- Die Kosten für Alkohol- oder Drogenkontrollen, die in Erfüllung einer Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht durchgeführt werden, hat grundsätzlich der Verurteilte zu tragen.
Diese Kostentragungspflicht des Verurteilten wird jedoch durch die Zumutbarkeitsklausel des § 68b Abs. 3 StGB begrenzt.
- Unzumutbare Anforderungen an die Lebensführung des Verurteilten werden dann gestellt, wenn dessen finanzielle Leistungsfähigkeit durch die von ihm zu tragenden Kosten für Alkohol- und Drogenkontrollen nach § 68b Abs. 1 Nr. 10 oder Abs. 2 Satz 4 StGB überfordert wird.
Gründe:
I.
Der Verurteilte wurde durch seit dem 31.05.2005 rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Suhl – Schöffengericht – vom 19.05.2005 wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten verurteilt (130 Js 18261/04). Zugleich wurden seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und der Vorwegvollzug eines Teils der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten vor Vollzug dieser Maßregel angeordnet. Nach Verbüßung von Untersuchungshaft und Vorwegvollzug wurde die angeordnete Maßregel ab dem 20.06.2006 im Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie H vollzogen.
Mit seit dem 14.02.2008 rechtskräftigem Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Meiningen bei dem Amtsgericht Hildburghausen vom 30.01.2008 (4 StVK 527/06) wurden die weitere Vollstreckung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und die Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe aus dem eingangs genannten Urteil des Amtsgerichts Suhl zur Bewährung ausgesetzt, die Dauer der Bewährungszeit auf 3 Jahre bestimmt und der Eintritt der Führungsaufsicht mit der Aussetzung der Unterbringung festgestellt. Außerdem wurde der Verurteilte unter anderem angewiesen, nach näherer Weisung des Bewährungshelfers unregelmäßige und unangekündigte Alkohol- und Drogenkontrollen durchführen zu lassen (Nr. 9 des Beschlusses).
Nachdem die Kosten für die Alkohol- und Drogenkontrollen zunächst durch den Verurteilten beglichen worden waren, teilte dessen Bewährungshelferin der Strafvollstreckungskammer mit Schreiben vom 04.09.2009 mit, dass der Verurteilte zwar grundsätzlich bereit sei, sich auch zukünftig regelmäßig den Alkoholkontrollen und Drogenscreenings zu unterziehen, sich aber aufgrund seiner veränderten Einkommenssituation (bis auf weiteres lediglich ALG-1-Bezug und Wegfall der bisherigen Schichtzulage) nicht mehr in der Lage sehe, diese selbst zu bezahlen.
Mit Verfügung vom 01.10.2009 teilte die zuständige Einzelrichterin der Strafvollstreckungskammer daraufhin der Bewährungshelferin mit, dass die Rechnungen vorerst vom Gericht bezahlt würden und dann seitens des Gerichts versucht würde, diese vom Verurteilten wieder beizutreiben, was aber nur möglich sei, wenn dieser über ausreichende Einnahmen verfüge. Auf die dahingehende Bitte der Bewährungshelferin vom 28.02.2009 bestätigte die Richterin mit Verfügung vom 18.12.2009 dem Verurteilten schriftlich, dass die Rechnungen für die Alkohol- und Drogentests eingereicht werden könnten und vorerst vom Gericht bezahlt werden würden.
Im Verwaltungswege wurden sodann zwei Alkohol- und Drogenkontrollen des Verurteilten am 04.01. und 23.04.2010 betreffende und an das Amtsgericht Hildburghausen gerichtete Rechnungen in Höhe von 156,19 EUR und 99,66 € der Laborarztpraxis Dres. med. J Kollegen von der Staatskasse bezahlt. Dies beanstandete der zuständige Bezirksrevisor beim Landgericht Meiningen mit Verfügung vom 24.08.2010 und beantragte die gerichtliche Festsetzung der Sachverständigenentschädigungen für die beiden erfolgten Alkohol- und Drogenkontrollen nach § 4 JVEG auf jeweils 0,00 €. Diesen Antrag wies die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 06.09.2010 zurück. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des Bezirksrevisors vom 16.09.2010 hob der Senat mit Beschluss vom 05.11.2010 (1 Ws 431/10) die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer vom 06.09.2010 auf und verwies die Sache zu erneuter Prüfung und Entscheidung über die beantragte gerichtliche Festsetzung der Sachverständigenentschädigung an das Landgericht Meiningen zurück.
