Das Verkehrslexikon

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Alkoholbedingte relative Fahruntüchtigkeit - einfache folgenlose Trunkenheitsfahrt

Alkoholbedingte relative Fahruntüchtigkeit - Beweisanzeichen für und gegen




Gliederung:


- Einleitung
-   Weiterführende Links
- Allgemeines
- Zusammenwirken von Alkohol und Drogen
- Beweisanzeichen für relative Fahruntüchtigkeit
- Nichtzwingende Beweisanzeichen für relative Fahrunfähigkeit



Einleitung:


Von relativer Fahruntüchtigkeit spricht man, wenn die von der Rechtsprechung für die verschiedenen Fahrzeugarten festgesetzte sog. absolute Fahruntüchtigkeit (Kfz-Führer beispielsweise: 1,1 ‰) zwar nicht erreicht wird, auf Grund anderer Beweisanzeichen jedoch der Schluss gezogen werden muss, dass der Fahrzeugführer alkoholbedingt nicht mehr in der Lage war, das Fahrzeug im Verkehr sicher zu führen.

Die Hauptmenge derartiger Beweisanzeichen (Indizien) sind Ausfallerscheinungen körperlicher oder verkehrsrechtlicher Art (Verstöße gegen die StVO). Es kommen aber auch Nachtathandlungen (Flucht aus dem Krankenhaus nach einem Alkoholtest) in Betracht.


Zu beachten ist, dass auch die durch eine Blutentnahme festgestellte BAK nur ein Beweisanzeichen unter vielen für das Vorliegen von alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit ist. Es ist deshalb auch beim Fehlen einer Blutprobe keinesfalls ausgeschlossen, einen Fahrzeugführer wegen einer Trunkenheitsfahrt oder wegen Straßenverkehrsgefährdung infolge Alkoholgenusses zu verurteilen. Hierzu hat das LG Berlin mit Beschluss vom 23.04.2008 festgestellt:

„Die richterliche Überzeugung von einer Trunkenheitsfahrt kann sich bei Fehlen oder Unverwertbarkeit einer Blutprobe auch ans anderen Beweismitteln ergeben. Bei deren Bewertung gelten die allgemeinen Grundsätze der freien richterlichen Beweiswürdigung.“

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Weiterführende Links:


Stichwörter zum Thema Alkohol

Alkohol - Grenzwerte für die absolute Fahruntauglichkeit

Die sog. absolute Fahruntauglichkeit

Rückrechnung / Hochrechnung der alkoholischen Beeinflussung aus der BAK oder aus Trinkmengen

Alkoholbedingte relative Fahruntüchtigkeit - Beweisanzeichen für und gegen

Abstrakte und konkrete Gefährdung im Straf- und OWi-Recht

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Allgemeines:


BGH v. 22.04.1982:
Zu den Anforderungen, die an Beweisanzeichen für die sog relative Fahruntüchtigkeit zu stellen sind.

OLG Oldenburg v. 07.04.2016:
Bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,6 Promille muss das Urteil umfassende Feststellungen zur konkreten Fahruntüchtigkeit enthalten.

LG Darmstadt v. 12.03.2018:
Je weiter die festgestellte Blutalkoholkonzentration von der Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit entfernt ist, desto höher sind die Anforderungen an die für das Vorliegen einer relativen Fahruntüchtigkeit festzustellenden alkoholbedingten Ausfallerscheinungen.

