Das Verkehrslexikon
Das Verschlechterungsverbot
Das Verschlechterungsverbot
Gliederung:
Einleitung:
Zugunsten des Betroffenen im Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren bzw. des Angeklagten im Verkehrsstrafverfahren gilt das sog. Verschlechterungsverbot: Hat (nur) der Betroffene bzw Angeklagte oder die Staatsanwaltschaft zu seinen Gunsten das Rechtsmittel eingelegt, dann darf das Rechtsmittelgericht keine Sanktion verhängen, die zu einer Verschlechterung der Rechtsfolgen im Vergleich zum Ergebnis der angefochtenen Entscheidung führt, vgl. § 358 Abs. 2 StPO.
Das Verschlechterungsverbot kommt nicht zum Zuge, wenn das Rechtsmittel (zu Lasten des Betroffenen bzw. Angeklagten) von der Anklagebehörde eingelegt wurde.
Wann im Einzelfall von einer Verschlechterung auszugehen ist, kann im Einzelfall schwierig zu entscheiden sein.
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Allgemeines:
Stichwörter zum Thema Verkehrsstrafsachen
Rechtsmittel im Strafverfahren
Stichwörter zum Thema Ordnungswidrigkeiten
OLG Braunschweig v. 20.12.2001:
Das Verschlechterungsverbot des StPO § 358 Abs 2 S 1 iVm OWiG § 79 Abs 3 S 1 gilt auch nach einem Prozessurteil, in dem eine Sachentscheidung nicht ergangen ist, dh (hier) nach einem Urteil durch das der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid wegen Terminssäumnis des Betroffenen verworfen worden ist, für das weitere Verfahren nach der Einlegung der Rechtsbeschwerde.
OLG Jena v. 02.06.2003:
Im Rechtsbeschwerdeverfahren gilt das Verschlechterungsverbot. Dieses erstreckt sich auch auf das Verfahren nach Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
OLG Bamberg v. 16.01.2008:
Rechtfertigen die tatsächlichen Feststellungen eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Tatbegehung so stellt eine entsprechende Berichtigung des Schuldspruchs in der Rechtsmittelinstanz keinen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot dar.
BGH v. 20.10.2009:
Das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) lediglich auf Art und Höhe der Rechtsfolgen, nicht aber auf eine Veränderung und Verschärfung des Schuldspruchs bezieht. Jedoch darf bei einer Veränderung des Schuldspruchs die Summe der dann jeweils zu verhängen Einzelstrafen nicht die bisher verhängte Einzelstrafe übersteigen.
KG Berlin v. 07.04.2010:
Das für das Rechtsbeschwerdeverfahren geltende Verschlechterungsverbot nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 358 Abs. 2 StPO steht einer entsprechenden Abänderung des Schuldspruchs nicht entgegen, da es nicht für den Schuldspruch gilt.
OLG Karlsruhe v. 30.08.2010:
Das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 S. 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG hinsichtlich der Rechtsfolgen (hier: einer erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung) gilt auch für ein Urteil, mit dem der Einspruch des Betroffenen gegen einen Bußgeldbescheid wegen Terminssäumnis nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen wurde, für das weitere Verfahren nach Einlegung Rechtsbeschwerde und Urteilsaufhebung.
OLG Celle v. 09.08.2011:
Bei Schuldspruchänderungen durch das Rechtsbeschwerdegericht findet das Verschlechterungsverbot keine Anwendung (hier: Annahme einer vorsätzlichen statt einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung).
KG Berlin v. 15.09.2011:
Die Festsetzung einer höheren Geldbuße verstößt dann nicht gegen das Verschlechterungsverbot, wenn der im Rahmen einer Gesamtbetrachtung vorzunehmende Vergleich der Rechtsfolgen ergibt, dass die höhere Geldbuße die mildere Sanktion darstellt. Dies ist der Fall, wenn die wegen einer Straftat verhängte Geldstrafe und dem Entzug der Fahrerlaubnis danach der Schuldspruch wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit und die Festsetzung einer Geldbuße und die Anordnung eines Fahrverbotes gegenüberstehen.
OLG Hamburg v. 19.11.2013:
Hat die Staatsanwaltschaft ein zunächst unbeschränkt eingelegtes Rechtsmittel nachträglich beschränkt, ist diese spätere Beschränkung einer Teilrücknahme des Rechtsmittels gleichzustellen, die sich entsprechend § 473 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StPO zu Lasten des Rechtsmittelführers auswirkt. Im Beschwerdeverfahren über Kostengrundentscheidungen besteht kein Verschlechterungsverbot.
