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Nutzungsausfall und Nutzungswille

Nutzungsausfall und Nutzungswille




Gliederung:


-   Einleitung
-   Weiterführende Links
-   Allgemeines



Einleitung:


Zum Rückschluss auf fehlenden Nutzungswillen bei längerem Zeitablauf zwischen Unfall und Ersatzbeschaffung hat das Amtsgericht Gummersbach (Urteil vom 06.09.2010 - 10 C 23/10) ausgeführt:

   "Da es sich bei dieser Kommerzialisierung von Gebrauchsvorteilen um einen eng zu begrenzenden Ausnahmetatbestand handelt, ist Anspruchsvoraussetzung aber stets eine fühlbare Beeinträchtigung der Gebrauchsmöglichkeit des Pkw. Erforderlich sind daher immer ein Nutzungswille des Unfallgeschädigten und eine hypothetische Nutzungsmöglichkeit (Staudinger-Schiemann, BGB, 2005, § 251 Rdnr. 77 m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind zur Schadensbegrenzung erforderlich, um einer Ausnutzung des Unfalles zur Gewinnerzielung vorzubeugen. Der Geschädigte soll den Unfall nicht zum Anlass nehmen können, sich für die Vereitelung einer bloß abstrakten Nutzungsmöglichkeit eine Entschädigung zahlen zu lassen und so am Unfall zu verdienen (OLG Bremen NJW-RR 2002, 383). Ein Nutzungswille fehlt jedoch grundsätzlich dann, wenn der Geschädigte das Fahrzeug dauernd oder für mehrere Monate nicht reparieren lässt oder sich alsbald nach dem Unfall kein Ersatzfahrzeug kauft (Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2006, § 249 Rdnr. 67; BGH NJW 1976, 1396; OLG Köln MDR 2004, 1114; OLG Bremen NJW-RR 2002, 383).


Wartet der Unfallgeschädigte mit der Reparatur des Unfallwagens mehr als zwei Monate, spricht bereits eine tatsächliche Vermutung dafür, dass er das Fahrzeug in dieser Zeit nicht nutzen wollte, so dass ihm für diese Zeit auch kein Anspruch auf Entschädigung für entgangene Nutzungen zusteht (OLG Köln MDR 2004, 1114). Mit dem Abwarten der Reparatur über einen derart langen Zeitraum offenbart der Geschädigte in der Regel, dass er auf die Nutzung des Pkw nicht angewiesen war (OLG Hamm, Urteil vom 23.02.2006 – 28 U 164/05). Dies muss erst recht gelten, wenn der Geschädigte – wie hier - das Fahrzeug überhaupt nicht reparieren lässt und erst mehr als eineinhalb Jahre nach dem Unfall ein Ersatzfahrzeug erwirbt. In diesem Fall ist die Beschaffung des neuen Fahrzeugs nicht mehr adäquat kausal auf das Unfallereignis zurückzuführen."

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Weiterführende Links:


Stichwörter zum Thema Ausfallentschädigung - Nutzungsausfall und Mietwagenkosten

Voraussetzung für eine Nutzungsausfallentschädigung sind Nutzungswille und tatsächliche und rechtliche Nutzungsmöglichkeit.

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Allgemeines:


KG Berlin v. 01.03.2004:
Die Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges ist keine Voraussetzung des Anspruchs auf Nutzungsentschädigung

OLG Köln v. 08.03.2004:
Wartet der Halter eines infolge eines Verkehrsunfalls beschädigten Kfz mehr als 2 Monate zu, ehe er sein Fahrzeug in Reparatur gibt, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass er das Fahrzeug in dieser Zeit nicht nutzen wollte, so dass ihm für diese Zeit auch kein Anspruch auf Entschädigung für entgangene Nutzungen zusteht.

OLG Stuttgart v. 21.04.2010:
Ist ein beschädigter PKW nur saisonal zum Straßenverkehr zugelassen (sog. Saisonkennzeichen) und fällt die Reparatur teilweise in einen Zeitraum nach Ablauf der saisonalen Zulassung, fehlt es in dieser Zeit an dem für die Gewährung einer Nutzungsausfallentschädigung erforderlichen Nutzungswillen.