Mit Beschluss vom 25.11.2010 hat die Strafvollstreckungskammer die der Laborarztpraxis Dres. med. J Kollegen zu leistende Vergütung für die dort vorgenommenen Alkohol- und Drogentests auf 156,19 € und 99,66 € festgesetzt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Bezirksrevisors vom 15.12.2010, der die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 20.12.2010 nicht abgeholfen hat.
II.
1. Die – auch im Übrigen zulässige – Beschwerde des Bezirksrevisors gegen die gerichtliche Festsetzung der Sachverständigenentschädigung ist nach § 4 Abs. 3 JVEG statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstands insgesamt 200,00 € übersteigt.
2. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
a) Zwar ist in der Regel in Fällen wie dem vorliegenden eine Grundlage für eine gerichtliche Festsetzung der Vergütung nach § 4 JVEG nicht erkennbar, da unter gewöhnlichen Umständen kein unmittelbar gegen die Staatskasse gerichteter Vergütungsanspruch einer Alkohol- und Drogenkontrollen bei einem unter Führungsaufsicht stehenden Verurteilten durchführenden Laborarztpraxis nach den Vorschriften des JVEG entsteht. Ein solcher Vergütungsanspruch wäre nämlich nur dann gegeben, wenn die der Praxis angehörenden Laborärzte i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 JVEG als Sachverständige von dem Gericht herangezogen worden wären. Dies würde voraussetzen, dass sie entsprechend § 73 Abs. 1 Satz 1 StPO von dem zuständigen Einzelrichter der Strafvollstreckungskammer persönlich mit der Durchführung der in Rede stehenden Alkohol- und Drogentests beauftragt worden wären. Dies trifft auf Ärzte, die in Erfüllung einer im Rahmen der Bewährungs- oder Führungsaufsicht erteilten gerichtlichen Weisung von dem Verurteilten selbst – auch nach näherer Weisung seines Bewährungshelfers – mit der Vornahme solcher Kontrollen beauftragt worden sind, nicht zu (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 24.06.1997, 3 Ws 602/96; OLG Bremen, Beschluss vom 17.09.2010, Ws 96/10, bei juris; Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Aufl., § 1 Anm. IV d bis f). Insoweit unterscheidet sich die Inanspruchnahme von Ärzten oder therapeutischen oder sozialen Einrichtungen durch den Verurteilten im Rahmen der „ambulanten Nachsorge“ von beispielsweise der Beauftragung eines Sachverständigen durch die Strafvollstreckungskammer nach § 463 Abs. 3 Satz 4 StPO (vgl. OLG Bremen, a.a.O.).
