Für die Auszahlung der Versicherungsleistung seitens der Fahrzeugversicherung sind zwei Voraussetzungen nötig: Zum einen müssen alle Arbeiten ausgeführt sein, die technisch erforderlich sind, um die Unfallschäden zu beseitigen. Vollständig ist eine Reparatur dann, wenn das Fahrzeug technisch vollständig instand gesetzt, mithin also fahrtüchtig und unfallsicher ist, und eine weitere Reparatur aus technischer Sicht nicht erforderlich ist. Zum anderen müssen die tatsächlichen Kosten der Reparatur die Versicherungsleistung erreichen.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten um Leistungen einer Kaskoversicherung.
Am 24 Juli 2007 hatte die Klägerin mit dem bei der Beklagten kaskoversicherten Fahrzeug der Marke BMW mit dem amtlichen Kennzeichen ... einen Verkehrsunfall. Versicherungsnehmer war der Vater der Klägerin. Er hat das Fahrzeug am 29. Juni 2008 der Klägerin übertragen und ihr gleichzeitig sämtliche Ansprüche aus der bestehenden Kaskoversicherung abgetreten. Der Sachverständige schätzte die erforderlichen Reparaturkosten auf 19.731,09 €. Der Restwert des Fahrzeugs betrug 9.390 €, der Wiederbeschaffungswert zum Zeitpunkt des Unfalls 16.750 €. Am 23. November 2007 ließ der Vater der Klägerin das Fahrzeug reparieren (Rechnung Fa. Ö. v. 23. Nov. 2007). Die Reparatur war unvollständig und teilweise mangelhaft. Nachdem die Parteien über die Höhe der Versicherungsleistungen verhandelten, ließ die Klägerin das Fahrzeug im Februar 2009 erneut reparieren (Rechnung Fa. A.). Die Reparaturarbeiten sind abgeschlossen.
Im März 2009 besichtigte der Sachverständige der Beklagten das Fahrzeug. Er stellte fest, dass die Reparaturkosten zur Wiederherstellung erforderlich und angemessen waren. Eine sach- und fachgerechte Reparatur wie sie im ursprünglichen Gutachten Horst v. 27. Juli 2007 vorgesehen war, sei aus rein technischer und auch wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht mehr möglich (Bericht v. 13. März 2009). Er hat gemeint, dass eine vollständige Reparatur auch einen Austausch der Radhäuser erforderlich gemacht hätte. Dies ist aufgrund der inzwischen durchgeführten Reparatur nur noch unter hohem wirtschaftlichen Aufwand möglich. Das Fahrzeug ist jedoch fahrbereit, fahrtüchtig und unfallsicher. Die Klägerin hat für die Reparaturarbeiten - soweit sie erforderlich und angemessen waren - insgesamt 17.805,24 € gezahlt. Die Beklagte hat hierauf insgesamt 7.060 € erstattet und dabei den Selbstbehalt der Klägerin von 300 € berücksichtigt.
Die Klägerin hat gemeint, ihr stünde ein Anspruch auf Auszahlung der restlichen Kaskoversicherung bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes gemäß § 13 Abs. 5 Satz 1 AKB zu. Die Reparatur sei vollständig ausgeführt. Die Beklagte müsse daher auch den Restwert des Fahrzeuges erstatten. § 13 Abs. 5 Satz 2 AKB sei nicht einschlägig. Der Anspruch sei fällig, weil sowohl die Höhe des Schadens als auch der Umfang der Reparatur unstreitig seien.
Die Beklagte hat eingewandt, der Anspruch sei schon nicht fällig. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des Schadens entscheide gemäß § 14 AKB ein Sachverständigenausschuss. Dieses Verfahren habe die Klägerin nicht durchgeführt. Im übrigen sei das Fahrzeug bis heute nicht vollständig repariert. Daher könne die Beklagte gemäß § 13 Abs. 5 Satz 2 AKB den Restwert des Fahrzeuges abziehen.
