Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Cannabis-Rechtsprechung in Brandenburg

Gerichtsentscheidungen in Brandenburg zu Cannabiskonsum und Führerschein und zur Verkehrsteilnahme


In Berlin und Brandenburg besteht folgende Besonderheit: Bis zum 30.06.2005 hatte jedes dieser Bundesländer ein eigenes Oberverwaltungsgericht (OVG Berlin und OVG Brandenburg), vom 01.07.2005 an haben beide Länder ein gemeinsames Oberverwaltungsgericht (OVG Berlin-Brandenburg).

Die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte bleibt weiterhin auf die beiden Länder verteilt, während ich die Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg ab 01.07.2005 doppelt - also in beiden Bundesländern - aufführe.


Außer dem OVG Berlin-Brandenburg sind für die Verwaltungsrechtsprechung im Land Brandenburg die Verwaltungsgerichte Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam zuständig.



Gliederung:


- Oberverwaltungsgericht
- Verwaltungsgerichte
- Ordnungswidrigkeitenrecht



Oberverwaltungsgericht:


OVG Brandenburg v. 13.12.2004:
Die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gemäß § 14 Abs 1 S 4 FeV setzt die Feststellung einer gelegentlichen Einnahme von Cannabis voraus. Ein insoweit bestehender Verdacht kann die Anordnung der Beibringung eines ärztlichen Gutachtens gemäß § 14 Abs 1 S 1 Nr 2 FeV rechtfertigen.

OVG Brandenburg v. 13.12.2004:
Zur Abgrenzung von einmaligem und gelegentlichem Cannabiskonsum und dem Aussagegehalt von Tetrahydrocannabiol- (THC) und THC-Carbonsäure (THC-COOH)-Werten (unter Berücksichtigung der Arbeiten von Daldrup).

OVG Brandenburg v. 13.12.2004:
Gelegentlicher Cannabis-Konsum liegt nur vor, wenn mindestens zweimaliger Konsum feststeht. Der Verdacht auf gelegentlichen Konsum muss durch ein ärztliches Gutachten bestätigt werden. Die Ableitung eines gelegentlichen Konsums aus THC-COOH-Blutwerten ist nur dann zuverlässig, wenn die Blutentnahme im Rahmen eines ordnungsgemäßen Screenings erfolgte.

OVG Berlin-Brandenburg v. 15.02.2008:
Es bleibt offen, ob wegen einer vorgefundenen THC-Konzentration von 1,1 ng/ml sowie der einen mindestens gelegentlichen Cannabiskonsum nahe legenden THC-Carbonsäure-Konzentration von 11 ng/ml und des zusätzlichen Gebrauchs von Amphetamin zudem der die Fahreignung ausschließende Tatbestand von Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV erfüllt ist.

OVG Berlin-Brandenburg v. 16.06.2009:
Bei einer Konzentration von mehr als 1 ng/ml THC im Blutserum ist im vorläufigen Rechtsschutzverfahren regelmäßig von fehlendem Trennungsvermögen im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV auszugehen.

OVG Berlin-Brandenburg v. 03.02.2010:
Nach der Rechtsprechung des Senats ist von gelegentlichem Cannabiskonsum auszugehen bei einem Wert von mindestens 75 ng/ml THC-COOH oder aufgrund eigener Angaben des Betroffenen bzw. dann, wenn mindestens zweimal Cannabis in voneinander unabhängigen Konsumakten eingenommen wurde. Ein aufgefundener aktiver THC-Wert von 6,2 ng/ml weist hingegen nicht auf mehrmaligen Konsum hin.

OVG Berlin-Brandenburg v. 16.06.2016:
Einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten ist die Fahrerlaubnis wegen eines Trennungsverstoßes im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zu entziehen, wenn er mit einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml (oder mehr) im Blutserum am Straßenverkehr teilgenommen hat. Ein vorheriges Eignungsgutachten ist in einem solchen Falle nicht erforderlich.