b) Gleichwohl ist im vorliegenden Fall ausnahmsweise von einem unmittelbaren Vergütungsanspruch der beteiligten Laborarztpraxis gegen die Staatskasse auszugehen. Die zuständige Einzelrichterin der Strafvollstreckungskammer hat auf Anregung der Bewährungshelferin mit Schreiben vom 18.12.2009 dem Verurteilten bestätigt, dass die Rechnungen für die Alkohol- und Drogenkontrollen bei Gericht eingereicht werden könnten und von dort aus bezahlt würden. Hierauf hat der Verurteilte zunächst am 04.01.2010 die Laborarztpraxis zur Durchführung einer Kontrolle aufgesucht, wobei diese die von ihr erbrachten Leistungen am 19.01.2010 mit 156,19 € gegenüber dem Amtsgericht Hildburghausen in Rechnung gestellt hat. Am 23.04.2010 hat sich der Verurteilte in der Laborarztpraxis zur Durchführung eines weiteren Tests vorgestellt, der von dieser am 17.05.2010 gegenüber dem Amtsgericht Hildburghausen mit 99,66 € abgerechnet worden ist. Mit Verfügung vom 21.09.2010 hat die Richterin der Laborarztpraxis mitgeteilt, dass eine – offenbar mittlerweile eingegangene dritte – Rechnung momentan noch nicht beglichen werden könne, weil der Bezirksrevisor Beschwerde eingelegt habe. Angesichts dieses Geschehensablaufs ist davon auszugehen, dass die zuständige Einzelrichterin der Strafvollstreckungskammer hier durch Vermittlung des Verurteilten als „Erklärungsboten“ die beteiligte Laborarztpraxis i.S.d. §§ 1 Abs. 1 Nr. 1 JVEG, 73 Abs. 1 Satz 1 StPO zur Vornahme der Alkohol- und Drogenkontrollen herangezogen und dieser dabei die Kostenübernahme durch die Staatskasse zugesagt hat. Aufgrund dieser Heranziehung ist im vorliegenden Fall ein nach § 4 JVEG festsetzbarer Vergütungsanspruch entstanden, dessen gerichtliche Festsetzung nicht zu beanstanden ist.
3. Die Frage nach einer Kostentragungspflicht der Staatskasse im „Innenverhältnis“ zu einem Verurteilten, der – wie im Regelfall – auf Weisung der Bewährungshilfe selbst einen Arzt mit der Durchführung einer Alkohol- oder Drogenkontrolle beauftragt, ist an sich nicht Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens. In diesem Zusammenhang weist der Senat jedoch auf Folgendes hin:
a) Eine gesetzliche Regelung, der zu entnehmen wäre, ob die Kosten für eine im Rahmen der Führungsaufsicht nach § 68b Abs. 1 Nr. 10 oder Abs. 2 Satz 4 StGB erteilte Weisung, sich regelmäßigen Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, von der Staatskasse oder vom Verurteilten zu tragen sind, ist nicht erkennbar (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 23.03.2009, 1 Ws 94/09, bei juris; OLG Bremen a.a.O.). Sie ist insbesondere nicht in der Kostengrundentscheidung des Strafverfahrens enthalten, nach der im Falle der Verurteilung nach § 465 Abs. 1 StPO der Verurteilte die Kosten des Strafverfahrens zu tragen hat. Denn die Kosten, die aufgrund der Erfüllung einer führungsaufsichtsrechtlichen Weisung entstehen, gehören nicht zu den zu den Verfahrenskosten zählenden Kosten der Vollstreckung einer Rechtsfolge der Tat nach § 464a Abs. 1 Satz 2 StPO. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Weisung als solche, d.h. ihre Befolgung durch den Verurteilten nicht vollstreckbar ist. Allenfalls kann ihre Missachtung Sanktionen für den Verurteilten, etwa aufgrund eines Strafverfahrens wegen eines Vergehens nach § 145a StGB zur Folge haben (vgl. OLG Nürnberg a.a.O.; OLG Bremen a.a.O.). Im Übrigen regeln die §§ 138 Abs. 2, 50 StVollzG nur die Beteiligung des Verurteilten an den Kosten von freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung, betreffen aber nicht die nach Aussetzung der Maßregel zur Bewährung entstehenden Kosten ambulanter Maßnahmen im Rahmen der Führungsaufsicht.
