Zur Verschleierung des Sachverhalts geeignet ist es grundsätzlich, wenn der Fahrer des unfallbeteiligten Kraftfahrzeugs nach dem Unfall Alkohol zu sich nimmt, weil dadurch die Feststellung der möglichen Leistungsfreiheit des Versicherers gemäß § 61 VVG erheblich erschwert wird in Beziehung auf die Frage, ob der Versicherungsfall durch Alkoholeinfluß des Fahrers und damit grob fahrlässig verursacht ist.
Aus diesem Grund wird ein Nachtrunk nach einem Unfall seit jeher in der Rechtsprechung als eine Obliegenheitsverletzung gewertet, die zur Leistungsfreiheit der Versicherung und zum Regress gegen den alkoholisierten Kfz-Führer führt.
OLG Hamm v. 04.09.1991:
In der Kaskoversicherung ist - auch bei fehlendem Fremdschaden - Nachtrunk eine Obliegenheitsverletzung, wenn er vorgenommen wird, um den Beweiswert einer Blutprobe zu verfälschen.
OLG Nürnberg v. 20.07.2000:
Ist bei einem Unfall ist weder Fremdschaden entstanden und gibt es keinen anderen Unfallbeteiligten, so besteht grundsätzlich keine Verpflichtung, sich auf eine nach einem Verkehrsunfall stets denkbare Alkoholkontrolle durch die Polizei einzustellen und etwa jede Alkoholaufnahme solange zu unterlassen, bis nicht mehr ernsthaft mit einer polizeilichen Kontrolle gerechnet werden muß. Anders verhält es sich dann, wenn der Versicherungsnehmer/Repräsentant nach einem Unfall, wenn auch ohne Drittbeteiligung und ohne Fremdschaden, den Nachtrunk in der Erwartung eines polizeilichen Einsatzes zu sich nimmt, um den Sachverhalt zu verschleiern oder die Tatsache des Nachtrunks zu einer solchen Verschleierung ausnützt.
OLG Saarbrücken v. 22.11.2000:
Der Versicherungsnehmer verletzt seine Aufklärungsobliegenheit vorwerfbar, wenn er in der Erwartung eines polizeilichen Einsatzes Alkohol zu sich nimmt, um den Sachverhalt zu verschleiern, oder wenn er die Tatsache eines Nachtrunks zu einer solchen Verschleierung ausnutzt.
AG Düsseldorf v. 18.02.2002:
Ein Nachtrunk des Versicherungsnehmers in Erwartung der anstehenden polizeilichen Aufklärungsmaßnahmen stellt eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung dar.
LG Chemnitz v. 19.03.2002:
Ein Nachtrunk stellt dann eine Obliegenheitsverletzung dar, wenn durch ihn die Feststellung des Alkoholisierungsgrades zum Vorfallszeitpunkt verhindert wird. Nur wenn feststeht, dass auch ohne den Nachtrunk zum Vorfallszeitpunkt mehr als 1,1 ‰ auf den Kfz-Führer einwirkten, ist der Nachtrunk versicherungsrechtlich nicht relevant.
OLG Saarbrücken v. 17.07.2006:
Unvollständige und erst recht falsche Angaben des Versicherungsnehmers über einen Alkoholkonsum vor dem Unfall stellen deshalb eine ernsthafte Gefährdung der Interessen des Unfallversicherers dar und führen zur Leistungsfreiheit.
KG Berlin v. 26.10.2010:
Auch wenn weder absolute Fahruntüchtigkeit zum Unfallzeitpunkt noch ein Fahrfehler nachweisbar sind, kommt Leistungsfreiheit des Versicherers gemäß § 6 Abs. 3 VVG a. F. wegen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit in Betracht, wenn der Versicherungsnehmer bei einem Fremdschaden nach Räumung der Unfallstelle und vor Eintreffen der Polizei nach seiner Behauptung 0,2 l Weinbrand zu sich nimmt und sich damit nicht für eine evtl. Feststellung seiner Alkoholisierung durch die Polizei zur Verfügung hält. Es reicht aus, dass der Nachtrunk generell geeignet war, dem Versicherer den Nachweis der grob fahrlässigen Herbeiführung unmöglich zu machen.
Nachtrunk im Zusammenhang mit Unfallflucht und Regressbegrenzung:
OLG Schleswig v. 14.11.1979:
Sowohl unerlaubtes Entfernen vom Unfallort wie auch ein Nachtrunk führen in der Regel zur Leistungsfreiheit des Kfz-Versicherers; jedoch handelt es sich nur dann um eine schwerwiegende Obliegenheitsverletzung mit der Folge des doppelten Regresses, wenn sich das Verschulden als besonders "krass" erweist, also über den normalen Ablauf hinausgeht.
OLG Brandenburg v. 19.10.2006:
Zwar besteht eine generelle, über die strafrechtlich nach § 142 StGB sanktionierte Verpflichtung hinausgehende Obliegenheit des Versicherungsnehmers, bei der polizeilichen Unfallaufklärung mitzuwirken, bei einem Unfall mit fehlendem Fremdschaden grundsätzlich nicht. Ein Nachtrunk nach einem Unfall stellt daher nicht schon ohne Weiteres eine Aufklärungsobliegenheitsverletzung dar. Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Nachtrunk in der Erwartung eines bevorstehenden polizeilichen Eingreifens in der Absicht zu sich genommen wird, eine zum Unfallzeitpunkt bestehende Alkoholisierung bewusst zu verschleiern.
OLG Frankfurt am Main v. 24.07.2014:
Hat ein Versicherungsnehmer seine Obliegenheiten sowohl vor dem Versicherungsfall (hier: Fahren in absolut fahruntüchtigem Zustand infolge Trunkenheit) als auch nach dem Versicherungsfall verletzt (hier: Nachtrunk), ist der Versicherer in doppelter Hinsicht leistungsfrei und kann den gesamten eingeklagten Betrag (hier: 7.500 Euro) vom Versicherungnehmer im Wege des Regresses verlangen.
Beweislast für Alkoholgenuss vor dem Versicherungsfall:
OLG Karlsruhe v. 05.06.2008:
Den Verstoß gegen den objektiven und subjektiven Tatbestand der Strafvorschrift darzulegen und zu beweisen - insbesondere auch die Kenntnis des Versicherungsnehmers oder seines Repräsentanten von dem Entstehen eines nicht nur ganz unerheblichen Schadens an fremden Rechtsgütern -, obliegt dem Versicherer.