Der Austausch anwaltlicher E-Mails zur Vermeidung oder Erledigung des gerichtlichen Verfahrens kann einer Besprechung mit derselben Zielrichtung gleichstehen und daher die Terminsgebühr auslösen.
Gründe:
Die Klägerin erwirkte gegen den Beklagten einen Vollstreckungsbescheid über 37.333,06 Euro nebst Zinsen. Nach Einspruch des Beklagten wurde die Klage geringfügig erhöht. Auch dem trat der Beklagte mit einem Klageabweisungsantrag entgegen.
Unter dem 3. Januar 2007 trafen die Parteien außergerichtlich eine schriftliche Vereinbarung, durch die der Beklagte sich verpflichtete, den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid zurückzunehmen. Außerdem versprach er der Klägerin die Zahlung weiterer 1.000 Euro. Im Gegenzug erklärte die Klägerin sich unter anderem mit Ratenzahlungen einverstanden.
Wie vereinbart nahm der Beklagte den Einspruch zurück; über den Betrag von 1.000 Euro nebst Zinsen erging ein Schlussanerkenntnisurteil. Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs hat der Beklagte zu tragen.
Die Festsetzung einer Terminsgebühr aus einem Streitwert von 38.333,06 Euro hat der Rechtspfleger mit der Begründung abgelehnt, es sei nicht zu ersehen, dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerin an der Vereinbarung vom 3. Januar 2007 mitgewirkt hätten.
Mit der sofortigen Beschwerde weist die Klägerin darauf hin, dass der Vergleich dadurch zustande gekommen ist, dass die Prozessbevollmächtigten E – Mails ausgetauscht haben, denen jeweils Entwürfe des Vergleichstextes beigefügt waren. Die Beschwerdeführerin meint, damit sei Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV zum RVG einschlägig.
Demgegenüber hat der Rechtspfleger in seiner Nichtabhilfeentscheidung gemeint, da kein gerichtlich protokollierter Vergleich vorliege (§ 278 Abs. 6 ZPO), sei eine Terminsgebühr nicht entstanden.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit Erfolg. Auf den Streit, ob hier Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV zum RVG einschlägig ist, kommt es nicht an. Im vorliegenden Fall haben die Prozessbevollmächtigten die Terminsgebühr aus dem vollen Streitwert nach Absatz 3 der Vorbemerkung 3 zu 3100 ff VV/ RVG verdient. Dort ist bestimmt, dass die anwaltliche Terminsgebühr auch entsteht bei Mitwirkung an Besprechungen, die auf Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind.
Allerdings weist der vorliegende Sachverhalt die Besonderheit auf, dass die beteiligten Rechtsanwälte im Vorfeld der Vergleichsvereinbarung nicht miteinander gesprochen, sondern E-Mails ausgetauscht haben. Es liegt auf den ersten Blick nahe, dies einer Besprechung nicht gleichzustellen. Damit würde man der Intention jedoch nicht gerecht, die den RVG - Gesetzgeber bewogen hat, anstelle der früheren Erörterungsgebühr die Terminsgebühr auch für anwaltliche Besprechungen zuzubilligen, die auf Verfahrensvermeidung oder –erledigung zielen. Mit der Ausweitung des Gebührentatbestandes der Terminsgebühr gegenüber der Erörterungsgebühr wollte der Gesetzgeber - auch im Interesse der Entlastung der Gerichte - die nach früherem Recht geübte Praxis vermeiden, einen von den Parteien bereits ausgehandelten Vergleich in einem gerichtlichen Verhandlungstermin erst nach "Erörterung der Sach- und Rechtslage" protokollieren zu lassen, um eine Erörterungsgebühr auszulösen. Es ist nicht zu ersehen, dass der RVG - Gesetzgeber dabei das Wort "Besprechung" gebraucht hat, um damit jede andere Form des anwaltlichen Meinungsaustausches auszuschließen. Nach Auffassung des Senats ist eine erweiternde teleologische Auslegung des Gesetzes geboten. Der auf Verfahrensvermeidung oder –erledigung zielende Austausch von E-Mails erfordert in der Regel größeren anwaltlichen Arbeitsaufwand als ein Gespräch. Der Text der Mails ist im Allgemeinen verlässlicher als das gesprochene Wort. Demzufolge besteht keine sachliche Rechtfertigung, der allein maßgeblichen Zielrichtung des anwaltlichen Meinungsaustausches die Honorierung zu versagen mit dem Hinweis, nur die (einfachere) Besprechung könne die Terminsgebühr auslösen. Sähe man das anders, würden anwaltliche E-Mails in derartigen Fällen alsbald mit der wechselseitigen Bitte schließen, zum "Ausschluss letzter Zweifelsfragen" wolle man auch noch kurz miteinander telefonieren. Dem Senat erschließt sich nicht, welcher Sachgrund es rechtfertigen könnte, die gebotene Honorierung der (zuvor geleisteten) anwaltlichen Tätigkeit allein von einem derartigen "Gebührenanruf" abhängig zu machen.
Nach alledem ist hier die Terminsgebühr durch den Austausch der E-Mails entstanden und aus dem vollen Wert antragsgemäß gegen den Beklagten festzusetzen.
Da der Ausgangsbeschluss bereits aus anderen Gründen eine teilweise Ergänzung erfahren hat und das zugrunde liegende Rechenwerk damit nicht mehr ohne weiteres nachvollziehbar ist, hat der Senat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die ergänzende Festsetzung dem Rechtspfleger zu übertragen (§ 572 Abs. 3 ZPO).
Die Entscheidung zu den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.