Der Fahrgast einer Straßenbahn hat grundsätzlich selbst jederzeit für sicheren Halt zu sorgen. Der Fahrgast in einem modernen Großraumwagen ist sich selbst überlassen und kann nicht damit rechnen kann, dass der Wagenführer sich um ihn kümmert. Der Fahrgast einer Straßenbahn muss damit rechnen, dass – außerhalb von Fahrfehlern – bei der Fahrt ruckartige Bewegungen des Verkehrsmittels auftreten können, die seine Standsicherheit beeinträchtigen. Er ist daher selbst dafür verantwortlich, dass er durch typische und zu erwartende Bewegungen der Straßenbahn nicht zu Fall kommt und muss sich Halt auch gegen unvorhersehbare Bewegungen verschaffen. Dabei muss er auch jederzeit mit einem scharfen Bremsen rechnen.
Gründe:
Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
I.
Die Klägerin, Geburtsjahr 1923, kam am 12. September 2007 in einer von dem Beklagten zu 1) geführten und der Beklagten zu 2) betriebenen Straßenbahn zu Fall. Sie begehrt deswegen Schadensersatz, Schmerzensgeld sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige materielle und immaterielle Schäden.
Die Klägerin nahm in der Straßenbahn zunächst einen Sitzplatz ein und stand, weil sie einer gegenüber sitzenden gehbehinderten Frau beim Entwerten ihres Fahrscheins behilflich sein wollte, während der Fahrt auf, ging zum Fahrscheinentwerter und kam, als sie am Entwerter stand, durch ein Bremsen des Beklagten zu 1) zu Fall, das dieser wegen eines vor der Straßenbahn befindlichen Pkw einleitete.
Die Klägerin hat geltend gemacht, sie habe sich mit beiden Händen festgehalten, als sie zum Entwerter gegangen sei. Durch eine plötzliche und erhebliche Bremsverzögerung sei sie am Fahrscheinentwerter stehend mit voller Wucht mit dem Rücken und dem Kopf auf den Boden aufgeschlagen. Sie habe sich hierbei verletzt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Das Landgericht hat die Klageabweisung hinsichtlich der am Berufungsverfahren allein noch beteiligten Beklagten zu 2) im Wesentlichen damit begründet, dass die Betriebsgefahr der Straßenbahn gegenüber dem hohen Eigenverschulden eines Fahrgastes zurücktrete, wenn dieser grob fahrlässig handle, indem er bei bereits angetretener Fahrt von seinem Sitz wieder aufstehe. Dies stehe hier nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest; denn nach ihrer eigenen Einlassung habe sich die Klägerin nämlich nur mit der rechten Hand festgehalten, während sie die linke Hand zum Entwerten des Fahrscheins benutzt habe. Sie habe die linke Hand zum Entwerten des Fahrscheins benutzt, weil sie am rechten Arm bereits vor dem Unfall operiert gewesen sei, an Osteoporose gelitten habe und den rechten Arm nicht mehr so hoch habe strecken können, wie es für das Einführen des Fahrscheins in den Entwerter erforderlich gewesen sei. Damit habe die Klägerin gegen das Gebot verstoßen, sich während der Fahrt festen Halt zu verschaffen, weil sie sich von ihrer Sitzposition wieder erhoben habe und sich am Entwerter nur mit einer Hand, darüber hinaus auch noch mit der offenbar weniger belastbaren, festgehalten habe. Zudem werte die Rechtsprechung den Umstand, dass ein Fahrgast in einer Straßenbahn zu Fall gekommen sei, als Anscheinsbeweis für eine unfallursächliche Unachtsamkeit. Diesen habe die Klägerin weder widerlegt noch entkräftet.
Ebenfalls verneint hat das Landgericht Schadensersatzansprüche gemäß § 280 Abs. 1 BGB. Es stehe nicht fest, dass sich der Beklagte zu 1) pflichtwidrig verhalten habe, so dass sich die Beklagte zu 2) über § 278 BGB keine Pflichtverletzung zurechnen lassen müsse. Eine sonstige etwaige vertragliche Pflichtverletzung durch Unterlassen der Speicherung von Unfalldaten sei jedenfalls nicht kausal für den eingetretenen Schaden.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, soweit die Klage gegen die Beklagte zu 2) abgewiesen worden ist.
