KG Berlin v. 18.09.2010:
Bei Beurteilung der Erfolgsaussicht einer Klage (§ 114 ZPO) kann ein im Ermittlungsverfahren erstattetes Unfallrekonstruktionsgutachten verwertet werden.
OLG Düsseldorf v. 05.10.2010:
Der Nachweis eines Unfallbetruges kann durch ein unfallanalytischen Gutachten geführt werden, aus dem sich Auffälligkeiten ergeben, die für eine manipulative Unfallverursachung sprechen. Voraussetzung für eine gerichtliche Überzeugungsbildung dahingehend, dass ein bestimmtes Unfallereignis manipuliert ist, ist keine mathematisch lückenlose Gewissheit, die bei einem Indizienbeweis ohnehin kaum zu erlangen ist. Vielmehr reicht ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit, welcher Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen.
OLG München v. 17.12.2010:
Eine an sich angezeigte, jedoch unterbliebene Beweiserhebung durch ein unfallanalytisches Sachverständigengutachtens bei Kollision eines Kfz mit einem die Fahrbahn überquerenden Fußgänger bei Dunkelheit stellt einen erheblichen Verfahrensmangel dar und führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits durch das Berufungsgericht. Bei der Beauftragung des Sachverständigen müssen diesem gemäß § 404 a III ZPO vorgegeben werden, wovon er nach der Beweiswürdigung der Angaben der Parteien und Zeugen für das Gutachten auszugehen hat.
KG Berlin v. 14.02.2011:
Das Übergehen des Beweisangebotes "Sachverständigengutachten" stellt jedenfalls dann einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, wenn dem Beweisangebot ein konkreter Tatsachenvortrag zugrunde liegt, das Beweisangebot damit nicht der Ausforschung von Tatsachen dient und die Partei ihre Behauptungen nicht "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufgestellt hat. Ein solches Übergehen des Beweisangebotes "Sachverständigengutachten" rechtfertigt eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an die erste Instanz jedenfalls dann, wenn neben der Einholung des Sachverständigengutachtens ein Zeuge zu vernehmen ist und die Parteien anzuhören sind.
OLG Jena v. 30.11.2011:
Beweisanträge auf Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens (sog. Unfallrekonstruktionsgutachten) können in der richterlichen Praxis nur in ganz seltenen Fällen abgelehnt werden. Denn bereits die Frage, welcher Umstand als Anknüpfungstatsache geeignet ist, kann im Regelfall nur von einem Sachverständigen beantwortet werden. Oft ist bei der Unfallrekonstruktion beispielsweise gerade der Kollisionsort nicht bekannt, gleichwohl ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Sachverständiger brauchbare Gutachtensergebnisse zum Unfallhergang liefern kann.
OLG München v. 10.02.2012:
Ein unberechtigtes Übergehen eines Beweisantrags auf Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne § 538 II 1 Nr.1 ZPO dar.
OLG München v. 14.09.2012:
Ein Schadenersatzanspruch wird zu Unrecht als unbegründet zurückgewiesen, wenn das Gericht in Verkennung der unfallanalytischen Bedeutung der vorhandenen Anknüpfungstatsachen von der Einholung eines beantragten unfallanalytischen Sachverständigengutachtens absieht.
OLG München v. 10.01.2014:
Es bedarf grundsätzlich keines Antrages auf Erholung eines unfallanalytischen Gutachtens. Ein Sachverständigengutachten kann nach §§ 144 I 1, 287 I 2 ZPO von Amts wegen und ohne Bindung an den Parteivortrag erholt werden. Im Hinblick auf das insoweit dem Richter eingeräumte Ermessen ist darauf hinzuweisen, dass dieses zwar u. U. weit sein kann, aber auch die Einräumung von sog. freiem Ermessen wegen der Bindung des Richters a n Gesetz und Recht (Art. 20 III GG; §§ 1 GVG; 25 DRiG) weder die Einräumung von subjektivem Belieben noch gar Willkür bedeutet.
OLG München v. 06.02.2015:
Wird in einem Verkehrsunfallprozess durch das Erstgericht eine förmliche Vernehmung des Sachverständigen für Unfallanalytik nicht durchgeführt, eine gutachtliche Stellungnahme nicht eingeholt und Einschätzungen des Gutachters zu den Beweisergebnissen nicht protokolliert, obwohl im Beweisbeschluss ein unfallanalytisches Sachverständigengutachten für erforderlich gehalten worden war, und werden ferner Teile der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte verwertet, ohne dass mitgeteilt wird, welche konkreten Urkunden wie berücksichtigt worden sind, so ist die Beweiserhebung des Erstgerichts zu beanstanden, weil gegen die Verpflichtung verstoßen wurde, den zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtlichen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nachzugehen.