Das Landgericht hat die Klage als derzeit nicht fällig abgewiesen. Die Parteien stritten um die Höhe des Restwertes. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des Schadens entscheide gemäß § 14 Abs. 1 AKB jedoch ein Sachverständigenausschuss. Solange dieser nicht angerufen worden sei, sei die Leistung nicht fällig.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie weist daraufhin, dass Schaden und Restwert unstreitig seien. Sie habe das Fahrzeug auch vollständig repariert und dieses nachgewiesen. Eine weitere Reparatur sei technisch und wirtschaftlich nicht mehr möglich. § 13 Abs. 5 Satz 2 AKB wolle lediglich verhindern, dass der Versicherungsnehmer mehr als seinen konkreten Schaden ersetzt erhält.
Die Klägerin beantragt,das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 24. Februar 2010 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 9.390,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten Basiszinssatz seit 14. März 2009 zu bezahlen;Die Beklagte beantragt,
hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, gem. § 18 Ziff. 1 und Ziff. 5 AKB die Reparaturkosten der Klägerin aus dem Unfall am 24. Juli 2007 ohne Anrechnung des Restwertes in Höhe des Wiederbeschaffungswertes abzurechnen.die Berufung zurückzuweisen.Sie meint, dass Streit um die Schadenshöhe bestehe, weil die Klägerin die Abrechnung der Beklagten als unzutreffend beanstandet habe. Im übrigen bestehe Streit über den Umfang der erforderlichen Wiederherstellungsarbeiten. Schließlich sei die Reparatur noch nicht abgeschlossen.
II.
Die Berufung ist zulässig und bis auf die außergerichtlichen Anwaltskosten begründet.
1) Die Klägerin kann von der Beklagten weitere 9.390 € verlangen.
Dies richtet sich nach § 13 Nr. 5 AKB. Die Bedingung lautet in der vereinbarten Fassung:"In allen sonstigen Fällen der Beschädigung des Fahrzeugs ersetzt der Versicherer bis zu dem nach den Absätzen 1 bis 3 b sich ergebenden Betrag die erforderlichen Kosten der Wiederherstellung und die hierfür notwendigen einfachen Fracht- und sonstigen Transportkosten [...]. Im Falle der nicht bzw. nicht vollständig ausgeführten Reparatur ersetzt der Versicherer die geschätzten Kosten bis zur Höhe des um den Restwert des beschädigten Fahrzeugs verminderten Wiederbeschaffungswertes. Entsprechendes gilt bei Zerstörung, Verlust oder Beschädigung von Teilen des Fahrzeugs."a) Im Streitfall sind die Voraussetzungen des § 13 Nr. 5 Satz 1 AKB erfüllt. Die Klägerin hat das Fahrzeug reparieren lassen; die hierfür erforderlichen und von der Klägerin bezahlten Kosten belaufen sich unstreitig auf 17.805,24 € einschließlich Umsatzsteuer. Der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs - der nach § 13 Nr. 1 AKB die Höchstgrenze der Ersatzpflicht bestimmt - beträgt unstreitig 16.750 € einschließlich Umsatzsteuer. Da die Klägerin entsprechende Reparaturkostenrechnungen vorgelegt hat, kann sie auch die Umsatzsteuer erstattet verlangen (§ 13 Nr. 5a der vereinbarten AKB). Damit ergibt sich folgende Abrechnung:
Tatsächliche Reparaturkosten: 17.805,24 € Höchstbetrag der Erstattung gemäß § 13 Nr. 1, 5 AKB: 16.750,00 € Abzüglich vereinbarter Selbstbehalt: ./. 300,00 € Abzüglich bereits erbrachte Leistungen: ./. 7.060,00 € Offener Restbetrag: 9.390,00 €
b) § 13 Nr. 5 Satz 2 AKB ist nicht einschlägig.
Die entsprechende Klausel ist allerdings zweifellos wirksam (vgl. nur OLG Frankfurt/M, VersR 2000, 1010). Sie bestimmt den Umfang der vertraglichen Leistungspflicht in den Fällen, in denen das Fahrzeug nicht oder nicht vollständig repariert worden ist. Im Streitfall hat die Klägerin das Fahrzeug aber vollständig reparieren lassen.