Die Klägerin macht geltend, die Wertung des Landgerichts, dass das hohe Eigenverschulden der Klägerin die Haftung der Beklagten zu 2) zurücktreten lassen, halte einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Klägerin habe sich mit der rechten Hand festgehalten. Zum Zeitpunkt des Unfalls habe sie trotz der Osteoporoseerkrankung eine durchschnittliche Haltekraft besessen. Damit sei die Annahme des Landgerichts falsch, die Klägerin habe sich mit der schwächeren Hand festgehalten. Das Festhalten mit nur einer Hand sei auch entgegen der Annahme des Landgerichts unschädlich, weil es nach zutreffender herrschender Meinung genüge.
Ferner hätte das Landgericht eine eigenständige Pflichtverletzung der Beklagten zu 2) im Hinblick auf die Haftung aus § 280 Abs. 1 BGB prüfen müssen. Der Beklagte zu 1) habe ausgesagt, dass er der Meinung sei, dass keine Unfalldaten gespeichert seien, weil die Weisung, sie durch Drücken der sog. Unfalltaste zu sichern, von der zuständigen Leitstelle nicht erfolgt sei. Das Unterlassen der Speicherung der Unfalldaten stelle den Tatbestand der Urkundenunterdrückung dar. Aus dem Beförderungsvertrag ergebe sich, dass die Rekonstruktion von Unfällen mittels technischer Aufzeichnungen nicht im Belieben der Beklagten zu 2) stehe. Das Vernichten der Unfalldaten führe im Ergebnis dazu, dass die Beklagte zu 2) für denjenigen Schaden einzustehen habe, der der Klägerin daraus entstehe, dass die Rekonstruktion des Unfalls aufgrund der Datenvernichtung nicht mehr möglich sei.
II.
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO.
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung erfolgreich nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides ist hier indes nicht der Fall.
Das Landgericht hat die Klage gegen die Beklagte zu 2) zu Recht abgewiesen. Zutreffend hat das Landgericht angenommen dass ein Anspruch der Klägerin gemäß § 1 Abs. 2 HaftpflG ausgeschlossen sei, weil ihr Eigenverschulden die Betriebsgefahr der Straßenbahn jedenfalls zurücktreten lasse (dazu nachfolgend Nr. 1.), und dass ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB mangels Pflichtverletzung ausscheide (dazu nachfolgend Nr. 2.). Ferner ergibt sich auch bei Prüfung der Frage, ob möglicherweise eine sog. Beweisvereitelung vorliegt, kein anderes Ergebnis (dazu nachfolgend Nr. 3.)
1. Einer Haftung der Beklagten gemäß § 1 Abs. 2 HaftpflG steht ein überwiegendes Eigenverschulden der Klägerin gemäß § 4 HaftpflG i.V.m. § 254 BGB entgegen.
a) Die vom Landgericht zutreffend festgestellten Tatsachen rechtfertigen den vom Landgericht gezogenen Schluss, dass die Klägerin ihre Verpflichtung verletzt hat, stets für sicheren Halt zu sorgen.
(1) Zutreffend ist das Landgericht von dem Grundsatz ausgegangen, dass der Fahrgast in einem modernen Großraumwagen sich selbst überlassen ist und nicht damit rechnen kann, dass der Wagenführer sich um ihn kümmert (BGH, NJW 1993, 654, 655; VersR 1972, 152, 153).
Richtig hat das Landgericht zudem erkannt, dass nach § 4 Abs. 3 S. 5 Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Obusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen jeder Fahrgast verpflichtet ist, sich im Fahrzeug stets einen festen Halt zu verschaffen.
