.07 in NJW 2009, 1689 und Az. 3 C 38.07 in BayVBl 2009, 374; ebenso BayVGH vom 22.2.2007 in NZV 2007, 539). Dies bedeutet aus der Sicht der Kammer, dass bei Erlass des angefochtenen Bescheides eine aktuell geltende und den Bescheid tragende Rechtsgrundlage vorhanden sein muss. Dies ist mit § 28 Abs. 4 FeV n.F. in der seit dem 19.01.2009 geltenden Fassung sowie Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126/EG der Fall (zur Frage der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen siehe unten). Nicht eingegangen – wohl weil es bei den entschiedenen Fällen darauf nicht ankam – ist das Bundesverwaltungsgericht auf die Frage, welche Rechtsgrundlage für die Aberkennungsbefugnis maßgebend ist, wenn die Rechtslage bei der Erteilung der EU-Fahrerlaubnis und bei Erlass des Aberkennungsbescheides auseinanderfallen. In der vorliegenden Sache kann es darauf ankommen, da der Klägerin die tschechische EU-Fahrerlaubnis am 31.05.2006 erteilt worden war, § 28 Abs. 4 FeV n.F. und Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126/EG (gemäß Art. 18 der Richtlinie) jedoch beide erst zum 19.01.2009 in Kraft getreten sind. Aus der Sicht der Kammer gehört zur Sach- und Rechtslage bei Erlass des angefochtenen Bescheides auch eine bis dahin bzw. bis zum Inkrafttreten der angesprochenen Neuregelungen am 19.01.2009 von der Klägerin erworbene schützenswerte Rechtsposition. Ein Eingriff in diese durch die Fahrerlaubnisbehörde muss durch das maßgebende deutsche Recht und EU-Recht für den gesamten Zeitraum ab der Erteilung abgedeckt sein, da es sich bei der Erteilung einer Fahrerlaubnis um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt, dessen Aufhebung bzw. Nichtanerkennung für das Bundesgebiet voraussetzen würde, dass entweder eine Beseitigung durch Verwaltungsakt mit rückwirkender Wirkung erfolgt oder aber bei Nichtanerkennung dieser Rechtsposition aufgrund einer neuen Rechtsvorschrift die ermächtigende Norm mit rückwirkender Kraft erlassen wurde. Nachdem weder § 28 Abs. 4 FeV n.F. noch Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126/EG mit rückwirkender Kraft erlassen wurden (vgl. ausführlich BayVGH vom 22.2.2007 in NZV 2007, 539), kann aufgrund dieser Vorschriften in die von der Klägerin aufgrund der Erteilung der EU-Fahrerlaubnis am 31.05.2006 erworbene Rechtsposition nicht eingegriffen werden. Dies bedeutet, dass der Klägerin das Recht, von der tschechischen EU-Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen, nur dann aberkannt werden darf, wenn dies auch nach dem bei deren Erteilung geltenden Recht zulässig war. Für die gerichtliche Entscheidung ist hier daher maßgeblich darauf abzustellen, ob die Nichtanerkennung der tschechischen EU-Fahrerlaubnis der Klägerin sowohl aufgrund von § 28 Abs. 4 FeV a.F. und Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates über den Führerschein vom 29. Juli 1991 als auch nach § 28 Abs. 4 FeV n.F. und Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126/EG rechtmäßig erfolgen konnte.
Aus der vom Beklagten übermittelten Fahrerlaubnisakte geht hervor, dass die Klägerin bisher nie im Besitz einer deutschen Fahrerlaubnis war und gegen sie in der Bundesrepublik Deutschland bisher auch keine Maßnahme der straf- oder verwaltungsrechtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis ergriffen worden war. Auch eine bestandskräftige Versagung der Fahrerlaubnis oder ein Verzicht zur Abwendung einer der genannten Maßnahmen ist nicht ersichtlich. Vielmehr hat sie – soweit bekannt – erstmals am 31.05.2006 die tschechische Fahrerlaubnis der Klasse B in Pilzen erworben.
