§ 828 BGB privilegiert lediglich Kinder im Alter bis zu 10 Jahren. Eine weitergehende Privilegierung älterer Kinder ist durch die Novelle nicht erfolgt. Stehen auf der einen Seite ein grob fahrlässiges Verhalten des Klägers, auf der anderen Seite die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) gegenüber, tritt regelmäßig die Haftung aufgrund der reinen, nicht erhöhten Betriebsgefahr zurück. Auch nach der Neufassung des § 7 StVG ist eine andere Bewertung nicht berechtigt. Zwar ist ein Mitverschulden eines Kindes oder Jugendlichen bei der Abwägung nach § 254 BGB i.V.m. § 9 StVG in der Regel geringer zu bewerten ist als das entsprechende Mitverschulden eines Erwachsenen. Dies steht aber einem völligen Zurücktreten der Betriebsgefahr im Rahmen der nach § 254 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Abwägung nicht entgegen, wenn der kindliche Radfahrer mit hoher Geschwindigkeit die Kurve extrem geschnitten hat.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 27.5.2003, bei welchem der zum Unfallzeitpunkt 12-jährige Kläger als Fahrradfahrer mit dem vom Beklagten zu 1) gehaltenen und gesteuerten Pkw kollidierte und schwer verletzt wurde. Wegen des Unfallhergangs im einzelnen und der gesundheitlichen Folgen für den Kläger wird auf das Urteil des Landgerichts Weiden i.d.OPf. vom 5.4.2005 Bezug genommen.
Der Kläger bewertet sein Mitverschulden an dem Unfall mit 2/3 und hat in erster Instanz aus dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr des vom Beklagten zu 1) geführten Pkw Ersatz in Höhe von 1/3 seines Schadens sowie ein angemessenes Schmerzensgeld gefordert mit folgenden Anträgen:Die Beklagten haben die
- Die Beklagten zu 1) und 2) werden verurteilt, gesamtschuldnerisch an den Kläger zu Händen der gesetzlichen Vertreter ein angemessenes Schmerzensgeld wegen des Verkehrsunfalls vom 27.5.2003 zu bezahlen, dessen angemessene Höhe mit 85.000,– Euro angegeben wird und welches ab 30.5.2003 mit Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen ist.
- Die Beklagten zu 1) und 2) werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger zu Händen der gesetzlichen Vertreter 13.503,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
- Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 2) verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche weiteren materiellen Zukunftsschäden zu 33 % zu ersetzen, die diesem ab 1.1.2005 entstehen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger, übergegangen sind oder übergehen werden.
Abweisung der Klagebeantragt, insbesondere unter Hinweis darauf, dass der Unfall mit den gleichen Folgen sich auch dann ereignet hätte, wenn das Fahrzeug des Beklagten zu 1) im Kollisionszeitpunkt gestanden hätte, so dass dessen Betriebsgefahr hinter dem grob verkehrswidrigen Fahrverhalten des Klägers zurücktrete.
Das Landgericht hat im Termin vom 5.4.2005 die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Weiden i.d.OPf., AZ 4 Js 7129/03, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht und folgendes Urteil verkündet:Das Landgericht ist hierbei in Übereinstimmung mit dem Kläger davon ausgegangen, dass dieser den Unfall alleine verschuldet habe. Als 12-jähriger Radfahrer sei er in Bezug auf sein Fehlverhalten auch einsichtsfähig gewesen und müsse sich daher das Verschulden mit einem Anteil von 75 % anrechnen lassen. Die Haftung aus Betriebsgefahr des Beklagten zu 1) sei nicht ausgeschlossen, weil kein Fall höherer Gewalt vorliege. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils wird im übrigen Bezug genommen.
- Die Beklagten zu 1) und 2) werden verurteilt, gesamtschuldnerisch an den Kläger zu Händen der gesetzlichen Vertreter des Klägers 50.000,– Euro nebst 5-Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 30.5.2003 zu zahlen.
- Die Beklagten zu 1) und 2) werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger zu Händen seiner gesetzlichen Vertreter 7.166,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 3.2.2005 zu zahlen.
- Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und zu 2) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche weiteren künftigen materiellen Schäden zu 25 % zu ersetzen, die diesem ab dem 1.1.2005 entstehen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger, übergegangen sind oder übergehen werden.
- Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 3/7, die Beklagten gesamtschuldnerisch 4/7 zu tragen.
- Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten haben gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 7.4.2005 zugestellte Urteil mit am 7.5.2005 eingegangenem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 6.5.2005 Berufung eingelegt und diese mit am 7.6.2005 eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tage begründet.
Sie betonen erneut, dass der Unfall sich auch dann in gleicher Weise zugetragen hätte, wenn der Pkw des Beklagten zu 1) im Unfallzeitpunkt gestanden hätte. Die Eigengeschwindigkeit des Klägers hätte aufgrund der dadurch gegebenen Bewegungsenergie zu im wesentlichen gleichen Unfallfolgen geführt, zumal der Kläger ohne Schutzhelm gefahren sei. Auch nach neuem Recht könne hinter das Verschulden des Klägers die Betriebgefahr zurücktreten, sie habe kein höheres Gewicht als vor der Neufassung des § 7 StVG. Das habe das Landgericht nicht berücksichtigt.
Die Beklagten beantragen daher:Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Endurteil des Landgerichts Weiden vom 5.4.2005 aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen.Der Kläger beantragt,die Berufung zurückzuweisen.Darüberhinaus hat der Kläger, dessen Prozessbevollmächtigten die Berufungsbegründung der Beklagten am 9.7.2005 zugestellt wurde, mit am 6.7.2005 eingegangenem Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigen vom 5.7.2005 Anschlussberufung eingelegt mit den Anträgen:Die Beklagten beantragen hierzu:
- Unter Abänderung des Endurteil des Landgerichts Weiden, 1 O 39/05, vom 5.4.04, werden die Beklagten zu 1) und 2) verurteilt, gesamtschuldnerisch über die in Ziffer 1 des vorgenannten Urteils zuerkannten 50.000,– Euro nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 30.5.03 weitere 35.000,– Euro nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 30.5.03 zu bezahlen.
- Unter Abänderung des Endurteils des Landgerichts Weiden, 1 O 39/05, vom 5.4.05 werden die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger zu Händen seiner gesetzlichen Vertreter über die zuerkannten 7.166,88 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 3.2.05 weitere 6.336,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 3.2.05 zu bezahlen.
- Unter Abänderung des Endurteils des Landgerichts Weiden, 1 0 39/05, vom 5.4.04, wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche weiteren künftigen materiellen Schäden über die vom Erstgericht in Ziffer 3 zuerkannten 25 % zu weiteren 8 %, insgesamt also zu 33 % zu ersetzen, die diesem ab dem 1.1.05 zustehen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger, übergegangen sind oder übergehen werden.
Die unselbständige Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Weiden, 1 O 39/05, vom 5.4.2005 wird zurückgewiesen.Der Kläger meint, der Unfall wäre bei langsamer Geschwindigkeit des Beklagten zu 1) im hier nach den Umständen zulässigen Bereich von 10 bis 15 Stundenkilometern vermieden worden, weil der Kläger dann noch hätte ausweichen können. Zur Einhaltung einer langsameren Geschwindigkeit sei der Beklagte zu 1) deshalb verpflichtet gewesen, weil er als Anwohner wisse, dass in der Gegend 10 bis 15 Kinder wohnten und spielten sowie mit Fahrrädern fahren und dabei nicht unerhebliche Geschwindigkeiten erzielten. Weil im Einmündungsbereich des M in den F die Regel "rechts vor links" gelte und die Sicht verdeckt sei, sei der Beklagte zu 1) auch zu besonderer Vorsicht verpflichtet gewesen. Deshalb erscheine angesichts der hohen Betriebsgefahr des Pkw eine Mithaftungsquote von 33 % angemessen anstatt lediglich von 25 %. Zwar müsse sich der Beklagte zu 1) nicht den Vorwurf eines Mitverschuldens machen lassen, aber die Beklagte zu 2) müsse das Fehlen eines unabwendbaren Ereignisses berücksichtigen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Der Senat hat keinen Beweis erhoben.
