Tankstellengelände gehören zu den sog. anderen Straßenteilen, bei deren Verlassen und Einfahren in den fließenden Verkehr die besonderen Sorgfaltspflichten des § 10 StVO zu beachten sind.
Da während der Öffnungszeiten die Tankstellen für jedermann zugänglich und befahrbar sind, findet auf ihnen öffentlicher Straßenverkehr statt.
OLG Düsseldorf v. 25.06.2001:
Auf einem öffentlich zugänglichen Tankstellengelände haben die Kfz-Führer die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung zu beachten. Die von einem Verkehrsteilnehmer bei dem Befahren eines Tankstellengeländes zu beachtenden Sorgfaltspflichten sind vergleichbar mit denjenigen, die der Benutzer einer allgemein zugänglichen Parkplatzfläche einzuhalten hat. Aus der Zweckbestimmung eines Tankstellengeländes folgt daher, dass sich dort jeder Verkehrsteilnehmer nur mit besonderer Umsicht und insbesondere angepasster Geschwindigkeit bewegen darf, weil er mit situationsbedingten Unaufmerksamkeiten anderer Tankstellenbesucher rechnen muss. In der Regel ist bei einem Unfall Schadensteilung angemessen.
OLG Stuttgart v. 22.06.2010:
Kommt es bei einem Abbiegevorgang auf eine Tankstelle zu einem Zusammenstoß, weil der Abbiegende gegen die ihm obliegende doppelte Rückschaupflicht verstoßen hat und der andere Unfallbeteiligte mit seinem Fahrzeug die zugelassene Höchstgeschwindigkeit um 20–30 km/h überschritten hat, so ist eine hälftige Schadensteilung angemessen.
OLG Celle v. 12.05.2011:
Schneidet ein vorfahrtberechtigter Kfz-Führer beim Linksabbiegen in eine Tankstelle die Kurve und kollidiert mit einem von einem Tankstellengelände ausfahrenden Kfz, so ist hälftige Schadensteilung angemessen.
LG Saarbrücken v. 21.11.2014:
Grundstücke im Sinne des § 9 Abs. 5 StVO sind nur solche "privaten" Grundflächen, die nicht für jedermann zugelassen sind bzw. von jedermann tatsächlich genutzt werden.
LG Köln v. 10.05.2016:
Die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme gemäß § 1 Abs. 1 StVO trifft auch die Verkehrsteilnehmer auf einem Tankstellengelände.
OLG Koblenz v. 12.10.1993:
Parken auf einem abgegrenzten Gelände einer Autobahntankstelle ist kein verbotenes Halten auf der Autobahn i. S. des § 18 VIII StVO.
OLG München v. 06.04.2022::
Auf einem Tankstellengelände ist – im Rahmen des Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme aus § 1 Abs. 2 StVO – auch dann eine besondere Sorgfalt beim Anfahren erforderlich, wenn § 10 StVO im Bereich der Zapfsäulen – mangels fließenden Verkehrs – nicht anwendbar ist.
OLG München v. 03.07.2015:
Wenn die Sicht bei Ausfahrt aus einer Waschbox besonders schlecht ist, muss derjenige, der eine schlechte Sicht hat, besondere Vorsicht walten lassen und sich „eintasten“, also sehr langsam („zentimeterweise“, „unter Schrittgeschwindigkeit“), stets bremsbereit einfahren und bei gegebenem Anlass sofort bremsen. Damit soll erreicht werden, dass einerseits der bevorrechtigte Verkehr genügend Zeit hat, sich auf dieses Eintasten einzurichten und andererseits, dass der Wartepflichtige nahezu ohne Anhalteweg anhalten kann, wenn er einen bevorrechtigten Verkehrsteilnehmer wahrnimmt.
LG Krefeld v. 12.05.2016:
Gegen einen Linksabbieger spricht im Falle eines Verkehrsunfalls mit einem Geradeausfahrer der Beweis des ersten Anscheins, dass er den Verkehrsunfall allein verschuldet hat. Dies ist dar Fall, wenn ein Motorradfahrer in unmittelbarem zeitlichem und räumlichem Zusammenhang mit der Kollision mit einem linksabbiegenden Radfahrer ein gegenüberliegendes Tankstellengelände verlassen hat und nicht feststeht, dass er für den Radfahrer bei Beginn des Abbiegevorgangs bereits als entgegenkommender Fahrer erkennbar war oder ob er sich zu dieser Zeit noch auf dem Tankstellengelände befand.
OLG Dresden v. 11.12.2006:
Den auf einem Tankstellengelände an einer Tanksäule rückwärts fahrenden Pkw-Fahrer trifft gegenüber dem hinter ihm stehenden Fahrzeug nur die sich aus § 1 Abs. 2 StVO ergebende allgemeine Rücksichtnahmepflicht, nicht jedoch die erhöhte Sorgfaltspflicht aus § 9 Abs. 5 StVO.
OLG Hamm v. 24.01.2017:
Der Tankstellenbetreiber verletzt die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht, wenn er auf dem ihm betriebenen Tankstellengelände im Bereich einer zuvor höhenmäßig nicht beschränkten, und von einem Müllentsorgungsfahrzeug regelmäßig befahrenen Zufahrtsstraße einen Preismasten mit einer Durchfahrtshöhe von 3,825 m errichtet, ohne auf die geänderte beschränkte Durchfahrtshöhe hinzuweisen.