VGH München. v. 02.06.2003:
Die Fahrerlaubnisbehörde muss ihre Ermittlungen nach § 2 Abs. 7 Satz 1 StVG, § 22 Abs. 2 Satz 1 FeV auf solche Entscheidungen beschränken, die rechtskräftig und im Verkehrszentralregister eingetragen sind; sie darf deshalb nicht nach noch nicht abgeschlossenen Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren fragen. Die Falschbeantwortung einer solchen Frage lässt keine Schlüsse auf die Fahrungeeignetheit des Betroffenen zu.
OVG Koblenz v. 10.05.2006:
Entscheidet die Fahrerlaubnisbehörde über die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen eines Sachverhalts, der Gegenstand eines Strafverfahrens ist, in dem die Fahrerlaubnisentziehung in Betracht kommt, vor dem rechtskräftigen Abschluss dieses Strafverfahrens, verletzt ihre Entscheidung stets den Fahrerlaubnisinhaber in seinen Rechten. Daran ändert sich auch durch einen späteren rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens nichts.
VGH Mannheim v. 24.07.2007:
Die Fahrerlaubnisbehörde ist nach der nur im Verhältnis zu Strafverfahren geltenden Bestimmung des § 3 Abs. 3 StVG nicht gehindert, die Entziehung der Fahrerlaubnis anzuordnen, auch wenn wegen desselben Sachverhalts ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet, aber noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Auch eine analoge Anwendung von § 3 Abs. 3 StVG im Verhältnis zu Ordnungswidrigkeiten kommt nicht in Betracht.
VG Münster v. 11.06.2010:
Auch wenn ein amtsgerichtliches Urteil noch nicht rechtskräftig geworden ist, lässt sich auf Grund der Urteilsfeststellungen - jedenfalls soweit sie auf einem Geständnis des Angeklagten beruhen - entnehmen, dass der Betroffene wegen eines ausgesprochen hohen Aggressionspotentials nicht die zum Führen von Kraftfahrzeugen erforderliche Eignung verfügt.
BVerwG v. 28.06.2012:
Das für die Fahrerlaubnisbehörde nach § 3 Abs. 3 StVG geltende Verbot, einen Sachverhalt zu berücksichtigen, der Gegenstand eines anhängigen Strafverfahrens ist, in dem eine Fahrerlaubnisentziehung nach § 69 StGB in Betracht kommt, geht in das Verbot einer abweichenden Entscheidung im Sinne von § 3 Abs. 4 StVG über, wenn das Strafverfahren zwischenzeitlich rechtskräftig abgeschlossen ist. Soweit danach widersprüchliche Entscheidungen von Fahrerlaubnisbehörde und Strafgericht ausgeschlossen sind, wird der Sachverhalt für die Fahrerlaubnisbehörde berücksichtigungsfähig.
VGH Mannheim v. 19.08.2013:
Die Bindungswirkung des § 3 Abs. 3 StVG besteht ab der Einleitung des Strafverfahrens bis zu dessen förmlichem Abschluss und bezieht sich auf strafrechtliche Untersuchungen zu den Straftaten, die ihrer Art nach die Entziehung der Fahrerlaubnis zu rechtfertigen vermögen. Es ist der Fahrerlaubnisbehörde verwehrt, die konkrete Wahrscheinlichkeit einer Fahrerlaubnisentziehung im Strafverfahren zu bewerten.
OVG Münster v. 29.01.2014:
Die (Neu-)Erteilung einer Fahrerlaubnis kommt nicht in Betracht, solange begründete Zweifel an der Kraftfahreignung des Bewerbers bestehen. Derartige Eignungszweifel können sich auch aus der Mitteilung über ein laufendes Strafverfahren ergeben, das anders als im Entziehungsverfahren (vgl. § 3 Abs. 3 StVG) keine Sperrwirkung hinsichtlich der zu berücksichtigenden Tatsachen entfaltet.
VGH München v. 10.06.2014:
Nach dem Grundgedanken von § 3 Abs 4 S 1 StVG soll vermieden werden, dass fahreignungsrelevante Sachverhalte von der Fahrerlaubnisbehörde zum Nachteil des Betroffenen anders beurteilt werden als in einem vorausgegangenen Strafverfahren. Dieser für die Entziehung der Fahrerlaubnis geltende Rechtsgedanke ist auf das Verfahren zur Neuerteilung übertragbar (Anschluss: BayObLG, 1977–05–27, 155 XI 76, VRS 53, 477). Der Fahrerlaubnisbehörde steht daher ein zureichender Grund zur Seite, über den Antrag des Fahrerlaubnisbewerbers auf Erteilung der beantragten Fahrerlaubnis bei anhängigen Strafverfahren vorläufig nicht zu entscheiden.
VGH München v. 15.09.2015:
Ist Gegenstand eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens eine Tat, für die die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis nicht vorgesehen ist, und außerdem noch ein Bußgeldverfahren, so besteht für die Fahrerlaubnisbehörde keine Bindungswirkung.
VG Neustadt v. 22.12.2015:
Das vorübergehende Verfahrenshindernis des § 3 Abs 3 StVG greift nicht ein, wenn das Strafverfahren sich auf eine Verkehrsteilnahme unter Cannabiseinfluss bezieht, die Fahrerlaubnisentziehung aber davon unabhängig schon wegen fehlender Fahreignung aufgrund eines festgestellten regelmäßigen Cannabiskonsums erfolgt ist.