II.
Während die zulässige Berufung begründet ist, hat die ebenfalls zulässige Anschlussberufung keinen Erfolg. Dem Kläger stehen keine Schadensersatzansprüche wegen des Verkehrsunfalls vom 27.5.2003 zu, da die gemäß § 9 StVG i.V.m. § 254 BGB vorzunehmende Abwägung ergibt, dass der Mitverursachungsanteil des Beklagten zu 1) hinter dem groben Verschulden des Klägers zurücktritt.
1. Anspruchsgrundlage ist unter dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr des Pkw des Beklagten zu 1) § 7 Abs. 1 StVG, bei der Beklagten zu 2) i.V.m. § 3 Nr. 1 PflVG, weil aufgrund der tatsächlichen Kollision zwischen dem Kläger und dem in Betrieb befindlichen Pkw des Beklagten zu 1) die Betriebsgefahr des letzteren für den Unfall mitursächlich war.
Die Beklagten können sich auch nicht nach § 7 Abs. 2 StVG – dessen Neufassung anzuwenden ist, weil der Unfallzeitpunkt nach dem 30.7.2002 liegt – entlasten, weil der Unfall nicht durch höhere Gewalt verursacht ist.
2. Ansprüche des Klägers aus § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 223, 229 StGB und aus § 18 Abs. 1 StVG scheiden aus, weil dem Beklagten zu 1) ein unfallursächliches Mitverschulden nicht nachgewiesen werden kann. Hiervon ist der Kläger selbst ausweislich des Tatbestands des Ersturteils ausgegangen. Zwar hat der Kläger im Widerspruch dazu nunmehr wiederum die Meinung vertreten, der Beklagte sei vor dem Unfall geringfügig zu schnell gefahren, worin, träfe dies zu, ein – wenn hier auch nur leichtes – Verschulden des Beklagten liegen würde.
Der Beklagte hat jedoch nicht nur unstreitig die in dem Gebiet geltende Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h eingehalten, sondern sich auch der Einmündung mit bereits deutlich herabgesetzter Geschwindigkeit genähert. Die Kollisionsstelle liegt nach dem Gutachten des Sachverständigen R, dessen Richtigkeit auch der Kläger nicht bezweifelt, nicht im Bereich des F, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit noch im Bereich des M und ganz auf der Fahrbahnseite des Beklagten zu 1) selbst.
Die Darlegungs- und Beweislast für ein (Mit) Verschulden des Beklagten zu 1) und somit dafür, dass die Kollisionsstelle im Bereich des F, also des Bereichs, auf den sich das Vorfahrtsrecht des Klägers erstreckte, träfe im übrigen den Kläger, der das jedoch nicht einmal behauptet hat.
Ginge man davon aus, dass der Beklagte zu 1) unmittelbar vor der Kollision den Pkw sogar noch zum Stillstand gebracht hätte, wäre nach dem auch insoweit überzeugenden Gutachten des Sachverständigen R der Kläger gleichwohl mit einer Eigengeschwindigkeit von über 20 km/h auf die Front des Pkw's des Beklagten zu 1) aufgefahren und hätte der Unfall damit in einer im wesentlichen gleichen Weise und mit den gleichen Folgen stattgefunden, weil der wesentliche Teil der gegebenen Bewegungsenergie, welche in Verbindung mit dem nicht getragenen Helm zu den tatsächlichen Unfallfolgen führte, von der Eigengeschwindigkeit des vom Kläger geführten Fahrrades ausging. Der Verkehrsunfall wäre also auch bei Einhalten einer niedrigeren