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Urteile im Zivilprozess - Rechtskrafterstreckung - Bindungswirkung

Urteile im Zivilprozess um Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall - Rechtskrafterstreckung - Bindungswirkung




Gliederung:


-   Weiterführende Links
-   Allgemeines
-   Notwendiger Inhalt und Begründungsumfang
-   Grundurteil / Teilurteil
-   Rechtskrafterstreckung
-   Urteil gegen Gesamtschuldner
-   Bindung an rechtlichen Hinweis
-   Nichtzulassung von Rechtsmitteln



Weiterführende Links:


Stichwörter zum Thema Zivilprozess

Beschlüsse im Zivilprozess

Feststellungsurteile

Beweiswürdigung in Zivilverfahren

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Allgemeines:


BGH v. 10.07.1974:
Werden der Versicherungsnehmer und der Versicherer von dem Geschädigten im selben Prozess auf Zahlung von Schadensersatz als Gesamtschuldner in Anspruch genommen, so sind sie nicht notwendige, sondern einfache Streitgenossen.

BGH v. 13.12.1977:
Soweit der Haftpflichtanspruch in einem besonderen Prozess gegen den - dabei in der Regel durch den Versicherer vertretenen (§ 10 Abs 5 AKB) - Versicherten verfolgt wird, ist seit langem das sogenannte Trennungsprinzip anerkannt. Das bedeutet, dass die Entscheidung über den haftungsbegründenden Tatbestand grundsätzlich dem Haftpflichtprozess vorbehalten ist und in einem Deckungsprozess nicht wieder aufgerollt werden kann; diese sachliche Bindungswirkung ergibt sich aus der Natur des Haftpflicht-Versicherungsvertrages.

BGH v. 24.02.2011:
Lässt das Berufungsgericht die Revision zu, muss aus dem Berufungsurteil zu ersehen sein, von welchem Sach- und Streitstand es ausgegangen ist, welches Rechtsmittelbegehren die Parteien verfolgt haben und welche tatsächlichen Feststellungen der Entscheidung zugrunde liegen.

BGH v. 25.05.2011:
Im Berufungsurteil ist neben einer Bezugnahme nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich die mindestens sinngemäße Wiedergabe der Berufungsanträge erforderlich (Bestätigung von BGH, 26. Februar 2003, VIII ZR 262/02, BGHZ 154, 99). Sie ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn sich dem Gesamtzusammenhang der Gründe das Begehren des Berufungsführers noch mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen lässt.

AG Oranienburg v. 30.07.2015:
Wenn sich der Beklagte trotz erbetener und gewährter Fristverlängerung nicht auf die Sache eingelassen hat, gilt der Vortrag des Klägers als zugestanden. Der Klage ist stattzugeben, wenn die Beklagtenseite substantiierte Einwendungen nicht erhoben hat.

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Notwendiger Inhalt und Begründungsumfang:


BGH v. 30.09.2003:
Findet gegen ein Berufungsurteil die Nichtzulassungsbeschwerde statt, muss aus dem Urteil zu ersehen sein, von welchem Sach- und Streitstand das Gericht ausgegangen ist, welches Rechtsmittelbegehren die Parteien verfolgt haben und welche tatsächlichen Feststellungen der Entscheidung zugrunde liegen.

BGH v. 21.02.2017:
Aus einem Berufungsurteil, gegen das die Revision stattfindet, muss zu ersehen sein, von welchem Sach- und Streitstand das Gericht ausgegangen ist, welches Rechtsmittelbegehren die Parteien verfolgt haben und welche tatsächlichen Feststellungen der Entscheidung zugrunde liegen. Fehlen solche Darstellungen, hat das Revisionsgericht das Urteil von Amts wegen aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (Fortführung Senatsurteil vom 30. September 2003, VI ZR 438/02, BGHZ 156, 216).

