Das Verkehrslexikon

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Terminsverlegung

Terminsverlegung




Gliederung:


-   Einleitung
-   Weiterführende Links
-   Allgemeines
-   OWi- und Strafsachen
-   Zivilverfahren
-   Verwaltungsstreitverfahren



Einleitung:


Aus der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft Sachsen-Anhalt im Verfahren des OLG Naumburg (Beschluss vom 08.10.2012 - 2 Ss (B) 101/12):

   "Grundsätzlich haben zwar die Prozessbeteiligten keinen Anspruch auf bestimmte Terminzeiten bzw. auf Verlegung/Verschiebung eines ordnungsgemäß anberaumten Hauptverhandlungstermins (§ 228 Abs. 2 StPO). Ob das Gericht einem konkreten Terminwunsch bzw. einem Terminverlegungsantrag stattgibt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Es muss aber dennoch neben dem Gebot der Verfahrensbeschleunigung sowie sonstigen dienstlichen Erfordernissen auch die Interessen der Beteiligten beachten, wobei persönliche, etwa berufliche und/oder familiäre Belange des Betroffenen gegenüber der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung umso stärker zu berücksichtigen sind, je geringer die Bedeutung der anstehenden Bußgeldsache ist. Dies gilt auch hinsichtlich des Interesses der Betroffenen, in der Hauptverhandlung vom Anwalt ihres Vertrauens verteidigt zu werden."

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Weiterführende Links:


Bußgeldverfahren / Ordnungswidrigkeitenverfahren

Terminsladung

Befangenheitsantrag - Richterablehnung

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Rechtliches Gehör in den verschiedenen Verfahrensarten

Grundsatz eines fairen Verfahrens

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Allgemeines:


OLG Brandenburg v. 18.03.2020:
  1.  Ein Betroffener hat gem. § 228 Abs. 2 StPO i. V. m. § 71 Abs. 1 OWiG keinen Anspruch darauf, im Falle der Verhinderung des Verteidigers die Aussetzung der Verhandlung zu verlangen. In diesen Fällen sind vielmehr das Interesse des Betroffenen an seiner Verteidigung und das Interesse des Staates an einer möglichst reibungslosen Durchführung des Verfahrens gegeneinander abzuwägen (vgl. BayObLG NStZ-RR 2002, 83; BayObLG DAR 2001, 83).

  2.  Die Verhinderung seines Verteidigers nimmt dem Betroffenen nicht die Möglichkeit, sich selbst vor Gericht rechtliches Gehör zu verschaffen. Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet nur das rechtliches Gehör als solches, nicht rechtliches Gehör gerade durch Vermittlung eines Rechtsanwalts (BVerfG, NJW 1984, 862; OLG Hamm aaO., BayObLG aaO.; OLG Köln VRS 83, 367; OLG Düsseldorf VRS 95, 104). Mithin hätte der Betroffene mit seinen Einwendungen gehört werden können, was erst Recht gilt, wenn es sich um eine einfache Rechtssache handelt.

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OWi- und Strafsachen:


Bußgeldverfahren / Ordnungswidrigkeitenverfahren

Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung und Säumnis des Betroffenen

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

OLG Köln v. 22.10.2004:
Der Betroffene kann sich auch im Bußgeldverfahren in jeder Lage des Verfahrens eines Verteidigers bedienen. Die Fürsorgepflicht des Gerichts gebietet es, eine Hauptverhandlung in Gegenwart des gewählten Verteidigers zu ermöglichen, wenn nach der Bedeutung der Bußgeldsache und ihrer tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeit dem Betroffenen nicht zuzumuten ist, sich allein zu verteidigen.

OLG Hamm v. 08.05.2006:
Ein Antrag, den Betroffenen gemäß § 73 Abs. 2 OWiG von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, hat Wirkung nur für die konkret bevorstehende Hauptverhandlung. Nach einer Aussetzung der Hauptverhandlung muss der Antrag gegebenenfalls wiederholt werden.