Das bedeutet für den Fahrgast einer Straßenbahn, dass er damit rechnen muss, dass – außerhalb von Fahrfehlern – bei der Fahrt ruckartige Bewegungen des Verkehrsmittels auftreten können, die seine Standsicherheit beeinträchtigen (Senat, Verkehrsrechtliche Mitteilungen 1996, 45 Nr. 61). Er ist daher selbst dafür verantwortlich, dass er durch typische und zu erwartende Bewegungen der Straßenbahn nicht zu Fall kommt (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 15. April 2002 – 1 U 75/01, Juris = NZV 2002, 367, dort für die Fahrt mit einem Bus) und muss sich Halt auch gegen unvorhersehbare Bewegungen verschaffen (OLG Düsseldorf, VersR 1972, 1171). Der Fahrgast muss jederzeit mit einem scharfen Bremsen rechnen (OLG Hamm, DAR 2000, 64, 65 Nr. 28).
(2) Der Senat tritt der Bewertung des Landgerichts bei, dass die Klägerin ihrer Verpflichtung, sich festen Halt zu verschaffen, gemessen an obigen Maßstäben, zuwider gehandelt hat.
aa) Zutreffend hat das Landgericht in diesem Zusammenhang zunächst hervorgehoben, dass die Klägerin ihren bereits eingenommenen Sitz während der Fahrt wieder aufgegeben hat und zum Fahrkartenentwerter gegangen ist. Dies geschah wie das Landgericht erkannt hat, ohne zwingende Notwendigkeit. Bereits dieses Verhalten begründet ein Mitverschulden der Klägerin (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 27. Mai 1998 – 13 U 29/98, Juris Rn. 13 ff = VersR 2000, 507).
Denn die Klägerin hat eine sichere Sitzposition aufgegeben und sich allein schon dadurch einer größeren Sturzgefahr ausgesetzt. Dieses Verhalten ist nicht zu rechtfertigen gewesen, weder durch ein für erforderlich gehaltenes Entwerten des eigenen Fahrscheins noch durch das Herannahen einer Haltestelle. Denn die Klägerin wollte nicht aussteigen und auch nicht ihren eigenen Fahrschein entwerten, sondern den eines anderen Fahrgastes. Die an sich lobenswerte Hilfsbereitschaft der Klägerin gegenüber einem offenbar in seiner Gehfähigkeit beeinträchtigten Fahrgast kann sich jedoch nicht zu Lasten der Beklagten zu 2) auswirken. Ferner ist – wie das Landgericht schon ausgeführt hat – die Entwertung des Fahrscheins nicht sofort erforderlich gewesen, sondern hätte bei dem nächsten Halt vorgenommen werden können. Es hätten zudem auch andere, jüngere Fahrgäste um diesen Gefallen gebeten werden können.
bb) Richtig hat das Landgericht weiter festgestellt, dass sich die Klägerin anschließend an dem Fahrkartenentwerter mit der schwächeren Hand festgehalten hat.
Die Berufung meint demgegenüber, das Landgericht habe irrig angenommen, dass sich die Klägerin mit der offenbar weniger belastbaren rechten Hand festgehalten habe. Wie das Landgericht zu dieser Annahme gekommen sei, bleibe offen. Soweit das Landgericht wohl auf die Osteoporose abstelle, verkenne es die Art der Erkrankung. Zum Zeitpunkt des Unfalls habe eine durchschnittliche Haltekraft im Bereich der Hände bestanden (S. 2/3 der Berufungsbegründung). Damit dringt die Berufung nicht durch.
Das Landgericht hat festgestellt (S. 7 unten des Urteils), dass die Klägerin am rechten Arm bereits vor dem Unfall operiert gewesen sei, an Osteoporose gelitten habe und den rechten Arm nicht mehr so hoch habe strecken können, wie es für das Einführen des Fahrscheins in den Entwerter erforderlich gewesen sei.
Diese Feststellungen werden von der Berufung nicht angegriffen. Sie rechtfertigen den Schluss des Landgerichts, dass die Klägerin zum Festhalten den Arm gewählt habe, der „weniger belastbar“ (S. 8 oben des Urteils) gewesen sei, bzw. dass sie sich mit der „schwächeren Hand“ festgehalten habe (S. 8 des Urteils). Denn jedenfalls ist die Bewegungsfreiheit des rechten Arms der Beklagten stark eingeschränkt gewesen, wenn sie ihn nicht einmal bis auf die Höhe des Einführschlitzes des Fahrkartenentwerters hat bewegen können.
