Das Verkehrslexikon

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Entscheidungen des Bundesverfasssungsgerichts zum Gewaltbegriff des § 240 StGB

Entscheidungen des Bundesverfasssungsgerichts zum Gewaltbegriff des § 240 StGB im Anwendungsbereich von Sitzblockaden




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Stichwörter zum Thema Verkehrsstrafsachen

Nötigung im Straßenverkehr

Parkplatzreservierung durch Fußgänger

Rettungsgasse bei stockendem Verkehr

Blockade-Aktionen / Protestblockaden

Entscheidungen des Bundesverfasssungsgerichts zum Gewaltbegriff des § 240 StGB im Anwendungsbereich von Sitzblockaden

Entscheidungen des BGH zum Gewaltbegriff des § 240 StGB im Anwendungsbereich von Sitzblockaden

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Entscheidungen des BVerfG:


BVerfG v. 11.11.1986 (Sitzblockaden I):
  1.  Soweit in § 240 StGB Nötigungen mit dem Mittel der Gewalt unter Strafe gestellt werden, genügt die Normierung durch den Gesetzgeber dem aus Art. 103 Abs. 2 GG folgenden Bestimmtheitsgebot.

Infolge Stimmengleichheit kann nicht festgestellt werden, dass das aus Art. 103 Abs. 2 GG herleitbare Analogieverbot verletzt wird, wenn Gerichte die Gewaltalternative des StGB § 240 auf Sitzdemonstrationen erstrecken, bei denen die Teilnehmer Zufahrten zu militärischen Einrichtungen ohne gewalttätiges Verhalten durch Verweilen auf der Fahrbahn versperren.

  2.  Die Verfassung gebietet nicht, die Teilnahme an derartigen Sitzdemonstrationen sanktionslos zu lassen. § 240 StGB ist jedoch in dem Sinne verfassungskonform auszulegen und anzuwenden, dass die Bejahung nötigender Gewalt im Falle einer Erstreckung dieses Begriffs auf solche Sitzdemonstrationen nicht schon zugleich die Rechtswidrigkeit der Tat indiziert.

Infolge Stimmengleichheit kann nicht festgestellt werden, dass es von Verfassungs wegen in der Regel zu beanstanden ist, wenn Strafgerichte Sitzdemonstrationen der genannten Art unter Würdigung der jeweiligen Umstände als verwerflich im Sinne von § 240 Abs. 2 StGB beurteilen.

BVerfG v. 10.01.1995 (Sitzblockaden II):
Die erweiternde Auslegung des Gewaltbegriffs in § 240 Abs 1 StGB im Zusammenhang mit Sitzdemonstrationen verstößt gegen Art 103 Abs 2 GG (Sitzblockade-Urteil)

BVerfG v. 10.01.1995:
Das Sondervotum der Richterminderheit zum Sitzblockade-Urteil


BVerfG v. 24.10.2001 (Sitzblockade III):
  1.  Art. 103 Abs. 2 GG ist nicht verletzt, wenn die Strafgerichte das Tatbestandsmerkmal der Gewalt in § 240 Abs. 1 StGB auf Blockadeaktionen anwenden, bei denen die Teilnehmer über die durch ihre körperliche Anwesenheit verursachte psychische Einwirkung hinaus eine physische Barriere errichten.

  2.  Versammlung im Sinne des Art. 8 GG ist eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung

  3.  Das Selbstbestimmungsrecht der Träger des Grundrechts der Versammlungsfreiheit hinsichtlich Ziel und Gegenstand sowie über Ort, Zeitpunkt und Art der Versammlung umfasst nicht auch die Entscheidung, welche Beeinträchtigungen die Träger kollidierender Rechtsgüter hinzunehmen haben.

  4.  Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Prüfung der Verwerflichkeit nach § 240 Abs. 2 StGB.




BVerfG v. 13.12.2005:
Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG bezeichnet die Freiheit der Person als "unverletzlich". Diese verfassungsrechtliche Grundentscheidung kennzeichnet das Freiheitsrecht als ein besonders hohes Rechtsgut, in das nur aus wichtigen Gründen eingegriffen werden darf. Nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG darf die in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistete Freiheit der Person nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Hierzu gehört u.a. auch der verfahrensrechtliche Vorbehalt einer richterlichen Entscheidung.

BVerfG v.07.03.2011:
Auslegung und Anwendung der Strafvorschriften sind grundsätzlich Sache der Strafgerichte. Allerdings haben die staatlichen Organe die grundrechtsbeschränkenden Gesetze im Lichte der grundlegenden Bedeutung von Art. 8 Abs. 1 GG auszulegen und sich bei Maßnahmen auf das zu beschränken, was zum Schutz gleichwertiger anderer Rechtsgüter notwendig ist.

Bei dieser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Zweck-Mittel-Relation sind insbesondere die Art und das Maß der Auswirkungen auf betroffene Dritte und deren Grundrechte zu berücksichtigen. Wichtige Abwägungselemente sind hierbei die Dauer und die Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, Ausweichmöglichkeiten über andere Zufahrten, die Dringlichkeit des blockierten Transports, aber auch der Sachbezug zwischen den in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigten Personen und dem Protestgegenstand. Das Gewicht solcher demonstrationsspezifischer Umstände ist mit Blick auf das kommunikative Anliegen der Versammlung zu bestimmen, ohne dass dem Strafgericht eine Bewertung zusteht, ob es dieses Anliegen als nützlich und wertvoll einschätzt oder es missbilligt. Stehen die äußere Gestaltung und die durch sie ausgelösten Behinderungen in einem Zusammenhang mit dem Versammlungsthema oder betrifft das Anliegen auch die von der Demonstration nachteilig Betroffenen, kann die Beeinträchtigung ihrer Freiheitsrechte unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände möglicherweise eher sozial erträglich und dann in größerem Maße hinzunehmen sein, als wenn dies nicht der Fall ist. Demgemäß ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, ob und wie weit die Wahl des Versammlungsortes und die konkrete Ausgestaltung der Versammlung sowie die von ihr betroffenen Personen einen auf die Feststellung der Verwerflichkeit einwirkenden Bezug zum Versammlungsthema haben (vgl. BVerfGE 104, 92 <112>). Das Bundesverfassungsgericht prüft, ob der Abwägungsvorgang der Fachgerichte Fehler enthält, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung und Tragweite des betroffenen Grundrechts beruhen und auch im konkreten Fall von einigem Gewicht sind.

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