Das Verkehrslexikon

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MPU-Anordnung wegen vorangegangener Straftaten - Bedenken gegen die Fahreignung - Zweifel hinsichtlich der Eignung aus der Begehung von Delikten

MPU-Anordnung wegen vorangegangener Straftaten




Gliederung:


   Einleitung

Weiterführende Links

Allgemeines

Eintragungen im Führungszeugnis

Mehrere Taten

Fahren ohne Fahrerlaubnis

Sonstige einzelne Straftaten




Einleitung:


Der strafrechtliche Eignungsbegriff (§ 69 StGB) ist mit dem fahrerlaubnisrechtlichen Eignungsbegriff deckungsgleich. Kam ein Entzug im Strafverfahren nicht in Betracht, weil das Strafgericht die charakterliche Nichteignung nicht feststellen konnte, so ergeben sich für die Fahrerlaubnisbehörde aus dem Vorliegen der verkehrsrechtlichen Straftat gleichwohl Eignungszweifel, die Anlass für eine Überprüfung und somit auch für eine MPU-Anordnung sein können (aus diesem Grund besteht auch gem. Nr. 45 Abs. 2 der Anordnung über die Mitteilungen in Strafsachen (MiStrA) eine Informationspflicht gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde.


Auch bei der Wiedererteilung nach strafrechtlicher Entziehung der Fahrerlaubnis wird in der Regel eine MPU-Anordnung gerechtfertigt sein, um zu überprüfen, ob die festgestellte Nichteignung wieder hergestellt ist (jedoch hat der Gesetzgeber beispielsweise durch die Regelung in § 13 Nr. 2 Buchst. c FeV klargestellt, dass dies bei einer Alkoholverurteilung unterhalb von 1,60 ‰ nicht erforderlich ist).

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Weiterführende Links:


Stichwörter zum Thema medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU)

Fahrerlaubnisrecht und Aggressionspotential

Ermessensentscheidung

Die MPU-Anordnung zur Überprüfung der charakterlichen Eignung als Ermessensentscheidung (ohne Alkohol und Drogen)

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Allgemeines:


OVG Koblenz v. 11.04.2000:
Ein medizinisch-psychologisches Gutachten darf nach Maßgabe des § 11 Abs 3 S 1 Nr 4 FeV auch dann angefordert werden, wenn keine rechtskräftige Verurteilung wegen einer Straftat vorliegt, diese jedoch anhand des vorliegenden Sachverhalts festgestellt werden kann. Der Eignungsausschlusstatbestand des § 11 Abs 1 S 3 FeV erfasst außer Verkehrsstraftaten allgemeine Straftaten dann, wenn sich aus ihnen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich der Führerscheinbewerber/-inhaber im Straßenverkehr nicht ordnungsgemäß verhalten wird.

VGH München v. 25.03.2014:
Mit der Anordnung eines Fahreignungsgutachtens gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 FeV wird im Interesse der Straßenverkehrssicherheit präventiv geklärt, ob eine erhebliche Straftat – im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung (nicht zwingend im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers) - die Fahreignung ausschließt, insbesondere wenn Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial bestehen oder die erhebliche Straftat unter Nutzung eines Fahrzeugs begangen wurde.

VG Potsdam v. 01.07.2004:
Bei einer Gemengelage zwischen Straftat, Alkoholkonsum und einem offenbar gewordenen hohen Aggressionspotential ist die Vorschrift des § 11 Abs. 3 FeV anwendbar, obwohl § 13 FeV an sich eine abschließende spezielle Regelung für Eignungszweifel bei Alkoholproblematik trifft.

OVG Lüneburg v. 08.07.2014:
Hat ein Bewerber um eine Fahrerlaubnis neben Straftaten, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV), auch eine erhebliche oder mehrere Straftaten, die im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung stehen (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 FeV), begangen, so kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auch zur Klärung der Frage angeordnet werden, ob der Betreffende künftig Straftaten im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung (ohne Zusammenhang mit dem Straßenverkehr) begehen wird.

VGH München v. 27.11.2014:
Der Begriff „erheblich“ ist nach der Begründung der Änderungsverordnung zur Fahrerlaubnis-Verordnung vom 18. Juli 2008 (BGBl S. 1338, BR-Drs. 302/08 S. 61) nicht ohne Weiteres mit „schwerwiegend“ gleichzusetzen, sondern bezieht sich auf die Kraftfahreignung. Dabei kommt auch eine vorsätzlich begangene Körperverletzung als erhebliche Tat in Betracht, wenn die Tat in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Verhalten im Straßenverkehr steht.

