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Kompensation des Absehens vom Regelfahrverbot durch Erhöhung der Geldbuße
Absehen vom Regelfahrverbot - Kompensation durch Erhöhung der Geldbuße
Gliederung:
Einleitung:
Unterschiedlich weit verbreitet ist bei deutschen Gerichten die Neigung, durch Kompensation durch eine merkbare Erhöhung der Regelgeldbuße von der Verhängung eines Regelfahrverbots abzusehen.
Um dies überhaupt zu erreichen, sollte der Regelverstoß nicht durch besondere Gefährlichkeit oder Rücksichtslosigkeit gekennzeichnet und der Betroffene ansonsten gar nicht oder allenfalls äußerst geringfügig vorbelastet sein
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Weiterführende Links:
Stichwörter zum Thema Fahrverbot
Fahrverbot im Strafverfahren
Regelfahrverbot
Fahrverbot bei Rotlichtverstößen - Einzelfälle
Fahrverbot bei Geschwindigkeitsüberschreitungen - Einzelfälle
Absehen vom Fahrverbot allgemein
Fahrverbot und sog. Augenblicksversagen
Absehen vom Fahrverbot wegen Existenzgefährdung oder drohendem Verlust des Arbeitsplatzes
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Allgemeines:
OLG Hamm v. 03.03.2005:
Zur gebotenen Kompensation des Fahrverbots durch Erhöhung der Geldbuße
OLG Karlsruhe v. 31.08.2005:
Der Tatrichter kann von der Verhängung eines nach dem Bußgeldkatalog indizierten Fahrverbots absehen, wenn der Sachverhalt zugunsten des Betroffenen wesentliche Besonderheiten mit Ausnahmecharakter und Abweichungen vom Normalfall aufweist und er die Überzeugung gewinnt, dass trotz eines Regelfalles die Verhängung eines Fahrverbotes unangemessen ist und der notwendige Warneffekt schon allein unter angemessener Erhöhung der Regelgeldbuße erreicht werden kann.
AG Rendsburg v. 01.12.2005:
Von einem Regelfahrverbot ist abzusehen; wenn der Betroffene eine anerkannte verkehrspsychologische Intensivberatung in Anspruch genommen hat. Die Teilnahme an der Maßnahme avanti-Fahrverbot des Nord-Kurses erfüllt diese Voraussetzung. Von einer Erhöhung der Geldbuße gemäß § 4 IV BKatV ist wegen der bereits erbrachten Kosten für die verkehrspsychologische Intensivberatung abzusehen.
OLG Hamm v. 03.07.2006:
Zum Absehen vom Fahrverbot aufgrund beruflicher Umstände unter ggf. massiver Erhöhung der Geldbuße (unvorbelastete Vielfahrerin, die angab, beruflich auf den Führerschein angewiesen zu sein)
OLG Hamm v. 02.07.2007:
Der Tatrichter darf nach Aufhebung des Bußgeldausspruchs und des Fahrverbots durch das Rechtsbeschwerdegericht die ursprünglich verhängte Geldbuße grundsätzlich erhöhen, wenn er von der nochmaligen Verhängung eines Fahrverbots absieht. Allerdings kommt eine Erhöhung der Geldbuße wegen des Absehens vom Fahrverbot gemäß § 4 Abs. 4 BKatV dann nicht mehr in Betracht, wenn es der Anordnung eines Fahrverbots wegen des langen Zeitablaufs zwischen der Tat und deren Ahndung zur erzieherischen Einwirkung auf den Betroffenen nicht mehr bedarf.
OLG Hamm v. 24.04.2008:
Das Absehen vom Regelfahrverbot gegen eine drastische Erhöhung des Regelbußgeldes von 250,00 auf 700,00 €, weil dem Betroffenen ein Urlaubsanspruch bislang noch nicht zustehe und er auch im Falle einer Festanstellung in den ersten 6 Monaten keinen Urlaub nehmen könne, muss im einzelnen durch Darlegung der Umstände, weshalb ein Urlaub in angemessener Frist nicht möglich ist, im Urteil dargelegt werden.
OLG Bamberg v. 18.03.2009:
Ebenso wie von der Verhängung eines Regelfahrverbots nur dann gänzlich abgesehen werden kann, wenn wesentliche Besonderheiten in der Tat oder in der Persönlichkeit des Betroffenen anzunehmen sind und deshalb der vom Bußgeldkatalog erfasste Normalfall nicht vorliegt, ist der Tatrichter vor einer Verkürzung der im Bußgeldkatalog vorgesehenen Regeldauer des Fahrverbots gehalten zu prüfen, ob der jeweilige Einzelfall Besonderheiten aufweist, die ausnahmsweise die Abkürzung rechtfertigen können und daneben eine angemessene Erhöhung der Regelbuße als ausreichend erscheinen lassen.