OLG Braunschweig v. 27.02.2009:
Zwar gibt eine Verhinderung des Wahlverteidigers dem Betroffenen nicht an sich das Recht, die Aussetzung der Verhandlung zu verlangen (§ 228 Abs. 2 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG). Allerdings können es die dem Gericht obliegende Fürsorgepflicht und der Anspruch des Betroffenen auf ein faires Verfahren gebieten, die Hauptverhandlung auf Antrag oder von Amts wegen gemäß § 265 Abs. 4 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG zu vertagen oder auszusetzen, wenn der Verteidiger, der in der Hauptverhandlung auftreten will, an der Terminswahrnehmung aus wichtigen Gründen gehindert ist.

OLG Hamm v. 22.07.2010:
Die Ablehnung einer Terminsverlegung führt zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs, wenn sie auf sachfremden und nicht mehr nachvollziehbaren Gründen beruht und dem Betroffenen dadurch der erste Zugang zum Gericht genommen wird (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss v. 28.03.2007 - 4 Ss OWi 233/07 - m. w. N.). Allein der bloße Hinweis, eine Terminsverlegung könne aus dienstlichen Gründen nicht erfolgen, stellt keine nachvollziehbare Begründung dar (zu vgl. OLG Hamm, a. a. 0.). Auch die angespannte Lage des Dezernates dürfte keinen objektiv sachlichen und die berechtigten Interessen der Prozessbeteiligten verdrängenden Grund für die Ablehnung einer Terminsverlegung darstellen.

OLG Braunschweig v. 19.10.2011:
Der Verstoß gegen den Anspruch auf ein faires Verfahren verletzt zwar Art. 2 Abs.1 GG, stellt jedoch nicht zwingend auch einen Verstoß gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs.1 GG) dar. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs.1 GG liegt jedoch vor, wenn durch eine Verfahrensrüge vorgebracht wird, dass das Gericht bei Ablehnung des Terminsverlegungsgesuchs Entschuldigungsvorbringen nicht gewürdigt hat. Hat das Gericht kein Entschuldigungsvorbringen übergangen, kommt ein Verstoß gegen Art. 103 Abs.1 GG auch dann in Betracht, wenn der Betroffene in einer Verfahrensrüge vorträgt, was er in der Hauptverhandlung, zu seiner Verteidigung vorgebracht hätte.

OLG Bamberg v. 20.10.2011:
Wird die rechtsfehlerhafte Ermessensausübung bei der Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags wegen Verhinderung des Verteidigers beanstandet, ist nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO der Inhalt des Verlegungsgesuchs grundsätzlich vollständig wiederzugeben. Dies gilt erst recht dann, wenn mit dem Antrag zugleich hilfsweise für den Fall seiner Ablehnung konkrete Sacheinlassungen zur Schuld- oder Rechtsfolgenfrage abgegeben werden.

LG Neubrandenburg v. 13.02.2012:
Auch im Bußgeldverfahren hat der Betroffene grundsätzlich Anspruch auf Verteidigung durch einen Rechtsbeistand seiner Wahl. Bei der Abwägung des Interesses des Betroffenen an einer effektiven Verteidigung und dem Interesse des Gerichts an einem reibungslosen Verfahrensgang ohne hinnehmbare Verzögerungen, gebührt dem Verteidigungsinteresse im Zweifel der Vorrang. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um einen erstmaligen Antrag auf Terminsaufhebung handelt.

OLG Oldenburg v. 27.09.2012:
Die Säumnis des Betroffenen in der Hauptverhandlung ist hinreichend entschuldigt, wenn er auf Grund einer telefonischen Mitteilung des Amtsgerichts gegenüber seinem Verteidiger davon ausgehen durfte, dass auf der Grundlage des von ihm vorgelegten Schreibens eine Terminsverlegung erfolgen werde.