Geschwindigkeit vor dem Unfallzeitpunkt und sogar bei einem Abbremsen des Pkw's des Beklagten zu 1) bis zum Stillstand nicht vermeidbar gewesen. Dann aber besteht kein rechtlicher Ursachenzusammenhang zwischen einer etwaigen vorherigen Geschwindigkeitsüberschreitung seitens des Beklagten zu 1) und dem Unfall (vgl. BGH NJW 2003, 1929), denn mehr als ein Abbremsen bis zum Stillstand nach Eintritt der kritischen Verkehrssituation kann vom Beklagten zu 1) in keinem Fall verlangt werden. Es bleibt dann lediglich der Umstand, dass der Beklagte zu 1) sich mit seinem Fahrzeug überhaupt an der Unfallstelle befand. Das kann ihm jedoch nicht zum Vorwurf gemacht werden. Abgesehen davon könnte für die Verursachung des Unfalls und die Beurteilung seiner Vermeidbarkeit sowie hinsichtlich der Folgen aber nicht einmal darauf abgestellt werden, dass das Fahrzeug bis zum Stillstand hätte abgebremst werden müssen. Denn die maßgebliche kritische Verkehrssituation beginnt für einen Verkehrsteilnehmer dann, wenn die ihm erkennbare Verkehrslage konkreten Anhalt dafür bietet, dass eine Gefahrensituation unmittelbar entstehen kann. Da Unfall- und möglicher Bremseinleitungszeitpunkt hier wegen der Nichterkennbarkeit des Klägers vor der Kollision für den Beklagten zu 1) zeitlich im wesentlichen zusammenfallen, müsste für die Frage der Vermeidbarkeit ein Vergleich mit der auch nach Ansicht des Klägers zulässigen geringen Geschwindigkeit vorgenommen werden, die der Kläger selbst auf etwa 10 bis 15 km/h beziffert. Konnte der Unfall aber auch bei Stillstand des Fahrzeuges des Beklagten zu 1) nicht vermieden werden, so ist dies bei einem sich mit auch nur geringer Geschwindigkeit – selbst bei einer noch geringeren als der vom Kläger für zulässig erachteten Geschwindigkeit – fortbewegenden Fahrzeug des Beklagten zu 1) um so weniger der Fall.
3. Den Kläger trifft ein grobes Eigenverschulden, hinter welchem die Betriebsgefahr des Pkw's des Beklagten zu 1) zurücktritt.
a) § 828 BGB privilegiert lediglich Kinder im Alter bis zu 10 Jahren. Eine weitergehende Privilegierung älterer Kinder ist durch die Novelle nicht erfolgt. Dementsprechend kann sich der Kläger nicht auf Haftungsprivilegierung berufen (OLG Braunschweig, NZV 1998, 27, 28; OLG Brandenburg NZV 2000, 122; OLG Schleswig NJW-RR 2003, 459, 460; AG Nordhorn DAR 2004, 98, 99).
b) Stehen auf der einen Seite ein grob fahrlässiges Verhalten des Klägers, auf der anderen Seite die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) gegenüber, tritt regelmäßig die Haftung aufgrund der reinen, nicht erhöhten Betriebsgefahr zurück. Auch nach der Neufassung des § 7 StVG ist eine andere Bewertung nicht berechtigt. Hintergrund der Normierung des Begriffes "höhere Gewalt" in § 7 Abs. 2 StVG war das Bemühen, zu verhindern, dass bei Unfällen mit Kindern, deren Verhalten oft als unabwendbares Ereignis qualifiziert werden musste, der Kraftfahrer sich von der Betriebsgefahr befreien kann, und so die Änderung des § 828 Abs. 2 BGB gar nicht zum Tragen kommt (OLG Nürnberg OLGR 2005, 84, 85).
