Das Verkehrslexikon

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Gemeinsame Betriebsstätte - Arbeitsunfall

Gemeinsame Betriebsstätte / Arbeitsunfall / Haftungsbeschränkungen




Gliederung:


-   Einleitung
-   Allgemeines
-   Verfassungsrecht
-   Zum Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte
-   Kasernengelände
-   Sonstige Themenbereiche



Einleitung:


Da Betriebsgelände häufig sehr groß und ähnlich ausgebaut sind wie der öffentliche Straßenraum, können dort nicht ohne weiteres die selben Sorgfaltsmaßstäbe gelten wie auf Parkplätzen und in Parkhäusern, so dass beispielsweise die einzuhaltende Geschwindigkeit nicht auf Schrittempo oder 10 km/h begrenzt sein muss.


Der BGH (Urteil vom 22.01.2013 - VI ZR 175/11) hat zum Bewertung eines Tätigkeitsgeländes als "gemeinsame Betriebsstätte" ausgeführt:

   "Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats erfasst der Begriff der "gemeinsamen Betriebsstätte" betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, dass die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt. Erforderlich ist ein bewusstes Miteinander im Betriebsablauf, das sich zumindest tatsächlich als ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken mehrerer Unternehmen darstellt. Die Tätigkeit der Mitwirkenden muss im faktischen Miteinander der Beteiligten aufeinander bezogen, miteinander verknüpft oder auf gegenseitige Ergänzung oder Unterstützung ausgerichtet sein (vgl. Senatsurteile vom 17. Oktober 2000 - VI ZR 67/00, BGHZ 145, 331, 336; vom 24. Juni 2003 - VI ZR 434/01, BGHZ 155, 205, 207 f.; vom 16. Dezember 2003 - VI ZR 103/03, BGHZ 157, 213, 216 f.; vom 17. Juni 2008 - VI ZR 257/06, BGHZ 177, 97 Rn. 19; vom 1. Februar 2011 - VI ZR 227/09, VersR 2011, 500 Rn. 7; vom 10. Mai 2011 - VI ZR 152/10, VersR 2011, 882 Rn. 12). § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII ist nicht schon dann anwendbar, wenn Versicherte zweier Unternehmen auf derselben Betriebsstätte aufeinander treffen. Eine "gemeinsame" Betriebsstätte ist nach allgemeinem Verständnis mehr als "dieselbe" Betriebsstätte; das bloße Zusammentreffen von Risikosphären mehrerer Unternehmen erfüllt den Tatbestand der Norm nicht. Parallele Tätigkeiten, die sich beziehungslos nebeneinander vollziehen, genügen ebensowenig wie eine bloße Arbeitsberührung. Erforderlich ist vielmehr eine gewisse Verbindung zwischen den Tätigkeiten als solchen in der konkreten Unfallsituation, die eine Bewertung als "gemeinsame" Betriebsstätte rechtfertigt (vgl. Senatsurteile vom 23. Januar 2001 - VI ZR 70/00, VersR 2001, 372, 373; vom 14. September 2004 - VI ZR 32/04, VersR 2004, 1604 f.; vom 8. Juni 2010 - VI ZR 147/09, VersR 2010, 1190 Rn. 14; vom 1. Februar 2011 - VI ZR 227/09, aaO; vom 10. Mai 2011 - VI ZR 152/10, aaO; vom 11. Oktober 2011 - VI ZR 248/10, VersR 2011, 1567 Rn. 9)."

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Allgemeines:


Stichwörter zum Thema Parken

Haftungsbeschränkung bei Wegeunfällen

Unfälle auf Betriebs- und Werksgelände

Betriebsweg - Werksverkehr - gemeinsame Betriebsstätte - Haftungsprivileg des Unternehmers

OLG Frankfurt am Main v. 19.11.2018:
Als betriebliche Tätigkeit des Schädigers ist grundsätzlich jede gegen Arbeitsunfall versicherte Tätigkeit zu qualifizieren, wobei es auf eine unmittelbar mit dem Zweck der betrieblichen Beschäftigung zusammenhängende und dem Betrieb dienende Tätigkeit ankommt.

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Verfassungsrecht:


OLG Frankfurt am Main v. 19.11.2018:
Die Verlagerung des Schadensausgleichs bei Arbeitsunfällen aus dem individualrechtlichen in den sozialrechtlichen Bereich dient trotz der Freistellung der zivilrechtlichen Haftung des Unternehmers sowie des Mitarbeiters gerade auch dem Schutz des Geschädigten durch Einräumung eines vom Verschulden unabhängigen Anspruchs gegenüber einem leistungsfähigen Schuldner und stellt damit einen gerechten Ausgleich der Gefahrengemeinschaft dar.