Eine ausreichende Trennung zwischen Cannabiskonsum und Verkehrsteilnahme liegt nur vor, wenn der Betroffene Konsum und Fahren in jedem Fall in einer Weise trennt, dass durch eine vorangegangene Einnahme von Cannabis eine Beeinträchtigung seiner verkehrsrelevanten Eigenschaften unter keinen Umständen eintreten kann. - Nach der - von anderen Obergerichten geteilten - Überzeugung des Senats ist der „Risikogrenzwert“ bei einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml Blutserum anzusetzen. Bei diesem empfohlenen Grenzwert handelt es sich um einen sog. „analytischen Grenzwert“, d.h. einen Wert, der angibt, ab welcher Konzentration ein sicherer Nachweis und eine exakte Quantifizierung von THC bei Anwendung der Richtlinien der Gesellschaft für toxikologische und forensische Chemie möglich ist.

OVG Berlin-Brandenburg v. 28.06.2017:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist der Inhaber einer Fahrerlaubnis ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wenn er gelegentlich Cannabis konsumiert und nicht in der Lage ist, zwischen dem Konsum von Cannabis und der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr zu trennen (vgl. hierzu auch Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV). Einer vorherigen Begutachtung des Fahrerlaubnisinhabers bedarf es in einem solchen Fall vor der Entziehung der Fahrerlaubnis grundsätzlich nicht.

Zwar sind an der Richtigkeit dieser Auffassung mit Blick auf die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV in jüngster Zeit Zweifel geäußert worden (vgl. VGH München, Urteil vom 25. April 2017 - 11 BV 17.33 - juris Rn. 19 ff.). Dies veranlasst den Senat jedoch - jedenfalls im vorliegenden Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - nicht, von seiner bisherigen Rechtsauffassung abzurücken (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 7. April 2017 - 12 ME 49.17 - juris Rn. 7; VGH Mannheim, Beschluss vom 7. März 2017 - 10 S 328.17 - juris Rn. 4).

- nach oben -



Verwaltungsgerichte:


VG Frankfurt (Oder):

VG Frankfurt (Oder) v. 10.02.2005:
Ist der Fahrerlaubnisinhaber, der gelegentlichen Cannabiskonsum wegen seiner Rückenschmerzen eingeräumt hat, im Besitz einer größeren Menge von Cannabisblättern aus Selbstaufzucht, so besteht der Verdacht auf regelmäßigen Konsum. In diesem Fall ist die Anordnung eines fachärztlichen Gutachtens mit Drogenscreening sowie Blut- und Urinanalyse über seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen rechtmäßig.
- nach oben -



Ordnungswidrigkeitenrecht:


OLG Brandenburg v. 30.03.2007:
Es reicht für die Feststellung des Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung des berauschenden Mittels Cannabis nach dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis aus, wenn bei einer Blutuntersuchung auf THC im Blutserum, welche den von der Grenzwertkommission vorausgesetzten Qualitätsstandards genügt, ein Messergebnis ermittelt wird, welches den von der Grenzwertkommission empfohlenen analytischen Grenzwert von 1 ng/ml THC im Serum erreicht. Zuschläge für Messungenauigkeiten sind dabei nicht erforderlich.

OLG Brandenburg v. 30.03.2007:
Fahrlässig begeht einen Verstoß nach § 24a StVG, wer in zeitlichem Zusammenhang zu einem späteren Fahrtantritt Cannabis konsumiert hat und sich dennoch an das Steuer eines Fahrzeugs setzt, ohne sich bewusst zu machen, dass der Rauschmittelwirkstoff noch nicht vollständig unter den analytischen Grenzwert abgebaut ist; nicht erforderlich ist, dass sich der Betroffene einen "spürbaren" oder "messbaren" Wirkstoffeffekt vorgestellt hat oder zu einer entsprechenden exakten physiologischen und biochemischen Einordnung in der Lage war, zumal ein Kraftfahrer die Unberechenbarkeit von Rauschdrogen in Rechnung zu stellen hat.

- nach oben -