- | Einleitung |
- | Allgemeines |
"Zwar hat derjenige, der rückwärts auf der Vorfahrtsstraße fährt, die besonderen Sorgfaltspflichten des § 9 Abs. 5 StVO zu beachten. Er büßt aber dadurch nicht seine Vorfahrtsberechtigung ein, sondern kann sich gegenüber dem Wartepflichtigen auf das uneingeschränkte Vorfahrtsrecht nach § 8 StVO stützen (vgl. BGH, Urteil vom 04.02.1958 - VI ZR 55/75, VRS 14, 346; BGHSt 13, 368; OLG Hamm, VRS 52, 299; OLG Düsseldorf, VRS 66, 376; OLG Karlsruhe, VRS 55, 246). Die Vorfahrtsregelung stellt nicht darauf ab, wie die in die Kreuzungen und Einmündungen einfahrenden Verkehrsteilnehmer die Fahrt ausführen. Sie hat vielmehr den Zweck, der gerade an Kreuzungen und Einmündungen von Straßen besonders häufig auftretenden Gefahr eines Zusammenstoßes zu begegnen (BGH, Urteil vom 04.02.1958 - VI ZR 55/75, VRS 14, 346). Hiervon ausgehend liegen die Voraussetzungen des Anscheinsbeweises nach § 8 StVO auch dann vor, wenn der Wartepflichtige im Einmündungsbereich mit einem Vorfahrtsberechtigten zusammenstößt, der rückwärtsfährt. Denn auch insoweit hat sich die mit dem Befahren von Einmündungen verbundene Gefahr eines Zusammenstoßes in typischer Weise verwirklicht. Dies gilt bei einem nach rechts einbiegenden Wartepflichtigen jedenfalls dann, wenn er - wie hier der Kläger - im Hinblick auf die Straßenbreite und die schwierige Einsicht in die Vorfahrtsstraße nicht darauf vertrauen darf, dass er ohne jegliche Behinderung oder Gefährdung des bevorrechtigten Verkehrs in die übergeordnete Straße einfahren kann (vgl. Kammer, Urteil vom 29.04.2016 - 13 S 3/16, juris). ... a) Zwar wiegt ein Vorfahrtsverstoß im Rahmen der Haftungsabwägung nach § 17 Abs. 1, 2 StVG in der Regel schwer. Denn § 8 StVO bestimmt eine Kardinalpflicht im Straßenverkehr (Saarl. OLG, NJW 2013, 3659; Kammer, st. Rspr.; vgl. Urteil vom 10.06.2011 - 13 S 40/11, NZV 2011, 607; Schauseil, MDR 2008, 360, 363, jeweils m.w.N.). Allerdings ist ebenso anerkannt, dass eine Verletzung der nach § 9 Abs. 5 StVO gebotenen höchstmöglichen Sorgfalt regelmäßig die überwiegende Haftung, bei fehlendem Verschulden auf Seiten des Unfallgegners sogar die Alleinhaftung des Rückwärtsfahrenden begründet (vgl. KG, MDR 2010, 503; OLG Brandenburg, Schaden-Praxis 2007, 316 f.; OLG Düsseldorf NZV 2006, 415; OLG Celle, OLGR 2007, 5). Ob daraus geschlossen werden kann, dass einem Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO im Rahmen der Haftungsabwägung nach § 17 StVG grundsätzlich ein höheres Gewicht zukommt als einem Verstoß gegen § 8 StVO, bedarf hier indes keiner abschließenden Entscheidung. Denn im Streitfall war die Betriebsgefahr des Beklagten-Lkw durch besondere Umstände erhöht, die eine überwiegende Haftung der Beklagten rechtfertigen." |