BGH v. 15.06.2021:
Die Berufungsanträge müssen im Berufungsurteil zumindest sinngemäß wiedergegeben werden. Ohne die Wiedergabe der Anträge leidet das Berufungsurteil regelmäßig an einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel, der zur Aufhebung und Zurückverweisung führt (vgl. Senatsurteile vom 21. Februar 2017 - VI ZR 22/16, NJW 2017, 3449 Rn. 6 und vom 30. Mai 2017 - VI ZR 501/16, VersR 2017, 1014 Rn. 7 mwN). Die ausdrückliche Wiedergabe der Anträge ist jedoch entbehrlich, wenn sich aus dem Gesamtzusammenhang der Gründe das Begehren des Berufungsführers noch mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen lässt (vgl. Senatsurteil vom 10. Februar 2004 - VI ZR 94/03, BGHZ 158, 60, 62 f., juris Rn. 9; BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - II ZR 21/12, ZIP 2014, 216 Rn. 18 mwN).

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Grundurteil / Teilurteil:


Teil-Schmerzensgeldanspruch

BGH v. 10.01.1989:
Ein Grundurteil darf in einem Schadensersatzprozess nicht erlassen werden, wenn kein Streit über den Grund des Anspruches besteht, insbesondere auch die Entstehung eines Schadens überhaupt außer Streit ist. Ein Grundurteil oder ein Teilurteil über einzelne Elemente des Klagegrundes oder der Höhe der Klageforderung sind unzulässig.

BGH v. 05.12.2000:
Ein Teilurteil über einen einheitlichen Anspruch, der seinem Grunde nach streitig ist, darf nicht erlassen werden, solange nicht zugleich ein Grundurteil über den restlichen Anspruch ergeht.

OLG Celle v. 29.10.2008:
Der Erlass eines unzulässigen Teilurteils stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel i.S.d. § 539 ZPO dar, der nicht rückwirkend allein dadurch beseitigt wird, dass das Rechtsmittelgericht die Entscheidung materiellrechtlich für richtig hält. Die Unzulässigkeit eines Teilurteils wird nicht nachträglich durch eine nach Urteilserlass vorgenommene Abtrennung des verbliebenen Rechtsstreits geheilt.

OLG Brandenburg v. 19.11.2009:
Ein Grundurteil darf nur ergehen, wenn ein Anspruch nach Grund und Höhe streitig ist, alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind und wenn nach dem Sach- und Streitstand der Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht.

OLG Schleswig v. 17.04.2013:
Unzulässigkeit eines Teilurteils nur über die Klage aus einem Verkehrsunfall, wenn über die (Dritt-)Widerklage aus demselben Verkehrsunfall nicht zumindest ein Grundurteil ergehen kann.

OLG Hamm v. 04.12.2015:
Der Erlass eines Teilurteils ist unzulässig, wenn das Gericht in Bezug auf einen einheitlichen Anspruch (hier Schmerzensgeld) durch echtes und unechtes Versäumnisurteil entscheidet, gegen das sich Einspruch und Berufung richten.

OLG Dresden v. 10.01.2017:
Werden Schadensersatzansprüche sowohl mit einer Leistungs- als auch mit einer Feststellungsklage auf Ersatz von Zukunftsschäden geltend gemacht, darf bezüglich der Leistungsansprüche kein Grundurteil ergehen.

OLG Hamm v. 14.03.2017:
Ein Grund- und Teilurteil gem. §§ 301, 304 ZPO kann unzulässig sein, wenn über einen geltend gemachten Feststellungsantrag nicht (konkludent) mit entschieden wird. Insoweit ist es auch unzulässig, die Entscheidung über einen Mitverschuldensanteil i.S.v. § 254 Abs. 1 BGB dem Betragsverfahren vorzubehalten.