OLG Düsseldorf v. 28.02.2011:
Bei der Verhängung eines Fahrverbots muss sich der Tatrichter der Möglichkeit, dass er trotz Annahme eines Regelfalls nach der Bußgeldkatalog-Verordnung von der Verhängung eines Fahrverbots bei gleichzeitiger Erhöhung der Geldbuße absehen kann, bewusst sein und dies in den Entscheidungsgründen grundsätzlich erkennen lassen.
OLG Hamm v. 01.07.2011:
Von der Verhängung eines damit indizierten Regelfahrverbots kann nur ausnahmsweise abgesehen werden, nämlich wenn die Anordnung einer Härte ganz außergewöhnlicher Art darstellen würde oder sonstige, das äußere und innere Tatbild beherrschende außergewöhnliche Umstände ein Absehen von einem Regelfahrverbot rechtfertigen können. Eines ausdrücklichen Ansprechens der Möglichkeit des Absehens vom Fahrverbot bedarf es dann nicht, wenn der Begründung des amtsrichterlichen Urteils im Übrigen eindeutig zu entnehmen ist, dass der durch das Fahrverbot angestrebte Erfolg durch eine Erhöhung der Geldbuße bei gleichzeitigem Wegfall des Fahrverbots nicht erreicht werden kann. Die Schwere des Verstoßes beurteilt sich dabei nicht nur anhand des Maßes der Geschwindigkeitsüberschreitung, sondern auch anhand der im Einzelfall gegebenen Verkehrs- und Messsituation.
OLG Bremen v. 15.11.2012:
Der Tatrichter muss sich bei Verhängung eines Regelfahrverbots der Möglichkeit, von der Verhängung des Fahrverbots absehen zu können, bewusst gewesen sein und dies in den Entscheidungsgründen erkennen lassen. Dagegen kann von dem Tatrichter nicht verlangt werden, er müsse in den Urteilsgründen zu erkennen geben, sich der Möglichkeit bewusst gewesen zu sein, von Verhängung eines Fahrverbotes (allein) gegen Erhöhung der Geldbuße absehen zu können.
OLG Köln v. 05.07.2013:
Der Tatrichter muss in den Entscheidungsgründen erkennen lassen, dass er sich mit der Frage auseinander gesetzt hat, ob der mit der Verhängung des Regelfahrverbots beabsichtigte Besinnungs- und Erziehungseffekt auch durch eine Erhöhung der zu verhängenden Geldbuße erreicht werden kann.
OLG Koblenz v. 07.05.2014:
Nach § 4 Abs. 4 BKatV soll, wenn von der Anordnung eines Fahrverbots ausnahmsweise abgesehen wird, das für den betreffenden Tatbestand als Regelsatz vorgesehene Bußgeld angemessen erhöht werden. Dies ist nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck dieser Regelung aber nur dann zulässig, wenn die Voraussetzungen für die Verhängung eines Fahrverbots an sich vorliegen, denn eine angemessene Erhöhung der Regelgeldbuße ist nur anstelle eines grundsätzlich verwirkten Fahrverbots zulässig.
KG Berlin v. 12.07.2016:
Kommt die Anordnung eines Regelfahrverbotes in Betracht, besteht für die Gerichte keine Verpflichtung, die Angemessenheit des verhängten Regelfahrverbotes besonders zu begründen, wenn keine Anhaltspunkte für ein Abweichen vorliegen. Der Tatrichter muss nicht ausdrücklich feststellen, dass der durch das Fahrverbot angestrebte Erfolg auch mit einer erhöhten Geldbuße erreicht werden kann. Er muss sich dessen aber ausweislich der Gründe der Entscheidung bewusst gewesen sein. - Ist aus den Urteilsgründen zu erkennen, dass der Tatrichter keine Besonderheiten festgestellt hat, sondern von einem „ Fall mit durchschnittlichem Gepräge“, also dem Regelfall, ausgegangen ist, wird ausreichend deutlich, dass er in diesem Einzelfall keine Veranlassung hatte, durch Erhöhung der Geldbuße ausnahmsweise von dem Regelfahrverbot abzusehen.
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