Das Verkehrslexikon

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Die Abtretung der Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall an das Kfz-Sachverständigenbüro

Die Abtretung der Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall an das Kfz-Sachverständigenbüro




Gliederung:


-   Einleitung
-   Weiterführende Links
-   Allgemeines
-   Klausel in den -AGB des Sachverständigen
-   Abtretung der SV-Kosten an ein Factoring-Unternehmen



Einleitung:


Kfz-Sachverständige wollen - im Interesse ihres Geschäfts - dem Kunden in der Situation eines Unfallgeschädigten helfen, seine Schadensersatzansprüche zu realisieren, ohne dass dieser zunächst hinsichtlich des SV-Honorars in Vorlage treten muss; andererseits haben sie auch ein durchaus schützenswertes Interesse daran, mit ihrer Gebührenforderung nicht auszufallen.

Frühzeitig wurde es deshalb üblich, dass sich Kfz-Sachverständige dann, wenn auf Grund der Unfallschilderung des Kunden zu erwarten ist, dass ein zahlungskräftiger Haftpflichtversicherer für die Gebühren aufkommt, die Schadensersatzforderungen des Unfallgeschädigten abtreten lassen. Da mit einer wirksamen Abtretung ein Gläubigerwechsel einher geht, machen sie die unfallbedingte Ersatzforderung aktiv gegenüber der gegnerischen Versicherung geltend und klagen in geeigneten Streitfällen die SV-Kosten in einem Prozess gegen den Versicherer auch gerichtlich ein.


Im Vordergrund der sich daraus ergebenden rechtlichen Problematik stehen zwei Komplexe:

Inwieweit liegt in der Übernahme der Schadenregulierung durch den Sachverständigen eine über ein bloßes Nebengeschäft hinausgehende verbotene Rechtsdienstleistung?

Inwieweit ist eine Abtretung, die sämtliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall erfasst und lediglich der Höhe nach auf die Gebühren des Sachverständigen beschränkt ist, wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot unwirksam?

Hiermit haben sich die Gerichte auseinander zu setzen.

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Weiterführende Links:


Stichwörter zum Thema Sachverständigen-Gutachten

Forderungsabtretung und Forderungsübergang

Erlaubte und nicht erlaubte Rechtsdienstleistungen von Unternehmen in der Unfallschadenregulierung

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Allgemeines:


AG Aichach v. 18.07.2008:
Mit der Abtretung des Unfallschadensersatzsnspruchs in Höhe der Sachverständigenkosten an Erfüllungs Statt wird der Sachverständige zur Geltendmachung der Forderung gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Schädigers aktivlegitimiert. Es liegt keine verbotene Rechtsberatung vor, weil der Sachverständige ausschließlich ein Geschäft im eigenen Namen und auf eigene Rechnung betreibt.

AG Saarlouis v. 04.06.2010:
Die Geltendmachung einer zur Sicherheit für die Gutachterkosten abgetretenen Schadensersatzforderung aus einem Verkehrsunfall durch einen Kfz-Sachverständigen ist zulässig. Soweit dies eine Rechtsdienstleistung darstellt, ist sie als Annextätigkeit gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 RDG erlaubt. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber durch die Schaffung des § 5 Abs. 1 RDG die Einziehung von Kundenforderungen in bestimmten Fällen, in denen eine Sicherungsabretung erfolgt ist, zulassen wollte. In der Gesetzesbegründung findet sich der Hinweis, dass ein Anwendungsfall der aus Nebenleistung zulässigen Inkassotätigkeit die Geltendmachung von Sachverständigenkosten im Bereich der Unfallschadensregulierung ist.

LG Saarbrücken v. 15.10.2010:
Zur Frage der Wirksamkeit einer Abtretung, mit der sich ein Kfz-Sachverständigenbüro von einem Unfallgeschädigten sämtliche aus einem Verkehrsunfall resultierenden Schadensersatzansprüche der Höhe nach beschränkt auf die in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten abtreten lässt.

BGH v. 07.06.2011:
Tritt der Geschädigte nach einem Fahrzeugschaden seine Ansprüche aus dem Verkehrsunfall in Höhe der Gutachterkosten ab, ist die Abtretung mangels hinreichender Bestimmbarkeit unwirksam. Entstehen aus einem Verkehrsunfall für den Geschädigten mehrere Forderungen, so kann von der Gesamtsumme dieser Forderungen nicht ein nur summenmäßig bestimmter Teil abgetreten werden.




