Zusätzlich zu einem vorfahrtgewährenden Zeichen (Z. 306) kann durch Zusatzschild die Streckenführung der Vorfahrtstraße angezeigt werden. Im Gegenzug wird dann für den wartepflichtigen Fahrzeugführer zum Vorfahrt-Achten-Schild (Z. 205) ebenfalls durch entsprechendes Zusatzzeichen die Streckenführung der Vorfahrtstraße angezeigt.
Im gesamten Kreuzungsbereich hat der Fahrzeugführer, der dem angezeigten Verlauf der Vorfahrtstraße folgt, vor allen anderen Einbiegern Vorfahrt.
Eine Richtungsänderung im Sinne der angezeigten Streckenführung muss durch Betätigung des entsprechenden Richtungsanzeigers angekündigt werden. Wer die abknickende Vorfahrt geradeaus verlässt, ändert seine Fahrtrichtung hingegen nicht und braucht nicht zu blinken.
Nach Auffassung des BayObLG (Beschluss vom 08.03.1972 - RReg 6 St 662/71 OWi) ist das Ändern der Fahrtrichtung entsprechend dem durch Zusatzzeichen zum Vorfahrtstraßenzeichen Z306 angezeigten Verlauf kein Abbiegen im rechtstechnischen Sinn des § 9 Abs. 1 StVO. Die Pflicht zum Blinken ergebe sich dann nur aus dem Zusatzzeichen, zu dem es in der Anlage 3 zur StVO heißt:
Ge- oder Verbot
Wer ein Fahrzeug führt und dem Verlauf der abknickenden Vorfahrtstraße folgen will, muss dies rechtzeitig und deutlich ankündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen.
BayObLG v. 08.03.1972::
Wer dem abknickenden Verlauf der Vorfahrtstraße folgt, ändert zwar seine Fahrtrichtung, biegt aber nicht ab im rechtstechnischen Sinn des StVO 1970 § 9 Abs 1. Er unterliegt daher nicht der Pflicht, sich vor dem Abbiegen nach links bis zur Mitte der Fahrbahn einzuordnen, muss vielmehr gemäß StVO 1970 § 2 Abs 2 S 1 möglichst weit rechts fahren.
OLG Frankfurt am Main v. 16.06.2000:
Kommt es im Bereich einer abknickenden Vorfahrt zu einer Kollision, weil der Wartepflichtige zu schnell an die Wartelinie heranfährt und damit den Bevorrechtigten zu einem Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot veranlasst, so spricht der Beweis des ersten Anscheins gegen den Wartepflichtigen, und es ist eine Haftungsverteilung von 2/3 zu 1/3 zu Lasten des Wartepflichtigen angezeigt.
Vorfahrtrecht gegenüber von rechts kommendem Verkehr:
BGH v- 09.03.1971:
Der Fahrer, der dem Verlauf einer nach links abknickenden Vorfahrtstraße nicht folgt, sondern geradeaus weiterfährt, hat in dem gesamten Kreuzungsbereich die Vorfahrt gegenüber dem von rechts kommenden Verkehr.
BGH v- 05.02.1974:
Sind bei einer Kreuzung zwei der Straßen durch die dafür vorgeschriebene Beschilderung zu einer abknickenden Vorfahrtstraße verbunden, so gilt für die beiden anderen Straßen der Grundsatz "rechts vor links"; die in ihnen aufgestellten Wartegebotszeichen (StVO Bild 30 = StVO 1970 Zeichen 205) regeln lediglich die Wartepflicht in bezug auf die abknickende Vorfahrt. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn in einer dieser untergeordneten Straßen statt des Wartegebotszeichens das "Stop-Schild" einschließlich der Haltelinie (StVO Bild 30a, StVO Bild 30b = StVO 1970 Zeichen 206, StVO 1970 Zeichen 294) angebracht ist.
BayObLG v. 17.02.1978:
Bei abknickender Vorfahrt hat im Verhältnis der untergeordneten Straßen zueinander auch dann der von rechts kommende Fahrzeugführer die Vorfahrt, wenn in der von ihm befahrenen Straße das Zeichen 206, in der anderen dagegen nur das Zeichen 205 aufgestellt ist; der von links Kommende darf in diesem Falle auch nicht darauf vertrauen, dass der Vorfahrtberechtigte pflichtgemäß vor der Kreuzung anhalten und dass es deshalb gar nicht zu einem Vorfahrtfall kommen werde (Ergänzung zu BGH NJW 1974, 949).
BGH v. 07.06.1983:
Der Fahrer, der dem Verlauf einer nach links abknickenden Vorfahrtstraße nicht folgt, sondern geradeaus weiterfährt, hat in dem gesamten Kreuzungsbereich die Vorfahrt gegenüber dem von rechts kommenden Verkehr. Eine Markierung des Verlaufs des bevorrechtigten Straßenzuges auf der Kreuzung durch eine rechtsseitig verlaufende bogenförmige unterbrochene weiße Linie ändert nichts am Umfang der Vorfahrtberechtigung.
OLG Oldenburg v. 03.12.1992:
Das Überqueren einer Kreuzung an ihrer breitesten Stelle durch einen Fußgänger, der ungerechtfertigt darauf vertraut, der Kraftfahrer werde der abknickenden Vorfahrt folgen, obwohl er den Fahrtrichtungsanzeiger nicht eingeschaltet hat, führt zu einer Haftungsverteilung von 40% zu 60% zu Lasten des Fußgängers, wenn der Kraftfahrer es versäumt hat, den Fußgänger durch Hupsignal zu warnen.
OLG Oldenburg v. 03.12.1992:
Will ein Fahrzeugführer eine abknickende Vorfahrtstraße nach schräg rechts geradeaus verlassen, hat er sich durch eine Rückschau nach rechts zu vergewissern, dass nicht ein Radfahrer der Vorfahrtstraße folgen will. - Der Radfahrer, der der Vorfahrtstraße folgen will, hat die Fahrtrichtungsänderung anzukündigen. Unterlässt er dies, trifft ihn bei Kollision mit einem geradeausfahrenden Fahrzeug aber jedenfalls dann nur ein geringes Mitverschulden, das hinter dem Verschulden des Autofahrers zurücktritt, wenn der Autofahrer den Radfahrer nicht einmal bemerkt hat. Der Radfahrer darf darauf vertrauen, dass Fahrzeuge, die die Vorfahrtstraße verlassen, ihm die Vorfahrt lassen.
OLG Oldenburg v. 14.01.1999:
Will ein Verkehrsteilnehmer die nach links abknickende Vorfahrtstraße geradeausfahrend verlassen, ändert sich zwar nicht seine Fahrtrichtung, er biegt aber im Rechtssinne ab und muß deshalb gemäß StVO § 9 Abs 3 S 1 Radfahrer durchfahren lassen, wenn diese der abknickenden Vorfahrtstraße folgen wollen. Der Radfahrer, welcher der abknickenden Vorfahrtstraße folgen will, muss dies gemäß StVO § 42 Abs 2 rechtzeitig und deutlich ankündigen.