Steht ein unzulässiger Fahrstreifenwechsel fest, kann der für ein Verschulden des Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis widerlegt und zugleich der Beweis des ersten Anscheins dafür begründet sein, dass der Unfall auf schuldhafter Vernachlässigung der sich aus StVO § 7 Abs 5 ergebenden Sorgfaltspflicht beruht.
Tatbestand:
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Der Senat nimmt Bezug auf die zutreffenden Gründe in der angefochtenen Entscheidung (§ 543 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.
Im Falle eines Auffahrunfalles spricht der Anscheinsbeweis dafür, dass der Auffahrende entweder durch einen ungenügenden Sicherheitsabstand, durch unangepasste Geschwindigkeit und/oder durch Unaufmerksamkeit den Unfall verursacht und verschuldet hat. Dieser Anscheinsbeweis ist nur dadurch zu entkräften, dass der Auffahrende einen Sachverhalt darlegt, aus dem sich die ernsthafte, nicht nur theoretische Möglichkeit eines untypischen Ablaufs ergibt. So ist der Anscheinsbeweis dann entkräftet, wenn sich die Kollision beider Fahrzeuge in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Fahrstreifenwechsel ereignet hat. Für die Entkräftung dieses Anscheinsbeweises ist erforderlich, dass der Vorausfahrende erst wenige Augenblicke vor dem Auffahrunfall in den Fahrstreifen des Auffahrenden gewechselt ist. Die Feststellung eines unzulässigen Fahrstreifenwechsels kann dann den Anschein begründen, dass der Unfall auf schuldhafter Vernachlässigung der sich aus § 7 Abs. 5 StVO ergebenden erhöhten Sorgfaltspflichten beruht (OLG Hamm OLGR 1997, 223, 224; KG VM 1997, 76 jeweils m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nach dem eigenen Vortrag des Klägers gegeben. Bereits in der Klageschrift (Bl. 3) schildert er den Unfallverlauf so, dass er zunächst zwei Fahrzeuge überholte, dann vor dem Beklagten zu 2) wieder auf die rechte Fahrbahn einscherte und unmittelbar danach das auf der Fahrbahn stehende Fahrzeug erkannte. Der Kläger räumt weiter ein, dann eine Gefahrbremsung eingeleitet zu haben. Wenn in dieser Situation der Beklagte zu 2) auf das Fahrzeug des Klägers auffuhr, kann nicht festgestellt werden, dass dies auf den Gründen beruhte, die die Annahme eines Anscheinsbeweises rechtfertigen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Unfall auf dem Verhalten des Klägers beruhte. Ob der Kläger den Überholvorgang vor Beginn der durchgezogenen Linie (Zeichen 295 zu § 41 StVO) begann, kann dahinstehen. Der Kläger räumt jedenfalls in der Berufungsbegründung selbst ein (Bl. 63), den Überholvorgang fortgesetzt zu haben, nachdem die durchgezogene Linie begann (vgl dazu die Photos Bl. 11 - 15 BA). Schon dies war verkehrswidrig i.S.v. § 7 Abs. 5 StVO. Erreicht ein Kraftfahrer die Linie beim Überholen, dann muss er den Überholvorgang abbrechen (Jagusch/Hentschel StVR, 35. Aufl., § 41 StVO, Rn. 248), weil die Linie dem Schutz des Gegenverkehrs und des Mitverkehrs dient (KG NZV 1998, 376, 377; vgl. BGH NJW-RR 1987, 1048, 1049).
Ist ein Verschulden des Auffahrenden nicht nachweisbar und trifft den Fahrer des vorausfahrenden Fahrzeugs an dem Unfall ein Verschulden, weil er beim Überholen gegen die ihm obliegenden gesteigerten Sorgfaltspflichten aus § 7 Abs. 5 StVO verstoßen hat, so hat der Auffahrende lediglich unter dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr den Schaden in Höhe von 20 % zu ersetzen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.11.1997 - 10 U 128/97 -). Dies hat das Landgericht zutreffend angenommen.
Die Berufung ist somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Beschwer hat der Senat gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festgesetzt.