Diese Schlussfolgerung wird nicht durch das mit der Berufung vorgelegte Attest vom 4. März 2009 in Frage gestellt. Denn darin wird zwar eine durchschnittliche Haltekraft zum Zeitpunkt des Unfalls bescheinigt, nicht aber eine freie Beweglichkeit des Arms. Für die Möglichkeit, sich den erforderlichen Halt während der Fahrt einer Straßenbahn zu verschaffen, kommt es jedoch entscheidend auch darauf an, ob der Arm frei beweglich ist und die zur Verfügung stehenden Halteeinrichtungen erreicht werden können.
cc) Der Senat stimmt auch der Beurteilung des Landgerichts zu, dass das Festhalten mit der rechten Hand vorliegend einen Verstoß gegen die Verpflichtung, stets für sicheren Halt zu sorgen, darstellt.
Die Klägerin konnte im Rahmen ihrer Anhörung nicht mehr angeben, wo genau sie sich festgehalten habe (Sitzungsprotokoll vom 19. November 2008). Es ist daher schon zweifelhaft, ob sie überhaupt einen grundsätzlich geeigneten Halt mit der rechten Hand gefunden hatte. Unabhängig davon hätte sie sich jedenfalls zusätzlich gegen ein Stürzen sichern müssen. Denn das Entwerten von Fahrscheinen ist ohnehin schon gefahrenträchtig, weil man sich dabei grundsätzlich nur mit einer Hand festhalten kann, da die andere Hand zum Entwerten des Fahrscheins benötigt wird (OLG Düsseldorf, VersR 2000, 71, 72). Wenn dann noch – wie hier – hinzu kommt, dass die Klägerin in der Bewegungsfreiheit des zum Halten ausgewählten Armes beeinträchtigt ist, muss sie dem ganzen Körper durch Abstützen, Anlehnen oder Entgegenstemmen zusätzlichen Halt verschaffen (vgl. OLG Düsseldorf, aaO). Denn die eingeschränkte Bewegungsfreiheit des Arms schränkt nicht nur von vornherein die Wahl der Haltemöglichkeiten ein, sondern beeinträchtigt darüber hinaus auch ein etwaig erforderliches Nachfassen bei einem unerwarteten kräftigen Ruck.
Die Berufung meint hingegen (S. 3 der Berufungsbegründung), dass das Festhalten mit einer Hand grundsätzlich unschädlich sei und nach zutreffender herrschender Meinung genüge. Zum Beleg stützt sich die Berufung auf eine Entscheidung des OLG München (Verfügung vom 3. Juni 2008 – 10 U 2966/08, Juris). Ein Verstoß gegen die Verpflichtung für sicheren Halt zu sorgen, liege daher nicht vor.
Diese Argumentation verhilft der Berufung nicht zum Erfolg. Ob das Festhalten mit einer Hand der Verpflichtung, stets für sicheren Halt zu sorgen, genügt, ist eine Frage des Einzelfalls und kann nur unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände beurteilt werden. Ausreichende Sicherheit wird nämlich durch bloßes Festhalten mit einer Hand nicht immer erreicht (OLG Düsseldorf, VersR 1983, 760). Dazu können auch beide Hände erforderlich sein (LG Köln, Urteil vom 2. April 2009 – 29 O 134/08, Juris Rn. 31). Es kann zum Beispiel im Einzelfall – wie hier – auch geboten sein, sich beim Entwerten zusätzlich Halt zu verschaffen (OLG Düsseldorf, VersR 2000, 71, 72) oder bei der Benutzung der Treppe mit beiden Händen festzuhalten (OLG Düsseldorf, VersR 1972, 1171).
Dem steht die Auffassung des OLG München (aaO) nicht entgegen. Denn auch das OLG München geht nur von der grundsätzlichen Unschädlichkeit des Festhaltens mit einer Hand aus und schließt damit im Einzelfall weiter gehende Anforderungen nicht aus.
