Das Verkehrslexikon

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Prognoserisiko bei der gutachterlichen Feststellung der Reparaturkosten

Prognoserisiko bei der gutachterlichen Feststellung der Reparaturkosten und des Wiederbeschaffungswertes




Gliederung:


-   Einleitung
-   Weiterführende Links
-   Allgemeines
- Einhaltung der 130-%-Grenze
- Prognose-Risiko bei fiktiver Abrechnung



Einleitung:


Nicht selten kommt es vor, dass sich bei der realen Reparaturdurchführung herausstellt, dass der Aufwand höher wird als ursprünglich vom beauftragten Sachverständigen erwartet wurde.


Besonders, wenn die sog. 130-%-Grenze dabei überschritten wird, stellt sich die Frage, wer dieses Risiko trägt: der Geschädigte oder der Schädiger.

Nach herrschender Meinung in der Rechtsprechung liegt das Prognoserisiko beim Schädiger.

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Weiterführende Links:


Stichwörter zum Thema Sachverständigen-Gutachten

Der Sachverständigenbeweis im Zivilverfahren

Sachverständigengutachten nach einem Unfallschaden - Kfz-Sachverständiger

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Allgemeines:


OLG München v. 08.01.1991:
Das Prognoserisiko für eine Überschreitung der Reparaturkosten gegenüber dem SV-Gutachten liegt beim Schädiger.

LG Saarbrücken v. 22.10.2021:
  1.  Hat der Geschädigte die Reparaturkostenrechnung noch nicht bezahlt, kann der auf Grundlage eines Schadengutachtens erteilte Reparaturauftrag ein Indiz für den erforderlichen Herstellungsaufwand im Sinne § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB sein.

  2.  Das Prognose- und Werkstattrisiko trifft den Schädiger ab Erteilung des Reparaturauftrags und unabhängig davon, ob der Geschädigte die Reparaturrechnung bereits bezahlt hat.

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Einhaltung der 130-%-Grenze:


Integritätsinteresse und Ersatz der Reparaturkosten bis zu 130-% des Wiederbeschaffungswertes - die sog. 130-%-Grenze

OLG Frankfurt am Main v. 11.10.2000:
Das Prognoserisiko bezüglich einer Überschreitung der sog. 130-%-Grenze geht nicht zu Lasten des Geschädigten, sondern allein des Schädigers und seiner Haftpflichtversicherung, da der Schädiger den Geschädigten in die missliche Lage gebracht hat, von Prognosen von Sachverständigen über die Reparaturwürdigkeit des Fahrzeuges abhängig zu sein.


LG München v. 17.03.2005:
Erteilt der Geschädigte den Reparaturauftrag auf Grund eines der Wirtschaftlichkeit bestätigenden Sachverständigengutachtens und stellt sich später heraus, dass noch eine weitere Reparatur erforderlich ist, so geht die falsche Prognose zu Lasten des Schädigers, auch wenn dadurch die sog. 130,%-Grenze überschritten wird.

OLG München v. 13.11.2009:
Lässt ein Geschädigter, wenn die vom Sachverständigen kalkulierten Reparaturkosten die 130 % Grenze überschreiten, auf einem alternativen Reparaturweg reparieren und gelingt es ihm dabei nicht, das Fahrzeug zu Kosten innerhalb der 130 % Grenze vollständig und fachgerecht in einen Zustand wie vor dem Unfall zurückzuversetzen, kann er sich zur Begründung seiner Reparaturkostenforderung nicht auf ein unverschuldetes Werkstatt- oder Prognoserisiko berufen.

OLG Schleswig v. 08.01.2015:
Setzt der vom Geschädigten beauftragte Kfz-Sachverständige bei einem 18 Jahre alten Mercedes-Pkw mit einer Laufleistung von mehr als 500.000 km den Wiederbeschaffungswert mit 4.800,00 € an und ist dieser Wert wegen des guten Pflegezustandes und werterhaltender Reparaturen nicht geradezu nachvollziehbar, dann muss der Haftpflichtversicherer des Schädigers Reparaturkosten in Höhe von 5.899,31 € bezahlen, weil sich dieser Betrag innerhalb der sog. 130-%-Grenze bewegt und das Prognoserisiko zu Lasten des Schädigers geht.

LG Köln v. 04.06.2015:
Sofern der prognostizierte Reparaturaufwand zwischen dem Wiederbeschaffungswert und weiteren 30 % liegt, darf sich der Geschädigte bei Vorliegen eines Integritätsinteresses für eine Reparatur entscheiden und hat dementsprechend einen Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten. Das Prognoserisiko hinsichtlich der Höhe der Reparaturkosten, also dass sich die Einschätzung des Sachverständigen im Nachhinein nicht bestätigt, trägt dabei grundsätzlich der Schädiger. - Eine Begrenzung des Ersatzanspruchs des Geschädigten, weil das Werkstatt- oder Prognoserisiko ausnahmsweise zu Lasten des Geschädigten geht, ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass der Geschädigte den Sachverständigen nicht über den vorliegenden Hagelschaden informiert hat, wenn der Schaden derart offensichtlich gewesen ist, dass eine diesbezügliche Aufklärungspflicht nicht bestanden hat..

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Prognose-Risiko bei fiktiver Abrechnung:


Abstrakte bzw. sog. fiktive Schadensabrechnung - Abrechnung auf Gutachtenbasis

OLG Hamm v. 18.03.1999:
Bei fiktiver Abrechnung des Kfz-Schadens auf Gutachtenbasis trägt der Geschädigte das Prognose- und das Werkstattrisiko. Ergibt sich aufgrund des gerichtlichen Sachverständigengutachtens, dass der zur Beseitigung der Unfallschäden erforderliche Wiederherstellungsaufwand erheblich geringer ist, als der im Schadensgutachten ermittelte Betrag, so muss der Geschädigte eine entsprechende Kürzung hinnehmen. Dies gilt auch dann, wenn der Geschädigte das Fahrzeug fachgerecht in Eigenregie instandgesetzt hat.




OLG Düsseldorf v. 07.02.2017:
Die Festlegung des für die Reparatur eines durch einen Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs erforderlichen Geldbetrags kann im Wege einer fiktiven Abrechnung sachgerecht auf der Grundlage des Gutachtens eines anerkannten Sachverständigen erfolgen. - Ein Risikozuschlag, weil der vorgeschlagene Reparaturweg möglicherweise nicht zum gewünschten Erfolg führt, kommt nicht in Betracht. Der Geschädigte trägt das bei einer Abrechnung auf fiktiver Basis bestehende Prognose- und Werkstattrisiko (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 18. März 1999, 6 U 104/98).

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