OLG Schleswig v. 04.01.2018:
Auch wenn ein Berufungs-Grundurteil mit Zurückverweisung zur Schadenshöhe keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat, ist die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

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Rechtskrafterstreckung:


BGH v. 13.12.1977:
Mit der rechtskräftigen Abweisung einer Unfallersatzklage gegen den unfallbeteiligten Kfz-Führer und -Halter wird im Verhältnis des Klägers zum Haftpflichtversicherer bestätigt, dass jenem gegen den Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch nicht zusteht. Diese Feststellung wirkt aber gemäß § 3 Nr 8 PflVG Rechtskraft auch gegenüber dem Kfz-Führer und Kfz-Halter. Die Vorschrift des § 561 Abs 1 ZPO steht der Berücksichtigung dieser weiteren prozessualen Entwicklung nach ihrem Zweck nicht entgegen. Da sich die Rechtskrafterstreckung nur auf ein Entscheidungselement bezieht, ist die Klage gegen den Kfz-Führer oder -Halter zwar nicht als unzulässig, wohl aber als unbegründet abzuweisen.

BGH v. 15.01.2008:
Wird im Verkehrsunfallprozess gegen den Haftpflichtversicherer und den Versicherungsnehmer die Berufungssumme nicht erreicht und lässt das Amtsgericht die Berufung gegen sein aus sachlichen Gründen klageabweisendes Urteil gegen den Haftpflichtversicherer nicht zu, hat die Rechtskraftwirkung des § 3 Nr. 8 PflVG zur Folge, dass im Rahmen einer nur im Verhältnis zum beklagten Versicherungsnehmer zugelassenen Berufung eine erneute Überprüfung der Haftungsfrage ausgeschlossen ist. Auf die Frage, ob der Klage gegen den beklagten Versicherungsnehmer ein Schlichtungsverfahren im Sinne der §§ 10, 11 GüSchlG NRW hätte vorausgehen müssen, kommt es unter diesen Umständen nicht an.

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Urteil gegen Gesamtschuldner:


OLG Saarbrücken v. 17.11.2009:
Unterliegt die gegen den Haftpflichtversicherer gerichtete Schadensersatzklage im Verkehrsunfallprozess deshalb der Abweisung, weil der Kläger den ihm obliegenden Beweis für das streitgegenständliche Unfallgeschehen nicht führen kann, so steht aufgrund der Bindungswirkung des § 124 Abs. 1 VVG auch im Verhältnis zum gesamtschuldnerisch mitverklagten Fahrer fest, dass dem Kläger kein Ersatzanspruch zusteht. Dies gilt auch dann, wenn der Fahrer das Unfallereignis zugestanden hat. Ist ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung nicht gegeben, kann im selben Urteil eine Klageabweisung gegen alle Gesamtschuldner erfolgen.

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Bindung an rechtlichen Hinweis:


BGH v. 29.04.2014:
Erteilt das Gericht einen rechtlichen Hinweis in einer entscheidungserheblichen Frage, so darf es diese Frage im Urteil nicht abweichend von seiner geäußerten Rechtsauffassung entscheiden, ohne die Verfahrensbeteiligten zuvor auf die Änderung der rechtlichen Beurteilung hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben.

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Nichtzulassung von Rechtsmitteln:


LVerfG Brandenburg v. 17.02.2017:
Lässt ein Fachgericht ein Rechtsmittel nicht zu, müssen die Urteilsgründe das Verfassungsgericht in die Lage versetzen zu überprüfen, ob das Gericht dabei ein von der jeweiligen Rechtsordnung grundsätzlich eröffnetes Rechtsmittel ineffektiv gemacht hat. Darin liegt kein Widerspruch zu dem Grundsatz, dass letztinstanzliche Entscheidungen von Verfassungs wegen nicht begründet werden müssen. Denn ein Gericht, das die Berufung nicht zulässt, entscheidet, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde nicht eröffnet ist, unanfechtbar über die Erreichbarkeit von höherinstanzlichem Rechtsschutz im konkreten Fall. Gibt das Fachgericht keine nachvollziehbare Begründung seiner Nichtzulassungsentscheidung, kommt eine Aufhebung durch das Verfassungsgericht dann in Betracht, wenn die Zulassung des Rechtsmittels nahegelegen hätte.

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