Die vom OLG München (aaO) in Bezug genommene Entscheidung des BGH (VersR 1976, 932) steht dem hier gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Der BGH hat entschieden, dass die Klägerin des dortigen Verfahrens sich, soweit zumutbar, in der Straßenbahn Halt verschafft habe. Ihr könne nicht vorgeworfen werden, bei Annäherung an die Haltestelle, an der sie habe aussteigen wollen, ihren Sitzplatz verlassen und sich zur Tür begeben zu haben. Sie habe auch den Signalknopf an der Tür drücken dürfen, während sie sich, soweit möglich, festgehalten habe.
Der vorliegende Fall weicht von jenem entscheidend ab. Während das Verhalten des Fahrgastes im vom BGH entschiedenen Fall üblich und erforderlich ist, um einen zügigen und reibungslosen Beförderungsbetrieb zu gewährleisten, stellte es hier eine unnötige Selbstgefährdung dar. Die Klägerin ist nicht aufgestanden, um ihren eigenen Fahrschein zu entwerten oder um auszusteigen, sondern um – wie bereits ausgeführt – den Fahrschein eines anderen Fahrgastes zu entwerten. Es war der Klägerin hier zumutbar, entweder auf ihrem sicheren Platz sitzen zu bleiben oder sich jedenfalls zusätzlich abzusichern.
Auch die weitere vom OLG München (aaO) in Bezug genommene Entscheidung des BGH (NJW 1993, 654) führt nicht zu einer anderen Bewertung. Der BGH hat dort erörtert, dass sich ein mit zwei Taschen beladener Fahrgast zur eigenen Sicherheit mit einer Tasche zu dem angestrebten Sitzplatz begeben und sich dabei mit einer Hand festhalten, sodann die Tasche abstellen und die zweite Tasche nachholen könne (NJW 1993, 654, 655). Der Entscheidung kann entnommen werden, dass der Fahrgast jedenfalls im zumutbaren Umfang für seinen Halt sorgen muss. Dass das Festhalten mit einer Hand in jedem Fall, also nicht nur grundsätzlich genüge, kann der Entscheidung nicht entnommen werden.
b) Weil die Sorgfaltspflichtverletzung der Klägerin positiv festgestellt ist, kann dahinstehen, ob gegen die Klägerin bereits ein Anscheinsbeweis für eine unfallursächliche Unachtsamkeit streitet, weil sie in einer Straßenbahn zu Fall gekommen ist, was das Landgericht zusätzlich ergänzend auf S. 8/9 des Urteils angenommen hat. Daher ist auch die Frage unerheblich, ob die Klägerin einen Anscheinsbeweis widerlegt oder entkräftet hat.
c) Der Senat folgt dem Landgericht auch darin, dass der Verstoß gegen die eigene Sorgfaltspflicht hier zu einem völligen Zurücktreten der Betriebsgefahr führt.
Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile ist von Folgendem auszugehen:
Das erhebliche Eigenverschulden des Fahrgastes kann die Anrechnung der Betriebsgefahr vollständig verdrängen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 15. April 2002 – 1 U 75/01, Juris = NZV 2002, 367). Dies kann sogar dann gelten, wenn gegenüber dem Fahrgast nicht der Vorwurf grober Fahrlässigkeit gerechtfertigt ist (OLG Düsseldorf, VersR 2000, 70, 71). So liegt es hier.
Die Beklagte zu 2) muss sich nach den Feststellungen des Landgerichts kein Verschulden anlasten lassen. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Beklagte zu 1) verkehrsbedingt bremsen musste und ohne Schuldvorwurf auch annehmen durfte, deutlich bremsen zu müssen, um einen Auffahrunfall zu vermeiden. Die Beklagte zu 2) hat sich daher nur die einfache Betriebsgefahr der Straßenbahn anrechnen zu lassen, zumal nach Feststellung des Landgerichts (S. 6 des Urteils) auch nicht von einer übermäßig starken oder gar einer Vollbremsung ausgegangen werden kann.
Die Klägerin hingegen hat ohne rechtfertigenden Anlass ihren sicheren Sitzplatz während der Fahrt der Straßenbahn aufgegeben und sich beim Entwerten eines fremden Fahrscheins nur mit ihrem in seiner Bewegungsfreiheit stark eingeschränkten rechten Arm festgehalten. Sie hat sich nicht zusätzlich durch Anlehnen oder Ähnliches abgesichert.