Zwar ist ein Mitverschulden eines Kindes oder Jugendlichen bei der Abwägung nach § 254 BGB i.V.m. § 9 StVG in der Regel geringer zu bewerten ist als das entsprechende Mitverschulden eines Erwachsenen (OLG Koblenz OLGR 2004, 405, 406). Hier steht aber das jugendliche Alter des Klägers einem völligen Zurücktreten der Betriebsgefahr im Rahmen der nach § 254 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Abwägung nicht entgegen. Es ist nicht einzusehen, warum dem Kraftfahrer wegen der in § 7 Abs. 2 StVG getroffenen Regelung ein Ausschluss seiner Haftung über § 254 Abs. 1 BGB gegenüber einem nach § 828 Abs. 3 BGB deliktsfähigen Jugendlichen von vorneherein verwehrt sein sollte. Im Rahmen der Abwägung gemäß § 9 StVG, § 254 BGB ist zu berücksichtigen, inwieweit sich in dem Unfallbeitrag des geschädigten Kindes altersgemäße Defizite der Integrierung in den Straßenverkehr und seine Gefahren ausgewirkt haben. Danach kommt eine völlige Haftungsfreistellung bei Kindern nur dann in Betracht, wenn auf der Seite des Kindes – gemessen an dem alterspezifischen Verhalten von Kindern – auch subjektiv ein besonders vorwerfbarer Sorgfaltsverstoß vorliegt. Dagegen gewinnt das objektive Gewicht des Unfallbeitrags in der Abwägung mit der Betriebsgefahr immer mehr an Bedeutung, je stärker das Kind vom Alter her in den Straßenverkehr integriert sein muss. Auch wenn eine Alleinverantwortung des Jugendlichen selbst bei grobem Verschulden nur ausnahmsweise vorliegen wird, ist sie insbesondere mit steigendem Alter des Jugendlichen nicht von vornherein ausgeschlossen (LG Bielefeld NJW 2004, 2245, 2246).
Hier ist eine völlige Freistellung der Beklagten von der Gefährdungshaftung deshalb geboten, weil das Verhalten des Klägers grob verkehrswidrig war, und der Sorgfaltsverstoß alterspezifisch auch subjektiv besonders vorwerfbar ist (BGH NJW 2004, 772, 774). Der Kläger ist mit für ein gefahrloses Abbiegen deutlich überhöhter Geschwindigkeit den F hinabgefahren; er hat deshalb die Kurve beim Einfahren in den M extrem geschnitten, so dass er sich ganz auf der – aus seiner Sicht – linken Fahrbahnhälfte befand und folgerichtig auf jedes dort stehende oder fahrende Hindernis auftreffen musste. Ein Jugendlicher im Alter von 12 Jahren ist bereits soweit in den Straßenverkehr integriert, dass er weiß, dass man nicht mit hoher Geschwindigkeit eine Kurve extrem schneiden und in einen wegen der Kurve, nämlich wegen eines dort stehenden Zaunes samt Bewuchses, nicht einsehbaren Weg noch dazu auf der Gegenfahrbahn einbiegen darf. Das Verhalten des Klägers war mithin auch in subjektiver Hinsicht – gemessen an altersgemäßen Maßstäben – grob verkehrswidrig, so dass die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) vollständig zurücktritt.
Üblicherweise werden Kinder jedenfalls zu Beginn der allgemeinen Schulpflicht mit 6 Jahren an die Teilnahme im Straßenverkehr herangeführt und gewöhnt. Dabei stehen zunächst die Verkehrsteilnahme als Fußgänger und die Zurücklegung des Schulweges ohne Begleitung der Eltern im Vordergrund. Nachdem dies erfolgreich geschehen ist, folgt üblicherweise auch die Teilnahme als Radfahrer im Straßenverkehr, und zwar auch ohne Begleitung der Eltern, nachdem das Kind das Fahrradfahren technisch beherrscht, hinreichende Fahrsicherheit gegeben ist, die wesentlichen Verkehrsregeln erlernt sind und die Eltern sich vergewissert haben, dass sie ein verkehrsgerechtes Verhalten ihres Kindes im Straßenverkehr erwarten dürfen. Es entspricht gesicherter Rechtsprechung, dass ein 12-jähriges Kind, das ein Fahrrad hinreichend sicher zu fahren vermag, über Verkehrsregeln eindringlich unterrichtet worden ist und sich über eine gewisse Zeit im Verkehr bewährt hat, auch ohne Überwachung durch die aufsichtspflichtigen Eltern mit dem Fahrrad am Straßenverkehr teilnehmen kann, etwa um zur Schule zu fahren oder – wie hier – einen sonst bekannten, geläufigen Weg zurückzulegen (OLG Oldenburg DAR 2005, 343, 344).
Dass der Kläger keine Einsichtsfähigkeit besaß, hat er weder dargelegt noch unter Beweis gestellt (vgl. BGH, Urteil vom 14.06.2005, VI ZR 181/04).
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht vor.