Das Verkehrslexikon

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Definition des Verkehrsunfalls

Definition des Verkehrsunfalls


Siehe auch Verkehrsunfall




Unter einem Verkehrsunfall versteht man ein plötzliches, zumindest von einem der Beteiligten nicht gewolltes Ereignis, das im ursächlichen Zusammenhang mit dem öffentlichen Straßenverkehr und seinen Gefahren steht und zu einem nicht gänzlich belanglosen fremden Sach- oder Körperschaden führt.

Eine Gefährdung allein ist noch kein Unfall. Das zum Schaden führende Ereignis muss unmittelbar Folge eines Verkehrsvorgangs sein.

Die vorstehende Definition geht auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zurück, z.B.:

BGH (Urteil vom 27.07.1972 - 4 StR 287/72):

   „Die Entscheidung entspricht der auf das Reichsgericht (RGSt 75, 355, 360) zurückgehenden ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

Danach ist unter dem Begriff "Verkehrsunfall" jedes mit dem Straßenverkehr und seinen Gefahren ursächlich zusammenhängende Ereignis zu verstehen, durch das ein Mensch zu Schaden kommt oder ein nicht ganz belangloser Sachschaden verursacht wird (BGHSt 8, 263 ff). Der Kennzeichnung eines solchen Geschehens als Verkehrsunfall steht nicht entgegen, dass ein daran Beteiligter es vorsätzlich herbeigeführt hat, wenn nur einem anderen ein von ihm ungewollter Schaden entstanden ist. Dann handelt es sich mindestens für diesen anderen um ein ungewolltes, ihn plötzlich von außen her treffendes Ereignis (BGHSt 12, 253 ff, 256; BGH VRS 11, 425; 21, 113, 117; 28, 359; 36, 23, 24).“

Andere Beispiele:

Das Landgericht Düsseldorf (Urteil vom 06.05.2011 - 29 Ns 3/11) definiert wie folgt:

   Der Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort setzt einen Unfall im Straßenverkehr voraus. Dies ist jedes plötzliche Ereignis, das mit dem Straßenverkehr und seinen Gefahren ursächlich zusammenhängt und zu einem nicht völlig belanglosen Personen- oder Sachschaden führt. Vor diesem Hintergrund genügt nicht jedwede, im Sinne der Bedingungstheorie ursächliche Verknüpfung des Schadensereignisses mit einem Verkehrsgeschehen zur Annahme eines Unfalls im Straßenverkehr. Vielmehr setzt dies einen straßenverkehrsspezifischen Gefahrzusammenhang voraus. Es müssen sich in dem Verkehrsunfall gerade die typischen Gefahren des Straßenverkehrs verwirklicht haben. Dies trifft bei einer Schadensverursachung durch einen selbständig rollenden Einkaufswagen nicht zu.


Gänzlich belanglos ist ein Schaden, bei dem üblicherweise nicht mit Schadensersatzansprüchen zu rechnen ist. Die Grenze wird man etwa bei 25 bis 50 € ziehen können, vgl. beispielsweise OLG Nürnberg (Beschluss vom 24.01.2007 - 2 St OLG Ss 300/06):

   Schäden, die ganz unbedeutend sind, unterfallen nach dem Schutzzweck des § 142 Abs. 1 StGB, der den zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch des Geschädigten sichern soll, nicht dem Begriff des "Unfalls". Mit Rücksicht auf die allgemeine Preissteigerung und insbesondere die Verteuerung von Autoreparaturen ist diese Bagatellgrenze derzeit bei € 50,00 anzusiedeln.

Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten (Beschluss vom 16.07.2008, Az. (290 Cs) 3032 PLs 5850/08) hat entschieden:

   Es liegt kein Verkehrsunfall im Sinne des § 142 Abs. 1 StGB vor, wenn im stehenden Verkehr beim (noch nicht beendeten) Be- oder Entladen ein Gegenstand von einem Lkw auf einen daneben stehenden Pkw fällt, da sich in diesem Geschehen in keiner Weise irgendein typisches Unfallrisiko gerade des Straßenverkehrs verwirklicht hat.