Soweit die Fahrerlaubnisbehörde die Meinung vertritt, aufgrund der Eintragung des deutschen Wohnortes ... in der Rubrik 8 des tschechischen Führerscheins besitze die tschechische EU-Fahrerlaubnis gemäß § 28 Abs. 4 Nr. 2 FeV wegen Verstoßes gegen das Wohnsitzprinzip auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland keine Geltung und sie sei daher berechtigt, der Klägerin zu untersagen, von dieser im Bundesgebiet Gebrauch zu machen, kann dem nach den klaren Regelungen des hier maßgeblichen Art. 8 der Richtlinie 91/439/EWG nicht gefolgt werden. Diese Richtlinie bindet die Bundesrepublik Deutschland sowie die deutschen Gerichte und Behörden und ist bei der Auslegung des deutschen innerstaatlichen Rechts oder aber – soweit sie nicht umgesetzt wurde – wegen des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts direkt heranzuziehen (vgl. BayVGH vom 22.6.2009 Az. 11 CE 09.1089 unter Hinweis auf BVerfG vom 18.11.2008 Az. 1 BvL 4/08). Zu beachten ist insoweit auch, dass es sich bei § 28 Abs. 4 FeV nur um untergesetzliches Recht handelt. Nachdem Art. 8 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 91/439/EWG die Berechtigung eines Mitgliedstaates zur Nichtanerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten EU-Führerscheins ausdrücklich nur für den Fall vorsieht, dass vorher in seinem Hoheitsgebiet auf den Inhaber eine Maßnahme nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG angewandt worden war (Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis), bedeutet dies nach Auffassung der Kammer, dass ein Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 91/439/EWG allein nicht ausreicht, eine Aberkennung bzw. Nichtanerkennung eines ausländischen EU-Führerscheins zu rechtfertigen. Vielmehr ist zu einer Aufhebung, Rücknahme oder Einschränkung der EU-Fahrerlaubnis in diesem Falle nur der Ausstellermitgliedstaat berechtigt (vgl. EuGH vom 28.9.2006 Az. C-340/05 in NJW 2007, 1863, vom 6.4.2006 Az. C-227/05 in NJW 2006, 2173 und vom 29.4.2004 Az. C-476/01). Soweit der Beklagte meint, aus den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 26.06.2008 Az. C-329/06 und 343/06 sowie C-334/06 bis 336/06 entnehmen zu können, dass bei einem Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip, der auf der Grundlage von Angaben im EU-Führerschein selbst oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststeht, die Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG nicht zusätzlich erfüllt sein müssen, kann dem nicht gefolgt werden. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat über diese Frage bisher nicht ausdrücklich entschieden, jedoch bereits angedeutet, dass er diese Rechtsauffassung als bedenklich ansieht (vgl. BayVGH vom 26.2.2009 Az. 11 C 09.296 und vom 22.6.2009 Az. 11 CE 09.1089). Aus der Sicht des Gerichts ergibt sich das Erfordernis des kumulativen Vorliegens eines Verstoßes gegen das Wohnsitzprinzip und der Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG für eine Aberkennungs- bzw. Nichtanerkennungsbefugnis schon klar aus Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG in Verbindung mit dem Umstand, dass eine andere Rechtsgrundlage für eine Nichtanerkennungsberechtigung in der Richtlinie 91/439/EWG nicht enthalten ist. In sämtlichen angeführten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zur streitgegenständlichen Problematik, auch denen vom 26.06.2008, hat dieser auf die grundsätzliche Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine nach § 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG abgestellt, die nur ausnahmsweise durchbrochen werden darf. Er ist jeweils als selbstverständlich davon ausgegangen, dass eine Nichtanerkennung nur auf Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG basieren kann und vorher eine Maßnahme im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie ergriffen worden sein muss. Soweit die Fahrerlaubnisbehörde ihre gegenteilige Meinung in der Stellungnahme vom 01.09.2009 darauf stützt, dass der Europäische Gerichtshof in den Randnummern 68 bzw. 65 der Entscheidungen vom 26.06.2008 die Bedeutung der Wohnsitzvoraussetzung für die Gewährleistung der Sicherheit des Straßenverkehrs herausgestellt habe und sich aus dem Kontext ergebe, dass der Europäische Gerichtshof eine Sicherheitsgefährdung auch und allein in der Nichtbeachtung der Wohnsitzvoraussetzung sehe, lässt sie außer Acht, dass der Europäische Gerichtshof immer strikt zwischen den Erteilungs- bzw. Ausstellungsvoraussetzungen und den Anforderungen für das Vorliegen einer Aberkennungs- bzw. Nichtanerkennungsbefugnis unterscheidet. Für letztere ist auch nach den Begründungen der Entscheidungen vom 26.06.2008 ganz eindeutig neben dem Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip zusätzlich erforderlich, dass auf den betreffenden Fahrerlaubnisinhaber eine Maßnahme