Das Verkehrslexikon

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Radfahrer benutzt linken Radweg in verkehrter Fahrtrichtung

Radfahrer benutzt linken (nicht freigegebenen) Radweg in verkehrter Fahrtrichtung




Gliederung:


-   Einleitung
-   Allgemeines



Einleitung:


Inwieweit in Radfahrer, der einen linken nicht frei gegebenen Radweg in falscher Fahrtrichtung befährt, sein - der Straße an einer Kreuzung folgendes - Vorfahrtrecht dadurch verliert, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet.


Andererseits hat der BGH bereits im Beschluss vom 15.07.1986 - 4 StR 192/86 entschieden:

   "Ein Radfahrer auf der Vorfahrtstraße hat auch dann die Vorfahrt gegenüber den aus einer untergeordneten Straße kreuzenden oder einbiegenden Fahrzeugen, wenn er entgegen § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO den in seiner Fahrtrichtung (durch Zeichen 237) nicht freigegebenen linken von zwei vorhandenen Radwegen benutzt. Nur eine solche Regelung entspricht dem im Straßenverkehr vorrangigen Sicherheitsbedürfnis, das insbesondere in Fragen der Vorfahrt klare und sichere Verkehrsregeln und deren strenge einfache Auslegung verlangt (vgl. BGHSt 20, 238, 240 f; BGH VRS 40, 328, 329; OLG Oldenburg VRS 37, 389).

1. Vorfahrt ist das Recht, den Straßenraum einer Kreuzung oder Einmündung vor allen anderen - ohne eine Vorfahrtregelung gleichberechtigten - Fahrzeugen zu benutzen. Dieses Recht erstreckt sich nach allgemeiner Rechtsauffassung auf die gesamte Fahrbahn der bevorrechtigten Straße (RGZ 167, 357, 360; BGH VRS 11, 171; BGHSt 20, 238, 240; BGH VRS 40, 328), einschließlich etwa vorhandener Radwege; (BGH NJW 1974, 949, 951; OLG Hamburg DAR 1963, 273; OLG Oldenburg VRS 37, 389, 390; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 28. Aufl. § 8 StVO Rdn. 42; Cramer, Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl. Bd. I § 8 StVO Rdn. 36, 39; Mühlhaus DAR 1969, 1). Somit war hier nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StVO durch das Verkehrszeichen 205 eine klare und einfache Verkehrsregelung dahin getroffen worden, daß die Radfahrerin als Benutzerin der Vorfahrtstraße vorfahrtberechtigt und die Angeklagte als aus der untergeordneten Straße einbiegende Verkehrsteilnehmerin wartepflichtig war.

2. Auf diese im Interesse der Verkehrssicherheit klare und einfache Verkehrsregelung (BGHSt 20, 238, 240) ist es ohne Einfluß, daß die Radfahrerin den Radweg in ihrer Fahrtrichtung verkehrswidrig benutzt hat."

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Allgemeines:


Radfahrerunfälle

Kreuzung eines Radweges mit einer Straße

Verlust des Vorfahrtsrechts eines Radfahrers bei Benutzung eines linken - nicht für seine Fahrtrichtung freigegebenen - Radweges auf der Vorfahrtstraße?

BGH v. 15.07.1986:
Ein Radfahrer auf der Vorfahrtstraße behält auch dann sein Vorfahrtrecht gegenüber kreuzenden oder einbiegenden Fahrzeugen, wenn er den linken von zwei vorhandenen Radwegen benutzt, der nicht nach StVO § 2 Abs 4 S 2 für die Gegenrichtung freigegeben ist.




OLG Bremen v. 11.02.1997:
Radfahrer, die entgegen StVO § 2 Abs 4 S 2 einen für die Gegenrichtung nicht freigegebenen links neben der Fahrbahn einer Hauptstraße verlaufenden Radweg befahren, haben gegenüber aus untergeordneten Nebenstraßen von rechts einbiegenden Verkehrsteilnehmern keine Vorfahrt.

OLG Hamm v. 26.05.1998:
Auch bei einem Vorfahrtrecht des den Radweg in falscher Richtung benutzenden Radfahrers muss er sich ein hälftiges Mitverschulden dann anrechnen lassen, wenn der Radweg von dem aus der untergeordneten Straße kommenden Fahrzeug vollständig versperrt ist und der Radfahrer versucht, nach Ausweichen auf die Fahrbahn die Einmündung noch vor diesem Fahrzeug zu passieren.


