Ein angemessener Unfallersatztarif kann anhand der Schwacke-Liste festgestellt werden, weil diese bezüglich des Geschädigten ortsnäher ist und zudem berücksichtigt, dass einem Unfallgeschädigten in der Regel keine Vorlaufzeit von einer Woche für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs zur Verfügung steht.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus abgetretenem Recht aus mehreren Verkehrsunfällen. In allen Unfällen war die Beklagte Haftpflichtversicherer der beteiligten Fahrzeuge, deren Fahrer unstreitig die Schäden alleine verschuldet haben.
Die Parteien streiten nur noch über den Ersatz von Mietwagenkosten der Klägerin, die in allen Fällen Ersatzfahrzeuge an die Geschädigten vermietet hat.
Erstinstanzlich hat das Amtsgericht Dortmund von der geltend gemachten Summe in Höhe von 1 241,10 € einen Betrag von 340,32 € zugesprochen und im übrigen die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.
Sie beantragt,unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, weitere 900,78 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.Die Beklagte beantragt,die Berufung zurückzuweisen.Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes kann auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen werden.
II.
Die zulässige Berufung ist nur teilweise begründet.
Über den bereits vorgerichtlich gezahlten Betrag hinaus steht der Klägerin gem. §§ 7, 17, 18 StVG, 3 PflVG bzw. § 115 VVG ein weiterer Anspruch auf Ersatz weiterer Mietwagenkosten in Höhe der beanspruchten 997,20 € aus abgetretenem Recht zu. Einen weitergehenden Ersatz der Mietwagenkosten kann sie gem. § 249 BGB nicht verlangen.
Die Einwendungen der Beklagten gegen die Aktivlegitimation der Klägerin greifen aus den bereits im erstinstanzlichen Urteil dargelegten Gründen, denen sich die Kammer anschließt, nicht.
Die Klägerin hat auch Anspruch auf Erstattung weiterer Mietwagenkosten aus abgetretenem Recht in den fünf geltend gemachten Schadensfällen gegen die Beklagte.
Der Geschädigte kann nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Die Kammer hat den erforderlichen Aufwand gemäß § 287 ZPO geschätzt. Zur Ermittlung dieser Kosten stellt der sogenannte gewichtete Normaltarif und auch das von der Kammer zugrunde gelegte arithmetische Mittel nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel für das jeweilige Postleitzahlengebiet des Geschädigten einen geeigneten Anknüpfungspunkt dar.
Die Kammer hat keine Zweifel, dass diese Schätzung von dem ihr zustehenden Ermessensspielraum gedeckt ist. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass nicht alle Gerichte den Schwacke-Automietpreisspiegel als Schätzgrundlage anwenden, sondern dass sich andere Gerichte auf die Schätzung der Mietpreisermittlung durch das Fraunhofer IAO stützen. Jedoch ist auch diese Tabelle nicht unumstritten.
Die Kammer sieht sich nicht zu einer allgemeinen Marktforschung in der Lage, gerade auch im Hinblick auf die Prozessflut von Fällen mit kleinsten Streitwerten. Zudem hat die Erfahrung gezeigt, dass selbst die Einholung von Sachverständigengutachten nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führen kann. So wie das Fraunhofer IAO auf die methodische Richtigkeit seiner Tabelle verweist, wird gerade dies beispielsweise von Prof. Neidhardt/Prof. Kremer in Frage gestellt. Dem einen wird eine Nähe zur Versicherungswirtschaft unterstellt, die anderen streiten seit Jahren für die Schwacke-Liste. Auch in der Literatur sind die „Listen“ heftig umstritten.
