- Eine pauschale Abrechnung von An- und Abmeldekosten kommt nur in Betracht, wenn An- und Abmeldung tatsächlich stattgefunden haben.
- Restwertangebote, die im Sachverständigengutachten nicht enthalten sind, dem Geschädigten vom Schädiger aber in so unmittelbarem Zusammenhang mit dem Unfall mitgeteilt worden sind, dass dieser sie bei der Entscheidung über Reparatur oder Veräußerung noch einbeziehen konnte, sind für die Berechnung des Wiederbeschaffungswertes grundsätzlich zu berücksichtigen.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Verkehrsunfall am 26.10.2009 in ... .
Der Kläger befuhr die Straße ... in .... Der Beklagte befand sich auf der rechten Ausfädelungsspur zur dortigen Tankstelle in einer Schlange wartender Fahrzeuge. Der Kläger fuhr an den wartenden Fahrzeugen vorbei. Es kam zu einer Kollision dergestalt, dass die linke vordere Seite des Beklagtenfahrzeuges mit dem Klägerfahrzeug in Höhe dessen Fahrertür mittig kollidierte. Das Klägerfahrzeug war dabei in Bewegung. Es entstanden eine Eindellung in der Tür und nach hinten verlaufende Schleifspuren.
Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, er sei an der Schlange vorbeigefahren. Der Beklagte sei plötzlich aus der Schlange haltender Fahrzeuge heraus auf seine Fahrbahn angefahren und habe ihn seitlich getroffen. Er nimmt den Beklagten und dessen Versicherung auf Haftung nach einer Quote von 100 % in Anspruch.
Er nimmt folgende Schadensberechnung vor:
Wiederbeschaffungswert 950,00 € Gutachterkosten 340,34 € An- u. Abmeldepauschale 70,00 € Unfallkostenpauschale 20,00 € Schaden 1.380,34 €
Die Beklagten haben eine Haftungsquote von 50 % anerkannt. Wiederbeschaffungswert, Gutachterkosten und Unfallkostenpauschale sind unstreitig. Einen Restwert hat der Kläger nicht in Abzug gebracht, weil der Restwert im Gutachten mit 0 Euro angegeben war. Unstreitig hatte die Beklagte zu 2. dem Kläger ein verbindliches Angebot eines Händlers übersandt, den PKW für 30 Euro zu erwerben und beim Kläger abzuholen. Darauf ging der Kläger nicht ein. Er meint, er müsse sich nicht auf solche Angebote verweisen lassen. Die Beklagte zu 2. regulierte 50 % des so ermittelten Schaden (insgesamt 1.280,34 Euro), d.h. 640,17 Euro.
Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagten hafteten nach einer Quote von 100 %. Die An- und Abmeldekosten könne er pauschal in o.g. Höhe abrechnen, auch wenn er den Wagen, was unstreitig ist, weiter nutzt. Ein Restwert müsse nicht abgezogen werden, wenn er fiktiv auf Basis des Gutachtens abrechne und dort ein Restwert nicht angegeben sei.
Er setzte der Beklagten zu 2. außergerichtlich eine Frist zur Regulierung der danach noch offenen 740,17 Euro bis zum 12.11.2009. Für die Inanspruchnahme sind ihm außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe einer 1,5-fachen Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandwert von 740,17 Euro zuzüglich Kostenpauschale und Umsatzsteuer, insgesamt 139,23 Euro, entstanden.