Angesichts dieses erheblich unvorsichtigen Verhaltens tritt die Betriebsgefahr der Straßenbahn zurück und entfällt der Ersatzanspruch der Klägerin insgesamt. 2. Mit Recht hat das Landgericht auch keinen Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB angenommen.
a) Einem etwaigen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 2) steht jedenfalls das oben schon erörterte überwiegende Verschulden der Klägerin entgegen. Denn § 254 BGB ist grundsätzlich auch auf vertragliche Schadensersatzansprüche anzuwenden (vgl. BGH, NJW 1990, 1006, 1008; Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Auflage, § 254, Rn. 2).
b) Zutreffend ist das Landgericht aber auch davon ausgegangen, dass bereits eine zum Schadensersatz verpflichtende Vertragsverletzung von der Klägerin nicht dargetan worden ist. Diese wird auch mit der Berufung nicht aufgezeigt.
(1) Richtig – und von der Berufung unangegriffen – ist das Landgericht ferner davon ausgegangen, dass eine Verletzung vertraglicher Verpflichtungen durch den Beklagten zu 1), die der Beklagten zu 2) hätte zugerechnet werden können, nicht habe festgestellt werden können.
(2) Die Berufung meint jedoch, dass das Landgericht habe prüfen müssen, ob der Beklagten zu 2) eine eigenständige Pflichtverletzung vorzuwerfen sei.
Die Berufung sieht die Pflichtverletzung darin, dass die Beklagte zu 2) nach Bekunden des Beklagten zu 1) keine Unfalldaten gespeichert habe, weil die nach der allgemeinen Dienstanweisung zuständige Leitstelle dem Straßenbahnfahrer nicht die erforderliche Anweisung erteilt habe, die sog. Unfalltaste zur Speicherung der Daten zu drücken. Nach dem Beförderungsvertrag stehe die Rekonstruktion von Unfällen mittels technischer Aufzeichnungen nicht im Belieben der Beklagten zu 2). Da die Dienstanweisung zum Vernichten der Unfalldaten geführt habe, habe die Beklagte zu 2) für den Schaden der Klägerin einzustehen, der daraus entstehe, dass die Rekonstruktion des Unfalls aufgrund der Datenvernichtung nicht mehr möglich sei. Wie hoch dieser Schaden ausfalle, könne gegenwärtig noch nicht beziffert werden.
Diese Angriffe sind nicht erfolgreich.
Auch wenn die Klägerin erstinstanzlich zuletzt auf S. 5 ihres Schriftsatz vom 19. November 2008, vorgetragen hat, die Daten auf der Speicherkarte würden nicht automatisch überschrieben, geht der Senat zu ihren Gunsten davon aus, sie mache sich zumindest hilfsweise den Vortrag der Beklagten zu 2) zu eigen, die Daten würden ohne Knopfdruck nach 1 000 m überschrieben (S. 2 des Schriftsatzes der Beklagten vom 18. Juni 2008). Jedoch auch dann sind die streitgegenständlichen Ansprüche nicht begründet.
Der Senat meint nicht, dass die Beklagte aufgrund des zwischen ihr und der Klägerin geschlossenen Beförderungsvertrages zur Sicherung etwaiger Unfalldaten verpflichtet ist. Die Beklagte kommt mit dem Einbau von Unfalldatenspeichern keiner vertraglichen (Neben-) Pflicht gegenüber ihren Fahrgästen nach.
Eine – unterstelltermaßen – pflichtwidrig unterlassene Sicherung der Daten ist aber auch nicht adäquat-kausal für die hier geltend gemachten Schäden aufgrund einer Körperverletzung der Klägerin. Darauf hat auch schon das Landgericht hingewiesen. Die Klägerin hat nämlich keine Verletzungen infolge des Unterlassens der Unfalldatenspeicherung erlitten.