Hingegen meint das OLG Köln (Urteil vom 19.07.2011 - III-1 RVs 138/11):

   Ist das Be- und Entladen verkehrsbezogener Teil des ruhenden Verkehrs, dann macht es bezogen auf das Tatbestandsmerkmal "Unfall im Straßenverkehr" keinen Unterschied, ob ein bereits geladener Gegenstand vom geparkten Fahrzeug herunterfällt oder der Schaden bereits beim Beladen des Fahrzeugs oder erst später beim Entladen entsteht. Dem Schutzbereich des § 142 StGB unterfallen gerade solche Geschehensabläufe im öffentlichen Straßenverkehr, die mit einem erhöhten Unfall- und Schadensrisiko sowie - wegen der Beteiligung eines Fahrzeugs - mit dem Risiko eines schnellen Entfernen des Verursachers vom Unfallort und damit einem gesteigerten Aufklärungsinteresse anderer Verkehrsteilnehmer einhergehen. Dazu gehören aber insbesondere auch Ladevorgänge, und zwar gerade fehlerhafte.

Für den Bereich der Fahrzeugvoll- oder Teilversicherung hat der BGH (Beschluss vom 15.05.2013 - IV ZR 62/12) festgestellt:

   Der Unfallbegriff in der Kfz-Kaskoversicherung setzt voraus, dass das versicherte Fahrzeug einer Einwirkung mechanischer Gewalt von außen ausgesetzt war. Wird das Fahrzeug durch ein eigenes Fahrzeugteil beschädigt, ist ein versicherter Unfall ausgeschlossen.

Siehe insoweit auch
OLG Karlsruhe (Urteil vom 06.04.2021 - 12 U 333/20):

   In der Kaskoversicherung ist der Versicherungsfall „Unfall“ erwiesen, wenn feststeht, dass die Schäden nach Art und Beschaffenheit nur auf einem Unfall im versicherten Zeitraum beruhen können. Dies gilt auch dann, wenn der Sachverhalt im Einzelnen nicht aufgeklärt werden kann und der Unfallhergang so, wie er vom Versicherungsnehmer geschildert wurde, zumindest im Detail nicht stattgefunden haben kann (Fortführung von OLG Karlsruhe, Urteil vom 16. März 2006 - 12 U 292/05).

Mann sieht, dass in den verschiedenen Rechtsgebieten der Unfallbegriff im Hinblick auf die Merkmale „Schaden“ und/oder "Verkehrsbezogenheit" unterschiedlich behandelt werden kann.

Für das Gebiet der polizeilichen Unfallaufnahmen werden sowohl Eigen- wie auch Fremdschäden in die Definition aufgenommen, vgl. als Beispiel die Richtlinien für die polizeiliche Verkehrsunfallaufnahme in Bayern:

   2. Begriff
Ein Verkehrsunfall im Sinne dieser Richtlinien ist ein plötzliches, zumindest für einen der Beteiligten ungewolltes Ereignis im öffentlichen Verkehrsraum, welches im ursächlichen Zusammenhang mit dem Straßenverkehr und seinen typischen Gefahren steht und zu Personen- oder einem nicht gänzlich belanglosen Sachschaden (Eigen- oder Fremdschaden) geführt hat.


Das Merkmal der "Gefährdung" bleibt außen vor. Es spielt aber bei vielen Tatbeständen des Verkehrsstrafrechts und des Verkeihrsordnungswidrigkeitenrechts eine bedeutende Rolle. Bußgeld- und Tatbestandskatalog stellen z.B. einen einfachen Rotlichtverstoß (weniger als 1 Sek. rot) mit Sachschaden oder Gefährdung hinsichtlich der Rechtsfolgen auf eine Stufe mit einem sog. qualifizierten Rotlichtverstoß (länger als 1 Sek. rot) ohne Sachschaden oder Gefährdung. In allen diesen Fällen ist ein Rückgriff auf die Definition des Unfallbegriffs eben auch nicht erforderlich.

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