OLG Naumburg v. 08.10.2012:
Die Grundsätze einer fairen Prozessführung gebieten bei Anträgen zur Terminsverlegung ein sachgerechtes Umdisponieren des Gerichts. Die formularmäßige Ablehnung von Terminsverlegungsanträgen mit der Begründung, dass aufgrund der hohen Geschäftsbelastung Terminsverlegungen nur in ganz engen Ausnahmefällen möglich seien und die Verhinderung des Verteidigers grundsätzlich keine solche Ausnahme darstelle, stellt eine grundsätzliche Verkennung des Rechts des Betroffenen dar, sich von einem Anwalt seines Vertrauens vertreten zu lassen.

OLG Hamm v. 12.11.2012:
Die Ablehnung eines auf die Verhinderung des Verteidigers gestützten Terminsaufhebungs- oder -verlegungsantrages als solche berührt den Schutzbereich des Art. 103 Abs. 1 GG (Anspruch auf rechtliches Gehör) nicht. Die Ablehnung eines solchen Antrages kann indes gegen die prozessuale Fürsorgepflicht verstoßen. Hierbei kommt es auf das Ergebnis der Abwägung zwischen dem Interesse des Betroffenen an seiner wirksamen Verteidigung und dem Interesse an einer möglichst reibungslosen und zügigen Durchführung des Verfahrens an. Hat das Amtsgericht einen auf die Verhinderung des Verteidigers gestützten Terminsaufhebungs- oder -verlegungsantrag rechtsfehlerhaft abgelehnt, beruht ein im Termin ergangenes Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG auf diesem Rechtsfehler, sofern nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Betroffene in einer Hauptverhandlung an einem anderen Tage erschienen wäre.

OLG Dresden v. 12.02.2013:
Die Versagung rechtlichen Gehörs kann darin liegen, dass der Tatrichter den Verlegungsantrag schon nicht zur Kenntnis genommen hat, obwohl dieser noch rechtzeitig bei der Geschäftsstelle eingegangen war und der Verteidiger darüber hinaus telefonisch versucht hat, die Vorlage an den Tatrichter sicherzustellen.

LG Gera v. 29.05.2013:
Für die Festsetzung des Terminstages sind auch die örtlichen Feiertage - am Sitz des Prozessgerichts - , auch wenn sie gesetzlich nicht anerkannt sind, von Bedeutung. Grundsätzlich können aber auch bei Personen, die außerhalb des Sitzungsortes wohnen, die dort örtlichen Feiertage berücksichtigt werden, insbesondere dann, wenn sie durch religiöse Konfessionen gebunden sind. Die Ablehnung des Terminsverlegungsantrags ist allerdings nicht ermessensfehlerhaft, wenn der Betroffene nicht vorgetragen hat, dass er wegen seiner religiösen Konfession an den kirchlichen Feierlichkeiten teilnehmen möchte, vielmehr vorträgt, dass er den Feiertag für private Dinge nutzen will.

OLG Hamm v. 25.06.2015:
Anträge auf Terminsverlegung hat der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminsplanung, der Gesamtbelastung des Spruchkörpers, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der berechtigten Interessen der Prozessbeteiligten zu bescheiden. Bei Zurückweisung eines Terminsverlegungsantrages bedarf es einer Darlegung im Urteil, warum das Interesse an möglichst reibungsloser Durchführung des Verfahrens Vorrang vor den Verteidigungsinteressen des Betroffenen hat.

AG Castrop-Rauxel v. 12.07.2016:
Terminsverlegungsanträge in Ordnungswidrigkeitensachen, bei denen ein Fahrverbot droht, sind besonders kritisch zu prüfen. Vom Verteidiger kann deswegen verlangt werden, substantiiert zu den Gründen eines Terminsverlegungsantrages vorzutragen, insbesondere substantiiert vorzutragen und glaubhaft zu machen, in den gesamten Sommerferien über sechseinhalb Wochen wegen Urlaubsabwesenheit keine Gerichtstermine wahrnehmen zu können.