b) Die zur Verteilung der Kosten solcher Maßnahmen zwischen Verurteiltem und Staatskasse teilweise in der Rechtsprechung – obiter dictum – geäußerte Auffassung, dass aus dem Gefahrenabwehrcharakter führungsaufsichtsrechtlicher Weisungen eine grundsätzliche Kostentragungspflicht des Staates abzuleiten sei (vgl. OLG Dresden NStZ 2009, 268), hält der Senat für nicht überzeugend. Zum einen kennt das öffentliche Recht gerade auch eine Kostentragungspflicht des Störers als Veranlasser einer Maßnahme der Gefahrenabwehr, zum anderen dienen die Führungsaufsicht als Maßregel der Besserung und Sicherung und die in ihrem Rahmen erteilten Weisungen auch nicht bloß der Gefahrenabwehr, sondern vor allem der Unterstützung des Verurteilten in seinem Bemühen um ein künftig straffreies Leben (vgl. OLG Bremen a.a.O.).
c) Der Senat folgt vielmehr der entgegengesetzten Rechtsprechungsansicht, dass die durch führungsaufsichtsrechtliche Weisungen verursachten Kosten grundsätzlich aufgrund des Veranlasserprinzips vom Verurteilten zu tragen sind (vgl. OLG Bremen a.a.O; OLG Nürnberg a.a.O.; im Ergebnis ebenso: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.08.2010, bei juris). Das letztlich auch der Kostenentscheidung nach § 465 Abs. 1 StPO zugrunde liegende verschuldensunabhängige Veranlasserprinzip, das an die rechtswidrige Tat als sozialschädliches Geschehen anknüpft, ist ein taugliches Zurechnungskriterium für die Kostenverteilung im Strafverfahren und unterliegt als solches keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. OLG Nürnberg a.a.O. m.w.N.). Danach hat der Verurteilte auch im „Innenverhältnis“ zur Staatskasse die ihm durch die Beauftragung eines Arztes in Befolgung einer ihm erteilten Kontrollweisung nach § 68b Abs. 1 Nr. 10 oder Abs. 2 Satz 4 StGB entstanden Kosten prinzipiell selbst zu tragen; ein Erstattungs- oder Freistellungsanspruch gegen die Staatskasse besteht grundsätzlich nicht.
Diese Kostentragungspflicht des Verurteilten wird jedoch durch § 68b Abs. 3 StGB begrenzt. Danach dürfen bei der Erteilung führungsaufsichtsrechtlicher Weisungen an die Lebensführung der verurteilten Person keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Verstößt eine Weisung gegen dieses Gebot, ist sie gesetzeswidrig und kann erfolgreich mit der Beschwerde nach §§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 Satz 2 StPO angegriffen werden. Unzumutbare Anforderungen an die Lebensführung des Verurteilten werden auch dann gestellt, wenn dessen finanzielle Leistungsfähigkeit durch die von ihm zu tragenden Kosten für Alkohol- und Drogenkontrollen nach § 68b Abs. 1 Nr. 10 oder Abs. 2 Satz 4 StGB überfordert wird. Ob danach die Schwelle der Zumutbarkeit im konkreten Einzelfall überschritten ist, hat die Strafvollstreckungskammer – insbesondere bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte – bei Erteilung der Weisung bzw. im Rahmen der ihr nach § 68d StGB zustehenden Befugnis zur nachträglichen Änderung oder Aufhebung von Weisungen nach § 68b StGB. zu erwägen, wobei sie unter anderem die durch Nachweise belegten Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Verurteilten, das Vorhandensein anderer möglicher Kostenträger berücksichtigen muss. Ergibt diese Prüfung, dass die mit der Weisung verbundene Kostentragungspflicht den Verurteilten in unzumutbarer Weise belastet, darf die Strafvollstreckungskammer die Weisung nicht erteilen bzw. hat sie nach § 68d StGB aufzuheben oder hat in Ausübung einer entsprechenden Annexkompetenz zu § 68b Abs. 1 Nr. 10 oder Abs. 2 Satz 4 StGB zu bestimmen, dass deren Kosten von der Staatskasse zu tragen sind (OLG Nürnberg a.a.O.; OLG Bremen a.a.O.; OLG Karlsruhe a.a.O.).