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Fahrerlaubnis:
Stichwörter zum Thema Fahrerlaubnis und Führerschein
OLG Köln v. 09.06.2010:
Ist gegen einen Angeklagten in erster Instanz lediglich eine isolierte Sperre verhängt worden und legt nur er gegen diese Entscheidung ein Rechtsmittel ein, steht der Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 Abs. 1 Satz 1 StGB) in der Berufungsinstanz das Verschlechterungsverbot des § 331 Abs. 1 StPO entgegen.
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Fahrverbot:
Stichwörter zum Thema Fahrverbot
OLG Stuttgart v. 18.12.1995:
Das Verschlechterungsverbot steht wegen der zwischen der Festsetzung der Geldbuße und der Anordnung des Fahrverbots bestehenden Wechselwirkung einer Heraufsetzung der Buße in angemessenem Rahmen bei gleichzeitiger Herabsetzung der Dauer des Fahrverbots nicht entgegen.
OLG Jena v. 02.06.2003:
Kann das angeordnete Fahrverbot nach rund dreijähriger Verfahrensdauer seine Besinnungs- und Denkzettelfunktion nicht mehr erfüllen und trifft den Betroffenen an der eingetretenen Verfahrensverzögerung keine Schuld, so ist es aufzuheben. Im Rechtsbeschwerdeverfahren gilt das Verschlechterungsverbot. Dieses erstreckt sich auch auf das Verfahren nach Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
OLG Hamm v. 12.08.2004:
Ist das Urteil des Amtsgerichts auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hin aufgehoben worden, stellt es einen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot dar, wenn in der neuen Hauptverhandlung zwar die Geldbuße herabgesetzt, aber erstmalig ein Fahrverbot gegen den Betroffenen verhängt wird.
OLG Hamm v. 02.07.2007:
Der Tatrichter darf nach Aufhebung des Bußgeldausspruchs und des Fahrverbots durch das Rechtsbeschwerdegericht die ursprünglich verhängte Geldbuße grundsätzlich erhöhen, wenn er von der nochmaligen Verhängung eines Fahrverbots absieht. Allerdings kommt eine Erhöhung der Geldbuße wegen des Absehens vom Fahrverbot gemäß § 4 Abs. 4 BKatV dann nicht mehr in Betracht, wenn es der Anordnung eines Fahrverbots wegen des langen Zeitablaufs zwischen der Tat und deren Ahndung zur erzieherischen Einwirkung auf den Betroffenen nicht mehr bedarf.
OLG Karlsruhe v. 30.08.2010:
Eine Erhöhung der Geldbuße im Hinblick auf den Wegfall des Fahrverbots kommt nicht in Betracht, wenn die Fahrverbotsanordnung deshalb unterbleiben muss, weil es ihrer wegen des langen Zeitablaufs zwischen der Tat und deren Ahndung zur erzieherischen Einwirkung auf den Betroffenen nicht mehr bedarf.
OLG Bamberg v. 05.03.2015:
Nach Aufhebung und Zurückverweisung eines den Betroffenen allein zu einer Geldbuße verurteilenden Erkenntnisses an das Tatgericht steht das Verschlechterungsverbot der Anordnung eines Fahrverbots auch dann entgegen, wenn die ursprünglich Geldbuße herabgesetzt wird (Anschluss an BGH, Beschluss vom 11. November 1970, 4 StR 66/70, BGHSt 24, 11 und OLG Hamm, Beschluss vom 2. Juli 2007, 3 Ss OWi 360/07, NZV 2007, 635 = zfs 2007, 591 = VerkMitt 2008, Nr. 4).
OLG Düsseldorf v. 04.10.2018:
Das Verschlechterungsverbot gilt im erstinstanzlichen gerichtlichen Bußgeldverfahren kraft besonderer gesetzlicher Bestimmung nur bei einer Entscheidung durch Beschluss im schriftlichen Verfahren (§ 72 Abs. 3 Satz 2 OWiG), nicht aber bei einer Entscheidung durch Urteil nach Durchführung einer Hauptverhandlung. Daher entfällt in dem Urteil die viermonatige Schonfrist (§ 25 Abs. 2a StVG), wenn nach Erlass des Bußgeldbescheids, in dem diese Vergünstigung noch gewährt wurde, ein Fahrverbot in anderer Sache als Vorbelastung hinzugetreten ist.
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Prozesskostenhilfe:
Prozesskostenhilfe - PKH - Beratungshilfe
LAG Berlin v. 17.01.2014:
Nur zwischenzeitlich eingetretene wesentliche Verschlechterungen der wirtschaftlichen Verhältnisses i. S. d. § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO können berücksichtigt und die Raten entsprechend herabgesetzt werden. Hingegen kann eine wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse i. S. d. § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO regelmäßig keine Berücksichtigung finden, weil das Beschwerdegericht - anders als der Rechtspfleger im Rahmen des Verfahrens nach § 120 Abs. 4 ZPO - an das rechtsmittelrechtliche Verschlechterungsverbot gebunden ist.
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