So bestehen hinsichtlich der Tabelle des Fraunhofer IAO Bedenken, ob nicht ein zu kleines Marktsegment abgefragt worden ist. Die Internetrecherche mit 75 000 Erhebungen ist bei den 6 größten Anbietern erfolgt. Die telefonische Erhebung mit 10 000 Befragungen erfolgte immerhin auch zu 54 % bei den größten Anbietern. Während Richter (VersR 2009, 1438) in seiner Stellungnahme dem keine besondere Bewandtnis beimisst, weil die großen Anbieter ohnehin 60 % des Marktanteils stellen sollen, wird gerade diese Art der Erhebung kritisiert, vgl. Prof. Neidhardt/Prof. Kremer, Schätzgrundlage des Mietwagen-Normaltarifs vom 6.11.2008 und beispielsweise Heinrichs, zfs 2009, 187.
Die Kammer teilt diese Bedenken. Dabei geht es nicht nur um das Problem, ob vielleicht in ländlichen Regionen der Internetbuchung Grenzen gesetzt sind. Auch im Ballungsbereich Dortmund ist eine Preisabfrage und Buchung über das Internet in den von der Kammer verhandelten Fällen nicht üblich. Abgesehen davon, dass nicht allen Geschädigten ein Internetzugang offensteht, wird dieser, selbst wenn vorhanden, oft nicht so selbstverständlich genutzt, wie die Tabellen dies glauben machen. In der Unfallsituation suchen die Geschädigten meistens die Autowerkstätten ihres Vertrauens auf und fragen dort nach der Möglichkeit einer Anmietung oder deren Vermittlung. Die Kammer ist deshalb vornehmlich mit verschiedenen mittelständigen Autovermietungsunternehmen oder Autowerkstätten, die eine Vermietung vornehmen, befasst. Dass diese mit anderen Preisen und Verfügbarkeiten kalkulieren müssen als bundesweit tätige Großanbieter, liegt auf der Hand. Gleichwohl können diese Preise angemessen sein. Die Kammer hat den Eindruck, dass die Tabelle des Fraunhofer IAO dem nicht ausreichend Rechnung trägt.
Die Mietwagenkosten werden auch nur nach zweistelligen anstatt nach dreistelligen Postleitzahlengebieten beurteilt, was zu Ungenauigkeiten bei der Erfassung von regionalen Preisen führt. Die Kammer kann in ihrem Einzugsgebiet, einem Ballungsgebiet, gerade auch bei der Schwacke-Liste deutliche Unterschiede zwischen den dreistelligen Postleitzahlengebieten feststellen, die in der Tabelle des Fraunhofer IAO unberücksichtigt sind.
Zudem wird bei der Tabelle des Fraunhofer IAO eine Vorbuchzeit von einer Woche vorausgesetzt, was der Unfallsituation nicht gerecht wird. So räumt auch Richter (VersR a.a.O.) ein, dass bei zeitnaher Anmietung ein Aufschlag erforderlich ist.
Schließlich wird die Kammer immer wieder damit konfrontiert, dass schlicht die Preise der Fraunhofer Tabelle mit der Endkalkulation verglichen wird, die die Kammer nach der Schwacke-Liste zuzüglich der dort aufgeführten Nebenkosten vornimmt. Dabei sind von dem Fraunhofer IAO die Preise für Aufschläge und Zuschläge nicht erhoben worden und wären ebenfalls zu berücksichtigen. Lediglich die Vollkasko-Versicherung ist mit einem ganz erheblichen Selbstbehalt einkalkuliert.
Die Kammer sieht daher keinen Grund, in Abweichung ihrer bisherigen Rechtsprechung als Vergleichsgrundlage den Schwacke-Automietpreisspiegel nicht mehr anzuwenden. Insbesondere ist es nicht geboten, gar noch eine dritte Schätzbasis in Höhe etwa des Mittelwertes zwischen dem Schwacke-Automietpreisspiegel und der Tabelle des Fraunhofer IAO einzuführen.