Das erkennt möglicherweise auch die Berufung, wenn sie auf Seite 4/5 der Berufungsbegründung meint, die Datenvernichtung führe zu einer vermeintlichen Einstandspflicht der Beklagten zu 2) für einen Schaden, der gegenwärtig noch nicht zu beziffern sei. Dies zeigt, dass die Klägerin insoweit offenbar einen anderen Schaden als den hier streitgegenständlichen im Auge hat, nämlich einen, der ihr vermeintlich dadurch entstanden sei, dass die Rekonstruktion des Unfalls nicht mehr möglich sei. Ein solcher Schaden, der über die bereits geltend gemachten Positionen hinausgeht, ist aber weder dargetan noch von den gestellten Anträgen umfasst.
Auch der Verweis der Berufung auf die Entscheidung des AG Brandenburg vom 22. April 2002 – 32 C 619/99 – ist unbehelflich. Das AG Brandenburg hat angenommen, dass wegen der Löschung von Daten dem Geschädigten ein Anspruch in Höhe des Geldbetrages zur Wiederherstellung der Daten zustehe (Juris Rn. 42). Um eine vergleichbare Sachverhaltskonstellation geht es hier ersichtlich nicht. Die Klägerin verfolgt hier eben nicht den durch die vermeintlich pflichtwidrige Datenvernichtung entstandenen Schaden, sondern einen durch das Bremsen der Straßenbahn verursachten.
Aus demselben Grund kann auch auf sich beruhen, ob die unterlassene Datensicherung eine Urkundenunterdrückung i.S.d. § 274 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB darstellt, was von der Berufung unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des AG Elmshorn (Urteil vom 19. Juli 1989 – 32 Ds 58/89) erwogen wird. Denn auch insoweit wird jedenfalls nicht der hierdurch verursachte Schaden mit der Klage verfolgt.
3. Die von der Klägerin gerügte „Datenvernichtung“ führte auch unter dem Gesichtspunkt einer etwaigen Beweisvereitelung seitens der Beklagten zu 2) nicht zu einem anderen Ergebnis.
Abgesehen davon, dass das Unterlassen des Datenspeicherns nur vorwerfbar wäre, wenn eine Pflicht zum Speichern bestanden hätte, führte ein etwaig beweisvereitelndes Verhalten der Beklagten zu 2) hier nicht zu einer anderen Tatsachenfeststellung.
Zwar wäre im Rahmen der Beweiswürdigung das Verhalten der Beklagten zu 2) zu berücksichtigen (Geigel, Der Haftpflichtprozess, 25. Auflage, Kap. 37. Rn. 40). Das Landgericht ist hier nach der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Vollbremsung nicht habe festgestellt werden können und auch nicht, dass übermäßig stark gebremst worden sei. Anhaltspunkte dafür gebe die Aussage der Zeugin T.… nicht her. Das Landgericht hat dabei berücksichtigt, dass eine Entlastungstendenz der Zeugin zu erkennen gewesen sei und dass ihrer Aussage daher nur ein eingeschränkter Beweiswert zukomme.
Die Klägerin selbst hat bei ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 19. November 2008 bekundet, dass die Straßenbahn plötzlich eine Notbremsung gemacht habe. Damit habe sie gemeint, dass es plötzlich einen unwahrscheinlichen Ruck gegeben habe. Der Beklagte zu 1) hat erklärt, er habe eine starke Betriebsbremsung, nicht aber eine Notbremsung eingeleitet.
Die Wahrnehmung der Klägerin steht den Angaben des Beklagten zu 1) nicht entgegen. Auch eine starke Betriebsbremsung kann den von der Klägerin wahrgenommenen Ruck erzeugen. Feststehende Anhaltspunkte, die auf eine mehr als nur starke Betriebsbremsung schließen lassen, fehlen daher. Es ist daher auch nicht anzunehmen, dass die Klägerin eine ohne nähere Substanziierung behauptete Vollbremsung (S. 1 ihres Schriftsatzes vom 10. September 2008) mit anderen Beweismitteln hätte beweisen können.
Hinsichtlich des vermeintlich die Bremswirkung verstärkenden eventuell auf den Schienen befindlichen Sandes hat die Klägerin nur spekuliert. Diesen Spekulationen war – wie schon das Landgericht richtig erkannt hat – nicht weiter nachzugehen.
III.
Es wird daher angeregt, die Fortführung der Berufung zu überdenken.