- Wird in einem Rechtsstreit in II. Instanz, in dem zunächst die mündliche Verhandlung vorgesehen war, durch Abschluss eines schriftlichen Vergleichs gemäß § 278 Abs. 6 ZPO auf die mündliche Verhandlung verzichtet, so fällt nach Nr. 3202 Abs. 1 i.V.m. Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV eine Terminsgebühr an. Die Terminsgebühr gehört auch dann zu den "Kosten des Rechtsstreits", wenn in dem Vergleich ein bisher nicht rechtshängiger Anspruch einbezogen wird.
- Treffen die Prozessparteien in einem Vergleich eine Kostenregelung hinsichtlich der " Kosten des Rechtsstreits" einerseits und der "Vergleichsgebühr" andererseits, so bezieht sich die letztgenannte Bestimmung bei Fehlen abweichender Anhaltspunkte auf die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 RVG-VV.
Gründe:
I.
Durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.04.2010 hat die Rechtspflegerin die von der Beklagten an die Klägerin für die zweite Instanz zu erstattenden Kosten auf 1.828,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.12.2009 auf einen Betrag von 730,60 EUR und seit dem 15.01.2010 auf einen Betrag von 1.098,20 EUR festgesetzt.
Der Kostenerstattung liegt ein Prozessvergleich zugrunde, dessen Zustandekommen der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts durch Beschluss vom 26.11.2009 gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt hat. In dem Vergleich haben sich die Parteien sowohl über die in dem Rechtsstreit geltendgemachte Klageforderung in Höhe von 20.880,00 EUR (Lizenzgebühren für 2006) als auch über bis dahin nicht rechtshängige Ansprüche in Höhe von 42.820,00 EUR (Lizenzgebühren für 2007 und 2008) verständigt. Hinsichtlich der Kosten heißt es unter anderem in Ziff. 2 Satz 2 des Vergleichs:„Die Kosten für das Berufungsverfahren trägt die Beklagte und Berufungsklägerin, mit Ausnahme der Vergleichsgebühr, diese trägt jede Partei selbst.“In Anbetracht dieser Kostenregelung hat die Rechtspflegerin bei der Festsetzung lediglich eine Verfahrens- sowie eine Terminsgebühr nach einem Gegenstandswert von 20.880,00 EUR berücksichtigt und die Erstattung darüber hinausgehender Gebühren nach einem Gegenstandwert von insgesamt 63.700,00 EUR abgelehnt.
Gegen diesen ihr am 26.04.2010 zugestellten Beschluss hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 27.04.2010, der am 04.05.2010 beim Landgericht eingegangen ist, sofortige Beschwerde eingelegt. Sie hat, entsprechend ihrem Schriftsatz vom 14.01.2010, die Festsetzung von der Beklagten zu erstattender Kosten in Höhe von insgesamt 3.164,30 EUR begehrt. Die Rechtspflegerin hat in ihrem Beschluss vom 02.06.2010 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 103 Abs. 3 S. 1 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattende 1,6 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3200 VV RVG und die 1,2 Terminsgebühr gemäß Nr. 3202 VV RVG berechnen sich jeweils nach einem Gegenstandswert von 63.700,00 EUR, so dass zugunsten der Klägerin eine Erstattungsforderung in Höhe von insgesamt (1.796,80 + 1.347,50 + 20,00 =) 3.164,30 EUR festzusetzen ist.
1. Der Ermittlung sowohl der Verfahrensgebühr als auch der Terminsgebühr zweiter Instanz ist auf Seiten der Klägerin nicht nur der Streitwert für das Berufungsverfahren in Höhe von 20.880,00 EUR zugrunde zu legen. Maßgebend ist vielmehr der vom 10. Zivilsenat durch Beschluss vom 04.01.2009 - richtig: 04.01.2010 - festgesetzte Gegenstandswert des Prozessvergleichs von 63.700,00 EUR.
a) Die Verfahrensgebühr entsteht nach Vorbemerkung 3 Abs. 2 zu VV RVG für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Wenn – wie im vorliegenden Fall – Einigungsgespräche (auch) über Ansprüche stattfinden, die nicht Gegenstand eines laufenden oder beabsichtigten Verfahrens sind, ist die Abgrenzung zwischen der Erteilung eines gerichtlichen und der Erteilung eines außergerichtlichen Auftrages von entscheidender Bedeutung. Für einen Verfahrensauftrag genügt es, dass auch über nirgendwo rechtshängige Ansprüche eine Einigung erreicht werden soll, wenn nur von vornherein die Absicht besteht, diese im Erfolgsfall bei Gericht protokollieren oder gemäß § 278 Abs. 6 ZPO feststellen zu lassen (s. Müller-Rabe in Gerold/ Schmidt, RVG, 19. Aufl., 3100 VV, Rdn. 20; Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl, VV 3100, Rdn. 45; vgl. auch OLG Bremen, Beschluss v. 25.03.2003 - Az.: 3 W 7/03 -, MDR 2003, 1142, 1143). So hat es sich hier mit den Ansprüchen auf Lizenzgebühren für die Jahre 2007 und 2008 verhalten, deren sich die Klägerin gegenüber der Beklagten im Umfang von insgesamt 42.820,00 EUR berühmt hat und die - neben den im vorliegenden Rechtsstreit geltendgemachten Lizenzgebühren für das Jahr 2006 - in den am 26.11.2009 festgestellten Prozessvergleich mit einbezogen worden sind.