Auch die Tatsache, dass in den Verfahren oft günstigere im Internet recherchierte Angebote vorgelegt werden, begründen keine Zweifel an der Rechtsprechung. Die Kammer legt bei ihrer Schätzung das arithmetische Mittel zugrunde. Dies beinhaltet zwangsläufig, dass es auch günstigere Preise geben kann. Der Schwacke-Automietpreisspiegel deckt eine erhebliche Bandbreite an unterschiedlichen Preisen ab, u.a. auch sehr günstige Preise. Der Mittelwert scheint der Kammer die Preisdifferenzen am besten abzudecken.
Hinsichtlich der günstigen Online-Angebote ist auch zu berücksichtigen, dass diese zumeist den Stand eines erst weit nach dem Verkehrsunfall recherchierten Angebots wiedergeben und nicht eingeschätzt werden kann, ob im Einzelfall an dem betreffenden Tag Restfahrzeuge besonders günstig angeboten werden, die am Unfalltag zu diesem Preis nicht zu erhalten gewesen wären. Es ist dabei auch zu beachten, dass der Kunde nicht den günstigsten Preis, sondern einen angemessenen Mietpreis wählen muss, wobei die Kammer das arithmetische Mittel der Schwacke-Liste für entsprechend angemessen hält.
Die Kammer hält auch weiterhin daran fest, dass zur Abgeltung der besonderen Unfallsituation ein Aufschlag von 20 % auf den so ermittelten Normaltarif gerechtfertigt ist, um die Besonderheiten der Kosten und Risiken des Unfallersatzgeschäfts im Vergleich zu einer normalen Autovermietung abdecken zu können. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass vergleichbar dem Sachverhalt in dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 11.03.2008 auch hier in 2 Fällen ein Ersatzfahrzeug nicht am Unfalltag, sondern erst einige Tage später angemietet worden ist. Eine Eil- oder Notsituation ist nicht zu sehen. Allerdings bietet der Unfallersatztarif für den Geschädigten Vorteile, die er in Anspruch nehmen darf. Die oft erheblichen Mietwagenkosten werden ihm kreditiert. Da die Kreditlinie auch bei Kreditkarteninhabern zumeist begrenzt ist und oft gleichzeitig Unfallschäden an dem Fahrzeug selbst zu reparieren und vorzufinanzieren sind, weil die Abwicklungen mit den Versicherungen mehrere Wochen in Anspruch nehmen, handelt es sich um einen erheblichen Vorteil. Außerdem ist die Haftungsbeschränkung bei einem Fahrzeug zum Unfallersatztarif eine günstigere. Üblicherweise hat ein Geschädigter keine Möglichkeit, seinen Schaden vorfinanzieren zu lassen. Wenn es aber diese Möglichkeit gibt und sich die Kosten in angemessenem Rahmen halten, darf er diese Möglichkeit in Anspruch nehmen. Bei der Höhe des Zuschlags hat die Kammer auch zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung nicht unterschieden, ob nur diese Leistungen erbracht oder weitere Leistungen aus einer Notsituation heraus genutzt werden.
Es besteht grundsätzlich auch ein Anspruch auf Erstattung von Kosten für die Zustellung und Abholung eines Mietwagens. Bei der Zustellung und Abholung des Mietfahrzeugs handelt es sich um nach der Nebenkostentabelle zum Schwacke – Automietpreisspiegel dem Grunde nach erstattungsfähige Zusatzleistungen. Ein Unfallbeteiligter darf grundsätzlich diesen besonderen Service in Anspruch nehmen.
Damit ergeben sich nachfolgende Berechnungen:[es folgen die Berechnungen für diverse Geschädigte]
Insgesamt steht der Klägerin neben den bereits erstinstanzlich zugesprochenen 340,32 € weitere 656,16 €, mithin insgesamt 996,48 € zu.
Der Urteilstenor, der zunächst einen Betrag von 997,20 € auswies, wurde wegen eines offensichtlichen Additionsfehlers berichtigt (§ 319 ZPO).
Die Zinsforderung ab dem 22.01.2009 folgt aus §§ 280, 288, 291 BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 97, 710 ZPO.
Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.