Er hat erstinstanzlich beantragt,die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 740,17 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 13.11.2009 sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 139,23 Euro zu zahlen.Die Beklagten haben beantragt,die Klage abzuweisen.Sie haben behauptet, der Beklagte zu 1. habe mit seinem Fahrzeug auf der Ausfädelungsspur gestanden, die dort eine leichte Rechtskurve beschreibe. Der Kläger habe diese Kurve. geschnitten und dabei das stehende Fahrzeug des Beklagten zu 1. auf dessen Spur berührt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Der Unfall sei unaufklärbar. Zwar stehe aufgrund des Schadensbildes fest, dass sich der PKW des Beklagten beim Zusammenstoß in Bewegung befunden habe. Anders seien die am Klägerfahrzeug entstandenen Schäden nicht erklärbar. Daraus lasse sich aber nicht bereits ein Verstoß des Beklagten gegen die StVO herleiten. Ein Verstoß läge nur vor, wenn dieser aus seiner Spur in die Spur des Klägers eingefahren sei. Ebenso sei aber möglich, dass der Kläger seine Spur nicht eingehalten habe, auf die Spur des Beklagten geraten sei und dort von dem (fahrenden) Beklagtenfahrzeug getroffen worden sei. Der Beklagte sei möglicherweise auf seiner Spur nicht ganz rechts gefahren, dass ändere aber nichts daran, dass der Unfall unaufklärbar sei. Eine Haftungsquote von 50:50 sei dann korrekt. Danach ergebe sich kein Anspruch.
Mit der Berufung erstrebt der Kläger Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung und Verurteilung der Beklagten im Umfange des erstinstanzlichen Antrages.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet. Die Beklagten haften für den entstandenen Unfallschaden nach einer Quote von 80 % (1.). Die Schadenshöhe beträgt 1.280,34 Euro (2).
1. Die Ausführungen des Amtsgerichts zur Haftungsquote halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Im Ausgangspunkt trifft zu, dass ein Fall höherer Gewalt für keinen Verkehrsteilnehmer gegeben ist und auch eine Unabwendbarkeit nicht nachgewiesen ist, so dass die Haftungsverteilung nach § 17 Abs. 3 StVG erfolgt.
Zutreffend nimmt das Amtsgericht weiter an, dass dem Beklagten, auch wenn er vor dem Unfall angefahren sein sollte, kein Verstoß gegen § 10 StVO anzulasten ist, weil er lediglich verkehrsbedingt gehalten hatte. Nach einhelliger Ansicht gilt das besondere Sorgfaltsgebot für den Anfahrenden nach § 10 StVO nur für denjenigen, der aus dem ruhenden in den fließenden Verkehr anfährt, nicht aber für den bloß verkehrsbedingt Haltenden (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl. § 10 Rn. 7 m. weit. Nachw.).
Auch trifft nach den tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts, die insoweit keinen konkreten Anlass zu Zweifeln geben, zu, dass ein Spurwechsel des Beklagten (§ 7 Abs. 5 StVO) nicht nachgewiesen ist.
Für den Fall, dass ein Spurwechsel des Beklagten zu 1. nicht erfolgt sein sollte, wäre jedenfalls aber der erste Anschein eines Verstoßes des Beklagten gegen das Rechtsfahrgebot gegeben. Hätte der Beklagte zu 1. sich nämlich - in einer Schlange - entsprechend den Vorgaben des § 2 Abs. 2 StVO möglichst weit rechts gehalten, wäre kaum denkbar, wie ein - gedachter - Schlenker des Klägerfahrzeugs über die Fahrbahn des Beklagten zu den Unfallschäden geführt haben kann. Der Kläger hätte dann für gewöhnlich auch die anderen Fahrzeuge treffen müssen. Von daher ist auch nach den Feststellungen des Amtsgerichts von einem Anscheinsbeweis zu Lasten des Beklagten für einen sorgfaltswidrigen Verstoß gegen § 2 Abs. 2 StVO auszugehen, wenn er keinen Spurwechsel vorgenommen haben sollte.
Sollte er einen Fahrstreifenwechsel vorgenommen haben, wäre aufgrund der in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang erfolgten Kollision sogar von einem Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO auszugehen, was noch schwerer wiegen würde.
Insgesamt liegt danach der erste Anschein eines sorgfaltswidrigen Pflichtverstoßes des Beklagten zu 1. gegen die Pflichten entweder des § 2 Abs. 2 StVO oder sogar des § 7 Abs. 5 StVO vor. Dieser Anschein ist auch nicht erschüttert.