VG Freiburg v. 24.11.2015:
Anders als für § 11 Abs. 3 Nr. 7 FeV reicht für § 11 Abs. 3 Nr. 6 FeV die Begehung einer Straftat aus, die dafür aber erheblich sein muss. Der Begriff "erheblich" ist nicht ohne Weiteres mit "schwerwiegend" gleichzusetzen, sondern bezieht sich auf die Kraftfahreignung. - Für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzung des § 11 Abs. 3 Nr. 6 FeV trägt im Zweifel die Fahrerlaubnisbehörde die Darlegungslast. - Eine rein verbale Auseinandersetzung zwischen dem Inhaber einer Fahrerlaubnis und einem anderen Menschen erfüllt, auch wenn diese Auseinandersetzung mit großer Lautstärke und Emotionalität geführt wird und wenn mit ihr ein Straftatbestand verwirklicht wird, in aller Regel nicht die Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 Nr. 6 FeV. Das gilt vor allem dann, wenn der Fahrerlaubnisinhaber die Überschreitung der Schwelle zum körperlichen Angriff auf den Kontrahenten kraft eigener Willenskontrolle unterlässt und damit belegt, dass er imstande ist, seine Aggressionen zumindest so zu steuern, dass es nicht zu Verletzungen der körperlichen Integrität kommt.

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Eintragungen im Führungszeugnis:


VGH München v. 06.10.2016:
Sind Straftaten nicht mehr in das Führungszeugnis aufzunehmen, dürfen Sie von der Fahrerlaubnisbehörde bei der Beurteilung der Fahreignung und der Anordnung einer MPU nicht mehr berücksichtigt werden. Nach § 38 Abs. 2 BZRG werden Verurteilungen, durch die auf eine Geldstrafe von nicht mehr als neunzig Tagessätzen erkannt worden ist, selbst dann nicht nach § 32 Abs. 1 BZRG in das Führungszeugnis aufgenommen, wenn zwar nach § 32 Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a BZRG im Register eine weitere Strafe eingetragen ist, es sich aber nach § 38 Abs. 2 Nr. 3 BZRG um Verurteilungen zu Geldstrafe von nicht mehr als neunzig Tagessätzen handelt. Nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BZRG ist eine Verurteilung zu einer Geldstrafe nach drei Jahren nicht mehr in das Führungszeugnis aufzunehmen, wenn die Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 Nr. 5 BZRG nicht vorliegen.

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Mehrere Taten:


OVG Lüneburg v. 29.11.2017:
Für die Beantwortung der Frage, ob einer oder mehrere Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV vorliegen, kommt es nicht auf den prozessualen, sondern den materiell-rechtlichen Tatbegriff an.

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Fahren ohne Fahrerlaubnisn:


Fahren ohne Fahrerlaubnis

VGH München v. 25.05.2016:
Die Verurteilung eines Fahrerlaubnisbewerbers wegen vier Fällen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis begründet Zweifel an seiner Fahreignung und rechtfertigt die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens im Erteilungsverfahren. - Soweit der Betroffene meint, solche Straftaten seien nicht mehr zu befürchten, sobald ihm eine Fahrerlaubnis erteilt worden sei, verkennt er den Begriff der charakterlichen Eignung.

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Sonstige einzelne Straftaten:


VGH München v. 07.05.2001:
Auch bei einer erstmaligen Trunkenheitsfahrt unter 1,6 ‰ kann die Führerscheinbehörde ihr Ermessen dahingehend ausüben, dass eine medizinisch-psychologische Untersuchung angeordnet wird, wenn der Fahrerlaubnisinhaber durch andere schwerwiegende Verkehrsverstöße aufgefallen ist

VGH Mannheim v. 25.07.2001:
Die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Fahreignung kann vor Neuerteilung der Fahrerlaubnis zur Klärung von Eignungszweifeln auch dann angeordnet werden, wenn diese zuvor nur wegen einer - erheblichen - Straftat (hier: Verurteilung wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit Nötigung (§§ 315c Abs 1 Nr 2, 240 StGB)) entzogen worden war.

OVG Saarlouis v. 27.07.2006:
Für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis begründet allein ihre Entziehung wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort bei der gebotenen Gesamtschau keine Eignungszweifel, die die Durchführung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung rechtfertigen.

VGH München v. 07.01.2013:
Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 FeV kann die Behörde bei einer noch verwertbaren Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe wegen schwerer Körperverletzung die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (medizinisch-​psychologisches Gutachten) zur Klärung von Eignungszweifeln anordnen, weil Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotential bestehen. Die erhebliche Straftat im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 FeV muss nicht "im Zusammenhang mit einem Kraftfahrzeug stehen", sondern im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung.

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