OLG München v. 30.10.2015:
Hat das Erstgericht eine Klage auf Schadensersatz nach Verkehrsunfall etwa zur Hälfte abgewiesen, weil ein ungeklärtes Unfallgeschehen zu hälftiger Gewichtung der beiderseits gleichen Betriebsgefahren der beteiligten Fahrzeuge geführt habe, ohne ein unfallanalytisches Sachverständigengutachten einzuholen, so ist die Beweiserhebung des Erstgerichts zu beanstanden.
OLG München v. 18.11.2016:
Die Entscheidung, auf eine beantragte sachverständige unfallanalytische Begutachtung eines strittigen Unfalls zu verzichten, darf nicht auf eine (unzulässige) vorweggenommene Beweiswürdigung gestützt werden. Denn eine Festlegung vor Erholung der Beweise, dass sich die tatrichterliche Überzeugung unabhängig von - noch nicht voraussehbaren - Beweisergebnissen unter keinen Umständen mehr ändern könne, ist dem Zivilprozessrecht fremd.
OLG München v. 23.10.2015:
Trägt der Unfallverletzte nach einer Fahrzeugkollision Beschwerden vor, die durch die hohe Beschleunigung, die sein Körper beim Unfall ausgesetzt war, verursacht worden sein sollen, ist eine unfallanalytisch - verletzungsmechanisch - medizinische Begutachtung erforderlich. - Das biomechanische Gutachten ist durch einen für Verletzungsmechanik öffentlich bestellten und allgemein beeidigten Sachverständigen zu erstatten. - Hinsichtlich der einzuholenden medizinischen Sachverständigengutachten ist darauf zu achten, dass der Sachverständige, der das Gesamtgutachten zu erstellen hat, jedenfalls die Fachkompetenz in einem der betroffenen Fachgebiete haben sollte, sodass ohne weiteres vorstellbar wäre, dass ein Orthopäde oder Unfallchirurg als Hauptgutachter neben ggfs. erforderlichen Zusatzgutachtern beauftragt wird.
OLG München v. 15.07.2016:
Die unfallanalytische Untersuchung bestimmt zunächst aufgrund von Brems- und Kontaktspuren, Beschädigungsbildern der Fahrzeuge sowie anhand von Reparaturrechnungen, wieviel Energie in Deformationsarbeit umgewandelt wurde, wobei auch das Gewicht der jeweils beteiligten Fahrzeuge zu berücksichtigen ist. Mittels physikalischer Gesetze lassen sich damit die erforderlichen Daten (bei Auffahrunfällen vor allem die Kollisionsgeschwindigkeit sowie die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung) rekonstruieren.
OLG München v. 13.11.2015:
Soweit es um die strittige Frage des Einhaltens der konstruktionbedingten Schrittgeschwindigkeit eines Fahrzeugs geht, ist es verfahrensfehlerhaft, die gebotene Anhörung beider Parteien nicht in der erforderlichen Anwesenheit eines unfallanalytischen Sachverständigen durchzuführen, obwohl beide Parteien am Unfallgeschehen beteiligt waren.
OLG Schleswig v. 12.08.2004:
Zwar sind gemäß § 7 StVG a.F. i.V. mit § 249 BGB vom Schädiger grundsätzlich auch die Kosten von Sachverständigengutachten zu ersetzen, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind. Dabei kann offen bleiben, ob davon unfallanalytische Gutachten, die in einem Rechtsstreit ggf. sogar von Amts wegen gemäß § 144 ZPO einzuholen sind, überhaupt erfasst werden. Jedenfalls besteht kein Ersatzanspruch, wenn das unfallanalytische Gutachten nicht im Hinblick auf einen konkreten Rechtsstreit in Auftrag gegeben wurde.
BGH v. 14.10.2008:
Ein Anspruch auf Erstattung von Kosten eines vorprozessual beauftragten Privatsachverständigen kann auch dann bestehen, wenn bei Erteilung des Gutachtensauftrags ausreichende Anhaltspunkte für einen versuchten Versicherungsbetrug gegeben waren und das im Einzelnen nicht angegriffene Gutachten aufzeigt, dass Ersatz von Schäden begehrt wurde, die durch den Unfall nicht entstanden sein können.
BGH v. 18.11.2008:
Ein Anspruch auf Erstattung von Kosten eines vorprozessual beauftragten Privatsachverständigen kann auch dann bestehen, wenn bei Erteilung des Gutachtenauftrags ausreichende Anhaltspunkte für einen versuchten Versicherungsbetrug gegeben waren und das im Einzelnen nicht angegriffene Gutachten aufzeigt, dass Ersatz von Schäden begehrt wurde, die durch den Unfall nicht entstanden sein können (Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 14. Oktober 2008, VI ZB 16/08).