Demgegenüber liegt ein Anscheinsbeweis zu Lasten des Klägers nicht vor.
Bei einem einfachen Sorgfaltsverstoß (Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot) hält die Kammer angesichts der mitwirkenden Betriebsgefahr des Klägers auf der Grundlage der Feststellungen des Amtsgerichts eine Quote von 80:20 für angemessen. Bei einem Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO ergäbe sich sogar eine höhere Quote. Dieser Verstoß ist aber nicht nachgewiesen, so dass für die Entscheidung eine Haftung nach einer Quote von 80 % Beklagte) zu 20 % (Kläger) zugrunde zu legen ist.
2. Abzurechnen ist nach einem Schaden in Höhe von 1.280,34 Euro. Das ergibt sich aus der Summe der unstreitigen Schadenspositionen Wiederbeschaffungswert (950 Euro), Gutachterkosten (340,34 Euro) und Unfallkostenpauschale (20 Euro) abzüglich eines Restwertes, den der Kläger durch Veräußerung des Fahrzeugs hätte erzielen können, von 30 Euro.
Der Restwert ist abziehbar. Der Kläger rechnet den Schaden am Wagen fiktiv auf der Basis der Wiederbeschaffungskosten ab. Ein Restwert des Fahrzeugs ist dann abzuziehen. Vorliegend hat der Sachverständige den Restwert auf 0 geschätzt, die Beklagte zu 2. dem Kläger aber in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Schaden, nämlich mit Schreiben vom 2.11.2009, ein Kaufangebot zugeleitet, nach dem ein Anbieter aus dem regionalen Markt das geschädigte Fahrzeug zum Preis von 30 Euro bei kostenfreier Abholung erwerben würde. Diesen Restwert muss sich der Kläger anrechnen lassen, da er ihn ohne weitere Schwierigkeiten hätte erzielen können. Auf die Frage, ob das Angebot bereits gegenüber dem Sachverständigen erfolgt ist - dann hätte es auch nach Ansicht des Klägers berücksichtigt werden müssen - oder ob der Sachverständige ein solches Angebot nicht kannte, dieses aber dem Kläger selbst mitgeteilt wurde, kommt es jedenfalls dann nicht an, wenn das Angebot, wie vorliegend, dem Geschädigten in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Schadensereignis zugeleitet wurde und der Geschädigte es bei seiner Entscheidung, ob er ein neues Fahrzeug anschafft, noch berücksichtigen konnte.
Anderes folgt auch nicht aus der vom Kläger in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. In der Entscheidung vom 13.01.2009 - VI ZR 205/08, zit. nach juris, stellt der Bundesgerichtshof ausdrücklich darauf ab, dass der Geschädigte solche Angebote nicht berücksichtigen müsse, die er auf dem ihm zugänglichen "allgemeinen" regionalen Markt nicht erzielen könne. Er sei weder verpflichtet, sich mit einem geringeren Schadensersatz abzufinden, als sich bei einer zumutbaren Recherche vor Ort ergibt, für die grundsätzlich die Einholung dreier Angebote regionaler Händler ausweist, noch müsse er seinerseits zeitaufwändig nach besseren Verwertungsmöglichkeiten suchen. Angebote auf einem Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet müsse der Geschädigte nicht recherchieren. Auch wenn das zugrunde gelegt wird, folgt daraus nicht, dass der Geschädigte auch ein solches Angebot nicht berücksichtigen müsste, dass ihm im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall bei kostenfreier Abholung des Fahrzeugs unterbreitet wird. Denn da ihm das Angebot von der Beklagten zu 2. unmittelbar mitgeteilt wurde, oblag ihm keine aufwändige Recherche, zu welcher er eben nicht verpflichtet wäre. Im Übrigen handelte es sich vorliegend um einen Anbieter des regionalen Marktes. Der Kläger wohnt im Westen ..., der Unfall ereignete sich in ..., das Aufkaufangebot wurde vom Autoteilekaufhaus ... in ... unterbreitet. Das zählt vom Wohnort des Klägers aus ohne weiteres zum regionalen Markt.