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Zum Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte:


OLG Stuttgart v. 14.10.2004:
Der Haftungsausschluss nach § 106 Abs. 3 3. Alt. SGB VII (gemeinsame Betriebsstätte) beruht auf dem Gedanken der sog. Gefahrengemeinschaft. Eine solche besteht typischerweise nicht zwischen Fahrer und Beifahrer eines im Straßenverkehr genutzten Fahrzeugs, da allein der Beifahrer dem Risiko ausgesetzt ist, durch das Fahrverhalten des Fahrers zu Schaden zu kommen.

BGH v. 16.12.2004:
Eine gemeinsame Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII setzt wechselseitig aufeinander bezogene betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen voraus. Ein lediglich einseitiger Bezug reicht nicht aus (Gerüstbau- und Dachdeckerfirma).

OLG Bremen v. 21.11.2006:
Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des BGH erfasst der Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte über die Fälle der Arbeitsgemeinschaft hinaus betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinander greifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen. Dabei reicht es aus, dass die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt.

BGH v. 22.01.2008:
Ein Bauarbeiter und ein mit der Sicherung der Arbeiten beauftragter Arbeitnehmer eines anderen Unternehmens können auf einer gemeinsamen Betriebsstätte tätig sein.

BGH v. 08.06.2010:
Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats erfasst der Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinander greifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, dass die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt. Allein die räumliche Nähe der voneinander unabhängigen Tätigkeiten der Beteiligten auf derselben Betriebsstätte reicht hierzu nicht aus.

BGH v. 01.02.2011:
Erleidet ein bei einem Drittunternehmen angestellter Testfahrer vor Beginn seiner Tätigkeit auf dem Versuchsgelände eines Automobilherstellers einen Glatteisunfall, ist eine Haftung nicht wegen des Vorliegens einer gemeinsamen Betriebsstätte zwischen dem Geschädigten und Mitarbeitern des Automobilherstellers oder des von ihm beauftragten Winterdienstes ausgeschlossen.

BGH v. 10.05.2011:
Der Mitarbeiter eines Baumarkts, der gekaufte Ware mit einem Gabelstapler aus dem Lager in den Bereich der Ladezone transportiert und dort zur Verladung durch den Käufer bereit stellt, verrichtet seine Tätigkeit nicht notwendigerweise auf einer "gemeinsamen Betriebsstätte" mit dem Arbeitnehmer des Käufers, der die Ware mit einem Transportfahrzeug abholen soll.

BGH v. 11.10.2011:
Zur Anwendung des Haftungsprivilegs bei Arbeitsunfällen auf einer gemeinsamen Betriebsstätte

BGH v. 22.01.2013:
Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats erfasst der Begriff der "gemeinsamen Betriebsstätte" betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, dass die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt. Eine "gemeinsame" Betriebsstätte ist nach allgemeinem Verständnis mehr als "dieselbe" Betriebsstätte; das bloße Zusammentreffen von Risikosphären mehrerer Unternehmen erfüllt den Tatbestand der Norm nicht. Parallele Tätigkeiten, die sich beziehungslos nebeneinander vollziehen, genügen ebensowenig wie eine bloße Arbeitsberührung. Erforderlich ist vielmehr eine gewisse Verbindung zwischen den Tätigkeiten als solchen in der konkreten Unfallsituation, die eine Bewertung als "gemeinsame" Betriebsstätte rechtfertigt.

BGH v. 30.04.2013:
Zum Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII. Diente die Tätigkeit des Schädigers sowohl dem Interesse des Unfallbetriebs als auch dem seines eigenen bzw. seines Stammunternehmens, kann sie dem Unfallbetrieb nur dann im Sinne des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII zugeordnet werden, wenn sie der Sache nach für diesen und nicht für das eigene Unternehmen geleistet wurde.

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Kasernengelände:


OLG Oldenburg v. 21.03.2012:
Auch nach § 46 Abs. 2 BeamtVG in der Fassung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes bleibt ein Regress des Dienstherrn gegen einen anderen öffentlich-rechtlich Bediensteten möglich (hier: Verkehrsunfall auf einem Kasernengelände). Der Halter des unfallverursachenden Fahrzeugs, der nicht im öffentlichen Dienst tätig ist, ist eine andere Person im Sinne von § 46 Abs. 3 BeamtVG, auch wenn der Fahrer öffentlich-rechtlich Bediensteter (hier: Soldat) ist.

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Sonstige Themenbereiche:


Arbeitsrecht und Verkehrsrecht

Haftungsbeschränkungen im Sozialrecht

Gestörtes Gesamtschuldverhältnis

Parkplatz- und Parkhausunfälle

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