Das Verkehrslexikon
Grundstücksausfahrt - gesteigerte Sorgfaltspflichten - Ausschluss von Gefährdung oder Schadenszufügung
Grundstücksausfahrt
Gliederung:
Grundstücksunfälle mit ...
Einleitung:
Das Verlassen einer Grundstücksausfahrt, um in den öffentlichen Verkehrsraum zu gelangen, ist ein äußerst gefahrenträchtiger Vorgang, der daher mit gesteigerter Sorgfalt durchgeführt werden muss.
Das bedeutet, dass jegliche Behinderung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sein muss.
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Weiterführende Links:
Grundstückseinfahrt
Grundstücksausfahrt
Der Anscheinsbeweis spricht für das alleinige Verschulden eines ein Grundstück verlassenden Kfz-Führers
Stichwörter zum Thema Parken
Unberechtigtes Parken eines Dritten auf Privatgelände und privates Abschleppen
Parken vor dem eigenen Grundstück
Parken vor fremden Grundstücken
Anscheinsbeweis - Beweis des ersten Anscheins - Beweis prima facie
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Allgemeines:
BGH v. 04.03.1971:
Der Begriff "Grundstückseinfahrt und Grundstücksausfahrt" in StVO § 16 Abs 1 Nr 5 jetzt StVO J: 1970 § 12 Abs 3 Nr 3, setzt nicht voraus, dass die Bordsteine des Gehweges, über den die Einfahrt und Ausfahrt führt, zur Fahrbahn hin abgesenkt sind.
KG Berlin v. 13.01.1975:
Volle Haftung des aus einer Grundstücksausfahrt Kommenden, wenn der Bevorrechtigte ausweichen muss und dabei gegen geparkte Fahrzeuge gerät.
KG Berlin v. 22.03.1976 gegen OLG Düsseldorf v. 14.01.1980:
Keine Anwendung der Grundsätze über den Lückenunfall an Grundstücksausfahrten?
KG Berlin v. 11.01.1996:
Ein Fahrradfahrer, der auf dem Fahrrad fahrend eine vierspurige Straße überqueren will, um - nach anhalten auf der Fahrbahnmitte - auf der anderen Straßenseite nach links auf den dort befindlichen Radweg aufzufahren, handelt grob verkehrswidrig. Stößt er dabei auf der gegenüberliegenden Fahrbahnhälfte mit einem Fahrzeug zusammen, das aus einer Grundstücksausfahrt ebenfalls auf die gegenüberliegende Fahrbahn nach links einfahren will, so trägt der Radfahrer einen Mitverschuldensanteil in Höhe von 2/3.
KG Berlin v. 12.02.1998:
Die Grundsätze über den Lückenunfall finden an Grundstücksausfahrten keine Anwendung.
KG Berlin v. 06.03.2003:
Ist derjenige, der aus einer Grundstücksausfahrt in den fließenden Verkehr einfährt, infolge Alkoholgenusses absolut fahruntauglich, und kommt es sodann zu einem unklaren Unfall, dann trifft ihn bei der Haftungsabwägung nur dann ein Mitverschulden, wenn sich seine Alkoholisierung ursächlich auf das Unfallgeschehen ausgewirkt hat.
OLG Köln v. 19.07.2005:
Der Beweis des ersten Anscheins spricht für ein Verschulden des Verkehrsteilnehmers, wenn dieser einen Verkehrsunfall bei der Ausfahrt aus einem Grundstück verursacht. Dies gilt selbst dann, wenn der Ausfahrende entsprechend seiner Darstellung ca. 2 - 3 Minuten in der Position gestanden hat, in der es zu dem Unfall gekommen ist (Haftungsverteilung 2/5 zu 3/5 zu Lasten des Ausfahrenden).
AG Berlin-Mitte v. 19.12.2007:
Muss ein Motorrollerfahrer wegen eines das Gelände einer Tankstelle verlassenden Kfz scharf bremsen und kommt dadurch zu Fall, ohne dass es zu einer Berührung der Fahrzeuge kommt, haftet der aus dem Grundstück Ausfahrende aus der Betriebsgefahr des Kfz (Haftung hier: 100%).
