1. |
Der Begriff der 'genügenden Entschuldigung' darf nicht eng ausgelegt werden. Denn § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO enthält eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass ohne den Angeklagten nicht verhandelt werden darf. Die Regelung birgt nicht nur die Gefahr eines sachlich unrichtigen Urteils in sich, sondern auch, dass dem Angeklagten das ihm nach Art. 103 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verbürgte rechtliche Gehör entzogen wird (Festhaltung OLG Bamberg, 26. Februar 2008, 3 Ss 118/07, DAR 2008, 217 und [für § 74 Abs. 2 OWiG] OLG Bamberg, 28. November 2011, 3 Ss OWi 1514/11, ZfSch 2012, 230).
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2. |
Die Entschuldigung ist "genügend", wenn die abzuwägenden Belange des Angeklagten einerseits und seine öffentlich-rechtliche Erscheinenspflicht andererseits den Entschuldigungsgrund als triftig erscheinen lassen. Entscheidend ist nicht, ob sich der Angeklagte genügend entschuldigt hat, sondern ob er (objektiv) genügend entschuldigt ist. Den Angeklagten trifft daher hinsichtlich des Entschuldigungsgrundes keine Pflicht zur Glaubhaftmachung oder gar zu einem lückenlosen Nachweis. Vielmehr muss das Gericht, wenn ein konkreter Hinweis auf einen Entschuldigungsgrund vorliegt, dem im Rahmen seiner Aufklärungspflicht nachgehen. Bloße Zweifel an einer "genügenden Entschuldigung" dürfen nicht zu Lasten des Angeklagten gehen (Anschluss BGH, 1. August 1962, 4 StR 12/62, BGHSt 17, 391; BGH, 11. November 1986, 1 StR 207/86, BGHR StPO § 329 Abs. 1 Satz 1 Ladung 1; Bayerisches Oberstes Landesgericht, 12. Februar 2001, 2St RR 17/2001 BayObLGSt 2001, 14; Bayerisches Oberstes Landesgericht, 11. Mai 1998, 1 ObOWi 169/98, BayObLGSt 1998, 79; BayObLG, Beschluss vom 19. Oktober 2004, 1 Ob OWi 442/04; OLG Bamberg, Urteil vom 26. Februar 2008, 3 Ss 118/07, OLGSt StPO § 329 Nr. 29 sowie [jeweils zu § 74 Abs. 2 OWiG] OLG Bamberg, 12. September 2006, 3 Ss OWi 1140/06, wistra 2007, 79 und OLG Bamberg, 14. Januar 2009, 2 Ss OWi 1623/08, NStZ-RR 2009, 150; OLG Braunschweig, Beschluss vom 25. März 2010, 3 Ss (OWiZ) 37/10, NStZ-RR 2010, 352; KG Berlin, 16. Juni 2010, 3 Ws (B) 203/10, DAR 2011, 146 und OLG Bamberg, 29. Dezember 2010, 2 Ss OWi 1939/10, NZV 2011, 409).
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3. |
Die Nachforschungsverpflichtung des Gerichts ist andererseits nicht grenzenlos. Ihre Auslösung setzt nach dem Gesetzeszweck (wenigstens) voraus, dass der Angeklagte vor der Hauptverhandlung (schlüssig) einen Sachverhalt vorträgt, der geeignet ist, sein Ausbleiben genügend zu entschuldigen (Festhaltung OLG Bamberg, 26. Februar 2008, 3 Ss 118/07, DAR 2008, 217 sowie [jeweils zu § 74 Abs. 2 OWiG] OLG Bamberg, 12. September 2006, 3 Ss OWi 1140/06, wistra 2007, 79 und OLG Bamberg, 14. Januar 2009, 2 Ss OWi 1623/08, NStZ-RR 2009, 150).
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4. |
Wird als Entschuldigungsgrund eine Erkrankung geltend gemacht, ist für seine Schlüssigkeit die Darlegung eines behandlungsbedürftigen und/oder Arbeitsunfähigkeit bewirkenden krankheitswertigen Zustandes erforderlich aber auch ausreichend. Geschieht dies durch die (gleichzeitige) Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung, braucht aus dieser die Art der Erkrankung jedenfalls solange nicht zu entnehmen sein, als Gründe dafür, dass die Bescheinigung als erwiesen falsch oder sonst als offensichtlich unrichtig anzusehen sein könnte oder nicht von dem bezeichneten Aussteller herrührt, fehlen (Anschluss Bayerisches Oberstes Landesgericht, 11. Mai 1998, 1 ObOWi 169/98, BayObLGSt 1998, 79; Festhaltung OLG Bamberg, 14. Januar 2009, 2 Ss OWi 1623/08, NStZ-RR 2009, 150).
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