OLG Saarbrücken v. 13.01.2004:
Entscheidend für die Haftung des aus der untergeordneten Straße Kommenden ist im Falle einer Kollision mit einem - verbotswidrig - von rechts kommenden Radfahrer nicht die formale Frage, ob dieser vorfahrtberechtigt war oder nicht. Vielmehr ist maßgeblich darauf abzustellen, ob er mit der hinreichenden Aufmerksamkeit den rechts von ihm gelegenen Radweg beobachtet und auf (verbotswidrig) herannahende Radfahrer geachtet hat oder nicht. Diese Verpflichtung besteht in gleichem Umfang sowohl, wenn man ein Vorfahrtrecht des Radfahrers annimmt, als auch, wenn man ein solches verneint. Daher kann die Frage der Vorfahrtberechtigung für die Frage der Haftung letztlich offen bleiben. In diesen Fällen ist ohne nähere Beweisaufnahme allein auf Grund der unstreitigen Tatsachen eine Haftungsquotierung von 50:50 angemessen.

AG München v. 05.06.2009:
Der den Radweg in falscher Fahrtrichtung benutzende Radfahrer verliert nicht sein Vorfahrtrecht; jedoch trifft ihn eine Mithaftung von einem Drittel, wenn es im Kreuzungsbereich zu einem Zusammenstoß mit einem wartepflichtigen, nach rechts abbiegenden Kfz kommt.

AG Köln v. 15.11.2013:
Bei einem Zusammenstoß zwischen einem wartepflichtigen Kfz und einem den Radweg in verkehrter Fahrtrichtung benutzenden vorfahrtberechtigten Radfahrer haftet der Radfahrer zu 40% für den eingetretenen Schaden mit.

OLG Hamm v. 06.06.2014:
Stößt eine Radfahrerin, die den Radweg einer bevorrechtigten Straße entgegen der Fahrtrichtung befährt, mit einem aus einem verkehrsberuhigten Bereich auf den Radweg einbiegenden Radfahrer zusammen, kann eine Haftungsquote von 2/3 zu Lasten des Radfahrers und 1/3 zu Lasten der Radfahrerin gerechtfertigt sein.



OLG Saarbrücken v. 22.01.2015:
Die Regelung über die Benutzung linker Radwege bezweckt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, der sich der Senat angeschlossen hat, nur den Schutz des Gegen- und Überholverkehrs auf dem Radweg, nicht des Einbiege- und Querverkehrs. Ein Verstoß gegen § 2 Abs. 4 Satz 4 StVO, der die Benutzung linker Radwege ohne die Zeichen 237, 240 oder 241 nur zulässt, wenn dies durch das Zusatzzeichen „Radverkehr frei“ allein angezeigt ist, ist im Verhältnis zu einem rückwärts nach links in eine Grundstück abbiegenden Kfz-Führer einem Radfahrer nicht entgegenzuhalten.

OLG München v. 05.08.2016:
Kommt es zu einem Verkehrsunfall zwischen einem Kfz und einem Radfahrer, der den gemeinsamen Geh- und Radweg entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung benutzt und von ihm kommend auf die Straße auffährt, ohne das Vorrecht des fließenden Verkehrs zu beachten, so resultiert daraus eine Haftungsverteilung von drei Vierteln zu Lasten des Radfahrers. - Die Rechtsprechung über die Vorfahrtsberechtigung des in entgegengesetzter Richtung auf dem Radweg der Vorfahrtsstraße fahrenden Radfahrers (vgl. BGH NJW 1986, 2651) ist nicht anwendbar, wenn sich der Radweg weder auf dem gegenüberliegenden Gehweg fortsetzt noch eine Markierung auf der Fahrbahn derartiges vermuten lässt.

OLG Hamm v. 04.08.2017:
Eine Radfahrerin, die den für sie links gelegenen Radweg in falscher Fahrrichtung benutzt und beim Queren einer untergeordneten Straße mit einem Kfz kollidiert, das aus eben jener untergeordneten auf den Kreuzungsbereich eingefahren war, muss wegen ihres Mitverschuldens einen Eigenhaftungsanteil von 1/3 tragen.

OLG Hamm v. 11.01.2019:

  1.  Die Benutzung des für diese Fahrtrichtung nicht freigegebenen Radwegs auf der gegenüberliegenden linken Straßenseite, begründet ein anspruchsminderndes Mit- bzw. Eigenverschulden wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 StVO i.V.m § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO, welches sich der Geschädigte nach § 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB entgegenhalten lassen muss.

  2.  Die vorzunehmende Haftungsverteilung gegenüber einem aus einem Grundstück auf die Straße einfahrenden Kraftfahrer rechtfertigt eine Haftung von 1/3 zu 2/3 zu Gunsten der Radfahrerin.

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