OLG München v. 06.02.2009:
Maßgebend für die verkehrsrechtliche Einordnung als Ausfahrt ist das Gesamtbild der äußerlich erkennbaren Merkmale bzw. die nach außen in Erscheinung tretende Verkehrsbedeutung. Allein die Tatsache, dass die Grundstücksausfahrt nicht durch eine Bordsteinkante von der Straße abgegrenzt wird, führt noch nicht zu der zwingenden Folge, dass es sich um eine Straße im verkehrsrechtlichen Sinn handeln müsste.
OLG Rostock v. 10.12.2010:
Der Führer eines landwirtschaftlichen Gespanns, der von einem Grundstück auf eine öffentliche Straße einbiegt, in die er ca. 90 m weit einsehen kann, muss sich - um den Beweis der Unabwendbarkeit gem. § 17 Abs. 3 StVG zu führen - eines sog. Einweisers bedienen. Einem "Idealfahrer" muss in einer solchen Verkehrssituation bewusst sein, dass sich auf der vorfahrtsberechtigten Kreisstraße Fahrzeuge mit hoher Geschwindigkeit nähern können, denen er mit Sicherheit die Vorfahrt nehmen würde. Der bevorrechtigte Motorradfahrer haftet jedoch zur Hälfte mit, wenn er in einer landwirtschaftliche geprägten Gegend nicht mit angepasster Geschwindigkeit auf Sicht fährt.
BGH v. 20.09.2011:
Das Befahren der linken Fahrbahn durch den am fließenden Verkehr teilnehmenden Fahrzeugführer beseitigt nicht die Verpflichtung des aus einem Grundstück auf die Straße Einfahrenden, dem fließenden Verkehr den Vorrang zu belassen und diesen nicht zu behindern. Den gegen das Rechtsfahrgebot verstoßenden Kfz-Führer trifft keine Mitschuld.
OLG München v. 16.03.2012:
Dass ein aus einer Grundstücksausfahrt kommender Kfz-Führer noch vor der Vorbeifahrt des Fließverkehrs wieder zum Stillstand kommt, ändert am Verstoß gegen § 10 StVO nichts, wenn jedenfalls der Bordstein überfahren wird. Dies ist ein Ausfahrmanöver i. S. d. § 10 StVO mit der Folge des entsprechenden Anscheinsbeweises. § 10 StVO knüpft nicht an die ununterbrochene Bewegung des einfahrenden Kraftfahrzeugs, sondern an das Eindringen aus einem Grundstück auf eine dem durchgehenden Verkehr dienende Fahrbahn an, weshalb es unerheblich ist, ob es während dieses Vorganges zu kurzen Zwischenstops kommt, um den bevorrechtigten Verkehr zu beobachten oder passieren zu lassen. Das Einfahren ist erst beendet, wenn sich das Fahrzeug endgültig in den fließenden Verkehr eingeordnet hat oder wieder auf der Straße verkehrsgerecht abgestellt worden ist.
LG Duisburg v. 26.03.2015:
Fährt ein Fahrer aus einem Grundstück auf die Fahrbahn ein und kommt es im Zusammenhang mit dem Auffahren auf die Straße zu einem Unfall, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der in den fließenden Verkehr hineinfahrende Kraftfahrer die ihm obliegende gesteigerte Sorgfaltspflicht nicht beachtet hat.
Grundstücksunfälle mit Ausparker:
Stichwörter zum Thema Parken
LG Saarbrücken v. 10.12.2010:
Im Verhältnis eines rückwärts aus einer Parklücke auf die Fahrbahn Ausfahrendem zu einem Kfz-Führer, der aus einem Grundstück kommend ebenfalls in den fließenden Verkehr einfährt, kommt die Vorschrift des § 9 Abs. 5 StVO ebenso wenig wie die Vorschrift des § 10 StVO, wonach auch der aus einem Grundstück in die Fahrbahn Ausfahrende zur höchstmöglichen Sorgfalt verpflichtet ist, unmittelbar zur Anwendung. Der Haftungsanteil des rückwärts Fahrenden kann bei einer Kollision 80% betragen.
AG Würzburg v. 04.01.2011:
Kollidiert ein aus einer Ausfahrt rückwärts herausfahrendes Fahrzeug mit einem am Straßenrand im absoluten Halteverbot abgestellten Fahrzeug, so tritt die durch das Abstellen des Fahrzeugs im absoluten Halteverbot erhöhte Betriebsgefahr des Fahrzeug nicht zurück und führt zu einer Haftungsverteilung von 75% zu 25% zu Lasten des Rückwärtsfahrenden.