LG Trier v. 22.03.2018:
  1.  Die Entscheidung des Tatgerichts, einen Terminsverlegungsantrag abzulehnen, unterliegt lediglich einer Willkürkontrolle

  2.  Es ist nicht per se willkürlich, wenn das Tatgericht ein Bußgeldverfahren zu einer solch frühen Tageszeit terminiert, dass der Verteidiger, will er rechtzeitig zur Terminsstunde erscheinen, vor 6 Uhr an seinem Wohnort abfahren muss.

AG Hildesheim v. 11.08.2022:-
Die ermessensfehlerhafte Verweigerung der Verlegung eines Termins kann einen Ablehnungsgrund nach § 24 StPO darstellen. Ob aber eine ermessensfehlerhafte Verweigerung der Verlegung des Hauptverhandlungstermins vorliegt, kann dahingestellt bleiben, wenn der Termin aus anderen Gründen - als vom Verteidiger dargelegt - aufgehoben wurde und dadurch das Rechtsschutzbedürfnis für das Ablehnungsgesuch entfallen ist.

LG Wuppertal v. 11.11.2022:-
Die Terminierung ist zwar Sache der Vorsitzenden. Die Vorsitzende ist aber gehalten, über Terminsverlegungsanträge nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. In die Abwägung einzustellen sind insbesondere die Bedeutung der Sache, die Lage des Verfahrens bei Eintritt des Verhinderungsfalles, der Anlass, die Voraussehbarkeit und die voraussichtliche Dauer der Verhinderung, die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage und damit zusammenhängend die Fähigkeit des Betroffenen, sich selbst zu verteidigen und das Gebot der Verfahrensbeschleunigung.

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Zivilverfahren:


Stichwörter zum Thema Zivilprozess

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Befangenheitsantrag - Richterablehnung


OLG Frankfurt am Main v. 14.01.2008:
Es stellt einen erheblichen Grund im Sinne von § 227 Abs. 1 ZPO dar, wenn der Prozessbevollmächtigte durch Urlaub an der Wahrnehmung des anberaumten Termins gehindert ist. Nichts anderes kann für die Verhinderung durch eine Fortbildungsveranstaltung gelten. Die Verlegung kann im Regelfall auch nicht mit der Begründung verweigert werden, einer der Sozii des verhinderten Prozessbevollmächtigten könnte die Vertretung übernehmen. Die vertretene Partei darf regelmäßig erwarten, im Termin von demjenigen Anwalt vertreten zu werden, der die Sachbearbeitung des Mandats übernommen hat.

LG Münster v. 01.08.2011:
Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Befangenheitsantrag, der auf Verweigerung einer Terminsverlegung gestützt ist, entfällt nicht dadurch, dass der Termin wegen des Befangenheitsantrags aufgehoben wird (entgegen OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Januar 2008, 9 W 32/07, NJW 2008, 1328 und OLG Stuttgart, Beschluss vom 19. April 2011, 13 W 21/11).

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Verwaltungsstreitverfahren:


Stichwörter zum Thema Verwaltungsverfahrensrecht

VG Würzburg v. 10.07.2019:
Ein ausreichender Grund für eine Terminsverlegung kann u. a. darin liegen, dass ein Beteiligter oder sein Prozessbevollmächtigter unerwartet krank ist. Jedoch ist nicht jegliche Erkrankung ein ausreichender Grund für eine Terminsverlegung; eine solche ist vielmehr nur dann geboten, wenn die Erkrankung so schwer ist, dass die Wahrnehmung des Termins nicht erwartet werden kann. Ob tatsächlich eine Reise- oder Verhandlungsunfähigkeit besteht, hat das Gericht anhand der vorgetragenen Umstände unter Einbeziehung etwaiger ärztlicher Atteste zu beurteilen.

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