OLG Dresden v. 19.02.2014:
Ein Kraftfahrzeugsachverständiger ist aktivlegitimiert, aus abgetretenem Recht den Anspruch eines Verkehrsunfallgeschädigten auf Ersatz von Sachverständigenkosten einzuklagen. Die Einziehung stellt sich als erlaubnisfreie Rechtsdienstleistung dar, denn der Forderungseinzug ist als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild des Sachverständigen anzusehen. Dies gilt auch, wenn der Sachverständige mit seiner Klage die Forderungen mehrerer Verkehrsunfallgeschädigter in insgesamt 58 - dem Grunde nach unstreitigen - Fällen geltend macht.

LG Stuttgart v. 16.07.2014:
Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls kann vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung in der Regel die vom Schadenssachverständigen in Rechnung gestellten Kosten ersetzt verlangen, es sei denn, dass diese deutlich über den marktüblichen Preisen liegen und diese Abweichung für den Geschädigten ohne Weiteres erkennbar war; eine Marktforschung muss er nicht betreiben. Nichts anderes gilt, wenn der Sachverständige die Kosten aus abgetretenem Recht des Geschädigten geltend macht.

AG Berlin-Mitte v. 06.02.2015:
Die Einziehung einer an den Kfz-Sachverständigen abgetretenen Forderung des Geschädigten auf Erstattung von Sachverständigenkosten ist gemäß § 5 Abs. 1 RDG erlaubt, wenn allein die Höhe des Honoraranspruchs bestritten wird.

AG Krefeld v. 09.10.2015:
Die Geltendmachung der Sachverständigenkosten im Rahmen eines Verkehrsunfallschadens durch den Sachverständigen selbst aus abgetretenem Recht ist in Fällen, in denen die grundsätzliche Haftung unstreitig ist, eine gemäß § 5 Abs. 1 RDG erlaubte Rechtsdienstleistung. Dies gilt insbesondere, wenn der Sachverstädnige zusätzlich auch eine Inkassoerlaubnis besitzt.

LG Krefeld v. 21.04.2016:
Grundsätzliche Ausführungen zur Berechnung der SV-Kosten bei Vorausabtretung der Ansprüche auf Ersatz der SV-Kosten bei zu keinem Zeitpunkt vom Geschädigten bezahlter Rechnung.

BGH v. 21.06.2016:
Eine formularmäßig in einem Vertrag über die Erstellung eines Schadensgutachtens nach einem Verkehrsunfall vereinbarte Abtretungsklausel, wonach der Geschädigte zur Sicherung des Sachverständigenhonorars von seinen Schadensersatzansprüchen aus einem Verkehrsunfall gegen den Fahrer, den Halter und den Haftpflichtversicherer die Ansprüche auf Ersatz der Positionen Sachverständigenkosten, Wertminderung, Nutzungsausfall, Nebenkosten und Reparaturkosten in dieser Reihenfolge und in Höhe des Honoraranspruchs an den Sachverständigen abtritt, wobei der Anspruch auf Ersatz einer nachfolgenden Position nur abgetreten wird, wenn der Anspruch auf Ersatz der zuvor genannten Position nicht ausreicht, um den gesamten Honoraranspruch des Sachverständigen zu decken, ist im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB überraschend.


BGH v. 24.10.2017:
  1.  Übernimmt ein Kfz-Sachverständiger mit der Erstellung von Schadensgutachten zugleich die Einziehung des vom jeweiligen Geschädigten an ihn abgetretenen Schadensersatzanspruchs auf Erstattung der Sachverständigenkosten, so liegt in der Einziehung dieser Schadensersatzansprüche kein eigenständiges Geschäft im Sinne von § 2 Abs. 2 RDG. Wie häufig der Sachverständige entsprechend verfährt, ist nicht erheblich.