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Grundstücksunfälle mit Fußgänger:
Stichwörter zum Thema Fußgänger und Fußgängerunfälle
OLG Hamm v. 25.08.1994:
Zur Haftungsverteilung bei einer Kollision zwischen einem aus einem Grundstück ausfahrenden Kfz und einem die Fahrbahn überquerenden Fußgänger.
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Grundstücksunfälle mit Mofa-Fahrer:
Mofa
OLG Saarbrücken v. 03.08.2017:
In Bezug auf § 10 Satz 1 StVO gelten für einen 15-jährigen Mofa-Fahrer keine geringeren Sorgfaltsanforderungen, weshalb die Haftungsabwägung im Einzelfall auch dann zu seiner vollen (Mit-) Haftung führen kann, wenn beim Einfahren nach links ein Zusammenstoß mit einem von links kommenden Pkw des fließenden Verkehrs erfolgt.
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Grundstücksunfälle mit Motorradfahrer:
Unfälle mit Kradbeteiligung - Motorradunfälle
OLG Köln v. 02.01.2012:
Verlässt ein Kfz-Führer eine Grundstücksausfahrt rückwärts, haftet er für den Schaden eines bevorrechtigten Motorradfahrers voll, sofern nicht feststeht, dass der Unfall durch eine Ausweichbewegung des Kradfahrers hätte vermieden werden können.
OLG Köln v. 16.05.2013:
Kommt es zu einem Unfall zwischen einem mit 15 km/h über der erlaubten Höchstgeschswindigkeit fahrenden Kradfahrer und einem eine Grundstücksausfahrt verlassenden Traktor, dessen Führer den herannahenden Motorradfahrer unabhängig von dessen Geschwindigkeit durch Vorbeugen seines Körpers hätte sehen können, kann eine hälftige Haftungsverteilung angemessen sein.
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Grundstücksunfälle mit Radfahrer:
Stichwörter zum Thema Fahrrad und Radfahrer
Unfälle zwischen verbotswidrig den Gehweg benutzendem Radfahrer und einem ein Grundstück verlassenden Kfz-Führer.
KG Berlin v. 11.01.1996:
überwiegende Haftung (2/3) eines Radfahrers, der aus einer Grundstücksausfahrt heraus die Straße fahrend, statt laufend überquert, bei Kollision mit einem ebenfalls aus einer Grundstücksausfahrt kommenden linkseinbiegenden Kfz.
OLG Naumburg v. 24.03.2010:
Bleibt ungeklärt, ob zwischen dem Verlassen einer Grundstücksausfahrt durch einen Kfz-Führer und einem zum Sturz führenden Bremsmanöver eines auf einem kombinierten Rad- und Gehweg sich nähernden Radfahrers ein enger zeitlicher und örtlicher Zusammenhang besteht, dann finden die Grundsätze des Anscheinsbeweises keine Anwendung. Die Rechtsfrage, ob es zur Annahme eines Beweises des ersten Anscheins nur kommen kann, wenn es zu einer Berührung zwischen Kfz und Rad gekommen ist, bleibt unentschieden.
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Grundstücksunfälle mit Rotlichtfahrer:
Stichwörter zum Thema Rotlichtverstöße
OLG Hamm v. 20.09.2010:
Eine Lichtzeichenanlage bezweckt regelmäßig nicht auch den Schutz des aus angrenzenden Grundstücken auf die Straße einfahrenden Fahrzeugverkehrs. Kommt es zu einer Kollision des unter Verletzung des § 10 StVO in die Straße einfahrenden Fahrzeugs mit einem zuvor gegen das Haltegebot einer Lichtzeichenanlage nach § 37 StVO verstoßenden Fahrzeugs, kann gleichwohl die Betriebsgefahr des letztgenannten Fahrzeugs aufgrund des vorangegangenen Rotlichtverstoßes so erhöht sein, dass sie im Rahmen der Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge nicht zurücktritt.