AG Gummersbach v. 06.09.2010:
Lässt ein Unfallgeschädigter das beschädigte Fahrzeug nicht reparieren und beschafft nicht zeitnah nach einem Verkehrsunfall ein Ersatzfahrzeug, spricht eine tatsächliche Vermutung gegen seinen Nutzungswillen, so dass er grundsätzlich keinen Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung hat. Diese Vermutung wird nicht dadurch entkräftet, dass der Unfallgeschädigte sich mehr als eineinhalb Jahre nach dem Unfall ein höherwertiges und teureres Ersatzfahrzeug beschafft, weil dieser Fahrzeugkauf nicht mehr adäquat kausal auf das Unfallereignis zurückzuführen ist.

LG Wiesbaden v. 19.12.2012:
Ein Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfallschadens beim unfallbedingten Totalschaden eines Fahrzeugs für die Zeit der Wiederbeschaffungsdauer kommt auch dann in Betracht, wenn der Geschädigte erst ca. sieben Monate nach dem Unfallereignis ein Ersatzfahrzeug anschafft, weil der Versicherer des Schädigers den Schaden erst fünf Monate nach dem Unfall reguliert hatte, und der Geschädigte nicht über die nötigen Mittel verfügte, um ein Ersatzfahrzeug zu erwerben. In einem solchen Fall ist trotz des erheblichen Zeitablaufs zwischen Unfall und Ersatzbeschaffung nicht von einem fehlenden Nutzungswillen des Geschädigten auszugehen.

LG Stuttgart v. 19.12.2012:
Ist der Unfallgeschädigte auf die Benutzung eines Fahrzeugs für die Fahrt zur Arbeitsstelle angewiesen, so kommt ein Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfallschadens auch dann in Betracht, wenn er erst sieben Monate nach dem Verkehrsunfall ein Ersatzfahrzeug angeschafft hat, weil seine Eltern ihm bis zu diesem Zeitpunkt ihr Zweitfahrzeug zur Verfügung gestellt haben, das er dem Vater nur in wenigen dringenden Fällen "ausleihen" musste.

OLG Frankfurt am Main v. 21.12.2012:
An einem für einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung erforderlichen Nutzungswillen während der Wiederbeschaffungsdauer fehlt es regelmäßig, wenn der Geschädigte über längere Zeit kein Ersatzfahrzeug anschafft (hier: Ersatzbeschaffung nach weit über einem Jahr).




AG Berlin-Mitte v. 14.08.2014:
Der Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung bei Vorliegen eines wirtschaftlich - technischen Totalschadens besteht auch dann, wenn der Geschädigte kein neues Fahrzeug beschafft oder eine Reparatur nicht veranlasst. Die Tatsache, dass der Geschädigte zum Zeitpunkt des Unfalls über ein Fahrzeug verfügt hat, genügt zum Nachweis des grundsätzlichen Nutzungswillens.

LG Bochum v. 25.03.2019:
Der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung setzt Nutzungswillen und Nutzungsmöglichkeit voraus. Wartet der Geschädigte nach einem Unfall mehrere Monate, bevor er das Fahrzeug reparieren lässt oder sich ein Ersatzfahrzeug anschafft, so spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass er das Fahrzeug in dieser Zeit nicht nutzen wollte.

OLG Dresden v. 17.05.2021:
  1.  Der Umstand, dass der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall mehrere Monate abwartet, bevor er sich ein Ersatzfahrzeug anschafft, begründet eine tatsächliche Vermutung für einen fehlenden Nutzungswillen.

  2.  Diese Vermutung wird nicht durch den Vortrag entkräftet, zu einer Neuanschaffung nicht in der Lage zu sein, wenn der Geschädigte ein regelmäßiges Arbeitseinkommen erzielt, keine Zahlungsverpflichtungen bestehen und das Girokonto im Plus geführt wird, so dass davon auszugehen ist, dass der Geschädigte sich einen Kredit zur Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs ohne Schwierigkeiten beschaffen kann und hierdurch auch nicht über Gebühr belastet wird.

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