b) Auch die Terminsgebühr gemäß Nr. 3202 VV RVG haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin verdient. Das ergibt sich aus Nr. 3104 Abs. 1 Ziff. 1 VV RVG, auf die Nr. 3202 Abs. 1 VV RVG ausdrücklich verweist. Eine Terminsgebühr fällt aufgrund dieser Bestimmung immer dann an, wenn ein schriftlicher Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen wird, und zwar unabhängig davon, ob dies im Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO oder § 495 a ZPO geschieht oder die Parteien in einem Verfahren, in dem zunächst die mündliche Verhandlung vorgesehen war, durch Abschluss eines schriftlichen Vergleichs auf die mündliche Verhandlung verzichten (BGH, Beschluss v. 03.07.2006 – Az.: II ZB 31/05 -, NJW-RR 2006, 1507 f.; BGH, Beschluss v. 22.02.2007 – Az.: VII ZB 101/06 -, NJW-RR 2007, 1149 ff.). Das gilt auch insoweit, als in den Vergleich bisher nicht rechtshängige Ansprüche einbezogen werden (s. Müller-Rabe in Gerold/ Schmidt, a.a.O., VV 3104, Rdn. 64; Hartmann, a.a.O., VV 3104, Rdn. 30 a.E.).
2. Die auf Seiten der Klägerin entstandenen Verfahrens- und Terminsgebühren gehören - im Sinne des von den Parteien geschlossenen Prozessvergleichs - auch insoweit zu den „Kosten für das Berufungsverfahren“, als sie sich auf bis dahin nicht rechtshängige Forderungen (Lizenzgebühren für 2007 und 2008) beziehen. Sie sind daher nach Ziff. 2 Satz 2 des Vergleichs in vollem Umfange durch die Beklagte zu erstatten.
a) Welche Kosten die Parteien in dem Vergleich von der Kostentragungspflicht der Beklagten ausgenommen haben, ist durch Auslegung zu ermitteln. Ein Rückgriff auf § 98 ZPO scheidet im Hinblick auf die getroffene Kostenvereinbarung aus. Dies gilt auch, wenn die Parteien den Anfall der Verfahrens- und/oder Terminsgebühr bei Abschluss des Vergleichs nicht bedacht haben sollten. Auch in diesem Fall hätten sie die Kostentragung abschließend geregelt und nicht etwa – wie dies § 98 ZPO voraussetzt – einen Gebührentatbestand ausgenommen (s. BGH, Beschluss v. 22.02.2007 – Az.: VII ZB 101/06 -, NJW-RR 2007, 1149 ff.).
b) Eine Einigung der Parteien in einem Vergleich, wonach eine Partei die Kosten des Rechtsstreits, nicht jedoch die Kosten des Vergleichs zu tragen hat, ist regelmäßig dahin auszulegen, dass die Terminsgebühr zu den Kosten des Rechtsstreits gehört (so ausdrücklich BGH a.a.O.). Denn die Terminsgebühr entsteht auch bei einer auf Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts. Nach Vorbem. 3 Abs. 3 der VV RVG setzt der Gebührentatbestand nicht voraus, dass diese auf Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung erfolgreich ist. Die Terminsgebühr fällt also bei entsprechenden Verhandlungen der Parteien unabhängig von einem Vergleichsabschluss an (so BGH a.a.O.). Gleiches muss, im Hinblick auf die oben unter 1. a) dargestellten Entstehungsvoraussetzungen, erst recht für die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3200 VV RVG gelten.
c) Im vorliegenden Fall sind keine Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung des durch Beschluss vom 26.11.2009 festgestellten Prozessvergleichs ersichtlich. Vielmehr ist in Ziff. 2 Satz 2 des Vergleichs ausdrücklich geregelt, dass – nur – die Vergleichs„gebühr“ von jeder Partei selbst getragen wird. Mit der Verwendung des Begriffs der Vergleichsgebühr haben die Parteien offenkundig auf die Gebühr gemäß Nr. 1000 VV RVG Bezug nehmen, nicht aber weitere im Zusammenhang mit dem Vergleichsabschluss stehende Gebühren (-erhöhungen) von der Erstattungspflicht ausnehmen wollen.
III.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren bestimmt sich nach §§ 47 Abs. 1 S. 1, 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.