Das Verkehrslexikon

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Rettungskosten - Wildschaden - Teilkaskoversicherung - Vollkaskoversicherung

Rettungskosten in der Fahrzeugversicherung




Gliederung:


-   Einleitung
-   Allgemeines
-   Darlegungs- und Beweislast
-   Bremsen bzw. Ausweichen vor Tieren



Einleitung:


Gem. § 12 Abs. 1 Abschnitt I Buchst. d) werden in der Fahrzeugversicherung - egal ob Voll- oder Teilkasko - auch Schäden am Kfz ersetzt, die durch einen Zusammenstoß des in Bewegung befindlichen Fahrzeugs mit Haarwild im Sinne des Bundesjagdgesetzes entstanden sind.

Kommt es nicht zu einer Kollision des Fahrzeugs mit dem Wild, weil der Kfz-Führer mit einer Ausweichbewegung reagiert hat, um sich, das Tier, aber auch das versicherte Kfz vor einem größeren Schaden zu bewahren, und kommt es dabei - beispielsweise zu einer Kollision mit einem Baum oder mit einer Leitplanke - doch zu einem Schaden am Kfz, so stellt sich die Frage, inwieweit die Fahrzeugversicherung auch für diesen Schaden aufkommen muss (Problem der sog. Rettungskosten).

Die Schäden aus tatsächlichen oder behaupteten Zusammenstö0ßen mit Haarwild werden unter dem Stichwort Wildschäden behandelt.

Siehe auch Unfälle durch erzwungenes Ausweichen - Schreckreaktionen.

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Allgemeines:


Stichwörter zum Thema Versicherung

Abschlepp- und Bergungskosten

Die Rettungskosten zur Vermeidung eines Haarwildzusammentoßes in der Fahrzeugversicherung




BGH v. 13.07.1994:
Ein Anspruch auf Ersatz von Rettungskosten setzt voraus, daß die verlangte Summe zu dem Zweck aufgewandt wurde, das versicherte Risiko nicht eintreten zu lassen. Es genügt nicht, daß die Abwendung des Versicherungsschadens lediglich eine Reflexwirkung der Rettungshandlung war.

OLG Hamm v. 07.05.2004:
Beschädigt bei einer verkehrsbedingt erforderlichen Vollbremsung die Ladung das Fahrzeug, können die dadurch verursachten Schäden ersatzpflichtige Rettungskosten sein. Ein in der Vollkaskoversicherung vereinbarter Selbstbehalt ist dann nicht abzuziehen.

OLG Karlsruhe v. 18.01.2013:
Zwar sehen die AKB 2009 eine Erstattung von Abschleppkosten nur im Fall der Beschädigung des Fahrzeugs vor (Ziffer A.2.7.2 AKB 2009), nicht jedoch bei einer Abrechnung auf Totalschadensbasis. Die Abschleppkosten sind aber unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Aufwendungsersatzes nach § 83 Abs. 1 VVG zu erstatten, wenn das Abschleppen in eine Werkstatt der Verwertung des Restwerts dient, weil er nur durch Entfernen vom Unfallort und Verbringung nach dort erzielbar ist. Dann handelt es sich um Kosten, die der Geringhaltung des Schadens dienen, die Voraussetzung dafür sind, dass überhaupt ein Restwert, wie vorliegend gegeben, realisiert werden kann.

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Darlegungs- und Beweislast:

Darlegungs- und Beweislast bei Wildschäden und Rettungskosten

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Bremsen bzw. Ausweichen vor Tieren:

OLG Nürnberg v. 17.12.1992:
Begeht der Versicherungsnehmer bei dem Versuch, einem auf der Fahrbahn auftauchenden Haarwild (hier: zwei Hasen) auszuweichen, einen Fehler, ist der Versicherer zur Erstattung des Fahrzeugschadens unter dem Gesichtspunkt der Rettungskosten verpflichtet, wenn das Fehlverhalten des Versicherungsnehmers nicht als grob fahrlässig zu bewerten ist.

BGH v. 18.12.1996:
Bei einem grob fahrlässigen Irrtum über die objektive Notwendigkeit, Rettungskosten aufzuwenden, ist der Versicherer zum Ersatz der Kosten nicht verpflichtet. Das ist der Fall, wenn der Fahrer eines Mittelklasse-Pkw bei einer Geschwindigkeit von ca 90 km/h einem Hasen ausweicht, um durch einen etwaigen Zusammenstoß mit dem Hasen einen Schaden an seinem Fahrzeug zu vermeiden.