Unstreitig ist eine weitere Reparatur des Fahrzeugs aus technischer und wirtschaftlicher Sicht nicht mehr möglich. Die Klägerin hat - insoweit unwidersprochen - behauptet, der Sachverständige habe die Reparatur für abgeschlossen gehalten. Das Fahrzeug sei auch fahrbereit, fahrtüchtig und unfallsicher. Lediglich im äußersten Extremfall eines Frontalzusammenstoßes könne möglicherweise die Knautsch-Zone nicht mehr die volle Wirkung entfalten; dies führe aber lediglich zu einem vernachlässigbaren Risiko (Schreiben v. 24. April 2009). Dies beruhe darauf, dass die Radhäuser nicht ausgetauscht worden seien. Insoweit sei die erste Reparatur durch die Fa. Ö. mangelhaft gewesen. Es sei aber unwirtschaftlich und aus technischer Sicht nicht notwendig, den Austausch der Radhäuser nunmehr nachzuholen (aaO.). Diesen Vortrag hat die Beklagte nicht bestritten. Sie hat lediglich geltend gemacht, das Fahrzeug sei nicht vollständig repariert und hierzu Sachverständigenbeweis angeboten (Schriftsatz v. 13. Aug. 2009, S. 2).
Die - nicht in allen AKB enthaltene - Klausel betrifft vor allem die fiktive Abrechnung von Kraftfahrzeugschäden. Sie entspricht dem Grundgedanken, dass der Versicherungsnehmer in der Kaskoversicherung nur den tatsächlich erlittenen Schaden ersetzt erhalten soll (Meineke, in: Stiefel/Hofmann, AKB 18. Aufl. 2010, AKB A.2.7. Rn. 11; vgl. auch Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. 2010, A.2.6 ff. AKB Rn. 19). Mit der Klausel soll aus der maßgeblichen Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers lediglich verhindert werden, dass er sich an einem Unfall bereichert. Mithin kommt es für die Frage der "vollständigen" Reparatur im Sinne des § 13 Nr. 5 Satz 2 AKB entscheidend auf zwei Gesichtspunkte an: Zum einen müssen alle Arbeiten ausgeführt sein, die technisch erforderlich sind, um die Unfallschäden zu beseitigen; ob weitere Arbeiten technisch möglich sind, ist unerheblich. Vollständig ist eine Reparatur daher dann, wenn das Fahrzeug technisch vollständig instand gesetzt, mithin also fahrtüchtig und unfallsicher ist, und eine weitere Reparatur aus technischer Sicht nicht erforderlich ist (vgl. auch für den - wenngleich anders gelagerten - Schadensersatzanspruch BGHZ 154, 395 ff. zur Schadensberechnung anhand des Wiederbeschaffungswertes bei Billigreparatur). Zum anderen müssen die tatsächlichen Kosten der Reparatur die Versicherungsleistung erreichen. Beide Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Dies gilt zumindest dann, wenn - wie im Streitfall - sämtliche notwendigen Reparaturmaßnahmen durchgeführt sind, die Reparatur sich jedoch in einem Punkt als mangelhaft bzw. unvollständig erweist, sofern eine weitere Reparatur aus technischer Sicht nicht notwendig ist und wirtschaftlich außer Verhältnis zu den durch eine weitere Reparatur erzielbaren Vorteilen steht.
2) Der Anspruch der Klägerin ist fällig. § 14 Nr. 1 AKB ist schon deshalb nicht einschlägig, weil weder über die Höhe des Schadens noch hinsichtlich des Wiederbeschaffungswertes noch über den Umfang der erforderlichen Wiederherstellungsarbeiten Streit zwischen den Parteien besteht. Auch der Restwert des Fahrzeugs ist außer Streit.
3) Die Zinsforderung ergibt sich aus Verzug, der allerdings erst mit der Mahnung durch Anwaltsschreiben vom 24. April 2009 zum 15. Mai 2009 eingetreten ist. Außergerichtliche Anwaltskosten kann die Klägerin nicht erstattet verlangen, weil die Forderung erst mit der vollständigen Reparatur im Februar 2009 fällig wurde; einen Nachweis hat die Klägerin zudem erst durch das Anwaltsschreiben vom 24. April 2009 erbracht. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin ihre Prozessbevollmächtigten schon längst mit der Anspruchsdurchsetzung mandatiert, so dass es an einem Anspruchsgrund fehlt.
4) Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.