  2.  Stellt die Geltendmachung der an den Sachverständigen abgetretenen Forderung auf Ersatz der Sachverständigenkosten durch den Sachverständigen eine Rechtsdienstleistung nach § 2 Abs. 1 RDG dar, so ist sie nach § 5 Abs. 1 RDG grundsätzlich erlaubt, wenn allein die Höhe der Forderung im Streit steht (Fortführung Senatsurteil vom 31. Januar 2012, VI ZR 143/11, BGHZ 192, 270 Rn. 7 ff.).

  3.  Ansatzpunkt für die bei einem Formularvertrag gebotene objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierenden Auslegung ist in erster Linie der Vertragswortlaut (Anschluss BGH, Urteil vom 20. Januar 2016, VIII ZR 152/15, NJW-RR 2016, 526 Rn. 18).

AG Kassel v. 14.05.2021:
Nach den Grundsätzen der Vorteilsanrechnung kann der Schädiger bzw. der hinter ihm stehende Haftpflichtversicherer die Abtretung der Ansprüche des Geschädigten aus dem Unfall gemäß § 255 BGB in analoger Anwendung verlangen, um der Gefahr zu begegnen, dass im Zuge der Schadensregulierung eine den Wertungen des Schadensrechts fremde ungerechtfertigte Bereicherung durch den Schadensausgleich entsteht (BGHZ 63, 182, 187; OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.06.2008 – 1 U 246/07 m.w.N., zit. n. juris; LG Saarbrücken, Urteil vom 19.10.2012 – 13 S 38/12, zit. n. juris). Insofern hat er die gleiche Rechtsstellung, als wenn er die Reparatur gemäß § 249 Abs. 1 BGB selbst in Auftrag gegeben hätte (LG Hamburg Urt. v. 4.6.2013 – 302 O 92/11, BeckRS 2014, 01082, beck-online). - Auf Antrag ist Zug um Zug gegen Abtretung der Ansiprüche des Geschädigten zu verutrteiilen mit der Folge der Kostenteilung bei Verweigerung der Abtretung.

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Klausel in den AGB des Sachverständigen:


BGH v. 17.07.2018:
Eine in einem Vertrag über die Erstellung eines Kfz-Schadensgutachtens enthaltene formularmäßige Klausel, nach der der geschädigte Auftraggeber dem Sachverständigen in Bezug auf dessen Honoraranspruch "zur Sicherung" und "erfüllungshalber" seinen auf Ersatz der Sachverständigenkosten gerichteten Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger abtritt, ist (jedenfalls dann) wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, wenn die Klausel zugleich die Regelung vorsieht

   "Durch diese Abtretung werden die Ansprüche des Sachverständigen aus diesem Vertrag gegen mich [geschädigter Auftraggeber] nicht berührt. Diese können nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung bei der gegnerischen Versicherung oder dem Schädiger zu jeder Zeit gegen mich geltend gemacht werden. Im Gegenzug verzichtet der Sachverständige dann jedoch Zug um Zug gegen Erfüllung auf die Rechte aus der Abtretung gegenüber den Anspruchsgegnern."

und auf demselben Formular eine Weiterabtretung des Schadensersatzanspruchs vom Sachverständigen an einen Dritten (hier: zu Inkassodienstleistungen berechtigte Verrechnungsstelle) vorgesehen ist.

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Abtretung der SV-Kosten an ein Factoring-Unternehmen:


BGH v. 21.10.2014:
Die Abtretung einer Forderung (hier: des durch einen Verkehrsunfall Geschädigten auf Erstattung von Sachverständigenkosten) durch einen Sachverständigen an ein Factoring-Unternehmen, das nicht über eine Registrierung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG verfügt, ist wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 RDG in Verbindung mit § 3 RDG gemäß § 134 BGB nichtig, wenn das Factoring-Unternehmen nicht das volle wirtschaftliche Risiko der Beitreibung der Forderung übernimmt.

BGH v. 05.06.2018:
Legt der Geschädigte oder der an seine Stelle getretene Zessionar lediglich die unbeglichene Rechnung über die Sachverständigenkosten vor, genügt ein einfaches Bestreiten der Schadenshöhe durch den beklagten Schädiger oder Haftpflichtversicherer, wenn nicht der Geschädigte oder der Zessionar andere konkrete Anhaltspunkte für den erforderlichen Herstellungsaufwand unter Berücksichtigung der speziellen Situation des Geschädigten beibringt.

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