im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG angewendet worden war. In den Randnummern 65/66 (C-329/06 und 343/06) bzw. 62/63 (C-33406 bis 336/06) führt der Europäische Gerichtshof hierzu deutlich aus:„Dagegen ergibt sich aus dem Vorstehenden, dass es die Art. 1 Abs. 2 und 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439 einem Mitgliedstaat nicht verwehren, einer Person, auf die in seinem Hoheitsgebiet eine Maßnahme des Entzugs der Fahrerlaubnis in Verbindung mit einer Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis angewendet worden ist, die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat während dieser Sperrzeit ausgestellten neuen Führerscheins zu versagen.In den Randnummern 71/72 bzw. 68/69 der Entscheidungen vom 26.06.2008 verdeutlicht der Europäische Gerichtshof das Erfordernis des kumulativen Vorliegens der Nichtanerkennungsvoraussetzungen nochmals mit folgenden Ausführungen:
Zwar gestattet Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439 es dem Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes nicht, die Anerkennung des von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins allein mit der Begründung abzulehnen, dass dem Inhaber dieses Führerscheins zuvor eine frühere Fahrerlaubnis im Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes entzogen wurde;....“„Die Sicherheit des Straßenverkehrs könnte daher gefährdet werden, wenn die Wohnsitzvoraussetzung in Bezug auf eine Person, auf die eine Maßnahme der Einschränkung, der Aussetzung, des Entzugs oder der Aufhebung der Fahrerlaubnis nach Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439 angewendet worden ist, nicht beachtet würde.Dies bedeutet, dass § 28 Abs. 4 FeV a.F. europarechtskonform so ausgelegt und gehandhabt werden muss, dass die Nichtanerkennung einer Fahrberechtigung auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufgrund eines ausländischen EU-Führerscheins nicht allein auf einen Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip gemäß § 28 Abs. 4 Nr. 2 FeV gestützt werden kann, sondern nur erfolgen darf, wenn zusätzlich die Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV erfüllt sind (so auch HessVGH vom 18.6.2009 Az. 2 B 255/09).
Folglich kann, wenn sich zwar nicht anhand von vom Aufnahmemitgliedstaat stammenden Informationen, aber auf der Grundlage von Angaben im Führerschein selbst oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststellen lässt, dass die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 91/439 aufgestellte Wohnsitzvoraussetzung zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Führerscheins nicht erfüllt war, der Aufnahmemitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet auf den Inhaber dieses Führerscheins eine Maßnahme des Entzugs einer früheren Fahrerlaubnis angewendet worden ist, es ablehnen, die Fahrberechtigung anzuerkennen, ...“.
Gleiches gilt auch für die Auslegung von § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV n.F. und Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126/EG, da auch § 11 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG voraussetzt, dass der Führerschein der betreffenden Person im Hoheitsgebiet des nicht anerkennenden Mitgliedstaats eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen worden war. Eine andere Rechtsgrundlage für eine Nichtanerkennung in Abweichung vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG kann jedenfalls in der hier zu entscheidenden Sache auch nicht in Art. 7 Abs. 5, letzter Halbsatz, der Richtlinie 2006/126/EG gesehen werden, da diese Vorschrift erst seit dem 19.01.2007 gültig und auf vorher ausgestellte EU-Führerscheine nicht anwendbar ist (vgl. ausführlich BayVGH vom 22.2.2007 in NZV 2007, 539). Der tschechische Führerschein der Klägerin wurde bereits am 31.05.2006 ausgestellt. Somit kann hier auch § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV n.F. nicht alleinige Rechtsgrundlage für eine Nichtanerkennung sein, sondern nur in Verbindung mit dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV n.F. Insgesamt ergibt sich hier, dass der angefochtene Bescheid vom 03.06.2009 als rechtswidrig aufzuheben ist, da auf die Klägerin weder vor noch nach der Ausstellung ihres tschechischen EU-Führerscheins eine Maßnahme im Sinne von Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG oder des Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG angewandt worden war und somit die Fahrerlaubnisbehörde nicht berechtigt ist, die Fahrberechtigung der Klägerin im Bundesgebiet aufgrund ihres tschechischen EU-Führerscheins nicht anzuerkennen. Vielmehr besitzt die Klägerin gemäß dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG bzw. Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG aufgrund ihres tschechischen Führerscheins auch das Recht, Kraftfahrzeuge der Klasse B auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.
