"Die Vorschrift durchbricht den im Strafbefehlsverfahren geltenden Grundsatz, wonach auf zulässigen Einspruch hin aufgrund einer Hauptverhandlung zu entscheiden ist (§ 411 Abs. 1 Satz 1 StPO). Sie eröffnet die Möglichkeit, im schriftlichen Verfahren und ohne Beweiserhebung in einer Hauptverhandlung durch Beschluss zu entscheiden. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ist die Entscheidung aufgrund einer mündlichen Verhandlung die Regel und das schriftliche Verfahren die Ausnahme (KK-Senge 1). Zweck der Ausnahmebestimmung ist allein die Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens (Karlsruhe NStZ-RR 2002, 271). Die zunehmend knapper werdenden personellen und sachlichen Ressourcen bei der Justizgewährung, das Anwachsen der OWi-Verfahren im Bagatellbereich, insbesondere bei den Verkehrs-OWi, und die zunehmende Bedeutung schwerwiegender OWi in nebenstrafrechtlichen Gebieten sprechen dafür, dass de lege ferenda bei schwerer wiegenden Verstößen die Hauptverhandlung und bei leichteren Verstößen das schriftliche Verfahren die Regel sein sollte. Das schriftliche Verfahren in Bußgeldsachen verstößt nicht gegen das GG oder die MRK. Art. 103 Abs. 1 GG fordert die Anhörung in der mündlichen Verhandlung nicht (BVerfGE 9, 11). Dasselbe gilt für Art. 6 MRK (Röhl NJW 1964, 275; RRH 2a), soweit er überhaupt im Bußgeldverfahren anwendbar ist (Schmidt NStZ 1981, 380). II. Schriftliches Verfahren Abs. 1 enthält die Befugnisnorm für die Entscheidung im schriftlichen Verfahren durch das Gericht. Danach kann es durch Beschluss entscheiden, wenn es eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich hält, sofern der Betroffene und die StA diesem Verfahren nicht widersprechen (Satz 1). Es steht in seinem Ermessen, ob es eine Hauptverhandlung für erforderlich hält. Sie erscheint nicht erforderlich, wenn der dem Betroffenen zur Last gelegte Sachverhalt einfach gelagert und die richterliche Sachentscheidung ohne weitere Ermittlungen möglich ist (KK-Senge 4), wenn bereits nach Aktenlage ein Freispruch in Betracht kommt, der Betroffene geständig ist und nur eine Reduzierung der Geldbuße anstrebt oder wenn nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist (Begründung BT-Drucks. V/1269 S. 35; BGH NJW 1972, 881)." |
1. | Ein bereits vor dem Hinweis nach § 72 Abs. 1 Satz 2 OWiG ausdrücklich oder schlüssig erklärter Widerspruch gegen eine Entscheidung ohne Hauptverhandlung wird nicht dadurch gegenstandslos, dass der Betroffene auf den späteren Hinweis schweigt oder die ausdrückliche Anfrage des Gerichts, ob dem schriftlichen Verfahren widersprochen werde, unbeantwortet lässt (u.a. Anschl. an OLG Bremen Beschluss vom 04.09.2014 - 1 SsBs 42/14 = BeckRS 2014, 23000; OLG Hamm, Beschluss vom 10.06.2013 - 1 RBs 57/13 = ZfSch 2013, 653; OLG Schleswig, Beschluss vom 09.02.2004 - 1 Ss OWi 26/04 = NJW 2004, 3133 = StraFo 2004, 390 = NZV 2005, 110 = NStZ 2004, 701; OLG Jena, Beschluss vom 20.01.2006 - 1 Ss 298/05 = VRS 111, 143; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 06.03.1989 - 1 Ss 42/89 = VRS 76 [1989], 449 = MDR 1989, 936 = ZfSch 1990, 324 sowie BayObLG, Beschluss vom 27.07.1994 - 2 ObOWi 351/94 = BayObLGSt 1994, 128 = NZV 1994, 492 = VRS 88 [1995], 61). Insbesondere kann der Widerspruch auch bereits gegenüber der Verwaltungsbehörde - etwa mit dem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid - wirksam erklärt werden. |
2. | An der Unzulässigkeit der Entscheidung im Beschlusswege ändert sich bei bereits erklärtem Widerspruch nichts, wenn das Einverständnis erst zu einem Zeitpunkt erklärt wird, zu dem der Beschluss bereits erlassen worden war. |