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Grundstücksunfälle mit Rückwärtsfahrer:
Rückwärtsfahren
AG Erfurt v . 01.04.1996:
Haftungsanteil eines aus dem Grundstück Ausfahrenden bei einer Kollision mit einem auf der Straße rückwärts fahrenden Kfz beträgt 2/3.
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Grundstücksunfälle mit Überholer:
Stichwörter zum Thema Überholen
OLG Hamm v. 07.03.2014:
Zur Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge des aus einem Grundstück auf die Straße einbiegenden Verkehrsteilnehmers, der unmittelbar danach nach links in eine Straße abbiegen will, und dem ihn überholenden Fahrzeugführer.
OLG München v. 31.03.2017:
Ein Kraftfahrer, der an einer Einmündung durch eine ihm gewährte Lücke einer wartenden Schlange hindurch die Gegenfahrbahn befahren will, um nach links abzubiegen, muss allen Fahrzeugen auf allen dort befindlichen Fahrspuren die Vorfahrt gewähren. Kann er den nicht von der Kolonne in Anspruch genommenen Fahrbahnteil nicht zuverlässig einsehen, darf er sich nur langsam „hineintasten“. - Das bedeutet, dass er sehr langsam („zentimeterweise“, „unter Schrittgeschwindigkeit“), stets bremsbereit einfährt und bei gegebenem Anlass sofort bremst. Kommt es zu einer Kollision, steht eine festgestellte Kollisionsgeschwindigkeit des Einfahrenden von 12 km/h der Annahme eines „Hineintastens“ entgegen (Mithaftung des eine Koilonne Überholenden 1/3).
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Grundstücksunfälle mit Wendendem:
Wenden
AG Bad Segeberg v. 08.11.2012:
Kommt es zwischen einem links in eine Grundstückszufahrt abbiegenden Verkehrsteilnehmer und einem rückwärts zum Zwecke des Wendens in die Grundstückszufahrt eingefahrenen Verkehrsteilnehmer zu einer Kollision und bleibt der genaue Unfallhergang unaufklärbar, ist eine Haftungsquote von 50:50 zugrunde zu legen.
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Parkplatzausfahrt:
Stichwörter zum Thema Halten und Parken
Parkplatz-Unfälle
OLG Koblenz v. 10.07.2006:
Beim Auffahren von Parkplätzen auf die Straße muss sich ein Kraftfahrer so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Kommt es beim Verlassen des Parkplatzes durch Einbiegen nach links in die Straße zur Kollision mit einem auf der Straße fahrenden Fahrzeug, dann spricht der erste Anschein dafür, dass der in den fließenden Verkehr hinein fahrende Kraftfahrer die ihm dabei obliegenden Sorgfaltspflichten nicht beachtet hat. Dieser haftet dann grundsätzlich allein für die Folgen. Zumindest wenn ein Mitverschulden des Unfallgegners nicht nachgewiesen werden kann, tritt auch dessen Haftung aus der Betriebsgefahr seines Fahrzeugs zurück.
LG Duisburg v. 26.03.2015:
Der Fahrer, der aus einem Parkplatzgelände kommend nach links abbiegen will, muss beim Einfahren in den fließenden Verkehr nicht nur auf den von links herannahenden Verkehr achten, sondern sich auch vergewissern, dass auch von rechts keine Fahrzeuge herannahen, die ihn veranlassen könnten, den Einfahrvorgang in den fließenden Verkehr abzubrechen und mittig auf der Straße stehen zu bleiben, um rechts herannahenden Fahrzeugen Vorfahrt zu gewähren.
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Tankstelle:
Tankstelle - Tankstellengelände
LG Krefeld v. 12.05.2016:
Gegen einen Linksabbieger spricht im Falle eines Verkehrsunfalls mit einem Geradeausfahrer der Beweis des ersten Anscheins, dass er den Verkehrsunfall allein verschuldet hat. Dies ist dar Fall, wenn ein Motorradfahrer in unmittelbarem zeitlichem und räumlichem Zusammenhang mit der Kollision mit einem linksabbiegenden Radfahrer ein gegenüberliegendes Tankstellengelände verlassen hat und nicht feststeht, dass er für den Radfahrer bei Beginn des Abbiegevorgangs bereits als entgegenkommender Fahrer erkennbar war oder ob er sich zu dieser Zeit noch auf dem Tankstellengelände befand.
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