Hinsichtlich von Haupt- und Hilfsantrag in Ziffer 2 der Klageschrift fehlt es nach Auffassung der Kammer bereits an der Zulässigkeit der Klage. Der Erlass des Bescheides vom 03.06.2009 hängt zwar damit zusammen, dass die Klägerin wegen der Möglichkeit eines Umtausches oder einer Umschreibung ihres tschechischen Führerscheins bei der Fahrerlaubnisbehörde vorgesprochen hatte, einen dahingehenden Antrag hat sie jedoch nie ausdrücklich gestellt. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat zwar in seinem Schriftsatz vom 07.04.2009 zur Erledigung der Sache vorgeschlagen, auf Antrag der Klägerin, der ausdrücklich gestellt werde, die Nutzungsberechtigung ihres tschechischen Führerscheins auch für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu „erteilen“. Ob dies, auch im Hinblick auf spätere andere Einigungsvorschläge, schon als Einleitung eines Verwaltungsverfahrens angesehen werden kann und zur Erhebung einer Untätigkeitsklage mit dem in der Klageschrift gestellten, etwas anders lautenden, Antrag berechtigt (im Bescheid vom 03.06.2009 wurde über den Antrag nicht entschieden und auch in den Gründen darauf nicht explizit eingegangen), erscheint fraglich, braucht aber nicht entschieden zu werden, da der diesbezügliche Verpflichtungsantrag jedenfalls mangels Rechtsschutzbedürfnisses (wie dargelegt, gilt der tschechische EU-Führerschein auch ohne ausdrückliche Anerkennung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland) und mangels einer Rechtsgrundlage für eine solche Anerkennung bzw. Zuerkennung abzulehnen ist. Entgegen der Meinung des Bevollmächtigten der Klägerin kann § 28 Abs. 5 FeV insoweit nicht analog herangezogen werden, da diese Regelung ausdrücklich nur für die Fälle gilt, in denen die EU-Fahrerlaubnis aufgrund einer Entziehung oder Sperre gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 4 FeV nicht gilt. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Klägerin seit dem 15.06.2009 bis zum 03.09.2009 im Zuständigkeitsgebiet der Fahrerlaubnisbehörde nicht gemeldet war und deshalb auch ein sachlicher Grund im Sinne von § 75 VwGO vorlag, über den Antrag nicht zu entscheiden (die Klage wurde zudem vor Ablauf der Frist des § 75 Satz 2 VwGO erhoben). Der Hilfsantrag auf Ausstellung eines deutschen Führerscheins der Klasse B, der als Antrag auf Umschreibung bzw. Umtausch auszulegen ist, wurde im Verwaltungsverfahren nie gestellt, sondern als weitere Einigungsmöglichkeit wurde dort vom Bevollmächtigten der Klägerin nur die Neuerteilung einer deutschen Fahrerlaubnis der Klasse B vorgeschlagen (aber auch nicht ausdrücklich beantragt). Diesbezüglich besteht daher ebenfalls kein Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Entscheidung. Sofern das Urteil der Kammer rechtskräftig wird, wäre es Sache der Klägerin, den Umtausch bzw. die Umschreibung ihres tschechischen Führerscheins bei der Fahrerlaubnisbehörde noch förmlich zu beantragen (gemäß Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG bzw. Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG).
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wobei das Unterliegen der Klägerin mit den gestellten Verpflichtungsanträgen mit 1/5 bewertet wird. Auch wenn diese Anträge aus der Sicht des Gerichts nicht streitwerterhöhend sind, sind sie doch ohne Erfolg geblieben und haben einen zusätzlichen Bearbeitungsaufwand verursacht, was bei der Verteilung der Verfahrenskosten zu berücksichtigen ist. Dem Antrag, festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren erforderlich war, der als Antrag nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, zu verstehen ist, kann nicht entsprochen werden, da ein Vorverfahren im Sinne von § 68 VwGO überhaupt nicht durchgeführt wurde (und gemäß Art. 15 Abs. 2 AGVwGO auch vor Klageerhebung nicht nötig und nicht statthaft war, vgl. u.a. BayVGH vom 19.3.2009 Az. 11 CE 08.3100). Sofern der Bevollmächtigte der Klägerin seine bei der Fahrerlaubnisbehörde eingereichten Schriftsätze als Tätigkeit im Vorverfahren ansehen sollte, trifft dies nicht zu, da es sich dabei um das Ausgangsverwaltungsverfahren vor Erlass des angefochtenen Bescheides handelte.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung und die Abwendungsbefugnis des Beklagten beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung wird nach § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung für die Auslegung von § 28 Abs. 4 FeV hat. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 26.02.2009 Az. 11 C 09.296 zwar angedeutet, dass er die in diesem Urteil vertretene Rechtsauffassung hinsichtlich der Erforderlichkeit des kumulativen Vorliegens der Voraussetzungen in § 28 Abs. 4 Nr. 2 und Nr. 3 FeV bei Sachverhalten wie dem vorliegenden teilt, er hat dies jedoch letztlich offen gelassen. Auch die Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18.06.2009 (a.a.O.) erging nur in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und nicht in einem Hauptsacheverfahren. Die vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof zur Stützung seiner Auffassung angeführte Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 07.08.2008 Az. 11 ZB 07.1259 (abgedruckt u.a. in DAR 2008, 662 und VRS 115, Nr. 135) geht auf die streitentscheidende Rechtsfrage auch nicht ausdrücklich ein. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hingegen vertritt in seinem Beschluss vom 23.01.2009 Az. 10 B 11145/08 die gegenteilige Rechtsmeinung.