AG Nördlingen v. 30.11.2005:
Der Kraftfahrer, der bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h vor einem Biber auf die Gegenfahrbahn ausweicht und dabei von der Fahrbahn abkommt, hat gegen den Teilkaskoversicherer einen Anspruch auf Ersatz der Rettungskosten.

BGH v. 25.06.2003:
Bei einer Entscheidung des Berufungsgerichts, das Ausweichen des Fahrers des Klägers vor dem Fuchs sei objektiv nicht erforderlich gewesen, handelt es sich um eine tatrichterliche Würdigung im Einzelfall. Sie bindet das Revisionsgericht, weil sie einen Rechtsfehler nicht erkennen läßt.

LG Marburg v. 17.01.2006:
Von einem Kraftfahrer, der bei Dunkelheit eine Straße in waldreichem Gebiet befährt, kann verlangt werden, dass er - trotz Erschreckens - sachgerecht auf ein plötzlich Auftauchen eines kleineren Tieres auf der Fahrbahn reagiert. Ausweichmanöver wegen eines Fuchses beurteilen sich objektiv aus der Sicht des VN zum Zeitpunkt seiner Reaktion (hier verneint).

OLG Koblenz v. 19.05.2006:
Es steht der Annahme einer Rettungshandlung im Sinne der §§ 62, 63 VVG nicht entgegen, wenn der Fahrer eines teilkaskoversicherten Motorrades eine Brems- oder Ausweichhandlung mit seinem Kraftrad vornimmt, um die Frontalkollision mit wechselndem Wild (Reh) zu vermeiden und hierbei verunfallt. Es entspricht vielmehr der Lebenserfahrung, dass ein Kraftfahrer, der zur Vermeidung eines Frontalzusammenstoßes eine Vollbremsung vornimmt, hierbei neben dem Schutz und der Erhaltung seines eigenen Lebens auch die Beschädigung seines Fahrzeuges vermeiden will. Das Interesse, eine Beschädigung seines Fahrzeuges zu verhindern, ist kein nur ganz geringfügiges Rettungsinteresse, welches bei einer lebensnahen und an der Verkehrsanschauung orientierten Betrachtungsweise ganz zurücktreten würde.



AG München v. 11.07.2008:
Weicht ein Autofahrer, der rechts am Waldrand ein Reh stehen sieht, nach links aus, um einen etwaigen Zusammenstoß zu vermeiden und gerät dadurch ins Schleudern, hat die Teilkaskoversicherung den Schaden als sogenannten Rettungskostenersatz zu erstatten, es sei denn, der Autofahrer handelt grob fahrlässig.

LG Limburg v. 17.02.2010:
Ein Schaden, der dadurch entstanden ist, dass der Fahrzeugführer einen Unfall erleidet, weil er einem Reh ausweichen musste, ist vom Fahrzeugversicherer unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigter Rettungskosten zu ersetzen. Ob die damit verbundene Gefährdung des versicherten Fahrzeuges objektiv erforderlich und geboten war, kann dahinstehen, da Fehleinschätzungen des Fahrers über die drohende Gefahr und deren Abwendbarkeit bis zur Grenze der groben Fahrlässigkeit unschädlich für die Anspruchsentstehung sind. Auch ein in einer Kollision mit einem Baum endendes abruptes Ausweich- und Bremsmanöver ist noch nicht als grob fahrlässig einzustufen, wenn es sich als Fahrfehler oder reflexartiges Handeln darstellt.

AG Lörrach v. 02.12.2013:
§ 90 VVG erstreckt die Ersatzpflicht des Versicherers dabei auf Aufwendungen, die der Versicherungsnehmer tätigt, um einen unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfall abzuwenden. Im Fall der Wildschadensversicherung kann der Versicherer damit dem Grunde nach Ersatz derjenigen Schäden schulden, die dem Versicherungsnehmer dadurch entstehen, dass er den Eintritt des Versicherungsfalls - hier: des Zusammenstoßes mit Haarwild - durch ein Ausweichmanöver abzuwenden sucht. Der Schaden muss dabei normativ als Aufwendung gelten können, die gerade der Abwendung des Versicherungsfalls gilt, und der jeweilige Fahrer muss das Ausweichmanöver nach den Umständen objektiv für erforderlich haben halten dürfen (unvermutetes Auftauchen eines Rehs).

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