Der Geschädigte kann im Hinblick auf die gebotene subjektbezogene Schadensbetrachtung dann einen höheren Betrag als den Normaltarif ersetzt verlangen, wenn er darlegt, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war. Dann kann auch ein Mietpreis angemessen sein, der 26% über dem sich aus der Schwacke-Liste ergebenden Normaltarif liegt.
Tatbestand:
Im Hinblick auf die §§ 313a I, 495a ZPO wurde von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung restlicher Mietwagenkosten in Höhe von 274,50 Euro gegen die Beklagte, der sich aus den §§ 7 I, 17, 18 StVG, 823 BGB, 249 ff. BGB i.V.m. § 3 PflVG rechtfertigt.
Nach der Rechtsprechung des BGH kann der Geschädigte nach § 249 II 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, den ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. etwa BGH Z 160, 377, 383 ff.; Urteile des 6. Zivilsenates vom 09.05.2006 – VI ZR 117/05, vom 30.01.2007 – VI ZR 99/06, vom 20.03.2007 – VI ZR 254/05, vom 12.06.2007 – VI ZR 161/05, vom 11.03.2006, VI ZR 164/07). Der Geschädigte hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarif für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann.
Nach der Rechtsprechung des BGH kann ferner die Frage, ob ein Unfallersatztarif aufgrund unfallspezifischer Kostenfaktoren erforderlich im Sinne des § 249 II 1 BGB ist, offenbleiben, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer „Normal-Tarif“ in der konkreten Situation ohne weiteres zugänglich war, sodass ihm eine kostengünstigere Anmietung unter dem Blickwinkel der ihm gem. § 254 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht zugemutet werden konnte (vgl. BGH-Urteil vom 14.02.2006 – VI ZR 32/05, BGH-Urteil vom 04.07.2006 – VI ZR 237/05, BGH-Urteil vom 23.01.2007 – VI ZR 18/06, BGH-Urteil vom 06.03.2007 – VI ZR 36/06, BGH-Urteil vom 12.06.2007 – VI ZR 161/05, Urteil vom 26.06.2007 – VI ZR 163/05, Urteil vom 24.06.2006 – VI ZR 234/07).
Die Rechtsprechung des BGH zur Zugänglichkeit eines Normal-Tarifs kann auch auf Fallgestaltungen übertragen werden, bei denen dem Geschädigten kein Unfallersatztarif, sondern ein einheitlicher Tarif angeboten wurde. In beiden Fällen ist es aber Sache des Geschädigten darzulegen und zu beweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war.
Der Kläger hat im Ergebnis seine Schadensminderungspflicht nicht verletzt.
Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH vom 14.10.2008 zum Az.: VI ZR 308/07 legt das angerufene Gericht seiner Schätzung nach § 287 ZPO auch weiterhin den Schwacke-Mietpreisspiegel 2003 unter Berücksichtigung eines 10 %igen Inflationsaufschlages und eines weiteren Aufschlages in Höhe von 3 % (wegen Mehrwertsteuererhöhung) zugrunde. Insofern hat der BGH ausdrücklich klargestellt, dass die Art der Schadensgrundlage in § 287 ZPO nicht vorgegeben ist. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und ferner dürfen wesentliche die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben.
Auf der Grundlage der herangezogenen Schwacke-Liste 2003 ergibt sich für vorliegenden Fall folgende Berechnung:3 Tagespreis = 210,00 Euro × 2 (für insgesamt 6 Tage) = 420,00 EuroDamit liegt der vertraglich vereinbarte Preis (mit 825,86 Euro) 26 % über dem Normaltarif auf dem örtlichen Markt. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Anmiettarif betriebswirtschaftlich notwendig war und im Hinblick auf Mehraufwendungen bei der Vermietung von Unfallersatzfahrzeugen einen gegebenfalls pauschalierten Aufschlag auf den gewichtigen Normaltarif rechtfertigt. Denn der Geschädigte kann im Hinblick auf die gebotene subjektbezogene Schadensbetrachtung dann einen höheren Betrag als den Normaltarif ersetzt verlangen, wenn er darlegt, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war (vgl. nur BGH, Urteil vom 13.06.2006, Az.: VI ZR 161/05).
+ 13 % (Inflations- und Mehrwertsteueraufschlag) ergibt 474,60 Euro
abzüglich Eigenersparnis in Höhe von 10 % ergibt 427,14 Euro
zuzüglich 30,00 Euro (5,00 Euro je Tag in ständiger Rechtsprechung in 2 C) für Winterreifen
zuzüglich Kosten für Haftungsbefreiung in Höhe von 114,86 Euro
zuzüglich Zustell-/Abholkosten in Höhe von insgesamt 42,24 Euro
ergibt gesamt: 614,24 Euro.
Nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen kommt es insbesondere für die Frage der Erkennbarkeit der Tarifunterschiede für den Geschädigten darauf an, ob ein vernünftiger oder wirtschaftlich denkender Geschädigter unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebotes zu einer Nachfrage nach einem günstigeren Tarif gehalten gewesen wäre. Zu einer solchen Nachfrage ist der Geschädigte nur gehalten, wenn er Bedenken gegen die Angemessenheit des ihm angebotenen Unfallersatztarifs haben muss. Dies ist nur dann der Fall, wenn der angebotene Tarif „erheblich“ bzw. „auffällig hoch“ über den in der Schwacke-Liste aufgezeigten Tarifen liegt.
Unter Hinweis auf den Beschluss des OLG Dresden vom 29.06.2009 zum Az.: 7 O 499/09 hat sich hinsichtlich der Frage der Erkennbarkeit die Überzeugung gebildet, dass ein Geschädigter Zweifel an der Angemessenheit des Tarifes dann haben muss, wenn dieser zwischen 50 %–100 % höher liegt als der örtlich übliche Normaltarif.
Nach alledem war hier der Kläger bei einer Preisspanne von lediglich 26 % noch nicht zur Nachfrage nach einem günstigeren Tarif gehalten.
Die Entscheidung hinsichtlich der Zinsen sowie hinsichtlich der Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten rechtfertigt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges unter Hinweis auf die §§ 280, 286, 288 BGB.
Der Entscheidung über die Kosten liegt § 91 I ZPO zugrunde, der über die vorläufige Vollstreckbarkeit die §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.