Die vom Kläger weiter geltend gemachte An- u. Abmeldepauschale in Höhe von 70 Euro ist nicht ersatzfähig. Es kann dahinstehen, ob der Kläger die An- und Abmeldekosten pauschal berechnen dürfte (so OLG Stuttgart Urt. v. 06.10.1999 - 4 U 73/99, zit. nach juris), wenn er das verunfallte Fahrzeug zeitnah zum Unfall abgemeldet hätte. Denn er nutzt es unstreitig weiter. Auch soweit die Möglichkeit einer pauschalen Abrechnung bzw. einer entsprechenden pauschalen Schätzung nach § 287 ZPO (so Thüringer Oberlandesgericht, Urt. v. 20.12.2006 - 4 U 259/05, zit. nach juris) vertreten wird, setzt dies voraus, dass überhaupt ein ersatzfähiger Schaden entstanden ist. Das ist aber nicht der Fall, wenn das geschädigte Fahrzeug trotz eines wirtschaftlichen Totalschadens weitergenutzt wird. Kosten für An- und Abmeldung sind dann bereits dem Grunde nach nicht angefallen. Eine Pauschalierung kann aber nur die Schadenshöhe betreffen. Anderes folgt auch nicht aus den vom Kläger in Bezug genommenen obergerichtlichen Entscheidungen. Soweit das Oberlandesgericht Stuttgart, a.a.O., eine pauschale Abrechnung der An- und Abmeldekosten für zulässig erachtet hat, hat es dabei darauf abgestellt, dass der Geschädigte dort sein Fahrzeug tatsächlich abgemeldet und ein Ersatzfahrzeug angemeldet hatte. Das Thüringer Oberlandesgericht, a.a.O., hat aus demselben Grunde nur die - nach § 287 ZPO auf 15 Euro geschätzten - Abmeldekosten zugesprochen, da die dortige Geschädigte noch kein Neufahrzeug angeschafft hatte, also die Anmeldekosten bereits dem Grunde nach nicht entstanden waren.
Abzurechnen ist mithin nach einem Gesamtschaden von 1.280,34 Euro. 80 % hiervon sind 1.024,27 Euro. Die Beklagte zu 2. hat 640,17 Euro gezahlt. Es verbleibt ein ersatzfähiger Schaden von 384,10 Euro.
Zinsen stehen dem Kläger seit Klagerhebung zu. Ein früherer Verzugseintritt ist nicht belegt. Die Regulierung durch das Schreiben der Beklagten zu 2. vom 9.11.2009 ist keine endgültige, ernsthafte Erfüllungsverweigerung hinsichtlich der noch nicht regulierten Positionen, der Ablauf der Frist klägerseitig gesetzten Frist löst noch keinen Verzug aus.
Rechtsverfolgungskosten sind in Höhe einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr auf den dem Kläger aus dem Schadensereignis insgesamt zustehenden Betrag von 1.024,27 Euro ersatzfähig. Das sind netto 110,50 Euro. Zuzüglich Kostenpauschale und Umsatzsteuer ergeben sich insgesamt 155,30 Euro. Soweit der Kläger eine 1,5-fache Gebühr in Rechnung stellt, ist lediglich eine 1,3-fache Gebühr geschuldet. Es handelt sich um einen einfachen Verkehrsunfall. Hinsichtlich der Schadenshöhe sind nur unstreitige Positionen ersatzfähig. Abzuziehen sind die von der Beklagten außergerichtlich gezahlten 120,67 Euro (Anlage K2, Bl. 11 d.A.).
Die Kosten beider Instanzen waren gegeneinander aufzuheben. Der Kläger obsiegt mit einem Betrag in Höhe von 384,10 Euro in etwa hälftig, gemessen am Streitwert von 740,17 Euro. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen. Der Fall wirft weder Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.