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Zusammenwirken von Alkohol und Drogen:


Mischkonsum - Beigebrauch - Cannabis und Alkohol und/oder mit anderen Drogen oder Medikamenten

KG Berlin v. 15.09.2011:
Liegt die alkoholische Beeinflussung unter 1,1 ‰ oder wirken auf den Fahrer "andere berauschende Mittel" ein, müssen weitere Tatsachen hinzutreten, aus denen sich ergibt, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des Fahrzeugführers infolge Enthemmung sowie geistig-seelischer und körperlicher Leistungsausfälle so erheblich herabgesetzt ist, dass er nicht mehr in der Lage ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr über eine längere Strecke, und zwar auch bei plötzlichem Auftreten schwieriger Verkehrslagen, sicher zu führen [vgl. BGHSt 13, 83]. Das Urteil muss deshalb Feststellungen zum äußeren Verhalten des Fahrzeugführers enthalten, die auf seine Fahruntüchtigkeit hindeuten. Als derartige Ausfallerscheinungen kommen neben einer regelwidrigen, unbesonnenen, sorglosen oder leichtsinnigen Fahrweise auch solche Verhaltensweisen in Betracht, die eine rauschbedingte Enthemmung und Kritiklosigkeit erkennen lassen, sowie Beeinträchtigungen der Körperbeherrschung wie beispielsweise Stolpern oder Schwanken beim Gehen. Hierbei sind die Anforderungen an die rauschbedingten Ausfallerscheinungen umso geringer, je näher der Grad der alkoholischen Beeinflussung an dem absoluten Grenzwert liegt.

LG Köln v. 25.02.2022:
Im Falle von Betäubungsmittelkonsum ist die Frage der Fahruntüchtigkeit ggf. anhand einer umfassenden Würdigung der Beweisanzeichen vorzunehmen, dabei ist die konsumierte Substanz sowie deren Eignung zur Verursachung fahrsicherheitsmindernder Wirkungen festzustellen, bei unklaren oder Misch-Intoxikationen können auch Rückschlüsse aus dem Erscheinungsbild ausreichen, wenn nur die sichere Feststellung möglich ist, dass zur Zeit der Tat eine aktuelle Rauschmittelwirkung vorlag.

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Beweisanzeichen für relative Fahruntüchtigkeit:


LG Gera v. 17.01.1996:
Atemalkoholergebnis und zusätzlich Flucht aus dem Krankenhaus vor der Blutentnahme ist ein besonders starkes Anzeichen für relative Fahruntauglichkeit.

OLG Düsseldorf 03.12.1996:
Geschwindigkeit und Ampelverstöße bei Flucht vor Polizei sind Beweisanzeichen für relative Fahruntauglichkeit

AG Bad Hersfeld v. 22.09.2004:
Über eine durchgezogene Linie vom linken in den rechten Fahrstreifen zu wechseln und dabei einen rechts versetzt fahrenden Wagen zu übersehen, ist trotz Blinkens und Abbruchs des Manövers wegen Hupens des anderen ein typisch alkoholbedingter Fahrfehler, der bei 0,96 Promille Blutalkoholgehalt zur Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheitsfahrt führt.

OLG Karlsruhe v. 15.04.2014:
Übersieht eine Versicherungsnehmerin bei einer festgestellten Blutalkoholkonzentration von 1,09 Promille nachts auf einer Bundesstraße eine ausreichend ausgeschilderte Baustelle, kann dies zum Nachweis einer alkoholbedingten Fahruntauglichkeit auch dann ausreichen, wenn die Versicherungsnehmerin durch Vorgänge der Fahrzeugbedienung abgelenkt war.

AG Dessau-Roßlau v. 24.09.2014:
Ausnahmsweise kann auch aus dem Verhalten des Fahrzeugführers bei der Kontrolle ein Rückschluss auf dessen (relative) Fahruntüchtigkeit gezogen werden, ohne dass ein alkoholbedingter Fahrfehler festgestellt werden kann. Das setzt aber Auffälligkeiten voraus, die sich unmittelbar auf seine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit beziehen.




LG Dessau-Roßlau v. 23.12.2014:
Wird etwa eine Stunde nach dem Tatgeschehen ein Probenmittelwert von 0,65 Promille Blutalkoholkonzentration festgestellt und geht aus dem ärztlichen Bericht unter anderem hervor, dass der Beschuldigte die Finger-Fingerprobe sowie die Nasen-Fingerprobe jeweils sicher habe durchführen können, seine Sprache deutlich, sein Bewusstsein klar, die Denkabläufe geordnet, sein Verhalten beherrscht und seine Stimmung unauffällig gewesen seien, fehlt es an ausreichenden Indizien, von einer alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit ausgehen zu können, so dass die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nicht in Betracht kommt.

OLG Oldenburg v. 07.04.2016:
Bestehen Voreintragungen im Verkehrszentralregister wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, muss erörtern werden, ob der Angeklagte nicht generell zum Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit neigt oder ob allein das riskante und zu schnelle Fahren ausreichend sein kann, um alkoholbedingte Ausfallerscheinungen anzunehmen.

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Nichtzwingende Beweisanzeichen für relative Fahrunfähigkeit:


OLG Hamm v. 28.10.1993:
Das Schlingern bei Wind auf der Autobahn ist kein ausreichendes Beweisanzeichen für Fahruntauglichkeit bei unter 1,1 Promille (hier: 0,91 Prom.).


LG Osnabrück v. 03.11.1994:
Ein Fehler beim Linksabbiegen ist kein Beweisanzeichen für alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit.

BGH v. 29.11.1994:
Überhöhte Geschwindigkeit und Ampelverstöße auf einer Fluchtfahrt vor der Polizei sind keine Beweisanzeichen für relative Fahruntauglichkeit.

OLG Zweibrücken v. 24.06.1994:
Das Überfahren der Fahrbahnmitte durch einen Lkw-Fahrer bei kurvenreicher Strecke ist kein Beweisanzeichen für Fahruntauglichkeit bei unter 1,1 Promille (hier: 0,69 Prom.).

LG Potsdam v. 25.02.2005:
Allein ein in unzureichender Beleuchtung liegender Fahrfehler (hier: Standlicht bei gut ausgeleuchteter Straße) ist kein ausreichendes Beweisanzeichen für alkoholbedingte Fahruntauglichkeit.

LG Leipzig v. 20.04.2006:
Kommt ein Fahrzeugführer bei schlechten Straßenverhältnissen und Schneematsch bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,62 Promille beim Rechtsabbiegen zu weit nach links ab, so dass er im Kreuzungsbereich gegen ein auf der Gegenseite abgeparktes Fahrzeug fährt, so genügt dies nicht zum Nachweis der relativen Fahruntüchtigkeit. Dieses verkehrswidrige Verhalten konnte auch auf einem normalen „Fahrfehler”, welcher auch einem nüchternen Fahrer hätte unterlaufen können, beruhen.



LG Zweibrücken v. 10.03.2008:
Ein möglicherweise alkoholbedingter Fahrfehler bei einer BAK von 0,67 ‰ beim Linksabbiegen ist keine zwingendes Beweisanzeichen dafür, dass der Fahrzeugführer alkoholbedingt fahruntüchtig ist.

OLG Schleswig v. 17.01.2014:
Allein der mit 0,65‰ angegebene Blutalkoholwert des Angeklagten zur Tatzeit erlaubt keinen Rückschluss auf die relative Fahruntüchtigkeit bzw. einen rauschbedingten Fahrfehler, wenn der Angeklagte weder von dem die Blutprobe entnehmenden Arzt noch den zum Unfallort herbeigerufenen Polizeibeamten als merklich alkoholisiert beschrieben wurde. Insoweit ist nicht auszuschließen, dass das zum Unfall (hier: Abkommen von verschneiter Straße) führende verkehrswidrige Fahrverhalten des Angeklagten auf anderen Ursachen als einer alkoholbedingten Berauschung fußte.

OLG Naumburg v. 24.08.2015:
Die falsche Einschätzung einer Verkehrssituation ist für sich allein keine Ausfallerscheinung, die als Indiz für eine alkoholbedingte Fahruntauglichkeit genügt.

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